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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 17. Oktober 2010

Rei­se ins Re­vier (3)

Nach dem Auf­wa­chen auf dem – wie es ein smar­ter Mak­ler sehr tref­fend aus­drücken wür­de – äu­ßerst ver­kehrs­gün­stig ge­le­ge­nen Wohn­mo­bil-Stell­platz be­sich­tig­ten wir (nur ei­ne ob­li­ga­to­ri­sche Kat­zen­wä­sche und ein wie üb­lich am­bu­lant ein­ge­nom­me­nes Früh­stück spä­ter) den Ober­hau­se­ner Ga­so­me­ter. Als in der Tat sehr ein­drucks­voll er­wies sich das In­ne­re des gi­gan­ti­schen Hohl­kör­pers, ins­be­son­de­re aber auch die ak­tu­el­le Aus­stel­lung »Stern­stun­den – Wun­der des Son­nen­sy­stems«, die noch bis zum En­de des lau­fen­den Jah­res be­wun­dert wer­den kann. Die über­gro­ßen Fo­tos, die aus­la­den­den Pla­ne­ten­mo­del­le und ins­be­son­de­re das nach­ge­ra­de rie­si­ge Mond­mo­dell loh­nen ei­nen Ab­ste­cher in die dicke Röh­re al­le­mal!

Aus den Tie­fen des Alls resp. des ehe­ma­li­gen Gas­be­häl­ters wie­der ans Ta­ges­licht zu­rück­ge­kehrt, mach­ten wir in­ter­es­se­hal­ber ei­nen Rund­gang durch das na­he­ge­le­ge­ne Cen­trO, dem laut Ei­gen­wer­bung »größ­ten Shop­ping- und Frei­zeit­zen­trum Eu­ro­pas«. Na ja, es gibt dort wie hier und über­all sonst im We­sent­li­chen die glei­chen Ket­ten­lä­den, ei­ne Freß­ro­tun­de ei­nen Food Court und die heut­zu­ta­ge üb­li­che Shop­ping-Cen­ter-Ar­chi­tek­tur. Der zone­batt­ler ließ sich letzt­lich von der all­ge­mei­nen Kon­sum-Stim­mung um ihn her­um an­stecken und zück­te ver­zückt sei­ne Geld­bör­se... [1]

Über dem Kauf­rausch war es Nach­mit­tag ge­wor­den, dar­um galt es, hur­tig auf die Au­to­bahn zu flit­zen und sich vom sanft säu­seln­den Han­dy in die quir­li­ge In­nen­stadt Düs­sel­dorfs lot­sen zu las­sen. In der dor­ti­gen Kunst­samm­lung NRW (K20 am Grab­beplatz) tra­fen wir uns zu­nächst mit ei­nem uns bis da­to nur vir­tu­ell be­kann­ten Blog­ger-Kol­le­gen zu ei­nem höchst an­re­gen­den Plausch. Dann mee­te­ten & gree­te­ten wir noch ei­ne lie­be (Fast-)Nachbarin aus Fürth, welch­sel­be in wacke­rer, ge­dul­dig er­tra­ge­ner Pend­ler-Exi­stenz in je­nem be­rühm­ten Kunst-Tem­pel ihr werk­täg­li­ches Ein- und Aus­kom­men fin­det...

In­des wa­ren wir ja nicht nur zum Schä­kern und sich Be­schnup­pern nach Düs­sel­dorf ge­kom­men, nein, es war­te­te am Abend ein re­spek­ta­bler Kunst­ma­ra­thon auf uns in Form der vie­len zeit­gleich statt­fin­den­den Ver­nis­sa­gen zur Qua­dri­en­na­le 2010! Wir guck­ten und scho­ben uns bis spät in die mil­de Nacht durch die frisch er­öff­ne­ten Aus­stel­lun­gen »Jo­seph Beu­ys. Par­al­lel­pro­zes­se« (K20), »Nam Ju­ne Pa­ik« (mu­se­um kunst pa­last) und »Der Ro­te Bul­li. Ste­phen Shore und die Neue Düs­sel­dor­fer Fo­to­gra­fie« (NRW-Fo­rum), bis wir dann end­lich er­mat­tet quer durch die Stadt (er­neut vom Han­dy si­cher ge­lei­tet) in Rich­tung Aus­stel­lung Nr. 4 (K21 Stän­de­haus) tapp­ten, wo­selbst die eben­so ab­seits wie ko­sten­frei ge­park­te Renn­gur­ke un­se­rer harr­te. Schön war die Kunst, schön war die Nacht, schön zeig­te sich auch die bunt il­lu­mi­nier­te Sky­line des Dor­fes an der Düs­sel:

Düsseldorf bei Nacht

Erst nach Mit­ter­nacht lie­fen wir wie­der in Ober­hau­sen ein, wo wir di­rekt am Fu­ße des Ga­so­me­ters ei­ne Wa­gen­burg bil­de­ten und uns zur (dies­mal ge­büh­ren­frei­en) Ru­he nie­der­leg­ten...

Am Tag Nr. 8 un­se­rer Ex­pe­di­ti­on wa­ren wir schon lan­ge vor der er­neu­ten Öff­nung des dicken Wahr­zei­chens von Ober­hau­sen wie­der wach und rei­se­be­reit. Wir tucker­ten los in Rich­tung Es­sen, wo­selbst wir schon wie­der ei­ne Ver­ab­re­dung hat­ten: Am Ran­de der welt­be­rühm­ten Ze­che Zoll­ver­ein woll­ten wir uns mit ei­nem mei­ner flei­ßi­gen Home­page-Zu­trä­ger tref­fen, der uns – als Ein­hei­mi­scher be­stens orts- und kul­tur­kun­dig – die um­fang­rei­chen Ein­rich­tun­gen der rie­si­gen still­ge­leg­ten An­la­ge zei­gen und er­läu­tern woll­te. Es wur­de ein lan­ger, lehr­rei­cher und bun­ter Tag...

Förderturm der Zeche Zollverein
 
Detail der Kokerei
 
abgesperrtes Werksgebäude

In sei­nem Hang zum Skur­ri­len und Bi­zar­ren fiel dem zone­batt­ler so man­ches De­tail auf. Un­ter an­de­rem kam ihm die­ser höchst ei­gen­ar­ti­ge Mast­schmuck vor die Lin­se:

mustergültiges Exempel von Strickgraffiti

Zu­nächst konn­ten wir uns kei­nen Reim auf je­nes eben­so ge­lun­ge­ne wie selt­sa­me Woll-Ob­jekt ma­chen. Ein Blick auf den an­ge­knüpf­ten Bei­pack­zet­tel klär­te uns je­doch schnell auf: »Strick­graf­fi­ti soll den öf­fent­li­chen Raum et­was bun­ter ma­chen und be­schä­digt nichts.« Wenn das kein Bei­spiel für vor­bild­haft bür­ger­li­ches En­ga­ge­ment ist!

Nach­dem wir uns am spä­ten Nach­mit­tag von un­se­rem mul­ti­ta­len­tier­ten Füh­rer-Freund ver­ab­schie­det hat­ten, fuh­ren wir wei­ter in Rich­tung Sü­den, nah­men un­ter­wegs Be­triebs­stof­fe für Mensch und Ma­schi­ne auf und be­gan­nen mit der Su­che nach ei­nem Plätz­chen für die Nacht. Dies ge­stal­te­te sich dies­mal als un­er­war­tet schwie­rig, es woll­te sich par­tout kein ge­eig­ne­ter Ort er­spä­hen las­sen. Nach lan­ger Odys­see – es war in­zwi­schen schon dun­kel ge­wor­den – be­zo­gen wir end­lich pro­vi­so­risch Po­sten auf ei­nem Be­su­cher-Park­platz am Nord­ost-Ufer des Bal­de­ney­se­es.

Was sich letzt­lich als gu­te Wahl ent­pupp­te: Im Grun­de soll­te man sich in Bal­lungs­räu­men oh­ne­hin von der Idee ver­ab­schie­den, ei­nen Schlaf­platz »im Grü­nen« aus­fin­dig ma­chen zu kön­nen. Mit­ten drin im ur­ba­nen Ge­tüm­mel fin­den sich noch am ehe­sten leid­lich ab­ge­le­ge­ne Ecken an Fried­hö­fen, Su­per­märk­ten oder Fa­bri­ken, wo sich des Nachts kaum ein Mensch hin­ver­irrt. Und wenn doch mal ei­ner sei­nen Vier­bei­ner Gas­si führt, dann gucken bei­de meist dis­kret zu Sei­te. So je­den­falls un­se­re Er­fah­rung; die ech­ten Schur­ken schla­gen am helll­lich­ten Ta­ge zu...

Der neun­te Tag un­se­rer Rei­se war er­stens ein Sonn­tag und mach­te zwei­tens sei­nem Na­men we­nig Eh­re: Es reg­ne­te mehr oder we­ni­ger fast den gan­zen Tag über. Das scher­te (schor?) uns frei­lich we­nig, denn wir hat­ten oh­ne­hin ein eher in­häu­si­ges Be­sich­ti­gungs­pro­gramm zu ab­sol­vie­ren. Die er­ste Sta­ti­on (die uns schon fast ei­nen hal­ben Tag ko­ste­te) war die ober­halb des Bal­de­ney­se­es thro­nen­de Vil­la Hü­gel, die bis 1945 das re­prä­sen­ta­ti­ve Re­fu­gi­um der In­du­stri­el­len-Fa­mi­lie Krupp ge­we­sen war:

fauchender Löwe aus Stein, die Villa Hügel bewachend

Die in der Vil­la ge­zeig­te Dau­er­aus­stel­lung zur Ge­schich­te von Fa­mi­lie und Fa­brik wür­digt ei­ner­seits die gro­ßen tech­ni­schen Lei­stun­gen des von der klei­nen Klit­sche zum Welt­kon­zern ge­wach­se­nen Un­ter­neh­mens, do­ku­men­tiert aber auch die schick­sal­haf­te Ver­strickung mit dem NS-Re­gime, das oh­ne den »Krupp­stahl« schwer­lich hät­te Krieg füh­ren kön­nen...

Nach Ver­ab­fol­gung die­ser üp­pi­gen Do­sis Zeit­ge­schich­te mach­ten wir uns wie­der auf in Rich­tung In­nen­stadt, um die zwei­te Ta­ges­hälf­te im Mu­se­um Folk­wang zu ver­brin­gen. Da­nach wa­ren wir platt bzw. voll, aber es reich­te doch noch für ei­ne schnel­le Um­run­dung des Aal­to-Thea­ters zu Fuß, um nach der be­reits im April er­folg­ten Be­sich­ti­gung des Wolfs­bur­ger Kul­tur­hau­ses je­nem Bau ein zwei­tes Werk des fin­ni­schen Ar­chi­tek­ten ver­gleichs­hal­ber hin­zu­zu­ge­sel­len. Und weil sich der Marsch an der fri­schen Luft als be­le­bend er­wies, ha­ben wir dann auch noch ‑zu­min­dest von au­ßen – die präch­ti­ge Al­te Syn­ago­ge in­spi­ziert.

Nach so viel Es­sen für die Au­gen war die Zeit zum Es­sen für den Ma­gen ge­kom­men, welch­sel­bi­ges wir wie­der an den Ge­sta­den des Bal­de­ney­se­es ein­nah­men, an sei­nem nord­west­li­chen Zip­fel un­ter­halb der Vil­la Hü­gel. Mit ei­nem nächt­li­chen Spa­zier­gang (es reg­ne­te mitt­ler­wei­le nicht mehr) zum in der Fer­ne er­ahn­ten Stau­wehr run­de­te sich der Tag: Drei Vier­tel der Rei­se ins Un­be­kann­te konn­ten nun­mehr als er­folg­reich ab­sol­viert gel­ten. Zum letz­ten Vier­tel bre­chen wir in der näch­sten Fol­ge auf!

 
[1] Aus­ga­ben­rech­nung: EUR 2,40 (Piz­za­stück) + EUR 0,40 (Klo­frau) = EUR 2,80 To­tal

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Dienstag, 18. August 2009

Drei Län­der, zwölf Ta­ge und 1400 Ki­lo­me­ter (1)

Wie schon im Vor­jahr rück­ten der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te auch heu­er wie­der zu ei­ner Cam­ping­rei­se [1] aus, in de­ren Ver­lauf sich ih­re schier un­be­zahl­ba­re Renn­gur­ke ein­mal mehr als Raum­schiff, Ba­sis­la­ger, Feld­kü­che und Schlaf­zim­mer al­ler­be­stens be­währ­te. Zwar fiel die zu­rück­ge­le­ge Strecke mit ins­ge­samt 1.400,1 km dies­mal et­was kür­zer aus, doch hät­ten wir uns die knapp zwei­wö­chi­ge Ex­pe­di­ti­on kaum ab­wechs­lungs­rei­cher vor­stel­len kön­nen...

Im Uhr­zei­ger­sinn fuh­ren wir ei­nen Rund­kurs durch die Ober­pfalz und den Baye­ri­schen Wald hin­un­ter in die Al­pen, mach­ten da­bei man­chen Ab­ste­cher nach Tsche­chi­en und Öster­reich und han­gel­ten uns über die ober­baye­ri­schen Seen schließ­lich lang­sam wie­der hin­auf in die frän­ki­sche Hei­mat. Er­neut ließ ich durch mei­nen klei­nen GPS-Tracker am Gür­tel die ge­sam­te Rei­se­rou­te au­to­ma­tisch mit­pro­to­kol­lie­ren und kann sie jetzt im Nach­hin­ein auf der Land­kar­te be­trach­ten:

Reiseroute auf der Landkarte
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Groß­fas­sung 800 x 700 Pi­xel

Die sich beim Hin­ein-Zoo­men na­he­zu be­lie­big ver­fei­nern­de Rou­te macht es mög­lich, die Tour am Bild­schirm noch­mals in al­len De­tails durch­zu­ge­hen: Ein fei­nes Fea­ture, wel­ches wir als »Er­in­ne­rungs­an­ker« sehr schät­zen und nim­mer mis­sen mö­gen...

Wer sich mit mi­ni­ma­lem Lu­xus, da­für aber mit dem Nö­tig­sten aus­ge­stat­tet auf Rei­sen in die Na­tur be­gibt, wird mit Aus­sich­ten und at­mo­sphä­ri­schen An­mu­tun­gen be­lohnt, die sich im Bild nur un­zu­rei­chend wie­der­ge­ben las­sen. Schon der er­ste Son­nen­un­ter­gang »im Fel­de« war von ganz an­de­rer Klas­se als je­ne, die sich ge­mein­hin da­heim in der stei­ner­nen Stadt be­ob­ach­ten las­sen:

abends um halb neun

Und auch am Mor­gen, wenn die Bla­se zwickt er­sten Son­nen­strah­len kit­zeln, hat man ei­nen völ­lig an­de­ren Pan­ora­ma­blick vor sich als von der hei­mi­schen Bett­statt aus:

morgens um kurz vor sieben

Frei­lich sei schon hier am An­fang der Be­richt­erstat­tung nicht ver­schwie­gen, daß das am­bu­lan­te Va­ga­bun­den­le­ben nicht nur aus ei­tel Son­nen­schein be­steht. Drau­ßen in Feld und Flur lau­ern näm­lich fie­se Fein­de, mit de­nen der ge­mei­ne Städ­ter eher sel­ten kon­fron­tiert wird: My­ria­den blut­gie­ri­ger Schna­ken und Stech­mücken wol­len im Wald und auf der Hei­de den arg­lo­sen Tou­ri­sten ans Le­der! [2] Wäh­rend aber der Chro­nist auf wun­der­sa­me Wei­se selbst kurz­be­host und be­tee­shir­ted re­gel­mä­ßig in Ru­he ge­las­sen wird, muß sich sei­ne bes­se­re Hälf­te eben­so zwangs­läu­fig mit bis zu drei gleich­zei­tig über­ge­streif­ten Socken­paa­ren schüt­zen, um nicht auf das Schmerz­lich­ste von den sur­ren­den Sechs­bei­nern ge­pie­sackt zu wer­den:

schwerer Schnakenschutz (dreilagig)

Nun wä­ren ja Woll­socken an sich kein Hin­der­nis für ei­nen ge­zielt lan­cier­ten In­sek­ten-An­griff, aber bei drei La­gen gro­ber Wol­le ist der Ab­stand vom Lan­de­platz zur Haut des Op­fers dann letzt­lich doch grö­ßer als die Län­ge des ty­pi­schen Schna­ken­sta­chels...

So­viel zum Auf­takt die­ser klei­nen Se­rie mit lau­schi­gen (und lau­ni­schen) Im­pres­sio­nen aus der Som­mer­fri­sche. In den dem­nächst fol­gen­den Tei­len wer­de ich di­ver­se Hö­he­punk­te (und Tief­schlä­ge) der Rund­fahrt nä­her er­ör­tern und wie im­mer nicht mit bun­ten Bil­dern gei­zen. Blei­ben Sie dran!

 
[1] Grund­sätz­li­ches zu un­se­rer be­vor­zug­ten Art des Ur­lau­bens hat­te ich hier schon ein­mal nä­her aus­ge­führt.

[2] Ganz nach dem Loriot’schen Mot­to: »Das Be­ste sitzt un­ter der Haut!«

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Montag, 25. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (8)

Wie­der in Frank­reich an­ge­lan­det, streb­ten wir la­tent heim­wärts un­ter An­vi­sie­rung der fol­gen­den noch zu be­sich­ti­gen­den oder kurz heim­zu­su­chen­den Etap­pen­zie­le: Cap Blanc-NezWis­santCap Gris-NezBou­lo­gne sur MerLe Tou­quetAb­be­villeAmi­ensRoyeNo­yonLe Ples­sis-Bri­onCom­piè­g­nePier­re­fondsSois­sonsLaonReimsChâ­lons-en-Cham­pa­gneL’É­pi­neVer­dunMetzIdar-Ober­steinMei­sen­heim (Glan)Rüs­sels­heimVeits­höch­heim, wo­bei die letzt­ge­nann­ten vier Sta­tio­nen na­tür­lich schon wie­der in Deutsch­land zu ver­or­ten sind.

Als un­er­war­tet schwie­rig ge­stal­te sich tat­säch­lich der Ver­such, den in Eng­land fast leer­ge­fah­re­nen Kraft­stoff­tank des Ein­satz­wa­gens auf fran­zö­si­schem Bo­den wie­der voll­zu­krie­gen: Vie­le Tank­stel­len ha­ben zwar 24 Stun­den pro Tag ge­öff­net, ar­bei­ten aber oh­ne jeg­li­ches Per­so­nal. Die au­to­ma­ti­schen Zapf­säu­len wie­der­um moch­ten un­se­re an­son­sten welt­weit al­ler­or­ten pro­blem­los funk­tio­nie­ren­den VI­SA-Kar­ten nicht ak­zep­tie­ren. Letzt­lich ka­men wir nur dank der Un­ter­stüt­zung ei­nes freund­li­chen Mon­sieurs zum drin­gend be­nö­tig­ten Sprit, der mit sei­ner Kar­te die Pum­pe be­dien­te und da­für von mir Bar­geld in die Hand ge­drückt be­kam. Man re­cher­chie­re in ein­schlä­gi­gen Fo­ren, in die­se lan­des­ty­pi­sche Fi­nan­zie­rungs-Fal­le tapp­ten schon vie­le an­de­re Tou­ri­sten vor uns...

Doch wei­ter zu des Lan­des be­kann­te­ren Spe­zia­li­tä­ten: Die Fran­zo­sen stel­len vor al­lem wei­che Kä­se­sor­ten und gothi­sche Ka­the­dra­len her, letz­te­re in deut­lich we­ni­ger Va­ria­tio­nen, da­für von er­heb­lich län­ge­rer Halt­bar­keit. Des zonebattler’s bes­se­re Hälf­te kann oh­ne wei­te­res ein Dut­zend Got­tes­häu­ser pro Tag ver­dau­en, er selbst al­len­falls de­ren drei oder vier, dann läßt er die Schul­tern hän­gen und kann die Ka­me­ra nicht mehr ge­ra­de hal­ten:

Rosettenfenster der Kathedrale von Laon

Sehr nett ist die Idee, die gro­ßen Kir­chen­schif­fe au­ßer­halb der Got­tes­dienst­zei­ten aus den oh­ne­hin vor­han­de­nen Säu­len­laut­spre­chern de­zent mit an­ge­mes­se­ner Mu­sik zu be­schal­len, al­so bei­spiels­wei­se mit mit­tel­al­ter­li­chen Mes­sen oder Ma­dri­ga­len. Gar ko­misch wird ei­nem frei­lich zu­mu­te, wenn auf ei­ner Sei­te die Bo­xen pha­sen­ver­kehrt an­ge­schlos­sen sind und sich dann statt in­ne­rer Er­he­bung rasch in­ne­re Mul­mig­keit ein­stellt...

in der Kathedrale von Soissons

Im Nor­den Frank­reichs sind die Er­in­ne­run­gen an den »Gro­ßen Krieg« all­ge­gen­wär­tig, wo­mit sie dort frei­lich kei­nes­wegs die tem­po­rä­re Un­ter­wer­fung durch die Deut­sche Wehr­macht von 1940 bis 1944 mei­nen, son­dern den er­sten Welt­krieg von 1914 bis 1918, der im kol­lek­ti­ven Ge­dächt­nis der Deut­schen schon recht ver­blaßt zu sein scheint. Das nach­wir­ken­de Trau­ma ist frei­lich ver­ständ­lich, denn das apo­ka­lyp­ti­sche Mas­sen­ster­ben im weit­ge­hend sta­tio­nä­ren Stel­lungs­krieg fand ja über­wie­gend im na­hen Flan­dern und auf fran­zö­si­schem Bo­den statt. Der Nor­den des Lan­des ist denn auch über­säht mit Ge­denk­stät­ten und Sol­da­ten­fried­hö­fen mit Ge­fal­le­nen (aus bei­den Welt­krie­gen).

französischer Soldatenfriedhof

Zwei­mal hat Deutsch­land im letz­ten Jahr­hun­dert un­säg­li­ches Leid über sei­ne Nach­barn ge­bracht, da gibt es nichts zu be­schö­ni­gen und auch nichts zu ver­ges­sen. Den mitt­ler­wi­le in Zen­tral­eu­ro­pa herr­schen­den Frie­den auf Dau­er zu be­wah­ren ist ei­ne Auf­ga­be, die wir den elend kre­pier­ten Op­fern al­ler Na­tio­nen schul­dig sind...

Am Mor­gen nach der letz­ten Über­nach­tung im ehe­ma­li­gen Fein­des­land ha­be ich die Ka­me­ra him­mel­wärts durch das Glas­dach un­se­res mo­bi­len Bet­tes blicken las­sen:

morgendlicher Ausblick aus dem mobilen Schlafzimmer

So schön und mit­un­ter so­gar idyl­lisch das Le­ben auf Ach­se auch zeit­wei­se ist (die Über­grif­fe kri­mi­nel­ler Sub­jek­te mal au­ßen vor ge­las­sen), nach gut zwei Wo­chen sehnt man sich nach ei­nem rich­ti­gen Bett un­ter der Wir­bel­säu­le, und auch ei­ne funk­tio­nie­ren­de Du­sche mit Ein­he­bel-Misch­bat­te­rie ist letzt­lich kom­for­ta­bler als so ein Pla­stik­ka­ni­ster mit tags­über son­nen­erwärm­ten Brauch­was­ser. Und den­noch: Die von uns prä­fe­rier­te Art des wil­den Cam­pens (bei der wir nie mehr in der Land­schaft zu­rück­las­sen als Rei­fen­spu­ren und or­ga­nisch ab­bau­ba­re Stoff­wech­sel­pro­duk­te) ist ei­ne sehr be­glücken­de, da er­den­de und na­tur­na­he. Mit Geiz hat das nichts zu tun, was wohl jede(r) Gleich­ge­sinn­te be­stä­ti­gen wird...

Den Bo­gen schlie­ßen möch­te ich (wie in der zwei­ten Fol­ge an­ge­kün­digt) mit ein paar Be­mer­kun­gen zur Rei­se­fo­to­gra­fie: Wer ein­ger­ma­ßen äs­the­ti­sche und for­ma­le An­sprü­che an die Kunst des Ab­bil­dens stellt, läuft schnell nur noch mit dem »Su­cher­blick« durch die Ge­gend und ver­dirbt sich über Fra­gen der Bild­ge­stal­tung den Ge­nuß des Au­gen­blicks. Zu­dem trifft man auf Rei­sen häu­fig zu Zei­ten ho­hen Son­nen­stan­des und er­go bei un­vor­teil­haf­ter oder un­spek­ta­ku­lä­rer Be­leuch­tung bei je­nen Se­hens­wür­dig­kei­ten ein, die (am frü­hen Mor­gen oder spä­ten Nach­mit­tag auf­ge­nom­men) in Bild­bän­den oder auf Post­kar­ten so un­er­hört viel pla­sti­scher und fo­to­ge­ner wir­ken. Aus die­sen Grün­den las­se ich die Ka­me­ra mitt­ler­wei­le oft stecken und fo­to­gra­fie­re nur hin und wie­der ein paar De­tails (oder ma­che ge­le­gent­li­che Be­lich­tungs­rei­hen für spä­te­re HDR-Ex­pe­ri­men­te). Die rein per­sön­li­che Funk­ti­on von Rei­se­fo­tos, näm­lich das nach­hal­ti­ge Ver­an­kern von Er­in­ne­run­gen für ein spä­te­res Wie­der­auf­le­ben­las­sen, konn­te ich in­zwi­schen weit­ge­hend an mei­nen im er­sten Teil vor­ge­stell­ten GPS-Tracker de­le­gie­ren. Auch wenn der von Goog­le Earth ge­währ­te Blick aus der Vo­gel­per­spek­ti­ve nicht im­mer ganz ak­tu­ell und nicht über­all hoch auf­ge­löst ist: Die spä­ter fast auf den Me­ter ge­nau nach­voll­zieh­ba­re Rei­se­rou­te er­füllt den ge­nann­ten Zweck her­vor­ra­gend und er­mög­licht ei­nem ein­fa­cher und bes­ser denn je, die ei­ge­nen Ex­pe­di­tio­nen noch­mals im Gei­ste haut­nah zu er­le­ben...

 
Epi­log:

An ei­nem Sams­tag Abend wie­der in Fürth an­ge­kom­men, lie­fen wir so­fort un­se­ren ho­me­zo­ne-na­hen Dis­coun­ter an, um Frisch­milch und an­de­re Le­bens­mit­tel für den lee­ren Kühl­schrank da­heim zu bun­kern. Doch was er­späh­te ich so­gleich auf den Milch­packun­gen, so­gar je­nen der aus­ge­wie­se­nen Bio-Va­ri­an­te? Jetzt län­ger halt­bar oh­ne Ge­schmacks­ein­bu­ßen. Ja von we­gen! Mein wei­ßes Le­bens­eli­xier ran­giert jetzt sen­so­risch ir­gend­wo zwi­schen Frisch­milch und H‑Milch, der »Vor­teil« der län­ge­ren Halt­bar­keit nutzt al­lein der La­ger­lo­gi­stik, aber nicht dem Ver­brau­cher. Kaum ist man mal weg, krem­pelt der Han­del das Sor­ti­ment klamm­heim­lich um. Ihr Schur­ken, ihr elen­den Schuf­te, wenn ich Euch er­wi­sche, las­se ich euch in H‑Milch er­trän­ken!

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Sonntag, 24. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (7)

Aus der Chro­no­lo­gie der Rei­se­be­richt­erstat­tung aus­sche­rend, möch­te ich heu­te ein paar Wor­te über Land und Leu­te mei­nes Dream­lands ver­lie­ren: Na­tür­lich ist auch Groß­bri­tan­ni­en nicht wirk­lich ei­ne In­sel der Glück­se­li­gen, es gibt dort die glei­chen ge­sell­schaft­li­chen Pro­ble­me wie hier­zu­lan­de und wo­mög­lich noch ei­ni­ge mehr. Den­noch fin­de ich das Land in be­son­de­rem Ma­ße lie­bens­wert, und ein Grund da­für sind die love­ly coun­try­si­de views, nach de­nen man nie lan­ge Aus­schau hal­ten muß:

die liebliche Landschaft Südenglands (bei Little Horsted, East Sussex)

Des­wei­te­ren sind es die ei­gen­ar­ti­gen Sit­ten und Ge­bräu­che, ja zu­wei­len splee­nig an­mu­ten­den Ri­tua­le, mit de­nen die Eng­län­der ih­re Le­bens­füh­rung gar­nie­ren, wel­che uns oft fas­zi­nie­ren und in den Bann zie­hen. Im­mer wie­der nett an­zu­se­hen ist bei­spiels­wei­se die sou­ve­rän-ent­spann­te Ernst­haf­tig­keit, mit der die In­su­la­ner uns un­be­kann­ten Sport­ar­ten wie dem Bowls-Spiel mit un­wuch­ti­gen Ku­geln frö­nen:

Herren beim vormittäglichen Bowls-Spiel

Die ab­ge­bil­de­ten Herrn las­sen frei­lich ei­ne mir bis da­to un­be­kann­te Zü­gel­lo­sig­keit in dem Um­stand er­ken­nen, daß sich nicht wie ei­gent­lich üb­lich in weiß ge­klei­det sind. Ver­mes­sen wä­re es aber, wenn ich mich als Gast im Lan­de dar­über zum Rich­ter auf­schwän­ge!

Fer­ner schei­nen die Bri­ten sämt­lich ein Volk von Pflan­zen­freun­den und em­si­gen Hob­by­gärt­nern zu sein, ei­ne na­he­lie­gen­de Ent­wick­lung bei dem schon er­wähn­ten feucht-mil­den Kli­ma. Land­stra­ßen sind auf wei­ten Strecken als schat­ten­spen­den­de Al­leen aus­ge­führt (wel­che in Deutsch­land die Ra­ser­lob­by zu fa­na­tisch vor­ge­tra­ge­nen Ab­hol­zungs-For­de­run­gen pro­vo­zie­ren wür­den), und in den Städ­ten und Ge­mein­den gibt es al­lent­hal­ben öf­fent­lich zu­gäng­li­che Gär­ten, die viel Lie­be zum De­tail und Kön­nen im Um­gang mit der Flo­ra er­ken­nen las­sen.

gepflegte Gartenlandschaft (Lewes, Southover Grange Gardens)

Last but not least sei dar­auf hin­ge­wie­sen, daß ei­ne ziem­lich krie­ge­ri­sche Hi­sto­rie vie­le se­hens­wer­te Re­lik­te aus ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten hin­ter­las­sen hat: Wer die noch sicht­ba­ren Bur­gen und Schlös­ser, al­so die Cast­les in Eng­land, Schott­land und Wales zu zäh­len sich an­schicken woll­te, hat wohl (s)eine Le­bens­auf­ga­be ge­fun­den...

eine von den unzähligen Burgen Englands (Bodiam Castle)

Das hier ab­ge­bil­de­te Bo­diam Cast­le ge­hört frag­los zu den schön­sten Burg­rui­nen im Land und sieht ge­nau so aus, wie man sich als klei­ner Kna­be ei­ne or­dent­li­che Rit­ter­burg vor­stellt. Das im­po­san­te Bau­werk ge­hört heut­zu­ta­ge dem Na­tio­nal Trust, dem ich hier­mit für die dor­ti­ge Be­reit­hal­tung von Mint Cor­net­to (mei­ner Lieb­lings-Eis­sor­te mit Pfef­fer­minz-Ge­schmack) Dank und An­er­ken­nung aus­spre­che.

Im der näch­sten und letz­ten Fol­ge wer­de ich mor­gen sum­ma­risch über die Heim­fahrt durch Frank­reich be­rich­ten, wo es auch ei­ni­ges an Lan­des­ty­pi­schem zu fin­den gibt, wenn auch kei­ne fri­sche Milch...

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Samstag, 23. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (6)

Der am spä­ten Vor­abend an­ge­steu­er­te Über­nach­tungs­ort ‑die hin­ter­ste Ecke ei­nes gro­ßen Su­per­markt-Park­plat­zes in Uck­field- hat­te sich als über­aus kom­mod er­wie­sen: fe­ster Un­ter­grund (Asphalt), schüt­zen­de Bäu­me seit­lich und im Rücken, flie­ßend Was­ser (Bäch­lein) gleich hin­ter der fah­ren­den Be­hau­sung. Da ließ es sich nach der am­bu­lan­ten Mor­gen-Toi­let­te denn auch vor­treff­lich früh­stücken (mit fri­scher Milch von ne­ben­an). Und schon ging es frisch ge­stärkt wie­der auf die Pi­ste.

Nach ei­nem spon­ta­nen Ab­ste­cher zu ei­ner na­he der Rou­te ge­le­ge­nen Mu­se­ums-Ei­sen­bahn in Is­field (die »La­ven­der Li­ne«, sie­he auch Is­field rail­way sta­ti­on) in­spi­zier­ten wir am Vor­mit­tag noch Le­wes, um dann zur Mit­tags­stun­de end­lich im be­rühm­ten See­bad Brigh­ton ein­zu­lau­fen. Lei­der zeig­te sich der Sams­tag dort arg win­dig und reg­ne­risch, aber das war uns erst­mal ei­ner­lei, stand doch zu­nächst der lang er­sehn­te Be­such im Roy­al Pa­vi­li­on auf dem Pro­gramm. Und da war er nun:

Der Royal Pavilion zu Brighton

Der da­mals ju­ve­ni­le Prinz­re­gent und spä­te­re Kö­nig Ge­org IV. hat es bei der ar­chi­tek­to­ni­schen Au­ßen- und In­nen­ge­stal­tung sei­ner Som­mer­re­si­denz echt voll kraß kra­chen las­sen (um mal ei­ne zeit­ge­nös­si­sche Wen­dung zu ge­brau­chen): Im pseu­do-in­disch-chi­ne­si­schen Stil er­rich­tet, er­in­nert der Pa­last in wei­ten Tei­len an das Set ei­nes Fan­ta­sy-Fil­mes: Dra­chen-Skulp­tu­ren über­all, de­ko­ra­ti­ve Or­na­men­tik al­ler­or­ten. Fo­to­gra­fie­ren ver­bo­ten, au­ßer na­tür­lich für An­alpha­be­ten (reich­lich), Pik­to­gramm-Igno­ran­ten (noch mehr) und zone­batt­ler (ei­nen, sich recht­schaf­fen schä­men­den):

im Musik-Saal des Royal Pavilion

Erst­mals be­kam un­ser­eins an­läß­lich der Pa­last-Be­sich­ti­gung ei­nen Au­dio­gui­de in die Hand ge­drückt, ei­ne Art elek­tro­ni­schen Füh­rer in an­ge­nehm hand­schmei­cheln­der Te­le­fon­hö­rer­form. Ei­ne in­ter­es­san­te, wenn­gleich am­bi­va­len­te Er­fah­rung: Ei­ner­seits er­fährt man von der in das Käst­chen ein­ge­sperr­ten Gei­ster­stim­me na­tür­lich ei­ne Men­ge über das zu Se­hen­de und über die hi­sto­ri­schen Hin­ter­grün­de, an­de­rer­seits braucht man fünf- bis acht­mal so lan­ge als oh­ne Plap­per­ka­sten, bis man mit dem In­spek­ti­ons­gang fer­tig und wie­der am Aus­gang an­ge­langt ist. Aber was soll’s, drau­ßen war­te­ten ja nur Sturm- und Re­gen­bö­en auf uns...

Der an­schlie­ßen­de Marsch durch die Stadt und ins­be­son­de­re je­ner durch die lär­men­den Spiel­hal­len-Sä­le auf dem Brigh­ton Pier müs­sen un­be­bil­dert blei­ben, woll­te ich doch nicht ris­kie­ren, die de­li­ka­te Op­tik ei­nem plötz­li­chen Salz­was­ser-Guß aus­zu­set­zen. Un­be­bil­dert und nicht mehr im De­tail nach­voll­zieh­bar bleibt lei­der auch die prä­zi­se Rou­te durch Stadt und über Strand, denn dum­mer­wei­se hat­te ich mei­nen un­schein­ba­ren GPS-Tracker im ge­park­ten Au­to ver­ges­sen, wo er stumm und stur und sta­tio­när vor sich her tracker­te. So bleibt der lan­ge Pier auf der vir­tu­el­len Land­kar­te un­be­strif­fen, und es ist nur die spä­te­re Hin- und Her- und Wei­ter­fahrt ent­lang der Ufer­pro­me­na­de für die Nach­welt auf­ge­zeich­net:

Brighton Pier auf der Land- und Straßenkarte
Map da­ta: © Open­Street­Map con­tri­bu­tors, powered by MapSurfer.NET

Bis weit in den Abend hin­ein fuh­ren wir kü­sten­nah nach Osten, konn­ten aber kei­nen so recht über­zeu­gen­den Stand­platz für die Nacht aus­fin­dig ma­chen. Erst in ei­nem Vor­ort von Bexhill fand sich ein (mehr oder we­ni­ger) lau­schi­ges Plätz­chen hin­ter den Ge­bäu­den ei­ner auf­ge­ge­be­nen Tank­stel­le und ehe­ma­li­gen Kfz-Werk­statt. Der näch­ste Tag ‑der Sonn­tag al­so- macht sei­nen Na­men dann wie­der al­le Eh­re, so daß der Be­such im na­hen Ha­stings bei blau­em Him­mel, strah­len­dem Son­nen­schein und dar­ob gut­ge­laun­tem Fe­der­vieh statt­fin­den konn­te...

am Strand von Hastings

Über die Sta­tio­nen Batt­le (wo die be­rühm­te Schlacht bei Ha­stings im Jah­re 1066 tat­säch­lich statt­ge­fun­den hat­te)- Bo­diam Cast­leRyeNew Rom­ney und tags drauf New Rom­ney – Dym­churchHy­theDo­ver ging es dann wie­der zum Fähr­an­le­ger und da­mit dem Aus­gangs­punkt un­se­rer klei­nen Eng­land-Ex­pe­di­ti­on zu­rück. Im näch­sten Teil gibt es mor­gen noch ein paar Bil­der über das, was Eng­land so eng­lisch macht. Stay tu­n­ed!

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Freitag, 22. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (5)

End­lich auf bri­ti­schem Bo­den an­ge­langt, kurv­ten wir so­gleich sou­ve­rän durch Do­ver und freu­ten uns wie­der des Le­bens. Die Links­fah­re­rei er­schien mir üb­ri­gens nie als pro­ble­ma­tisch: Ge­wöh­nungs­be­dürf­tig sind ein­zig die teils in­ein­an­der über­ge­hen­den Kreis­ver­keh­re, aber im Ge­gen­satz zu den lie­bes­tol­len Fran­zo­sen (sie­he ge­stern) fah­ren die Bri­ten ge­mein­hin di­stin­gu­iert und zu­vor­kom­mend. Nach­dem wir uns in der Fuß­gän­ger­zo­ne der al­ten Ha­fen­stadt zu­nächst mit dem Nö­tig­sten ver­sorgt hat­ten (ins­be­son­de­re mit Rei­se­füh­rern), ver­lie­ßen wir die Stadt in Rich­tung Krei­de­klip­pen, schau­ten von dort oben dem ge­schäf­ti­gen Trei­ben im Ha­fen zu und füh­ren dann nach Nor­den, im­mer der Kü­ste ent­lang...

weiße Kreideklippen nördlich von Dover

An­ge­sichts des eher knap­pen Zeit­bud­gets (Mitt­woch mit­tags an­ge­lan­det, stan­den bis zur ge­buch­ten Fähr­pas­sa­ge in Ge­gen­rich­tung am fol­gen­den Mon­tag Mit­tag ge­ra­de ein­mal zwei an­ge­knab­ber­te und vier vol­le Rei­se­ta­ge zur Ver­fü­gung) muß­te ich mei­ne ur­sprüng­li­che Hoff­nung auf­ge­ben, doch noch bis ins süd­west­li­che Corn­wall zu kom­men. Es schien al­le­mal ver­nünf­ti­ger, sich eher klein­räu­mi­ger zu be­we­gen und sich da­für in­ten­siv in Kent (dem »Gar­ten Eng­lands«) und im an­gren­zen­den Sus­sex um­zu­schau­en. Ei­ne gu­te Ent­schei­dung, hiel­ten sich doch die zu fah­ren­den Ta­ges­etap­pen da­durch in an­ge­neh­men Gren­zen.

Groß­bri­tan­ni­en ist aus vie­ler­lei Grün­den ein Land ganz nach des zonebattler’s Ge­schmack: Er­stens kann er da in den Buch­hand­lun­gen nicht nur stun­den­lang schmö­kern und blät­tern, son­dern das Ge­druck­te auch le­sen und ver­ste­hen. Zwei­tens fin­det der be­ken­nen­de Floh­markt­freak dort in je­der Stadt in be­ster La­ge Dut­zen­de gut sor­tier­ter Se­cond-Hand-Shops ver­schie­den­ster Wohl­tä­tig­keits-Or­ga­ni­sa­tio­nen vor, in de­nen ge­spen­de­te Ge­gen­stän­de von eh­ren­amt­li­chen Hel­fe­rIn­nen für ei­nen gu­ten Zweck ver­sil­bert wer­den. Span­nend auch dies! Last but not least kann man über­all fri­sche Milch kau­fen und die­sel­be nach Ge­nuß und in­ter­ner Ver­ar­bei­tung auch wie­der fach­ge­recht ent­sor­gen, denn öf­fent­li­che Toi­let­ten sind nie weit weg. Sehr prak­tisch für Ner­vö­se und Bla­sen­schwa­che!

Toiletten-Schild vor Leeds Castle

Im Ver­gleich zu frü­he­ren Be­su­chen im Land (die sämt­lich schon mehr als ein Jahr­zehnt zu­rück­lie­gen) sind mir dies­mal die zahl­lo­sen Mak­ler­schil­der an zum Ver­kauf ste­hen­den Häu­sern auf­ge­fal­len: Ent­we­der wer­den auch die Eng­län­der we­ni­ger oder aber sie wer­den in Fol­ge der sog. Glo­ba­li­sie­rung mehr als frü­her zur be­ruf­lich be­ding­ten Mo­bi­li­tät ge­zwun­gen. In nicht we­ni­gen Fäl­len dürf­ten wohl auch ge­platz­te Fi­nan­zie­rungs­mo­del­le ur­säch­lich da­hin­ter­ste­hen...

Haus zu verkaufen!

Am un­wahr­schein­lich­sten von den Er­klä­rungs­ver­su­chen er­scheint mir der, daß das Volk der Bri­ten im Schrump­fen be­grif­fen sei: Al­ler­or­ten sieht man näm­lich jun­ge Müt­ter mit zwei, drei, vier oder gar noch mehr Kin­dern. Die­se au­ßer­or­dent­li­che Frucht­bar­keit ist ganz zwei­fel­los ei­ne Fol­ge des lan­des­ty­pi­schen Wet­ters (mil­de Tem­pe­ra­tu­ren kom­bi­niert mit reich­lich Nie­der­schlä­gen), wel­ches be­kann­ter­ma­ßen auch ein au­ßer­or­dent­li­ches Pflan­zen­wachs­tum be­dingt:

teils zugewucherte Telefonzelle Ihrer Majestät

Für In­ter­es­sier­te sei hier der er­ste Teil der Rei­se­rou­te an­hand der be­such­ten Or­te pro­to­kol­liert: Do­verDealSand­wichRams­gateMar­ga­teCan­ter­bu­ryWyeAsh­fordLen­hamLeeds Cast­leMaids­toneRoy­al Tun­bridge WellsUck­fieldLe­wesIs­fieldBrigh­ton. Wie es dort ‑am Schei­tel- und Wen­de­punkt der Rei­se- zu­ging, er­zäh­le ich in der näch­sten Epi­so­de...

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Donnerstag, 21. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (4)

Der näch­ste Rei­se­tag be­gann mit ei­nem Ab­ste­cher nach Ve­ur­ne, un­se­rem letz­ten Be­sich­ti­gungs­halt in Bel­gi­en. Da­nach zü­gig wei­ter­ge­fah­ren durch den Nord­zip­fel Frank­reichs bis nach Dün­kir­chen, ans Meer, ans Meer! Wind, Mö­wen, wei­ter Blick gen En­gel­land! Wir stell­ten das Au­to am En­de ei­ner Wohn­stra­ße di­rekt am Strand ab und be­streif­ten den­sel­ben bar­fuß bei Eb­be...

Beton-Bank am Strand von Dünkirchen

Am Was­ser konn­ten wir dann erst­mals die Ein­ge­bo­re­nen be­stau­nen und stu­die­ren: Die Fran­zo­sen sind ja be­rühmt-be­rüch­tig­te Lieb­ha­ber und die Fran­zö­sin­nen al­le­samt schon von Kin­des­bei­nen an ko­kett. Das hört selbst ein an­son­sten sprach­un­kun­di­ger zone­batt­ler so­fort aus de­ro me­lo­di­ös-ero­ti­schen Spra­che her­aus. Kaum halb­wüch­sig bis er­wach­sen, tur­teln sie al­lent­hal­ben her­um und scheu­en sich nicht, auch am hellich­ten Ta­ge und in al­ler Öf­fent­lich­keit un­ge­niert Kör­per­säf­te aus­zu­tau­schen...

Liebespaar am Strand von Dünkirchen

Wenn man Glück hat und Ro­bert Dois­neau heißt, wird man mit so­was be­rühmt, als da­her­ge­lau­fe­ner und en pas­sant drauf­hal­ten­der zone­batt­ler na­tür­lich nicht. Aber sei’s drum, das ist wie­der ei­ne an­de­re Ge­schich­te...

Völ­lig über­schätzt wird doch da­ge­gen der Fran­zo­sen Fein­schmecker­tum! Un­ser­eins kann stolz auf ei­ne 48-jäh­ri­ge Tra­di­ti­on im Frisch­milch­trin­ken zu­rück­blicken und ist in all’ den Jah­ren nie da­von ent­wöhnt wor­den. Völ­lig baff, ja nach­ge­ra­de ent­setzt stand ich da­her in den Su­per­märk­ten vor lee­ren Kühl­re­ga­len: Soll­ten sie in Frank­reich ‑wo doch auf je­der Wie­se her­den­wei­se Kü­he auf­ge­stellt sind- kei­ne Milch ha­ben? Doch, sie ha­ben, frei­lich so gut wie aus­schließ­lich in der für mei­nen ver­zär­tel­ten Ge­schmack fast un­ge­nieß­ba­ren H‑Milch-Va­ri­an­te! Die wei­ßen Pla­stik­fla­schen tra­gen pa­stell­far­be­ne Eti­ket­ten, so daß der Rei­sen­de aus Deutsch­land zu­nächst glatt glaubt, hier vor ei­nem über­bor­den­dem Weich­spü­ler-An­ge­bot zu ste­hen:

Milch in einem französischen Supermarkt

Aber nein, Milch soll in den quietsch­bun­ten Fla­schen ent­hal­ten sein! Ei­ne pro­be­wei­se Ver­ko­stung be­stä­tig­te spä­ter die schlimm­sten Be­fürch­tun­gen: Pfui Dei­bel! Nach in­ten­si­ver Su­che in di­ver­sen Fein­kost­lä­den konn­te ich spä­ter tat­säch­lich rich­ti­ge Frisch­milch ent­decken, in ho­möo­pa­ti­schen Do­sen al­ler­dings und zu ex­or­bi­tan­ten, wenn nicht gar ex­tra­ter­re­stri­schen Prei­sen. Nee, schon des­we­gen könn­te ich dort nicht auf Dau­er le­ben...

Doch zu­rück von ku­li­na­ri­schen Fein­sin­nig­kei­ten zum un­mit­tel­ba­ren Ge­sche­hen: Wäh­rend un­se­res letzt­lich dann doch recht aus­ge­dehn­ten Spa­zier­mar­sches ent­lang der Ufer­pro­me­na­de ward un­ser treu­es Ve­hi­kel von Schur­ken­hand auf­ge­bro­chen und aus­ge­raubt! So­fort nach der Rück­kehr zum Wa­gen, schon beim Auf­sper­ren der Fah­rer­tür er­blick­te ich den un­ge­wohnt schief her­aus­ste­hen­den Ver­rie­ge­lungs­stift auf der Bei­fah­rer­sei­te und ahn­te Schlim­mes. Und in der Tat: Fach­kun­dig mit ei­nem wie auch im­mer ge­ar­te­ten Werk­zeug auf­ge­he­belt, war der Schloß­me­cha­nis­mus der Bei­fah­rer­tür of­fen­bar blitzz­schnell über­wun­den wor­den. Auf den er­sten Blick fehl­te al­ler­dings »nur« die Kar­ten­ta­sche, de­ren In­halt (At­lan­ten, Rei­se­füh­rer, selbst­ge­mal­te Rou­ten­plä­ne, In­ter­net-Aus­drucke) den Ein­bre­chern si­cher­lich kei­nen Nut­zen brach­te, uns aber um­so mehr fehl­te. [1]

Ein an sei­ner Ga­ra­ge wer­keln­der An­lie­ger, im Brot­be­ruf Po­li­zist (!), hat­te so­gar ein Au­to mit süd­fran­zö­si­schem Kenn­zei­chen und zwei du­bio­sen In­sas­sen be­ob­ach­tet, die sich wei­ter vorn in Rich­tung Strand an un­se­rem Mi­ni­bus auf­ge­hal­ten hat­ten. Un­ter­nom­men hat­te der Ge­set­zes­hü­ter frei­lich nichts wei­ter, da­für half er uns jetzt (eben­so um­sonst wie ver­ge­bens), im nä­he­ren Dü­nen­be­reich nach weg­ge­wor­fe­nem Beu­te­gut Aus­schau zu hal­ten... [2]

Ei­ne nun­mehr lo­se in den An­geln hän­gen­de Wa­gen­tür hät­te wohl zwangs­läu­fig zum Ab­bruch der Rei­se füh­ren müs­sen. Da sich die fach­män­nisch und oh­ne je­den Lack­scha­den auf­ge­bro­che­ne Tür jetzt aber von au­ßen gar nicht mehr, wohl aber noch (und nur) von in­nen öff­nen ließ, war zu­min­dest die Wei­ter­fahrt ge­si­chert. Den­noch: So ein bru­ta­ler Über­giff in die In­tim­sphä­re, der er­ste zu­mal im ei­ge­nen Er­le­ben, trau­ma­ti­siert und macht ei­nen zu­nächst glau­ben, daß Au­to gar nicht mehr aus den Au­gen las­sen zu dür­fen. Tat­säch­lich wa­ren der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te heil­froh, sich am fol­gen­den Tag in Ca­lais ein­schif­fen und das Land der Au­to­knacker (vor­erst) ver­las­sen zu kön­nen. Im Ha­fen fiel die An­span­nung dann end­lich ein we­nig von uns ab, als wir uns auf Spur Nr. 14 in die Schlan­ge der auf die Fähr­ver­la­dung war­ten­den Au­tos ein­rei­hen durf­ten.

in der Warteschlange der Fährverladung in Calais

Nicht mehr lan­ge, dann wa­ren wir end­lich drü­ben im si­che­ren Schoß mei­nes er­klär­ten Lieb­lings-Rei­se­lan­des, durch­wegs be­völ­kert von ehr­li­chen Häu­ten, bie­de­ren Bräu­ten und ins­be­son­de­re vol­len Frisch­milch­re­ga­len. Bri­tan­nia, he­re we co­me!

 
[1] In Eng­land konn­ten (und muß­ten) wir dann Rei­se­füh­rer für Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich (die dicken von Dor­ling Kin­ders­ley) frisch er­wer­ben und die wei­te­re Rei­se­rou­te am­bu­lant fest­le­gen. Auch war die aus­ge­druck­te Bu­chungs­be­stä­ti­gung der Fähr­pas­sa­ge durch den drei­sten Dieb­stahl futsch und da­hin, doch hat­te ich den gleich­lau­ten­den Mail-Text samt Re­ser­vie­rungs­num­mer um­sich­ti­ger­wei­se in die Ka­len­der un­se­rer bei­den Palm-Or­ga­ni­zer ko­piert. Bei al­lem Är­ger ist es ein durch­aus er­he­ben­des Ge­fühl, wenn red­un­dan­te Si­cher­heits­vor­keh­run­gen sich ur­plötz­lich und un­ver­hoff­ter­wei­se doch mal aus­zah­len...

[2] Erst am Abend stell­ten wir noch ei­nen wei­te­ren Ver­lust fest, näm­lich den des Kul­tur­beu­tels: Zahn­bür­ste, Sei­fe und Dusch­gel wa­ren tags dar­auf leicht zu er­set­zen, nicht je­doch di­ver­se ver­schrei­bungs­pflich­ti­ge Me­di­ka­men­te. Und über den ach so sinn­lo­sen Ver­lust sei­ner Knir­scher­schie­ne zeigt sich der Un­ter­zeich­nen­de noch heu­te ziem­lich zer­knirscht.

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Mittwoch, 20. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (3)

Kaum ist man aus Aa­chen raus, ist man auch schon in Bel­gi­en drin: Man merkt es so­fort an den die Au­to­bahn des nachts be­leuch­ten­den Stra­ßen­lam­pen, mit de­nen sie sich dort drü­ben vor licht­scheu­em Ge­sin­del zu schüt­zen hof­fen. Die stän­di­ge Il­lu­mi­na­ti­on führt lei­der auch da­zu, daß die Ein­hei­mi­schen und vie­le ih­rer Be­su­cher un­ter­des­sen ei­ne ge­wis­se Angst vor der Dun­kel­heit ent­wickelt ha­ben und da­her (vor­zugs­wei­se in däm­me­ri­gen Kir­chen) mit al­lem un­ent­wegt her­um­blit­zen, was Han­dy, Ta­schen­ka­me­ra oder Spie­gel­re­flex auf­zu­bie­ten ha­ben. Da nüt­zen auch gro­ße Knips­ver­bots­schil­der in zwei Me­ter Ab­stand nix. Das frei­lich ist ein The­ma für sich, wel­ches der zone­batt­ler noch ein­mal se­pa­rat auf­grei­fen wird...

Doch wie­der zu­rück zum Land der Fla­men und Wal­lo­nen: Die kön­nen aus hi­sto­ri­schen Grün­den nicht so recht mit­ein­an­der und ver­nach­läs­si­gen dar­über au­gen­schein­lich die In­fra­struk­tur. Sel­ten ha­ben wir so vie­le arm­dicke Bäu­me aus Kir­chen- und Pa­last­dä­chern wach­sen se­hen! Was si­cher einst als schlei­chen­de Ver­nach­läs­si­gung be­gann, ist mitt­ler­wei­le vie­ler­orts zum ga­lop­pie­ren­den Ver­fall an­ge­wach­sen. Das kann zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen mit­un­ter recht pit­to­resk wir­ken und an Ve­du­ten von Pi­ra­ne­si er­in­ne­ren, rührt aber dem fas­sungs­lo­sen Be­trach­ter an­ge­sichts der teils ko­los­sa­len Was­ser- und Van­da­len­schä­den das Herz. Vie­les scheint hier al­so am Bo­den dar­nie­der­zu­le­gen, und wenn man sich mit der Ka­me­ra da­zu­legt ‑zum Bei­spiel vor dem Pa­lais Roy­al in Brüs­sel- hat man meist so­gleich et­was Merk­wür­di­ges vor der Lin­se ste­hen...

bodennaher Brüssel-Blick

Über den de­so­la­ten Zu­stand ih­res Ge­mein­we­sens zu Recht fru­striert, grei­fen die Bel­gi­er gern und oft zu trö­sten­den Scho­ko­la­de­stück­chen, wes­halb die hei­mi­sche Pra­li­nen­pro­duk­ti­on in ho­her Blü­te steht, ja nach­ge­ra­de Welt­markt­füh­rer­schaft be­an­spru­chen kann. Daß der Pro­to­kol­lant wäh­rend sei­nes kur­zen Auf­ent­hal­tes nicht gleich fünf Ki­lo zu­leg­te, ist ein­zig den ex­or­bi­tan­ten Prei­sen der sü­ßen De­li­ka­tes­sen ge­schul­det. Weil die Bel­gi­er über der gan­zen Na­sche­rei nicht sel­ten ver­ges­sen, wäh­rend der La­den­öff­nungs­zei­ten auch für die Deckung des Grund­be­dar­fes Sor­ge zu tra­gen, ste­hen in vie­len Ge­mein­den Bro­t­au­to­ma­ten stets dienst­be­reit her­um.

Auch an­son­sten fin­det man im klei­nen Nach­bar­land man­che Ei­gen­ar­tig­keit in der Welt der Wirt­schaft, zum Bei­spiel ehe­ma­li­ge Kir­chen, in de­nen heut­zu­ta­ge nur noch dem Mam­mon ge­hul­digt wird:

zu einer Modeboutique umgewidmete Kirche in Gent

In­wie­weit sich in sol­chen Kon­sum­tem­peln [sic!] ei­ne zu­neh­men­de Gott­lo­sig­keit in der Ge­sell­schaft wi­der­spie­gelt, soll an die­ser Stel­le nicht wei­ter dis­ku­tiert wer­den. Auch soll kei­nes­wegs der Ein­druck ent­ste­hen, daß Bel­gi­en nicht auch schö­ne Sei­ten auf­zu­wei­sen hät­te. Das Ge­gen­teil ist der Fall! Im ost­flan­dri­schen Gent zum Ex­em­pel kommt man gar nicht um­hin, in na­he­zu je­der Blick­rich­tung an­sichts­kar­ten­ge­rech­te Stim­mungs­bil­der vor sich zu se­hen:

Postkartenbild von Gent

Auch Brüg­ge in West­flan­dern ist be­rühmt für sei­ne in­tak­te mit­tel­al­ter­li­che Alt­stadt. Wäh­rend wir in Deutsch­land al­len­falls Ro­then­burg ob der Tau­ber als ver­gleich­ba­ren Trumpf aus­spie­len kön­nen, ha­ben die Bel­gi­er dut­zen­de put­zi­ger Städt­chen in der Hin­ter­hand und im Hin­ter­land. Den­noch: Hin­ter man­cher nett her­aus­ge­put­zen Fas­sa­de kön­nen Ab­grün­de lau­ern, Grau­en und Ent­set­zen gar! We­he dem, der dort den Schritt über die Schwel­le wagt:

unerhörter Hilferuf in Brügge

Der ab­ge­bil­de­te stum­me Schrei schien bis da­to nicht er­hört wor­den zu sein, ob­wohl man wohl da­von aus­ge­hen kann, daß die mei­sten Bel­gi­er nicht nur ent­we­der des Nie­der­län­di­schen oder Fran­zö­si­schen mäch­tig sind. Auch der zone­batt­ler un­ter­nahm kei­ne An­stal­ten, hier wei­ter nach dem Rech­ten zu se­hen. Tags drauf war ihm dann frei­lich selbst nach ei­nem Hil­fe­ruf zu­mu­te, als er und sei­ne bes­se­re Hälf­te näm­lich arg­lo­se Op­fer leib­haf­ti­ger Ver­bre­cher wur­den. Mehr da­zu in der näch­sten Epi­so­de...

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Montag, 18. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (2)

Das ei­ge­ne Land zu durch­rei­sen ist zu­nächst meist kei­ne son­der­lich auf­re­gen­de Er­fah­rung: Weg­wei­ser, Brief­kä­sten, Po­li­zei­au­tos und La­den­schil­der schau­en kaum an­ders aus als die da­heim. Man ist ir­gend­wie noch nicht wirk­lich weg. Wohl dem aber, der ein klei­nes und eher lang­sa­mes Au­to hat: Da stellt sich der Wunsch nach über­schau­ba­ren Etap­pen und aus­gie­bi­gen Pau­sen ganz von selbst ein! Zum Bei­spiel schon nach 100 Ki­lo­me­tern:

barocke Figurenpracht vor der Würzburger Residenz

Im ru­hi­gen Hof­gar­ten der Würz­bur­ger Re­si­denz läßt es sich ganz wun­der­bar fla­nie­ren, selbst bei schön­stem Fe­ri­en­wet­ter ver­liert sich werk­tags nur ei­ne Hand­voll Be­su­che­rIn­nen dar­in. Wir lab­ten uns im re­kon­stru­ier­ten Wirt­schafts­gar­ten an rei­fen Wald­erd­bee­ren, die of­fen­bar nur der Zier­de die­nen und an­son­sten al­len­falls von orts­kun­di­gen Ken­ne­rIn­nen ge­mund­raubt wer­den. Ein lecke­rer Rei­se­auf­takt! Auch vor dem Schloß för­der­te der Blick zum Bo­den manch’ rät­sel­haf­te Über­ra­schung zu­ta­ge:

rätselhaftes Tischschild vor dem Schloß

Auf der Rück­sei­te je­nes Papp­schil­des stand üb­ri­gens »ko­sten­los« zu le­sen. Na dann!

Jetzt müs­sen wir das Er­zähl­tem­po aber doch et­was ver­schär­fen, sonst dau­ert die re­ka­pi­tu­lie­ren­de Zu­sam­men­fas­sung am En­de noch län­ger als die ei­gent­li­che Rei­se. Der pri­va­te Haus­be­such beim Le­xi­ka­li­ker sei da­her nur am Ran­de er­wähnt; wir spu­len flugs vor und set­zen tags drauf wie­der ein beim Be­such der be­rühm­ten Ab­tei Ma­ria Laach in der Ei­fel. Zu­nächst galt es, den un­weit der Klo­ster­kir­che ge­le­ge­nen Cal­de­ra-See per pe­des zu um­run­den, was der in der Ho­sen­ta­sche mit­ge­führ­te GPS-Tracker na­tür­lich pe­ni­belst pro­to­kol­lier­te:

Maria Laach auf der elektrischen Landkarte
Map da­ta: © Open­Street­Map con­tri­bu­tors, powered by MapSurfer.NET

Über­haupt ist es ei­ne fei­ne Sa­che, sich von so ei­nem klei­nen Rei­se­be­glei­ter die Rou­te und da­mit letzt­lich auch die Er­in­ne­run­gen zu­ver­läs­sig kon­ser­vie­ren zu las­sen. Ich wer­de in ei­ner spä­te­ren Epi­so­de noch dar­auf zu­rück­kom­men, wel­che durch­aus un­er­war­te­ten Ne­ben­wir­kun­gen das hin­sicht­lich der ei­ge­nen Fo­to­gra­fier­wut zei­ti­gen kann...

kunstvoll gestalteter Brunnen vor der Klosterkirche Maria Laach

Die fol­gen­den aus­gie­big in­spi­zier­ten Etap­pen­zie­le (Bad Mün­ster­ei­fel, Ge­münd, Aa­chen) sei­en der Voll­stän­dig­keit hal­ber zwar nicht ver­schwie­gen, aber auch nicht nä­her be­schrie­ben, denn wie ein­gangs schon er­wähnt ist die An­mu­tung in­län­di­scher Or­te auf ei­nem ge­wis­sen ge­mein­sa­men Nen­ner stets die glei­che, wie­wohl na­tür­lich die Bau­denk­mä­ler und die Dia­lek­te der In­sas­sen wech­seln. Wirk­lich an­ders wird es erst mit dem Über­fah­ren ei­ner Lan­des­gren­ze, in un­se­rem Fall war es die zu Bel­gi­en. Wie es dort zu­geht, wird The­ma und Ge­gen­stand der näch­sten Fol­ge sein...

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Sonntag, 17. August 2008

Ein­mal Brigh­ton und zu­rück (1)

Als ich in ei­nem frü­he­ren Le­ben im Jah­re 1991 erst­mals in das süd­eng­li­sche See­bad Brigh­ton kam, war der exo­tisch-ku­rio­se Roy­al Pa­vi­li­on voll­stän­dig ein­ge­rü­stet und we­gen all­fäl­li­ger In­stand­set­zungs­ar­bei­ten nicht für die Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich. Gut 17 Jah­re spä­ter galt es nun, die über­fäl­li­ge Be­sich­ti­gung end­lich nach­zu­ho­len...

Wäh­rend es den zone­batt­ler al­so nach Eng­land zog, woll­te sei­ne bes­se­re Hälf­te un­be­dingt Frank­reich be­rei­sen. Bei­des mit­ein­an­der ver­bin­dend und ver­ei­nend, brach man am letz­ten Ju­li­tag mit (und in) der treu­en Renn­gur­ke gen We­sten auf.

Autoatlas, Reiseführer und GPS-Logger samt Akkus

Erst­mals konn­te ich dank mei­nes hand­li­chen Vor­rats­da­ten­spei­chers (der im Bild zu se­hen­de, wei­ße GPS-Tracker) die ge­sam­te Rei­se­rou­te au­to­ma­tisch mit­pro­to­kol­lie­ren und jetzt in Nach­gang vi­sua­li­sie­ren las­sen. Aus gro­ßer Hö­he sieht die zu­rück­ge­leg­te Strecke auf der Land­kar­te so aus:

Reiseroute auf der Landkarte
© Powered by MapSurfer.NET; Map da­ta: © Open­Street­Map con­tri­bu­tors
 
Groß­fas­sung 1170 x 660 Pi­xel

Bei wei­te­rem Hin­ein­zoo­men wird die far­bi­ge Tracker­spur dann im­mer de­tail­ier­ter: Letzt­lich sieht man je­den Am­pel­stopp und je­de Pin­kel­pau­se Rast. Er­freu­lich üp­pig ist üb­ri­gens die Spei­cher­aus­stat­tung mei­nes klei­nen wei­ßen Pro­to­koll­füh­rers: Ob­wohl ich ihn al­le 2 Se­kun­den (!) die Po­si­ti­on auf­zeich­nen und täg­lich ca. 12 Stun­den lang lau­fen ließ, war er nach 17 Rei­se­ta­gen noch nicht mal halb­voll!

Da die Fahr­zeug­be­sat­zung be­rufs­be­dingt recht ho­tel­erfah­ren ist, zieht sie im Ur­laub ge­mein­hin die mor­gend­li­che Ge­sell­schaft von Ha­se und Igel der von Hinz und Kunz vor und näch­tigt freu­dig in frei­er Na­tur. Zu die­sem Be­hu­fe sucht sie bei Ein­bruch der Abend­däm­me­rung ei­nen ge­eig­net er­schei­nen­den Stand­platz für den mit we­ni­gen Hand­grif­fen zum kom­for­ta­blen Schlaf­wa­gen um­zu­rü­sten­den fahr­ba­ren Un­ter­satz. In (meist) fried­li­cher Um­ge­bung fin­det der Rei­se­tag dann sein be­schau­li­ches En­de.

im Wald vor Aachen

Angst braucht man un­se­rer Mei­nung nach bei die­ser Art des na­tur­na­hen Näch­ti­gens nicht zu ha­ben, sind doch die Räu­ber heut­zu­ta­ge ge­mein­hin nicht mehr im Wal­de, son­dern im In­ter­net (und/oder in den schnie­ken Chef­eta­gen) an­zu­tref­fen...

im Wald vor Aachen

Üb­ri­gens ist der be­währ­te Wa­gen eben­so kom­pakt wie ge­län­de­gän­gig und ver­hilft dank mit­ge­führ­ter Kü­chen- und Wasch­ki­sten zu ei­nem doch be­trächt­li­chen Maß an Aut­ar­kie. Hin­ter­her ist man im­mer wie­der auf’s Neue ver­blüfft, mit wie we­nig man aus­kommt, um ein ‑kei­nes­wegs spar­ta­ni­sches- Va­ga­bun­den­le­ben auf Zeit zu füh­ren.

So­viel vor­ab, als Prä­am­bel so­zu­sa­gen und um das grund­sätz­li­che Sze­na­ri­um zu set­zen. In ei­ge­nen Bei­trä­gen sol­len die Er­leb­nis­se und Er­eig­nis­se in Deutsch­land, Bel­gi­en, Frank­reich, Eng­land und wie­der­um Frank­reich und Deutsch­land aus­führ­li­che Wür­di­gung fin­den.

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