Montag, 10. September 2018
Ich hatte ja schon unlängst unter dem reißerischen Titel »Schaurige Schönheiten« ein paar schwarzgeweißte Fotos aus dem heurigen Urlaub als Appetitanreger gezeigt. Heute nun soll endlich etwas Farbe in die Erinnerungen an eine wunderbare Reise gebracht werden. Gleich vorneweg: Auch wenn in Transsilvanien alias Siebenbürgen mancherorts mit abstrusen Dracula-Legenden versucht wird, den Tourismus zu befeuern [1], die Realität ist eher bunt als düster und Blutsauger gibt’s dort wie hier wohl primär im Finanzgewerbe. Dennoch muß erneut zugegeben werden, daß wir Rumänien ohne die Anregung durch unsere befreundete und bilinguale Nachbarin Almut S. wohl niemals ernsthaft als Reiseziel erwogen hätten: Ein paar unverifizierte Vorurteile hat man halt doch irgendwie im Hinterkopf gehabt...
Besagte Nachbarin war nun schon eine gute Woche vor uns im Auto mit Mann, zwei Töchtern, einem Hund und allerlei Hausrat losgefahren, der zonebattler und seine bessere Hälfte flogen später mit nur einem einzigen Koffer beladen hinterher. [2] Am Flughafen von Sibiu (Hermannstadt) [3] vereinigte sich die Fürther Nachbarschaft und steuerte das etwa 80 km entfernte Richiș (Reichesdorf) an:
Unsere Nachbarn waren dort nicht zum ersten Mal (wir jetzt vermutlich auch nicht letztmals) und führten uns in die örtlichen Gegebenheiten ein. Wobei sich das Dorfleben sehr übersichtlich darstellte und der Aufenthalt dort entsprechend entspannend und entschleunigend. Zur Geschichte Siebenbürgens ist zusammenfassend zu sagen, daß dort mehr als 850 Jahre lang Rumänen, Ungarn, Zigeuner, Juden und deutsche Einwanderer friedlich nebeneinander her lebten – zwar in weitgehend geschlossenen Parallelgesellschaften, aber eben mit Respekt vor den jeweils anderen und sich nicht gegenseitig an die Gurgel gehend. Insofern kann die Gegend als leuchtendes Beispiel für die prinzipielle Möglichkeit einer weitgehend friedlichen Koexistenz verschiedener Volksgruppen, Ethnien und Religionen dienen. [4]
Heute sind die Spuren der deutschen Besiedlung der Gegend noch unübersehbar, die Siebenbürger Sachsen selbst allerdings nur noch in homöopathischer Dosierung ansässig: In zwei großen Auswanderungswellen in den 1970ern und nach 1990 sind die von großem Zusammengehörigkeitsgefühl geprägten Rumäniendeutschen aus Siebenbürgen nach Deutschland geschwappt und kommen heute überwiegend nur als »Sommersachsen« im Urlaub wieder für ein paar Wochen zurück ins Land ihrer Väter und der eigenen Vergangenheit. Natürlich auch nach Richiș, wo wir erstaunlich viele Autos mit deutschen Kennzeichen aus unserer Region sahen (FÜ, N, ER, SC, AN, ...). So sieht es in diesem typischen Straßendorf aus:
An der wechselnden Fassadenfarbe erkennt man sofort den immer wiederkehrenden Rhythmus aus Hofeinfahrt und Wohnhaus, der das straßenseitige Erscheinungsbild der Siebenbürgisch-Sächsischen Anwesen bestimmt. [5] Nach hinten gehen die Grundstücke sehr in die Tiefe und oft noch den Hang hinauf, so daß bei relativ schmaler Straßenfront viel Platz für Scheunen, Wirtschaftsgebäude, Ställe und Nutzgärten war. Interessierte LeserInnen mögen sich das mal vermittels Google Earth aus der Luft anschauen, die handtuchschmal erscheinenden Grundstücke fallen auf den ersten Blick ins Auge.
Was man leider auch sehr schnell registriert, sind die Spuren der Vernachlässigung, ja auch des Verfalls, dem die alten Häuser und Einrichtungen seit dem Auszug ihrer letzten deutschstämmigen Besitzer ausgesetzt sind: Auch wenn sich zwischendrin einige schöne Beispiele von behutsamer Instandsetzung und Renovierung finden (namentlich in Richiș haben sich großstadtmüde Menschen aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, England, Deutschland und sonstwoher recht preiswert eingekauft), so sind doch leider vielerorts etliche Anwesen leerstehend und in beklagenswertem Zustand. [6] Immerhin, in Richiș sieht es auf der Hauptstraße auch in der anderen Richtung noch (oder wieder) ganz gediegen aus:
Daß auf den beiden vorangegangenen Fotos nur ein Auto und ein Motorroller zu sehen sind, hat nichts mit beschaulichem Wochenende oder verkehrsarmen Tagesrandzeiten zu tun: Der motorisierte Individualverkehr ist auf dem Lande noch sehr überschaubar, hölzerne Fuhrwerke mit einer einzigen Pferdestärke vorne dran sieht man dort öfter als bereifte Bürgerkäfige aus Blech. Auch das ein Grund, warum uns die Sommerfrische in Siebenbürgen sehr gefallen hat.
Ein weiterer Grund waren die Begegnungen mit entspannten Menschen, seien es alte Sachsen, seien es junge Rumänen. Während wir mit den erstgenannten gut auf Deutsch über die früheren Zeiten plaudern konnten, konnten wir uns bei den zweitgenannten mit Englisch behelfen. Allerdings kann die völkerverständigende Eisbrecher-Rolle unserer »Dolmetscherin« Almut nicht stark genug betont werden, ohne deren Sprachkenntnisse uns manche Tür verschlossen und manches Erlebnis verwehrt geblieben wäre. Weitgehend wortloses Einvernehmen zum beiderseitigen Plaisir bestand (wie allerorts) zwischen dem zonebattler und seinen vierbeinigen Freunden. Hier sehen wir Entspannungsübungen von Herrn Paulchen, der uns während unseres Aufenthaltes ans Herz gewachsen ist und den wir nur unter Seufzen zurückgelassen (und einer ungewissen Zukunft überantwortet) haben:
Das kleine Paulchen wußte sich sehr anständig zu benehmen und sich damit den temporären Gästen im Ort nachdrücklich zu empfehlen. Sein charmantes Wesen brachte ihm viele Sympathien und sicherlich auch den einen oder anderen Leckerbissen ein. Anderen Hunden im Ort ging es weniger gut, denn man muß leider konstatieren, daß die Behandlung und Verwendung von Haus- und Nutztieren in Rumänien (wie fraglos auch in vielen anderen Ländern an Europas Peripherie) eher nicht den uns vertrauten Gepflogenheiten entspricht...
Hunde, Katzen, Hühner, Pferde, Kühe: In Siebenbürgens Dörfern läuft eine Menge Getier frei herum und weckte in unsereinem Erinnerungen an eine ferne Kindheit, als solche – aus Kindersicht paradiesischen – Verhältnisse auch in deutschen Landen Alltag waren. Überhaupt wurden in des Berichterstatters Gedächtnis allerlei verschüttete Erinnerungen aufgequirlt, als ihm typische Gerüche aus unbeschwerten Jugendtagen in die Nase stiegen, sei es das süßliche Aroma vergorener Trauben in einem behelfsmäßigen Weinkeller, sei es der üppige Geruchscocktail einer frisch gemähten Wiese mit großem Artenreichtum an Pflanzen. Unvermutete Flashbacks wie diese rührten den ollen zonebattler tatsächlich zu Tränen: Erstaunlich, was so alles irgendwo im Hinterkopf schlummern und nach einem halben Jahrhundert durch ein paar olfaktorische Schlüsselreize wieder aktiviert werden kann!
Richiș alias Reichesdorf war also unser zeitweiliges Zuhause, von dort aus unternahmen wir Wanderungen und kleine Expeditionen, per pedes, per Rad, per Pferdefuhrwerk oder per PKW. [7] Wobei es schon im Ort selbst und in dessen unmittelbarer Nachbarschaft viel zu entdecken gab für jemanden, der naturnahen Urlaub liebt und dem Trubel des städtischen Lebens zeitweise gerne entflieht.
Was einem sogleich auffällt außer dem typischen Erscheinungsbild der Häuser ist die Liebe der Rumänen (und wohl auch der im Lande verbliebenen Deutschen) zu Blumen. Allerorten leuchten bunte Blüten, nicht nur draußen am Wegesrand und in den Wiesen, auch innerorts an den Straßen, in den Höfen, vor den Häusern und nicht zuletzt auch an deren Fenstern:
Auch damit hatten wir nicht gerechnet: Unsere Reisen in südlichere Gefilde hatten wir immer im Frühling unternommen, um auf La Palma, Malta, Mallorca oder Teneriffa in den Genuß bunter Blütenpracht zu kommen. Im Spätsommer noch irgendwo üppiges Grün und farbenfrohe Blumen flächendeckend vorzufinden hätten wir nicht zu hoffen gewagt, zumal nicht nach diesem Dürre-Sommer in Deutschland. Ein weiterer Pluspunkt für unser neu entdecktes Reiseland Rumänien!
Nicht weniger üppig, wenn auch deutlich weniger schön wuchern überall die vom Menschen gelegten Adern des technischen Fortschritts: Strom‑, Telefon- und Internet-Kabel liegen nicht im Boden, sondern hängen in der Luft zwischen groben Betonmasten im weiland kommunistischen Brutalo-Design. Auch im Detail herrscht offenbar die Maxime »function first«, weshalb die Verstrickungen der Verstrippungen so aussehen, wie sie halt nun mal ausschauen:
Schön ist natürlich was anderes, aber ein gewisser Pragmatismus ist dem Landvolk ja überall auf der Welt zu eigen, ebenso wie eine souveräne Laxheit in ästhetischen Fragen. Nicht einmal der postmoderne Franke könnte sich hier guten Gewissens überlegen fühlen, kommt ihm doch allzuoft selbst ein schnodderiges »des dudd’s« über die Lippen...
Mit so einer Haltung kann man nicht nur ertragen, was feinsinnigen Geistern und kontrollbedürftigen Charakteren ein Greuel ist, nein, man kann sogar mit dem ungeplanten Werden und Vergehen um einen herum seinen Frieden machen. Und vielleicht sogar zu der Erkenntnis gelangen, daß die Natur nicht des Menschen Werk in zerstörerischer Absicht zu überwuchern angetreten ist, sondern ihm vielmehr ein Stück Schönheit zurückbringt in seine von ihm selbst ent-schönte kleine Welt:
Der westliche Wahn des Ausrottens allen Wildwuchses hat auf den (mäßig) wilden Osten glücklicherweise noch nicht übergegriffen, und unter anderem das macht den Charme Siebenbürgens aus. Der Exodus der Siebenbürger Sachsen (korrekterweise müßte man sie als rumänische Staatsbürger deutscher Nationalität titulieren) hat zwar vieles dem Niedergang überantwortet (von den Häusern über die berühmten Kirchenburgen bis hin zu den Weinbergen), indes wirkt der schleichende Fall auf den Besucher eher pittoresk und charmant sowie in der Regel nicht deprimierend. Wer Venedig kennt und dessen morbide Aura liebt, mag das nachvollziehen können. Übrigens sieht man von der real existierenden Armut in Rumänien selbst in den Städten deutlich weniger als in den urbanen Zentren im »reichen« Westen...
Als wahrlich reich anzusehen sind indes die Menschen, die zwar in bescheidenen, aber doch würdigen Verhältnissen zufrieden leben. Wie zum Beispiel jene Siebenbürger Sachsen, die weiland dem Herdentrieb widerstanden haben und in der angestammten Heimat zurückgeblieben sind. Wir durften solche kennenlernen. Aus Gründen der Diskretion zeige ich zur Illustration nur einen äußerlich Eindruck vom kleinen Paradies der bodenständigen Leute:
So, das war es dann für heute. Seitenlang über Siebenbürgen geplappert und nicht eine einzige Kirchenburg gezeigt! Macht aber nix, denn erstens bin ich ja schon in Vorleistung gegangen und zweitens macht(e) der Robert von nebenan ohnehin die besseren Bilder. Dafür ist der zonebattler zweifelsfrei die größere Plappertasche, so ergänzen wir beide uns prächtig. Im zweiten Teil geht es hier demnächst weiter mit bunten Ansichten und weiteren Schachtelsätzen aus dem Zentrum Rumäniens!
[1] Eine Strategie, die offenbar einigen Erfolg zeitigt. Immerhin hat das Anlocken unbedarfter Pauschal-Touristen mit depperten Draculantien den Vorteil, daß diese dann zumeist in den ohnehin überlaufenen und touristifizierten Städten verbleiben und sich eher selten ins noch weitgehend ursprüngliche Umland verirren...
[2] Von Nürnberg nach Sibiu (Hermannstadt) braucht ein Airbus der ungarischen Wizz Air noch nicht einmal zwei Stunden.
[3] In dieser Reiseberichterstattung werden Ortsnamen in offizieller rumänischer Schreibweise notiert, bei erstmaliger Nennung gefolgt vom deutschen Namen in Klammern.
[4] Diese vereinfachende Darstellung ist natürlich im Detail durchaus kritisch zu sehen. Beispielsweise hat sich in Deutschlands tausendjährigem Jahrzwölft der kollektive Rassenwahn auch unter den fernab des braunen Reiches lebenden Siebenbürger Sachsen breitgemacht. Dies näher auszuführen ist aber nicht das Thema dieser Urlaubs-Reprise.
[5] Was uns übrigens vor dem Urlaub nicht bekannt war: Die ursprünglichen »Siebenbürger Sachsen« kamen als willkommene Siedler aus dem Luxemburgischen, dem Rheinland und von der Mosel. Zu »Sachsen« machte sie der Weg über Mitteldeutschland, mit den »richtigen« Sachsen hatten und haben sie nichts zu tun. Ähnlich verhält es sich übrigens mit den »Banater Schwaben«, denen dieses mißweisende Etikett aufgeklebt wurde, weil die Auswanderer ihre Schiffsreise auf der Donau weiland in Ulm begannen...
[6] Landflucht ist natürlich auch in Rumänien ein Thema: Junge Leute zieht es in die Städte, wo es mehr Abwechslung und auch attraktivere Arbeit gibt (sprich besser bezahlte, zeitlich weniger ausufernde und nicht so körperlich anstrengende wie in der Landwirtschaft draußen)...
[7] Unsere Nachbarsfamilie aus Fürth hatte ja alles dabei (bis auf das Pferdefuhrwerk).
Freitag, 15. Mai 2015
Ein neuer Frühling, eine neue Insel: Nachdem der zonebattler und seine bessere Hälfte in den letzten Jahren schon allerlei Eilande bereist haben (namentlich La Palma, Malta samt Gozo sowie Mallorca), ward heuer wieder einmal eine Kanareninsel zum Ziel auserkoren: Teneriffa sollte es sein und damit eine Destination, welche man von der weiland Freien und Reichsstadt Nürnberg aus noch ohne lästiges und zeitraubendes Umsteigen erfliegen kann. Man wird ja bequem im Alter...
Der Ferienbomber startete nicht wie geplant und gebucht um 6:00 Uhr in der Früh’, sondern hob schon des Nachts um 3:40 Uhr in Frankens Metropole ab. Immerhin konnten wir dank dieser Terminverschiebung die letzte U‑Bahn des Vortages nehmen und mußten für den Transfer zum Flughafen weder auf Nachbarschaftshilfe noch auf ein Taxi zurückgreifen. Von daher hatte die kurze (und weitgehend schlaflose Nacht) auch ihr Gutes.
Nach knapp fünfstündigem Flug (mit kostenpflichtiger Verpflegung, dafür aber mit Gratis-Bazillen-Beaufschlagung durch Hundertschaften hustender Mitreisender) landeten wir auf dem internationalen Flughafen im heißen Süden Teneriffas. Ein Großteil der einschwärmenden Touristen bleibt dann auch dort in der Gegend, wird für die Dauer des Urlaubes in zu diesem Zwecke gebauten Großanlagen verstaut, mit Sonne und Mahlzeiten all inclusive versorgt und verstellt den an Land und Leuten interessierten Reisenden nicht den Ausblick auf das Wesentliche. Wir indes wurden mit einer Handvoll anderer Neuankömmlinge per Kleinbus in den Norden gefahren, zu unserer temporären Heimstatt in Puerto de la Cruz. Bevor wir aber in die Details einsteigen, sei zunächst – wie immer bei des zonebattler’s Reiseberichten – eine Landkarte mit den eingearbeiteten GPS-Tracks der während des Aufenthaltes zurückgelegten Wege eingebaut und vorgezeigt (Puerto de la Cruz liegt oberhalb von La Orotava direkt an der Küste):
Zugegeben, aus großer Höhe betrachtet schaut das nach nicht sonderlich viel aus für zwei Wochen des Wandelns und Wanderns. Es geht aber erstens recht gebirgig zu auf Vulkaninseln und zweitens sieht man die ganzen kleinräumigen Mäandrierungen der schweißtreibend zurückgelegten (Höhen-)Meter erst beim Hineinzoomen. Drittens mußten wir leider auch ein paar Tage krankheitshalber pausieren. Dazu später mehr.
Nach einer guten Stunde Kleinbusfahrt kamen wir – immer noch recht früh am Tage – in Puerto an und bezogen Quartier im Hotel »Monopol«, über das ich mich hier und heute lobend auslassen möchte. [1] Da das uns zugedachte Zimmer zur vormittäglichen Stunde noch nicht wieder bezugsfertig gemacht worden war, lud uns der am Empfangstresen persönlich präsente Chef umstandslos zum Frühstück ein (»Sie haben doch heute bestimmt noch nichts gegessen?)« und schickte uns nach dem Abstellen des Reisegepäcks zur Stärkung hinunter ins hauseigene Restaurant. Aber hallo! Der unverhoffte Service setzte nahtlos fort, worauf uns die blumige Dekoration an der Schwelle des altehrwürdigen Hauses (gebaut im 18. Jahrhundert, seit mehr als 75 Jahren im Familienbesitz des heutigen, deutschstämmigen Betreibers) schon sehr verheißungsvoll eingestimmt hatte...
Weder als erstklassiger Dienstreisender noch als budgetzimmerbeziehender Privatmann ist der zonebattler derlei Umsicht und Generosität gewöhnt, es macht halt offenbar doch einen Unterschied, wenn sich in inhabergeführten Etablissements die Besitzer und Betreiber höchstselbst um den Gast bemühen. Chapeau!
Der größte Aktivposten des Hotels aber – und deswegen breite ich mich auch so opulent darüber aus – ist die wunderbare Palmenhalle, ein überdachter Innnenhof, über dessen holzgefaßte Galerien auf drei Etagen die umliegenden Zimmer erschlossen werden. So sieht es aus, wenn man sich unten in der Halle auf einer Sitzgarnitur niederläßt und den Blick gen Himmel richtet:
Welch eine Pracht, was ein Raumerlebnis, was für eine »Aufenthaltsqualität«, um einen neumodischen Begriff aus dem Blubberbottich des Investorenvokabulars zu gebrauchen! Jede(r) meiner Fürther Leser(innen) wird nachvollziehen können, daß wir uns da sofort an den Festsaal des ehem. Parkhotels daheim erinnert fühlten, einen noch viel größeren baulichen Schatz, den nach langem Dornröschenschlaf leichthin dem Kommerz geopfert zu haben ich unserem *piep* Oberbürgermeister und seinem *pieeeeeeeeeep* Stadtbaurat bis an mein eigenes Ende nimmermehr verzeihen werde. Ja, hier im fernen Puerto de la Cruz wurde uns unversehens im kleinen Maßstab vor Augen geführt, was für ein architektonisches Kleinod wir da hatten, verkannt von den Politikern, verleumdet gegenüber der Öffentlichkeit, verraten von der Gier der Investoren. Aus, vorbei, auf immer dahin...
Bezaubert vom großzügigen Raumeindruck einerseits, betrübt durch den sich aufdrängenden Vergleich mit fürtherischer Ignoranz andererseits, stellten wir die Koffer in unserer nunmehr freigegebenen Stube ab und schauten uns zunächt einmal die Dachterrasse an, von der aus man wunderbare Panoramablicke auf das nahe Meer und auf das eindrucksvolle vulkanische Gebirge im Hinterland werfen kann. Da der Autor freilich nur ungern ablichtet, was in jedem Ansichtskartenständer dutzendfach wohlfeil ist, muß sich die geschätzte Leserschaft einmal mehr mit einem nach assoziativ-ästhetischen Kriterien ausgewählten Realitäts-Ausschnitt begnügen:
Mit der eigenen Kemenate konnten wir mehr als nur zufrieden sein: Solides Bett, geschmackvolles Mobiliar, ein frisch renoviertes Bad. Das Fehlen eines Balkons – das offenbar einzige »Manko« gegenüber den höherpreisigen Zimmern – wird von uns Frischluft-Fanatikern regelmäßig nicht als Nachteil empfunden, wir pflegen ja unseren Urlaub primär in der Landschaft zu verbringen und nicht in der Herberge. Damit vorerst genug des Lobes über unser traditionsreiches Hotel; ein paar weitere Bemerkenswertigkeiten gedenke ich bei passender Gelegenheit in späteren Folgen meiner Berichterstattung einzustreuen...
Jetzt aber erstmal ein kleines Nickerchen gemacht (im Flieger war man nicht so recht zum Dösen gekommen wegen steten Herumhustens erkälteter Passagiere einerseits und ambulanter Verkaufsveranstaltungen des Bordpersonals andererseits) und dann das Hotel erstmals zur Erkundung der näheren Umgebung verlassen. In Ermangelung feinsandiger Strände gibt es in Puerto keinen überbordenden Badebetrieb zu beobachten, aber wer die Sonne sucht, die Seeluft schätzt und das Rauschen der Wellen liebt, der findet schon ein genußreiches Plätzchen zum Entspannen, beispielsweise auf einer gediegenen Befestigungsmauer unweit des kleinen Hafens:
Unter »Hafen« darf man sich übrigens auf den Kanaren nicht das Gleiche vorstellen wie auf mediterranen Inseln: Hier liegen keine Hundertschaften kleiner Segelboote und Fischerkähne Seite an Seite, hier hat nicht jede(r) ein eigenes Schifflein an der Leine baumeln: Hier ist man im Atlantik und nicht im mare nostrum, der »richtige« Ozean ist kein Tummelplatz für Freizeit-Kapitäne. Der zonebattler durfte am eigenen Leibe erfahren, daß des Atlantiks Wellen einiges Überraschungspotential bieten und den arglosen Küstenwanderer sehr plötzlich und sozusagen aus dem Stegreif durchnässen können, und das mit einiger Verve: Zosch!
Unter diesen Umständen mag es verständlich erscheinen, daß manche Urlauber dem unberechenbaren Ozean den Rücken kehren und im lieber Schutze der aus schwarzem Tuffstein gebauten Trutzmauern im Trockenen sitzen und landeinwärts sinnieren:
Worüber die Herrschaften wohl nachgedacht haben mögen? Vielleicht über etwas Abwechslung in der Tagesgestaltung, die für Fußfaule oder altersbedingt nurmehr eingeschränkt mobile Leute typischerweise aus Essen, Einkaufen, Bummeln, Zeitungslesen und Dösen besteht (in leicht varierenden Abfolgen und Szenenbildern). In der Tat vermag die pittoreske Altstadt von Puerto de la Cruz nur für ein paar Tage Neues zu bieten, dann dürfte man – sofern man planlos in den Tag hineinlebt – der Mischung aus Läden, Restaurants und ambulanten Gewerben überdrüssig werden. Wobei zur Ehrenrettung der Stadt doch betont werden muß, daß sie im Inneren noch authentisch und mehr von Einheimischen als von Touristen bevölkert ist. In den riesigen Hotelburgen drumherum sieht das natürlich anders aus...
Aber die lassen wir zunächst einmal beiseite und schlendern stattdessen in der Altstadt herum. Schnell wird deutlich, daß die Spanier es bunt und farbenfroh mögen. Gerne wird die eigene Finca stark kontrastierend von der benachbarten Behausung abgesetzt:
Mitunter fallen die flächig-plakativen Farbkontraste dermaßen schrill-schreiend aus, daß man die visuelle Plärrerei kaum auszuhalten vermag. Wer bis hierher geduldig mitgelesen und sich dabei längst gefragt hat, warum ich denn den Miniatur-Kontinent Teneriffa ausgerechnet als »Lärminsel« zu titulieren mir herausnehme, findet in dieser Beobachtung einen ersten Hinweis auf das namensgebend Kreischende, welches sich beileibe nicht nur akustisch äußert, sondern eben auch optisch und olfaktorisch und da nicht weniger nervtötend penetrant. Im weiteren Verlauf meiner auf sieben Teile angelegten Serie wird es dazu noch einiges zu sagen bzw. zu schreiben geben...
Bleiben wir noch etwas in Puerto de la Cruz, schauen wir uns ein wenig am Rande der Altstadt um, wo das wohlproportionierte Erscheinungsbild der erkennbar von städteplanerischer Weitsicht vergangener Jahrhunderte geprägten Straßen, Gassen und Plätze auszufransen beginnt, wo renditeoptimierte Wolkenkratzer in die Höhe sprießen, die einen als Hotel konzipiert, die anderen als Konglomerat von Eigentumswohnungen resp. ‑Apartments wie beispielsweise dieser Klotz hier in der Nähe der (seit Jahren wegen Baufälligkeit geschlossenen und ruinös dahinbröckelnden) Busstation [2]:
Nee, sowas wollte sich der Verfasser dieser Zeilen nicht als »Wertanlage« an die Backe binden. Wozu auch für allenfalls drei Wochen im Jahr in eigenen vier Wänden hausen (bei ganzjährig laufenden Kosten), wo es doch so einladende Gast-Stätten wie das »Monopol« gibt?
Soviel für heute, soviel zu unseren ersten Eindrücken von der größten Insel des kanarischen Archipels. In der nächsten Folge gucken wir uns dann nochmals in der näheren Umgebung unseres mit Bedacht gewählten Urlaubs-Hauptquartieres um, bevor wir uns dann zu ersten Wanderungen ins Umland aufmachen...
[1] Der Endesunterfertigte legt Wert auf die Feststellung, daß er weder aktiv bestochen worden ist noch seinerseits proaktiv um Vergünstigungen nachgesucht hat mit Hinweis auf die publizistische Heraushebung des spendablen Unternehmers. Wenn unsereiner Empfehlungen abgibt, dann ausschließlich aufgrund positiver Erlebnisse als regulärer Reisender. Zudem wäre es die schiere Hybris, seinem eigenen, letztlich banalen Befindlichkeits-Blog irgendeine werbewirksame Relevanz zuschreiben zu wollen!
[2] Das mit der omnipräsenten Ruinen-Romantik ist auch so eine eigenartige Sache: Immer wieder stößt man auf relativ junge Gebäude, Anlagen und Einrichtungen, die nach ihrer (teilweise mit EU-Geldern geförderten) Errichtung und Inbetriebnahme offenkundig nicht weiter instandgehalten und gepflegt werden: Aus kleinen Schäden werden dann schnell große, und irgendwann wird das marode Objekt dann aufgegeben, günstigstenfalls abgerissen und durch etwas Neues ersetzt. Die ökonomisch wie ökologisch hanebüchene Mentalität dahinter wird sich unsereinem nie erschließen...
Sonntag, 28. September 2014
Abb. 1: Bananenstaude in einer Plantage auf La Palma (Kanaren) |
Abb. 2: Bananenstaude im Stadtpark von Fürth (Bayern) |
Als ich vor gut 15 Jahren nach Fürth gezogen bin, war ich sehr angetan vom Understatement einer kleinen Großstadt, die – eingeklemmt zwischen den uneinholbar reichen Stiefschwestern Erlangen und Nürnberg – ihren eigenen, ehrlichen und bodenständigen Weg zu suchen schien.
Heute blicke ich enttäuscht und ernüchtert auf eine provinzielle Kommune, die ihr »Tafelsilber« – namentlich ihr architektonisches Erbe – verschleudert, und in der längst nicht mehr die gewählten Politiker, sondern Bauträger, Investoren und andere Vertreter von Partikularinteressen die Marschrichtung zu bestimmen scheinen.
Kein Wunder, daß in solchen Verhältnissen längst auch die Bananen gedeihen... |
Freitag, 1. August 2014
Auf den Tag genau drei Monate nach seiner Rückkehr aus dem Jahresurlaub rafft sich der faule zonebattler jetzt endlich zur längst überfälligen Berichterstattung über denselben auf! Nachdem er die – gleichfalls trägheitshalber vor sich hergeschobene – Bildsichtung, ‑ausmistung und ‑bearbeitung nunmehr endlich abgeschlossen hat, wäre eine weitere Verzögerung nicht mehr plausibel zu begründen. Allenfalls eine schleichende Adaptierung des mediterranen Lebensgefühls könnte dafür herhalten, den Schlendrian zu entschuldigen...
Womit ein guter Einstieg gefunden wäre: Nach den Bereisungen der »Schatzinsel« La Palma und der »Verkehrsinsel« Malta (nebst Gozo) stand diesmal mit Mallorca erneut ein entspannter Insel-Aufenthalt auf dem Reiseplan. [1] Zwar war der Autor dieser Zeilen vor einem knappen Vierteljahrhundert (und in einem früheren Leben) schon mal nebenan auf Menorca tauchurlauben, aber auf die Trauminsel der Deutschen zog es ihn heuer zum ersten Male. Die mannigfaltigen dort erlebten, teilweise schier unglaublichen Überraschungen geben der auf acht Teile angelegten Artikel-Serie ihren Namen.
Zum Einstieg sei wie so oft ein Lageplan mit den im Urlaub zurückgelegten Wegen vorgezeigt (mit Dank an meinen kleinen GPS-Tracker):
Wie man sieht, beschränkten sich des zonebattler’s Erkundungs-Aktivitäten bei diesem erstmaligen Aufenthalt im Wesentlichen auf die Serra de Tramuntana und die Inselmetropole Palma de Mallorca. Knappe drei Wochen lang haben wir vor allem das Gebirge und die eher beschaulichen kleinen Orte darin erwandert und erfahren. Die vielfach kolportierten Auswüchse des Massen-Tourismus’ haben wir dabei übrigens weder gesucht noch gefunden...
Doch beginnen wir am Anfang: Mitte April ging es los, per pedes zur U‑Bahn, mit dieser zum Nürnberger Flughafen, von da aus non-stop und direkt mit Air Berlin auf und davon in Richtung Palma. Das europaweit schöne Wetter machte schon die Alpenüberquerung zum spektakulären Erlebnis:
Nach der Landung in Palma de Mallorca mußten wir ein wenig suchen, bis wir zu unserem Shuttle-Bus fanden, der uns und ein weiteres Paar dann umstandslos zu unserem Ziel brachte, dem kleinen Küstenort Port de Sóller an der Südwestküste des mallorquinischen Eilandes. Dortselbst bezogen der zonebattler und seine bessere Hälfte ihr Quartier in einem der preisgünstigeren Hotels direkt an der malerischen Uferpromenade und waren angenehm überrascht vom temporären neuen Heim.
Die arithmetisch nicht wirklich in die Sortierung der übrigen Zimmer passende Raumnummerierung ließ uns schlußfolgern, daß wir möglicherweise in einem erst später zum Hotelzimmer umgewidmeten Raum gelandet waren. Jedenfalls waren wir sehr zufrieden damit, zumal wir nach dem vorhergegangenen Studium von diversen Bewertungsportalen schon schlimme Befürchtungen gehegt hatten... [2]
Das Fenster ging zwar nicht zum Meer, sondern zum ruhigen Hof hinaus, aber das war uns einigermaßen schnuppe: Zum Ufer waren es draußen nur wenige Schritte, und drinnen guckten wir ohnehin eher in die mitgeführten Fensterchen zur virtuellen Welt als nach dem echten Ausblick.
In früheren Jahrhunderten schützen sich die Mallorquiner vor Piraten durch schlaue Anlage ihrer Siedlungen: Während die Häfen bewußt klein und unscheinbar gehalten wurden, baute man ein paar Kilometer im Hinterland die eigentlichen Orte, die von See aus nicht zu sehen waren (und es bis heute nicht sind). »Security by obscurity«, sozusagen. So verfuhr man auch im Falle von Port de Sóller, welches den Meereszugang für das etwa drei Kilometer landeinwärts gelegene Städtchen Sóller darstellt. Beide Gemeindeteile sind nicht nur durch Straßen und Wege, sondern seit 1913 durch eine schnuckelige Schmalspur-Straßenbahn verbunden, deren eine Endhaltestelle justament vor unserem Hotel-Eingang lag:
Nach Aussage von Freunden, die schon seit vielen Jahren immer wieder in diese Ecke der Insel reisen, kostete eine Straßenbahnfahrt vor zwölf Jahren noch läppische 50 Cent pro Nase und Richtung, was schwerlich kostendeckend gewesen sein dürfte, zumal die Zügelchen damals wohl primär von der einheimischen Bevölkerung frequentiert wurden und damit alles andere als ausgelastet waren. Dann kamen wohl findige Tourismus-Unternehmer auf die Idee, Tagestouren von Palma aus anzubieten und sowohl den nicht minder historischen Zug von Palma nach Sóller als auch die daran anschließende Straßenbahn als Attraktion zu vermarkten. Heute kostet die Passage mit der Bimmelstraßenbahn stolze 5,00 EUR pro Person, weshalb wir uns das Vergnügen in der ganzen Zeit unseres Aufenthalts genau einmal gegönnt haben (und ansonsten die Strecke mit Bus oder Auto gefahren, wenn nicht gar gelaufen sind)...
Die ersten Tage unseres Urlaubs verbrachten wir in und um Sóller herum. Das Städtchen ist der ideale Ausgangspunkt für Wanderungen aller Schwierigkeitsgrade, verfügt andererseits nicht über ausgedehnte Strände und auf ein junges Publikum ausgerichtete Freizeitangebote, so daß sich dort mehr mittelalte Wandersleute einfinden als Party-People auf der Suche nach vollen Sangria-Eimern. Uns war das sehr recht, und vielen anderen Reisenden auf der Suche nach Ruhe und Entschleunigung auch.
Ich persönlich war von der Ausdehnung des mallorquinischen Gebirgszuges der Tramuntana einigermaßen überrascht, und zwar sowohl in horizontaler wie auch in vertikaler Hinsicht. Das ließ schweißtreibende Touren erwarten (die später dann auch tatsächlich folgten). Wie schon in den Vorjahren erwies es sich da als umsichtig, die Reise im Frühjahr angetreten zu haben, wo die Tageshöchsttemperatur noch erträglich ist und die Vegetation üppig. Doch dazu später mehr.
Zunächst also erforschten wir auf Schusters Rappen die nähere Umgebung von Port de Sóller und krabbelten auf die umliegenden Hänge und Hügel. Immer wieder ergaben sich dabei reizvolle Aus- und Ansichten von postkartengeeigneter Pittoreskizität:
Bei dem dicken Knubbel da links oben über dem Hafen handelt es sich um einen alten Wach- und Wehrturm, die Torre Picada. Ansonsten sieht man recht schön das Dreiviertelrund der Bucht, die Strandpromenade und die sie säumenden Hotelbauten von durchwegs moderaten Ausmaßen. Den Hang hinauf gibt es Apartment-Häuser, von denen bei näherer Inspektion weit mehr unbewohnt leerstehen, als man meinen möchte. Wie auch anderswo in spanischen Landen ist da wohl viel am tatsächlichen Bedarf vorbei gebaut worden, aber irgendwer wird davon schon profitiert haben...
Zurück ans Ufer und an die Promenade, wo sich das Leben abspielt, welches »prall« zu nennen zumindest in der Vorsaison eine arge Übertreibung wäre. Viele Wassersport-Aktivitäten gab es im April noch nicht zu beobachten, manch’ einschlägiges Angebot stand noch weitgehend ungenutzt herum und diente primär als buntes Fotomotiv:
Bald fanden wir heraus, daß es auf der Insel hervorragendes Speieseis zu schlecken, ja es sogar in Sóller eine eigene Eisfabrik gibt. Als erklärter Gegner absurder Globalisierungsauswüchse sollte ich mir jetzt eigentlich den Hinweis darauf verkneifen, daß das heimische Spezialitäten-Label »Fet a Sóller« über den eigenen Online-Shop sogar Eis zur Lieferung von Mallorca nach Deutschland anbietet, aber mei, deklariert als virtuellen Appetizer zum Probieren vor Ort lasse ich mir die Inkonsequenz selbst mal durchgehen...
Jedenfalls ist es ein schönes Ritual zum Tagesausklang in Port de Sóller, sich vor die sonnengewärmte Mauer am kleinen Fet a Sóller-Eiscafé an der Strandpromenade zu setzen, ein Eis zu schlabbern und dabei den Sonnenuntergang zu betrachten: [3]
Nach Sonnenuntergang ist im Frühjahr nimmer viel los im Örtchen, die Hotelgäste verteilen sich auf die diversen Restaurants an der Promenade oder tappen noch ein wenig sinnierend am Strand entlang. Irgendwann nimmt die letzte Straßenbahn als »Lumpensammler« noch ein paar Leutchen mit, dann kehrt Ruhe ein.
Ruhe herrscht nunmehr auch hier, und ich beende meinen heutigen Beitrag mit einem Ausblick auf den nächsten, in welchem wir den Blick erweitern und uns etwas im Umland umtun wollen. Ein Vierteljahr wird es definitiv nicht dauern bis zur zweiten Folge meiner kleinen Reisereportage, das immerhin sei hier und heute versprochen! Da bin ich mentalitätsmäßig dann doch noch eher die deutsche Beamtenseele und nicht der mediterrane Lebenskünstler...
[1] Ja, ich weiß, La Palma und die übrigen Inseln der Kanaren liegen fernab des Mittelmeeres im Atlantik, sind aber dennoch so spanisch geprägt wie die Balearen und auch des milden Klimas wegen sozusagen »quasi-mediterran« in der Anmutung...
[2] Wobei es mit den Hotel-Bewertungen im Netz immer so eine Sache ist: Man findet für faktisch jedes Etablissement sowohl himmelhoch jauchzende wie grottig-grausame Kommentare. Die einen mögen von bestellten Claqueren kommen, die anderen von neidischen Konkurrenten lanciert sein. Manche Reisende können bizarr überzogene Ansprüche haben, andere sind – wie wir – eher genügsam, solange Bett & Dusche sauber und benutzbar sind. Pech kann man haben, Glück aber auch. Betreiber können wechseln, dito das Service-Personal. Kurzum: Man sollte sich im Voraus keinen großen Kopf machen und nicht allzu viel Zeit mit diesbezüglicher Recherche verschwenden.
[3] Bevor ortskundige Kenner(innen) jetzt triumphierend herumnölen: Ja, der Blick vom Eis-Café aus sieht etwas anders aus, man hat da nämlich Blick auf’s offene Meer hinaus, das Foto entstand zugegebenermaßen ein paar hundert Schritte rechts davon, aber nein, die ruhig-romantische Abendstimmung ist hier wie da die gleiche und ich nehme im Zweifelsfall lieber die schöneren Fotos, weil die meisten Blogbesucher(innen) erfahrungsgemäß nur die Bilder anschauen und meine mir dazu mühsam abgerungenen Zwischentexte eh nicht lesen. Selbst wenn ich resignierend seufzend Blindtext hinschrübe, würden es vermutlich die wenigsten merken...
Mittwoch, 26. September 2012
Ich wandelte weiland durch den wattig-wabernden Hochnebel von La Palma, als mein Handy schellte (schull? scholl?) und ein wildfremder Anrufer ausgerechnet Maulbeerbäume von mir kaufen wollte. Der Depp Gentleman hatte mit der Google-Bildersuche nach derlei Gewächsen gefahndet, mein Maulbeerbaumbild aus diesem Artikel in der Trefferliste ganz vorne gefunden und ohne weitere inhaltliche Lektüre meines Beitrages sofort geschlußfolgert, daß ich wohl Maulbeerbaumschulbetreiber wäre. Den Weg ins Impressum und damit zu meiner Telefonnummer hat er auch noch gefunden, und sogar zum Wählen derselben war er offenkundig in der Lage. Über seine sonstigen geistigen Fähigkeiten konnte und kann ich indes nur Mutmaßungen anstellen.
Fast hätte ich den Vorfall schon vergessen, aber heute erfuhr die Erinnerung daran plötzliche und unverhoffte Auffrischung: Wieder klingelte mein Mobilfernsprecher, wieder zeigte das Display eine mir gänzlich unbekannte Rufnummer, und wieder wollte ein Fremder etwas von mir haben, wenn auch diesmal nur zur Miete. Baugerüste wollte der Kollege aufstellen, ich wäre »im Internet« eindeutig als Lieferant genannt. Aha. Den genauen Such- und Findeweg wollte oder konnte mir der Begehrenträger nicht nennen, aber ich habe empirisch verifiziert, daß die google’sche Bildersuche unter dem Stichwort »Baugerüst« einmal mehr eines meiner Fotos an erster Stelle anlistet, und zwar das von jenem Beitrag hier. Auch aus dem geht freilich ebenfalls nicht wirklich hervor, daß ich Anbieter, Vertreiber oder auch nur Besitzer des gezeigten Objektes wäre.
Bin mal gespannt, ob und wie die kuriose Serie weitergeht. Vielleicht will ja jemand irgendwann mal meinen Dienstwagen mit 11.000 PS erwerben? Dann sollte ich ihm einen guten Preis nennen und mit dem Geld auf eine der von mir favorisierten Inseln abhauen, vielleicht auf die, auf der es keine Eisenbahn mehr gibt...
Sonntag, 10. Juni 2012
Ansichtskartenwürdige Aufnahmen an der Kitschgrenze entlang habe ich in der vorhergehenden Folge für diesmal versprochen, und so habe ich mich hingesetzt und eine Auswahl Fotos herausgesucht, in denen das Blau am blauesten ist! Früher hatte man für sowas einen für seine satten Farben bekannten Fuji Velvia Dialfilm mit 50 ASA in der Kamera, im digitalen Hier und Jetzt greift meiner einer gern auf die I2E-Optimierung von FixFoto zurück, um die draußen im prallen Leben vorhandene Farbintensität noch ein wenig zu betonen. Fangen wir mal an mit einem Blick über die Klippen auf das mare nostrum hinaus:
Ja, da kann man schon den Blues kriegen. Nicht minder satt ist übrigens das Grün der üppigen Vegetation, was den Frühling ganz klar zur besten Besuchszeit macht: Im Sommer ist es auf Malta viel zu heiß, um sich auf ausgedehnte Wanderungen zu begeben; im Herbst werden die Temperaturen zwar wieder erträgllicher, aber dann ist von der frischen Flora des Frühlings nichts mehr zu sehen und die Landschaft ist so trocken und so gelbgrau wie die steinernen Städte.
Und weil wir damit schon wieder den Bogen zurück in die Stadt geschlagen haben, schauen wir uns bei bestem Wanderwetter einen Ausschnitt aus den rund um Valletta allgegenwärtigen Festungsanlagen an:
Kurioserweise haben uns die Festungen und Bastionen immer wieder an die gleichfalls von italienischen Baumeistern errichtete Stadtmauer von Forchheim (Oberfr) erinnert, im deutlich größeren Maßstab, versteht sich. Aber das Prinzip der Verteidigungswälle mit sternförmig gezackten Vorsprüngen, Rücksprüngen, Wachtürmchen etc. ist hier wie da das gleiche. Der immense Aufwand, der hier in früheren Epochen betrieben wurde, legt ein beredtes Zeugnis ab von der strategischen Wichtigkeit Maltas über Jahrhunderte hinweg.
Doch verlassen wir die trutzigen Relikte kriegerischer Zeiten und wenden wir uns wieder der friedlichen Gegenwart zu. Im immer noch recht idyllischen Fischerort Marsaxlokk (das »x« wird zischend wie »sch« ausgesprochen) sind die bunten Boote der Fischer am frühen Nachmittag schon längst wieder eingelaufen und im Hafen vertäut:
Der dem Verzehr von Meeresfrüchten gemeinhin nicht zugeneigte Chronist hat sich den lokalen Gegebenheiten angepaßt und direkt an der Mole in einem der zahlreichen Restaurants einen Fischteller verspeist (ohne den Teller natürlich) und fand die drei verschiedenen Filets tatsächlich gar nicht mal so übel. Den Verzehr tentakelbehafteter Kopffüßler indes lehnt er weiterhin stringent ab, dafür mag er die intelligenten und verspielten Kraken und Tintenfische viel zu sehr leiden. Freunde ißt man nicht.
Zwei Tage später kamen wir erneut nach Marsaxlokk, welches diesmal den Endpunkt einer in Marsaskala beginnenden Wanderung darstellte. Unterwegs kamen wir an grandiosen Klippen vorbei, die den bekannten Kreidefelsen auf Rügen nicht ganz unähnlich sehen:
Kleiner Einschub: Im Vergleich zu unserem letzten Insel-Urlaub auf La Palma waren die Wanderungen auf Malta insgesamt weniger schlauchend (schon aufgrund der deutlich geringeren Höhenunterschiede und der Abwesenheit von unter dem Fuß wegrutschender Vulkanasche), weniger zivilisationsfern und damit unter dem Strich abwechslungsreicher. So verwundert es wenig, daß ich aus 2,5 Wochen auf Malta doppelt soviele Fotos heimgebracht habe als von drei Wochen auf La Palma...
In Marsaxlokk angekommen, zeigte sich der Himmel diesmal nicht mehr so diesig wie am Vorvortage, als das weiter oben gezeigte Foto vom Bootsgewimmel im Hafenbecken entstanden war. Diesmal war das satte Blau des Himmels kaum noch zu steigern, und so ergab sich endlich die Gelegenheit, das typische Reiseführermotiv schlechthin einzufangen und festzuhalten:
Ja, so ein poppiges Luzzu macht schon was her, erst recht, wenn sein beschützendes Horusauge so sorgfältig bemalt ist wie an dem gezeigten Exemplar! Einmal mehr war der zonebattler froh, sich für Perspektiven wie diese dank des Schwenkdisplays seiner Kamera nicht zu abenteuerlichen akrobatischen Verrenkungen herablassen zu müssen...
Kaum weniger pittoresk als die bunten Boote sind die elektrischen Installationen auf Malta, deren oberirdische Leitungsführung eher pragmatischen Erwägungen zu folgen scheint als den deutschen Sicherheitsvorschriften und den anerkannten Regeln der Technik: Wo einmal ein Kabel gespannt worden ist, kommt hier noch eins dazu und da noch eins dran, und ob das alles so witterungsfest und auf Dauer ungefährlich ist wie es sein sollte und müßte, ist doch mehr als fraglich. Egal, des Fotografen Auge erfreut das Spiel von Licht und Schatten jedenfalls:
Bei solchen und ähnlichen Anblicken (die Abwasserrohrführungen an den Außenwänden muten mitunter ähnlich abenteuerlich an) frage ich mich zuweilen, ob die Südländer nun zu lax oder wir Nordländer nur zu penibel sind in der Beurteilung und Handhabung infrastruktureller Angelegenheiten. Viel mehr Unfälle als bei uns scheint es andernorts ja auch nicht zu geben, was durchaus gegen eine übermäßige Reglementierung spräche. Andererseits muß das aushäusig angebrachte Material in unseren Breiten gemeinhin mehr aushalten, schließlich sind die Temperaturschwankungen übers Jahr gesehen größer. Wie dem auch sei, von Stromunfällen oder plötzlichen Wassereinbrüchen sind wir während unseres Urlaubs verschont geblieben...
So, nachdem ich heute den blauen Farbtopf aufgemacht habe, darf ein Schönwetterblick auf den Hafen von Valletta von der Festung gegenüber natürlich nicht fehlen:
Erstaunlich übrigens, das man selbst an vielgeknipsten und sehr beliebten Touristen-Highlights wie diesem Wachtürmchen selten ein Problem damit hat, »menschenleere« Ansichten abzulichten: Die Menge verläuft sich (wohl auch in des Wortes mehrfacher Bedeutung) in den Straßen und Gassen, man findet wenige Schritte abseits der Zentren schnell in ruhige und beschauliche Ecken...
Ein abschließender Sprung quer über die Insel in den Nordwesten führt uns zu einem prächtig restaurierten alten Palast, den ich hier gleichfalls vor des Himmels tiefster Bläue präsentieren möchte:
Dank geschickter Standortwahl des Fotografen verdeckt der alte Klotz in der Nähe der Stadt Mellieħa das weit weniger schöne Luxushotel dahinter, mit dessen Luxus es ausweislich diverser Bewertungsporale aber auch nicht mehr weit her sein soll. Nicht immer halten die Zustände im Inneren, was die Fassaden versprechen, aber das ist ja nicht nur auf Malta so.
Auch des zonebattler’s Einlassungen entsprechen nicht immer den selbstauferlegten Standards, das krampfhafte Entlanghangeln an der Farbe von Himmel und Wasser war vermutlich nicht der Weisheit letzter Schluß für einen einigermaßen leserlichen Reisebericht, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, daß die meisten meiner geschätzten LeserInnen ohnehin lieber bunte Bildchen anschauen als ellenlange Texte am Bildschirm studieren. Dennoch will ich natürlich auch die wirklich Wißbegierigen nicht verprellen und verspreche hiermit leichthin, mich in der nächsten Folge wieder etwas zusammenzureißen und gehaltvollere Sentenzen abzusondern.
Montag, 21. Mai 2012
Zwei Jahre nach seinem Urlaub auf der »Schatzinsel« zog es den zonebattler und seine bessere Hälfte heuer erneut auf ein sagenumwobenes Eiland: Malta war diesmal unser meeresumspültes Expeditionsziel. Zweieinhalb Wochen lang erforschten wir den mediterranen Inselstaat zwischen Sizilien und Afrika, und wie die übereinandergelegten GPS-Tracker-Daten zeigen, machten wir dabei auch einen kleinen Abstecher nach Gozo, der zweiten, deutlich kleineren (und ruhigeren) Hauptinsel des Archipels. Warum ich die mehrteilige Berichterstattung mit »Die Verkehrsinsel« überschreibe, wird später deutlich werden, wenn ich unsere schier unglaublichen Erfahrungen mit dem öffentlichen Nahverkehr dort in epischer Breite auswalze...
Map data: © OpenStreetMap contributors, powered by OpenRouteService
Nach knapp drei Wochen Urlaub da drunten gibt es ziemlich viel zu erzählen und auch manches im Bilde vorzuzeigen, allein wie Struktur hineinbringen und am besten anfangen? Starten wir doch einfach mal mit ein paar Spezialitäten und Wunderlichkeiten, die uns mehrfach und immer wieder, ja nachgerade ständig unter die Augen und vor die Füße gekommen sind. Zuvörderst ist das das bauliche Erbe der über 150-jährigen britischen Kolonialherrschaft: Die maltesiche Stadtarchitektur im georgianischen Stil ist trotz aller neuzeitlichen Kahlschläge zugunsten dubioser Appartement-Häuser oder gesichtsloser Hotel-Türme immer noch flächig präsent, und mit ihr die aus England bekannte Vielfalt an bunten Türen mit (mehr oder weniger) noblen Knäufen und Klopfern dran:
Nicht immer halten übrigens die um den polierten Türknauf herum gebauten Häuser, was die gepflegten Beschläge versprechen: So manches der nicht immer in Würde gealterten Gebäude wäre mit dem englischen Euphemismus »has seen better days« nur unzureichend beschrieben. Drum eben nicht die ganze Hütte gezeigt, sondern voll fett auf die Mitte der Haustür gezoomt, und schon ist die Welt – zumindest bildlich gesprochen – wieder in Ordnung...
Ohnehin unsichtbar ist dagegen die moderne Kommunikations-Infrastruktur in Form kostenloser und frei zugänglicher WLAN-Hotspots, im englischen Sprachraum Wi-Fi geheißen. In den touristisch geprägten Gegenden Maltas findet man alle paar Meter ein Lokal, eine Bar oder einen der global omnipräsenten Buletten-Brater, bei dem man sich zur gleichzeitigen Stillung von Kalorien- und Nachrichtenhunger temporär niederlassen kann. Die hierzulande gefürchtete und stets als Damoklesschwert über dem leichtsinnigen Routerbesitzer schwebende Betreiberhaftung ist im EU-Mitgliedsstaat Malta offenbar (noch?) kein Thema:
Wir machten von dem virtuellen Komfort reichlich Gebrauch, indem wir mit dem Smartphone fast täglich die eingegangenen Mails checkten, vor allem aber, um uns für den Leseabend im Hotelbett mit aktuellem Material zu versorgen: Daheim in der Heimat warf Freund Lexikaliker täglich »calibre« an, um uns die aktuellen Newsfeeds von FAZ.NET, Süddeutsche.de, ZEIT ONLINE und noch ein paar anderen gern aufgesaugten Quellen fein formatiert über den Äther auf mein stets mitgeführtes Lesebrettchen zu beamen. Tagsüber auf den Beinen und in der Fremde Neues zu entdecken, abends aktuellen Input aus der Heimat zu studieren, diese Mischung aus Fuß- und Kopfarbeit lernten wir zu schätzen...
Schätzen tut der zonebattler bekanntlich auch seine motorisierte Renngurke, und so war er hocherfreut, vierrädrige Cousins seines eigenen Vehikels (außerhalb des deutschen Marktes »Subaru Sambar« genannt) an allen Ecken und Enden der Insel herumflitzen (oder herumstehen) zu sehen:
Überhaupt finden sich auf Malta viele japanische Autos, die ausweislich diverser Aufkleber mit fernöstlichen Schriftzeichen offenkundig als Gebrauchtfahrzeuge nach Europa importiert worden sind. Da eine heimische Nachfrage nach bereits benutzten Fahrzeugen in Japan aus kulturellen Gründen kaum existiert, floriert der Verkauf nach Übersee in Regionen mit Linksverkehr und Rechtslenkung (wozu aus Gründen des britischen Erbes eben auch Malta gehört). Der Libero/Sambar ist jedenfalls der ideale Kleintransporter für die zuweilen engen Gassen und holperigen Straßen Maltas!
Weniger nachvollziehbar als die Liebe zu knuffigen Töff-Töffs ist der Hang maltesischer Baller-Männer zum Schießen auf alles, was Flügel hat und flattert. Jenseits der menschlichen Siedlungen stehen in der idyllischen Landschaft alle paar Meter provisorische und ziemlich schäbige Unterstände herum, und auch außerhalb der offiziellen Jagdsaison kann man dort die Spuren des für Vögel jeder Art und Größe tödlichen Getues schwerlich übersehen:
Für den gemeinen Malteken scheint das Pulverisieren von beweglichen Luftzielen nicht minder erregend zu sein als für die Spanier der Stierkampf. Ganze Populationen zwitschernder Luftikusse werden da weitgehend ausgerottet, für Zugvögel ist das Eiland mitten im Mittelmeer ja ein kaum zu vermeidender Zwischenstopp. Verwegene Tiefflieger könnten mit schneidigem Kurven in Bodennähe sicherlich dazu beitragen, daß sich die wilde Jägerschar durch friendly fire selbst dezimiert, so viele von denen sind da zugange mit dem Finger am Abzug ihrer Flinte...
So wie der Angler seine Lieblingsgewässer hat (und dort seiner Leidenschaft zumindest lautlos, wenngleich für seine Opfer nicht minder tödlich nachgeht), so scheint auch der Schrotschütze seine bevorzugten Reviere zu haben. Die Reiseführer behaupten jedenfalls frohgemut, daß die in der freien Wildbahn allerorten anzutreffenden Warn- und Verbotsschilder nicht auf den arglosen Wanderer gemünzt seien, sondern eher auf die (mehr oder weniger waidmännisch agierende) Konkurrenz mit Schießgewehr:
Wir haben das freilich nicht verifiziert und blieben stets diesseits der typographisch kruden Drohgebärden, es gab ja schließlich auch so genügend ungefährliche Möglichkeiten, das Land per pedes zu bestreifen.
Nun gut, nach diesen etwas befremdlich anmutenden Aspekten lokaler Sitten, Riten und Gebräuche wollen wir uns dann aber doch endlich und intensiv den Schönheiten der Inselgruppe zuwenden, und derer gibt es wirklich viele: Die Landschaft ist grandios, die kulturellen Zeugnisse vergangener Epochen sind es nicht minder, die Einheimischen freundlich, nahbar und umgänglich (jedenfalls die ohne Feuerbüchse im Anschlag). In der nächsten Folge spulen wir in Kürze noch einmal zurück und setzen mit der Air Berlin zum Landeanflug an auf den Staat mit der nominell größten Bevölkerungsdichte unseres Planeten!
Donnerstag, 16. September 2010
Gestern Nacht ist der zonebattler aus seinem zweiten Jahresurlaub retourniert. War der erste schon exotisch genug, so führte ihn der jüngste in noch unbekanntere Regionen. Wie üblich wird es hier in der Rubrik Expeditionen demnächst eine kleine Reise-Reprise geben. Vorher aber wollen Sachen verstaut, Klamotten gewaschen, Mails und Kommentare beantwortet, mehrere Neuzugänge auf der zweiten Baustelle redigiert, Pilze gesammelt und eine Vernissage besucht werden. Ich bitte daher noch um etwas Geduld...
Samstag, 26. Juni 2010
Nach schier endlos erscheinender Kurverei über steile Serpentinen erreicht man endlich die höchste Erhebung La Palmas, den Roque de los Muchachos im Norden der Insel. Der Panoramablick, der sich dort oben in gut 2.400 Metern Höhe dem wackeren Wanderer ebenso wie dem fußfaulen Automobilisten bietet, ist nichts weniger als atemberaubend spektakulär! Wer beizeiten aufgebrochen und noch vor der Mittagsstunde vor Ort ist, kann zusehen, wie die weiße Wolken-Watte über den östlichen Kesselrand der Caldera schwappt und den gewaltigen Topf nach und nach füllt, bis man nur noch den äußeren Grat aus der wässerigen Suppe ragen sieht! Hoch über den gleißend weißen Wolken ragen die vielen Kuppeln des Observatoriums aus dem kargen Vulkangestein und geben einem das Gefühl, den unendlichen Weiten des Universums so nahe zu sein wie kaum je zuvor:
Man kann sich schwer lösen von dem faszinierenden Wechselspiel zwischen Wand und Wolke: schroff die Grate, weich das Wabern der Wassertröpfchen, ein Anblick, den man wahrlich nicht oft geboten bekommt. Erstaunlich, daß man die Erhabenheit des genius loci dennoch nicht mit allzuvielen anderen Touristen teilen muß, selbst da oben trifft man auf seinesgleichen nur in homöopatischer (und damit verträglicher) Verdünnung...
Auch viel weiter unten ist das eigenartige (und nachgerade einmalige) Spiel der Wetterkräfte wunderbar zu beobachten: Immer wieder sahen wir die weiße Wolkenwalze über die Cumbre wuppen, wo sie sich aber durch die Energie des Sonnenlichtes genauso schnell in Wohlgefallen auflöst, wie von hinten neuer Wasserdampf nachgeschoben wird. Was für ein Schauspiel!
Nicht minder faszinierend waren die abendlichen Sonnenuntergänge, die wir fast jeden Abend von der Terrasse unserer Casa aus gegen 20:50 Uhr Ortszeit genießen konnten: Auch da sorgten kondensierte Wassertröpfchen (vulgo: Wolken) für ein visuelles Sinnesspektakel, in dem sie die horizontale Grenzlinie zwischen Himmel und Ozean aufhoben zu einer fein aquarellierten Farbverlaufsstudie erlöschenden Lichtes:
Aber wie der Mensch so ist, er gewöhnt sich rasch auch an das Außergewöhnliche: Irgendwann guckt man dann nur noch flüchtig hin, es ist ja eh fast jeden Abend das gleiche Feuerwerk zu sehen...
Womit wir am Ende unserer diesjährigen Expeditions-Berichterstattung angekommen wären. Der zonebattler (der dafür tatsächlich länger gebraucht hat als für die Reise selbst) gesteht freimütig, die Serie ohne rechtes Konzept angegangen zu sein in der Hoffnung, daß sich das knappe halbe Hundert zum Vorzeigen ausgewählter Fotos schon irgendwie zu einer halbwegs interessanten Geschichte zusammenfädeln lassen würde. Ob das nun aus der Sicht der geschätzten Leserschaft geklappt hat und zudem einigermaßen interessant und lesenswert ist, vermag er allenfalls zu hoffen; für das Bewahren des Erlebten in der eigenen Erinnerung genügt ihm das Ergebnis allemal.
Schließen möchte ich mit einem empfehlenden Hinweis auf die private Website La Palma Aktuell. Die »täglich frischen Nachrichten von einer kleinen grünen Insel im Atlantik« taugen nicht nur zur Urlaubsvorbereitung, sondern bieten eine Fülle von aktuellen und fundierten Insiderinformationen für alle, die sich mit ihrem Reiseziel (oder gar dem ins Auge gefaßten späteren Wohnsitz) intensiv beschäftigen möchten.
Donnerstag, 24. Juni 2010
Wiewohl auf La Palma und den übrigen Inseln des kanarischen Archipels ewiger Frühling herrscht, geht dieser natürlich schon mit zuweilen ganz beachtlichen Niederschlagsmengen einher, zumal auf der passatwindbeaufschlagten Ostseite von La Isla Bonita. Kein Wunder also, daß die traditionelle Dachform dem Rechnung trägt und dem vom Himmel fallenden Wasser den kürzesten Weg nach unten weist:
Dennoch ist auch die festlandspanische Flachdachbauweise weit verbreitet, wohl weil eine bespielbare Dachfläche praktischerweise zum Trocknen und Dörren der Ernte, zum Fußballspielen, Sonnenbaden und nicht zuletzt zum Wäscheaufhängen taugt. Leider ist sie halt auch immanent ursächlich für die oft anzutreffenden Schimmelprobleme im Inneren der Häuser, denn Wasser hat einen kleinen Kopf, wie die alten Architekten zu sagen pflegen. Auch sonst zeichnen sich die oftmals in den Hang gebauten Bauernhäuschen durch in unseren Augen eher unpraktische Details aus: Warum zum Beispiel montieren die insularen Spanier die Fensterscheiben vor die Fensterläden? Ist das am Ende das Resultat einer arbeitsbeschaffenden gesetzlichen Regelung, initiiert und durchgesetzt von der übermächtigen Glaserlobby?
Na ja, nicht alles kann und muß man mit unserer germanisch-analytischen Denkweise erklären, die Welt ist bunt und das ist auch gut so. Auf der Großbritannischen Insel halten sie ja auch an ihren winzigen Hähnen für Eiswürfel links und Wasserdampf rechts fest und kämen nie auf den Gedanken, die traditonellen Armaturen gegen unsportliche Einhebelmischer from the continent auszutauschen...
Aber lassen wir das Genöle und werfen wir stattdessen lieber noch schnell einen Blick auf eine L(i)egebatterie zur platzsparenden Haltung von Pauschal-Touristen:
So manch ein fröhlicher Zecher dürfte dort nach übermäßigem Genuß alkoholischer Getränke seine liebe Not haben, den Eingang zur eigenen Zelle wiederzufinden, sieht es doch links wie rechts auf Dutzenden von Metern gleich aus. Na ja, jedem das seine und jeder das ihre...
Wer es sich leisten kann und etwas abseits der Hauptstraße seine Ruhe sucht, kann natürlich auch exklusiver wohnen, und das nicht nur für ein paar Tage im Jahr:
So manches Häuschen im (üppig wuchernden) Grünen hätte dem zonebattler und seiner besseren Hälfte durchaus zugesagt, indes es nagten in ihnen leise Zweifel, ob die auf Reisen erlebten Freuden des Gastlandes, die Schönheiten der Natur und ein eher entschleunigter Lebensstil auf Dauer nicht doch etwas eintönig wären: Das kulturelle Angebot ist bei aller Vielfalt letztlich nicht mit dem heimischen zu vergleichen! Und darum fanden wir nach drei Wochen intensiven Einlassens auf die örtlichen Verhältnisse, das es damit jetzt doch (vorerst) genug wäre...
Dies also war der neunte Streich, und der zehnte folgt sogleich: Im letzten Teil unseres bunten Bilderbogens wollen wir unsere launische Reise-Reportage mit ein paar wolkigen Ausblicken beschließen (und dann endlich wieder zur Tagesordnung übergehen)...
Dienstag, 22. Juni 2010
Der eine oder die andere wird sich sicherlich schon gefragt haben, warum sich des zonebattler’s diesjähriger Reise-Rapport dermaßen in die Länge zieht und kein Ende finden will. Nun, eine naheliegende Erklärung könnte der am gestrigen Tag offiziell eingeläutete Sommer sein, der sich zumindest hier in der fränkischen Provinz so gar nicht von der sommerlichen Seite zeigen mag! Da schwelgt unsereiner nur zu gern in den noch fast frischen Urlaubserinnerungen und versetzt sich im Geiste lieber zurück in das angenehme Klima der Kanaren...
Das obige Bild rückt die üppige Vegetation, das Meer und die menschliche Zivilisation in enge Nachbarschaft, und genau so ist es dort drüben auch: Wer sich in einem jener Lebensräume tummelt, hat es nie weit bis zu den beiden anderen! Man gewöhnt sich schnell daran und wünschte sich bald, daß es daheim in der großen Stadt im Binnenland doch genauso einfach sein möge, den eigenen Artgenossen zu entfliehen und zum völlig ungestörten Kontakt mit der ungestümen Natur zu finden.
Natürlich ist auch La Palma trotz aller Schönheiten nicht das Paradies auf Erden, hier wie andernorts sind wirtschaftliche Interessen, egoistisches Besitzdenken und Streben nach Macht starke Triebfedern des menschlichen Tuns. Und ob die Palmeros in ihrer Mehrheit die Schönheit Ihrer Insel angemessen zu würdigen wissen, ist auch noch nicht erwiesen. Hatte ich übrigens schon erwähnt, daß die großflächigen Bananenplantagen dem Eiland nicht eben zur Zierde gereichen?
Ausgerechnet Bananen! Zum knallhart manipulativ-anklagenden Reportagefotografen hat der Verfasser indes ganz offenkundig nicht das Zeug, sogar die häßlichen Planen und Folien der Bananenbauern verwandelt er im abendlichen Gegenlicht zu nett anzuschauenden Lichtspielereien. Er kann halt nicht anders! Und wenn wir vom Osten über die Caldera hinweg in den Westen springen und da die Linse auf die Wein-Terrassen richten, dann sehen auch die auf den ersten Blick nicht problematisch aus:
Dennoch, selbst wenn das gerötete Auge des wackeren Wanderers den großflächigen Monokulturen zuweilen manchen Reiz abgewinnen kann, die Reizung des Riechorgans durch die reichlich ausgebrachten Spritzmittel geht ihm dort in des Wortes doppelter Bedeutung bald die Nase hoch. Darum schneuzen wir uns jetzt kräftig und warten auf den nächsten Teil, in dem wir uns noch ein wenig der einheimischen Architektur auf La Palma annehmen wollen...
Freitag, 18. Juni 2010
Das Meer! Der weite, weite Ozean und seine rauschende Brandung, sein unablässig forderndes Lecken am Land, seine am Ufer oft spielerischen, mitunter aber heillos verheerenden Demonstrationen einer kollossalen Macht faszinieren die Menschen seit jeher. Insbesondere natürlich den gemeinen Binnenländler, der jene gewaltigen und schier endlos erscheinenden Wassermassen nicht tagtäglich vor Augen hat, sondern dem diese Begegnung nur urlaubshalber und in größeren Zeitabständen vergönnt ist.
Der zonebattler ist in der ordnungsgemäß abgewickelten ersten Hälfte seines auf 100 Jahre angelegten irdischen Daseines schon diverse Male an des salzigen Wassers Kante gestanden, an der Nordsee, an der Ostsee, im Mittelmeer, am Atlantik und tatsächlich auch am Pazifik. Schwarze Strände aus fein zerkrümelter Lava waren ihm freilich bis dato noch nicht untergekommen:
Wie neulich bereits ausgeführt, ist die Küste La Palmas überwiegend zerklüftet und unwegsam, regelrechte Badestrände gibt es nur wenige und diese sind noch dazu von überschaubarer Ausdehnung. Doch selbst dort geht es nicht eben überlaufen zu, was unsereinem zugegeben sehr gelegen kam, der ich zwar die Menschen mag, die Leute aber mitunter nicht ausstehen kann... Über die Gründe des Touristen-Mangels zu spekulieren ist hier nicht der rechte Ort, jedenfalls herrscht im »Wonnemonat« Mai sogar in unmittelbarer Nähe größerer Hotelanlagen unübersehbare Belegungsflaute:
Von der trüb-traurigen Tristesse der überdimensionierten Bettenburgen und der darin stattfindenden Zwangsbespaßung träger Touristen will ich in einer späteren Folge noch berichten, hier wollen wir es bei dem Hinweis belassen, daß das Meer dort am schönsten ist, wo man es weitgehend für sich alleine hat. Wie zum Beispiel rund um die sogenannte »Piratenbucht« unterhalb von El Pueblo an der Westküste:
Der keineswegs knieschonende Abstieg dorthin fand nicht nur in prallem Sonnenlichte statt, sondern im späteren Verlauf auch abseits der offiziellen Wege. Über Stunden kam sich der zonebattler wieder wie im Film vor, ein einsamer Schiffbrüchiger abseits aller bewohnten Gefilde. Das mühsame Vorankommen, Schritt für Schritt und Meter für Meter entlang ebenso ungesicherter wie steiler Abbruchkanten sorgte für selten zuvor erlebten Adrenalinausstoß. Doch wie wollte man je seine eigenen Grenzen ausloten, wenn man sich Ihnen nicht hin und wieder auf Sicht- (bzw. Tritt-)weite näherte? Eben. Der spätere, gleichfalls mehrstündige Aufstieg in der gleißenden Sonne schattenloser Glut reduzierte den Berichterstatter auf ein hechelndes, jappsendes, keuchendes und auch weitgehend würdeloses Etwas. Eine läuternde Erfahrung, ich wollte sie niemals mehr missen.
Nicht minder bewegend war für den Autor ein körperlich eher wenig anstrengender Nachmittag an den semi-natürlichen Planschbecken unweit von Hoyo Grande, nördlich von San Andrés an der Ostküste La Palmas gelegen: Ziemlich genau 19 Jahre nach seinem letzten Tauchgang zog er sich seine (in all den Jahren nur leicht gelblich verfärbte) Profi-Taucherbrille über, steckte sich den Schnorchel in den Schlund und sah fortan fasziniert dem flimmernden Treiben unterhalb der Wasseroberfläche zu...
Flossen und Blei waren aus Platz- und Gewichtsgründen daheim geblieben; indes es geht auch ohne, wenngleich man es dann nicht viel tiefer als drei oder vier Meter schafft, bevor einen der im Salzwasser ohnehin erhöhte Auftrieb wieder an die Oberfläche zurückdrückt. Egal, viel tiefer sind die in die Lavaküste gebaggerten Becken ohnehin nicht. Dennoch waren sie ein spannendes Revier, denn immer wieder schwappte der anbrandende Ozean über die seeseitige Kante und spülte neues Getier herein, kleine Fische, größere Fische, gut getarnte ebenso wie in auffälligen Faben leuchtende. Oh, wie schön ist es dort unten, wo alle lungenatmenden Zweibeiner die Klappe halten und sich in Demut üben müssen...
Nach einer Stunde einsamen Genusses erhielten der zonebattler und seine bessere Hälfte unverhofft Gesellschaft in Form eines zweiten Pärchens, welches sich zunächst auf italienisch unterhielt. Man kam rasch ins Gespräch, man schaltete auf Deutsch um, denn wiewohl der junge Mann italienischer Abstammung war und seine Freundin polnischer, so kamen sie doch beide aus... nein, nicht aus Fürth, aber immerhin aus Nürnberg-Gostenhof! Der Zufall wollte es ferner, daß wir eine Woche später nicht nur allesamt im gleichen Flieger gen Heimat saßen, sondern dann auch noch die gleiche U‑Bahn nahmen, Umsteigen am Plärrer inklusive! So klein ist die Welt. Den beiden sei hiermit nochmals herzlich zugewunken!
Nun, damit sind wir schon wieder am Ende einer Episode angekommen und können mittlerweile absehen, daß es insgesamt wohl derer zehn geben wird. Ein Dutzend stimmungsvoller Schnappschüsse habe ich noch vorbereitet auf Halde liegen, vier Stück davon schauen wir uns in der nächsten Folge an...
Süßer und scharfer Senf: