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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 31. Oktober 2010

Rei­se ins Re­vier (4)

Am zehn­ten Ta­ge un­se­rer Ruhr­ge­biets-Vi­si­te schau­ten wir uns zu­nächst noch ein we­nig in Es­sen um, ins­be­son­de­re um­run­de­ten wir per pe­des den rie­si­gen Grug­a­park. Von au­ßen wohl­ge­merkt, denn künst­lich an­ge­leg­te Pflan­zen-Ar­ran­ge­ments ste­hen nicht wirk­lich im Fo­kus un­se­res flo­ra­len In­ter­es­ses. Üb­ri­gens wa­ren die an der Park-Pe­ri­phe­rie ent­deck­ten Ein­rich­tun­gen viel span­nen­der, die non­cha­lan­ter­wei­se in Ei­gen­in­itia­ti­ve in­spi­zier­te Fried­hofs-Lehr­gärt­ne­rei mit (mut­maß­lich) lei­chen­lo­sen Lie­ge­stät­ten bei­spiels­wei­se hat­te nicht nur mor­bi­den, son­dern auch äs­the­ti­schen Reiz...

Adieu Es­sen, hal­lo Duis­burg! Der schwer­ge­wich­ti­ge Rei­se­füh­rer leg­te uns zu­nächst den Be­such des In­nen­ha­fens na­he, wo ei­ne post­in­du­stri­el­le Misch-Nut­zung (was­ser­na­hes Woh­nen, Ga­stro­no­mie, Dienst­lei­ster, Kul­tur) ein eben­so ab­wechs­lungs­rei­ches wie at­trak­ti­ves Are­al (wieder-)belebt hat. Das dort an­säs­si­ge Mu­se­um Küp­pers­müh­le für Mo­der­ne Kunst hat­te lei­der wie je­den Mon­tag ge­schlos­sen, dem Le­go­land Dis­co­very Cent­re woll­ten wir we­der Zeit noch Geld op­fern, aber auch so ge­riet der Rund­gang zum span­nen­den Er­leb­nis-Nach­mit­tag. Wir tapp­ten tap­fer bis in die Ci­ty und re­tour und wa­ren her­nach so zu­frie­den wie die en pas­sant ge­kraul­ten Zir­kus-Esel.

Am spä­ten Nach­mit­tag er­reich­ten wir dann den fas­zi­nie­ren­den Land­schafts­park Duis­burg-Nord, den wir erst nach Ein­bruch der Dun­kel­heit wie­der ver­lie­ßen. In dem nach­ge­ra­de rie­si­gen Are­al rund um ein längst still­ge­leg­tes Hüt­ten­werk gibt es so­viel zu se­hen, daß man dar­in oh­ne wei­te­res meh­re­re Ta­ge schau­end und stau­nend zu­brin­gen könn­te...

stadtbildprägende Silhouette der alten Industrieanlage

Die Viel­falt der heu­ti­gen Nach-Nut­zun­gen der mas­si­gen An­la­gen ver­blüff­te uns im­mer wie­der. Der Deut­sche Al­pen­ver­ein un­ter­hält dort nicht nur sei­ne lan­des­weit nied­rigst­ge­le­ge­ne »Berg­hüt­te«, son­dern auch – in meh­re­ren Ab­tei­lun­gen der al­ten Erz­bun­ker­an­la­ge – ei­nen al­pi­nen Klet­ter­gar­ten mit Schwie­rig­keits­gra­den für je­den Ge­schmack:

kletternde Kinder in einem ehemaligen Erzbunker

Hö­he­punkt der Be­sich­ti­gung war ganz zwei­fel­los (und auch im wort­wört­li­chen Sin­ne) die Be­stei­gung des ehe­ma­li­gen Hoch­ofens Nr. 5, der bis an die Spit­ze be­geh­bar ge­macht wur­de. Wer die me­lan­cho­li­sche At­mo­sphä­re sol­cher al­ten In­du­strie­re­lik­te zu schät­zen weiß, kommt hier eben­so auf sei­ne Ko­sten wie der Knip­ser auf der Su­che nach un­ge­wöhn­li­chen Mo­ti­ven...

modernes Windrad inmitten alter Relikte
 
Hier wachsen wieder Bäume...
 
Ein Labyrinth aus Röhren

wir näch­tig­ten am Ran­de des weit­läu­fi­gen Parks und bra­chen an­dern­tags nach Dort­mund auf, wo der zone­batt­ler zu­nächst ei­nem sei­ner dienst­li­chen Kun­den ei­nen halb­of­fi­zi­el­len Be­such ab­stat­te­te und sich und sei­ner bes­se­ren Hälf­te das ICE-Werk zei­gen ließ: Nicht al­le Ta­ge bie­tet sich selbst un­ser­ei­nem die Ge­le­gen­heit, un­ter auf­ge­stän­der­ten Glei­sen den Bauch ei­nes ICE T zu be­trach­ten und des­sen bi­stro­tisch­gro­ße Brems­schei­ben aus der Nä­he zu be­stau­nen...

Selbst­ver­ständ­lich hielt sich un­ser­ei­ner strikt an das im Werk herr­schen­de Fo­to­gra­fier­ver­bot, und da­her kann ich die­se Epi­so­de lei­der nur mit ei­nem Schnapp­schuß il­lu­strie­ren, der auf dem kur­zen Fuß­weg zwi­schen Werk­be­reich und Park­platz ent­stand:

gut gemeinter Rat

Quer durch die Stadt ging es dann zum be­rühm­ten »Dort­mun­der U«, welch­sel­bi­ges uns al­ler­dings nur die ani­mier­te Fas­sa­de und an­son­sten die kal­te Schul­ter zeig­te: Die neue Hei­mat des frü­he­ren Mu­se­ums am Ost­wall war noch im Um­bau be­grif­fen, die Aus­stel­lung noch im Wer­den und mit­hin nicht zu se­hen. Pech ge­habt!

das Dortmunder U

Was es hin­ge­gen zu se­hen gab, war die In­nen­stadt und ih­re Fuß­gän­ger­zo­ne, na gut, sind wir halt auch da mal ge­we­sen... Ach ja: Al­le paar hun­dert Me­ter be­geg­net man in Dort­mund ei­nem mehr oder we­ni­ger auf Kunst komm raus ori­gi­nell ge­stal­te­ten Nas­horn. Wenn das der Dü­rer wüß­te!

ein wohl als Kunstwerk gedachtes Nashorn

We­sent­lich in­ter­es­san­ter ge­stal­te­te sich der abend­li­che Ab­ste­cher zur Ze­che Zol­lern: Zwar ka­men wir erst bei Kas­sen­schluß dort an, konn­ten aber zu­min­dest noch das Frei­ge­län­de er­for­schen und die ein­zig­ar­ti­gen Ju­gend­stil-In­du­strie­bau­ten be­wun­dern. Heu­te ste­hen ja Ar­beits- und Ma­te­ri­al­ko­sten in um­ge­kehr­ten Ver­hält­nis als An­no 1904, da­her wach­sen in In­du­strie­ge­bie­ten al­lent­hal­ben nur noch Be­ton­sär­ge aus der Er­de und kei­ne ar­chi­tek­to­ni­schen Mei­ster­wer­ke mehr. Schon das macht die Ze­che Zol­lern zu ei­nem ein­zig­ar­ti­gen Klein­od im gro­ßen Maß­stab! Gleich ne­ben­an auf dem Be­su­cher-Park­platz stell­ten wir her­nach un­se­re Renn­gur­ke ab und bet­te­ten uns ein letz­tes Mal im mo­bi­len Schlaf­zim­mer zur Ru­he.

Der zwölf­te und letz­te Tag un­se­rer Rei­se war an­ge­bro­chen. Als er­stes steu­er­ten wir die Ko­ke­rei Han­sa an und er­reich­ten die­se ei­ne Vier­tel­stun­de vor der re­gu­lä­ren Öff­nung. Kaum hat­ten wir die Na­se ins Ge­län­de ge­steckt, wur­den wir schon auf­ge­grif­fen, an die Uhr­zeit er­in­nert und an den of­fi­zi­el­len Be­su­cher­ein­gang ver­wie­sen. Ar­tig setz­ten wir uns dort auf die War­te­bank vor dem Kas­sen­fen­ster und wur­den von der dienst­tu­en­den Auf­sichts­per­son per Kopf­nicken be­grüßt, an­son­sten aber ge­flis­sent­lich igno­riert, auch über den Schlag der vol­len Stun­de hin­aus. Als ge­lern­ter Be­am­ter und prak­ti­zie­ren­der Dienst­lei­ster kann der zone­batt­ler die Men­ta­li­tät von vor­ge­fun­de­nen Ser­vice­per­so­na­len eben­so rasch wie zwei­fels­frei ein­schub­la­di­sie­ren, da­her er­schien es ihm rat­sam, sich hier auf kei­ne Dis­kus­sio­nen mehr ein­zu­las­sen und kur­zer­hand auf ei­ge­ne Faust das Are­al zu er­kun­den. Was sich – im Nach­hin­ein be­trach­tet – als eben­so zweck­dien­lich wie im Grun­de ent­behr­lich ent­pupp­te: Was wir dort zu se­hen be­ka­men, hat­ten wir an­dern­orts schon längst er­forscht.

Wir fuh­ren wei­ter in Rich­tung Soest, um den zum Ur­laubs­be­ginn bei den dort hau­sen­den Freun­den ent­lie­he­nen Re­gio­nal-At­las wie­der ab­zu­ge­ben. Un­ter­wegs be­such­ten wir noch in (auf?) Schloß Cap­pen­berg ei­ne Kunst­aus­stel­lung mit Wer­ken von Gün­ter Hae­se, ei­nem Prot­ago­ni­sten der Ki­ne­ti­schen Kunst.

Blick von Schloß Cappenberg ins Umland

Die­se Aus­stel­lung er­wies sich als über­aus in­spi­rie­rend und her­vor­ra­gend ge­stal­tet, wahr­lich ein un­ver­hoff­tes High­light am En­de un­se­rer Rei­se. Um­ge­kehrt ver­hielt es sich lei­der mit dem Zen­trum für In­ter­na­tio­na­le Licht­kunst in Un­na, wel­ches wir mit gro­ßen Er­war­tun­gen be­tra­ten, je­doch ei­ni­ger­ma­ßen ent­täuscht wie­der ver­lie­ßen. Im­mer­hin: die be­geh­ba­re Ca­me­ra Ob­scu­ra von Ja­mes Tur­rell [1] mit der Pro­jek­ti­on ei­nes kreis­run­den Him­melsauschnit­tes bleibt als gran­dio­ses Werk in Er­in­ne­rung.

Der Rest ist schnell er­zählt: Von Un­na nach Soest, von Soest auf die Au­to­bahn und auf den 400 km bis Fürth al­le 100 km ei­ne klei­ne Pau­se ge­macht. Ge­gen 22 Uhr tra­fen wir dann wohl­be­hal­ten da­heim ein, wuch­te­ten zu­nächst den mit­ge­führ­ten Haus­rat ins Trep­pen­haus und wun­der­ten uns wie stets nach der Rück­kehr von ei­ner Cam­ping­rei­se über des­sen schein­ba­re Vo­lu­men­zu­nah­me: Sechs oder sie­ben Mal ächz­te der zone­batt­ler die 66 Stu­fen hoch zu sei­ner ho­me­zo­ne, je­des Mal be­packt wie ein Last­esel und mit­un­ter auch schnau­bend wie ein sol­cher. Am En­de stand die Er­lö­sung in Form ei­nes war­men Dusch­ba­des...

Zu En­de ist nun­mehr auch die­se Rei­se-Re­por­ta­ge, zu de­ren ord­nungs­ge­mä­ßen Nie­der­schrift sich der Ver­fas­ser dies­mal mehr als sonst über­win­den muß­te. Er bit­tet die ge­dul­di­ge Le­ser­schaft sub­mis­sest um Ver­zei­hung für die lan­gen Pau­sen zwi­schen den Tei­len und ver­spricht für die Zu­kunft – erst­mal nix.

 
[1] des­sen Ge­nia­li­tät wir be­reits in Wolfs­burg be­staunt hat­ten.

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Sonntag, 17. Oktober 2010

Rei­se ins Re­vier (3)

Nach dem Auf­wa­chen auf dem – wie es ein smar­ter Mak­ler sehr tref­fend aus­drücken wür­de – äu­ßerst ver­kehrs­gün­stig ge­le­ge­nen Wohn­mo­bil-Stell­platz be­sich­tig­ten wir (nur ei­ne ob­li­ga­to­ri­sche Kat­zen­wä­sche und ein wie üb­lich am­bu­lant ein­ge­nom­me­nes Früh­stück spä­ter) den Ober­hau­se­ner Ga­so­me­ter. Als in der Tat sehr ein­drucks­voll er­wies sich das In­ne­re des gi­gan­ti­schen Hohl­kör­pers, ins­be­son­de­re aber auch die ak­tu­el­le Aus­stel­lung »Stern­stun­den – Wun­der des Son­nen­sy­stems«, die noch bis zum En­de des lau­fen­den Jah­res be­wun­dert wer­den kann. Die über­gro­ßen Fo­tos, die aus­la­den­den Pla­ne­ten­mo­del­le und ins­be­son­de­re das nach­ge­ra­de rie­si­ge Mond­mo­dell loh­nen ei­nen Ab­ste­cher in die dicke Röh­re al­le­mal!

Aus den Tie­fen des Alls resp. des ehe­ma­li­gen Gas­be­häl­ters wie­der ans Ta­ges­licht zu­rück­ge­kehrt, mach­ten wir in­ter­es­se­hal­ber ei­nen Rund­gang durch das na­he­ge­le­ge­ne Cen­trO, dem laut Ei­gen­wer­bung »größ­ten Shop­ping- und Frei­zeit­zen­trum Eu­ro­pas«. Na ja, es gibt dort wie hier und über­all sonst im We­sent­li­chen die glei­chen Ket­ten­lä­den, ei­ne Freß­ro­tun­de ei­nen Food Court und die heut­zu­ta­ge üb­li­che Shop­ping-Cen­ter-Ar­chi­tek­tur. Der zone­batt­ler ließ sich letzt­lich von der all­ge­mei­nen Kon­sum-Stim­mung um ihn her­um an­stecken und zück­te ver­zückt sei­ne Geld­bör­se... [1]

Über dem Kauf­rausch war es Nach­mit­tag ge­wor­den, dar­um galt es, hur­tig auf die Au­to­bahn zu flit­zen und sich vom sanft säu­seln­den Han­dy in die quir­li­ge In­nen­stadt Düs­sel­dorfs lot­sen zu las­sen. In der dor­ti­gen Kunst­samm­lung NRW (K20 am Grab­beplatz) tra­fen wir uns zu­nächst mit ei­nem uns bis da­to nur vir­tu­ell be­kann­ten Blog­ger-Kol­le­gen zu ei­nem höchst an­re­gen­den Plausch. Dann mee­te­ten & gree­te­ten wir noch ei­ne lie­be (Fast-)Nachbarin aus Fürth, welch­sel­be in wacke­rer, ge­dul­dig er­tra­ge­ner Pend­ler-Exi­stenz in je­nem be­rühm­ten Kunst-Tem­pel ihr werk­täg­li­ches Ein- und Aus­kom­men fin­det...

In­des wa­ren wir ja nicht nur zum Schä­kern und sich Be­schnup­pern nach Düs­sel­dorf ge­kom­men, nein, es war­te­te am Abend ein re­spek­ta­bler Kunst­ma­ra­thon auf uns in Form der vie­len zeit­gleich statt­fin­den­den Ver­nis­sa­gen zur Qua­dri­en­na­le 2010! Wir guck­ten und scho­ben uns bis spät in die mil­de Nacht durch die frisch er­öff­ne­ten Aus­stel­lun­gen »Jo­seph Beu­ys. Par­al­lel­pro­zes­se« (K20), »Nam Ju­ne Pa­ik« (mu­se­um kunst pa­last) und »Der Ro­te Bul­li. Ste­phen Shore und die Neue Düs­sel­dor­fer Fo­to­gra­fie« (NRW-Fo­rum), bis wir dann end­lich er­mat­tet quer durch die Stadt (er­neut vom Han­dy si­cher ge­lei­tet) in Rich­tung Aus­stel­lung Nr. 4 (K21 Stän­de­haus) tapp­ten, wo­selbst die eben­so ab­seits wie ko­sten­frei ge­park­te Renn­gur­ke un­se­rer harr­te. Schön war die Kunst, schön war die Nacht, schön zeig­te sich auch die bunt il­lu­mi­nier­te Sky­line des Dor­fes an der Düs­sel:

Düsseldorf bei Nacht

Erst nach Mit­ter­nacht lie­fen wir wie­der in Ober­hau­sen ein, wo wir di­rekt am Fu­ße des Ga­so­me­ters ei­ne Wa­gen­burg bil­de­ten und uns zur (dies­mal ge­büh­ren­frei­en) Ru­he nie­der­leg­ten...

Am Tag Nr. 8 un­se­rer Ex­pe­di­ti­on wa­ren wir schon lan­ge vor der er­neu­ten Öff­nung des dicken Wahr­zei­chens von Ober­hau­sen wie­der wach und rei­se­be­reit. Wir tucker­ten los in Rich­tung Es­sen, wo­selbst wir schon wie­der ei­ne Ver­ab­re­dung hat­ten: Am Ran­de der welt­be­rühm­ten Ze­che Zoll­ver­ein woll­ten wir uns mit ei­nem mei­ner flei­ßi­gen Home­page-Zu­trä­ger tref­fen, der uns – als Ein­hei­mi­scher be­stens orts- und kul­tur­kun­dig – die um­fang­rei­chen Ein­rich­tun­gen der rie­si­gen still­ge­leg­ten An­la­ge zei­gen und er­läu­tern woll­te. Es wur­de ein lan­ger, lehr­rei­cher und bun­ter Tag...

Förderturm der Zeche Zollverein
 
Detail der Kokerei
 
abgesperrtes Werksgebäude

In sei­nem Hang zum Skur­ri­len und Bi­zar­ren fiel dem zone­batt­ler so man­ches De­tail auf. Un­ter an­de­rem kam ihm die­ser höchst ei­gen­ar­ti­ge Mast­schmuck vor die Lin­se:

mustergültiges Exempel von Strickgraffiti

Zu­nächst konn­ten wir uns kei­nen Reim auf je­nes eben­so ge­lun­ge­ne wie selt­sa­me Woll-Ob­jekt ma­chen. Ein Blick auf den an­ge­knüpf­ten Bei­pack­zet­tel klär­te uns je­doch schnell auf: »Strick­graf­fi­ti soll den öf­fent­li­chen Raum et­was bun­ter ma­chen und be­schä­digt nichts.« Wenn das kein Bei­spiel für vor­bild­haft bür­ger­li­ches En­ga­ge­ment ist!

Nach­dem wir uns am spä­ten Nach­mit­tag von un­se­rem mul­ti­ta­len­tier­ten Füh­rer-Freund ver­ab­schie­det hat­ten, fuh­ren wir wei­ter in Rich­tung Sü­den, nah­men un­ter­wegs Be­triebs­stof­fe für Mensch und Ma­schi­ne auf und be­gan­nen mit der Su­che nach ei­nem Plätz­chen für die Nacht. Dies ge­stal­te­te sich dies­mal als un­er­war­tet schwie­rig, es woll­te sich par­tout kein ge­eig­ne­ter Ort er­spä­hen las­sen. Nach lan­ger Odys­see – es war in­zwi­schen schon dun­kel ge­wor­den – be­zo­gen wir end­lich pro­vi­so­risch Po­sten auf ei­nem Be­su­cher-Park­platz am Nord­ost-Ufer des Bal­de­ney­se­es.

Was sich letzt­lich als gu­te Wahl ent­pupp­te: Im Grun­de soll­te man sich in Bal­lungs­räu­men oh­ne­hin von der Idee ver­ab­schie­den, ei­nen Schlaf­platz »im Grü­nen« aus­fin­dig ma­chen zu kön­nen. Mit­ten drin im ur­ba­nen Ge­tüm­mel fin­den sich noch am ehe­sten leid­lich ab­ge­le­ge­ne Ecken an Fried­hö­fen, Su­per­märk­ten oder Fa­bri­ken, wo sich des Nachts kaum ein Mensch hin­ver­irrt. Und wenn doch mal ei­ner sei­nen Vier­bei­ner Gas­si führt, dann gucken bei­de meist dis­kret zu Sei­te. So je­den­falls un­se­re Er­fah­rung; die ech­ten Schur­ken schla­gen am helll­lich­ten Ta­ge zu...

Der neun­te Tag un­se­rer Rei­se war er­stens ein Sonn­tag und mach­te zwei­tens sei­nem Na­men we­nig Eh­re: Es reg­ne­te mehr oder we­ni­ger fast den gan­zen Tag über. Das scher­te (schor?) uns frei­lich we­nig, denn wir hat­ten oh­ne­hin ein eher in­häu­si­ges Be­sich­ti­gungs­pro­gramm zu ab­sol­vie­ren. Die er­ste Sta­ti­on (die uns schon fast ei­nen hal­ben Tag ko­ste­te) war die ober­halb des Bal­de­ney­se­es thro­nen­de Vil­la Hü­gel, die bis 1945 das re­prä­sen­ta­ti­ve Re­fu­gi­um der In­du­stri­el­len-Fa­mi­lie Krupp ge­we­sen war:

fauchender Löwe aus Stein, die Villa Hügel bewachend

Die in der Vil­la ge­zeig­te Dau­er­aus­stel­lung zur Ge­schich­te von Fa­mi­lie und Fa­brik wür­digt ei­ner­seits die gro­ßen tech­ni­schen Lei­stun­gen des von der klei­nen Klit­sche zum Welt­kon­zern ge­wach­se­nen Un­ter­neh­mens, do­ku­men­tiert aber auch die schick­sal­haf­te Ver­strickung mit dem NS-Re­gime, das oh­ne den »Krupp­stahl« schwer­lich hät­te Krieg füh­ren kön­nen...

Nach Ver­ab­fol­gung die­ser üp­pi­gen Do­sis Zeit­ge­schich­te mach­ten wir uns wie­der auf in Rich­tung In­nen­stadt, um die zwei­te Ta­ges­hälf­te im Mu­se­um Folk­wang zu ver­brin­gen. Da­nach wa­ren wir platt bzw. voll, aber es reich­te doch noch für ei­ne schnel­le Um­run­dung des Aal­to-Thea­ters zu Fuß, um nach der be­reits im April er­folg­ten Be­sich­ti­gung des Wolfs­bur­ger Kul­tur­hau­ses je­nem Bau ein zwei­tes Werk des fin­ni­schen Ar­chi­tek­ten ver­gleichs­hal­ber hin­zu­zu­ge­sel­len. Und weil sich der Marsch an der fri­schen Luft als be­le­bend er­wies, ha­ben wir dann auch noch ‑zu­min­dest von au­ßen – die präch­ti­ge Al­te Syn­ago­ge in­spi­ziert.

Nach so viel Es­sen für die Au­gen war die Zeit zum Es­sen für den Ma­gen ge­kom­men, welch­sel­bi­ges wir wie­der an den Ge­sta­den des Bal­de­ney­se­es ein­nah­men, an sei­nem nord­west­li­chen Zip­fel un­ter­halb der Vil­la Hü­gel. Mit ei­nem nächt­li­chen Spa­zier­gang (es reg­ne­te mitt­ler­wei­le nicht mehr) zum in der Fer­ne er­ahn­ten Stau­wehr run­de­te sich der Tag: Drei Vier­tel der Rei­se ins Un­be­kann­te konn­ten nun­mehr als er­folg­reich ab­sol­viert gel­ten. Zum letz­ten Vier­tel bre­chen wir in der näch­sten Fol­ge auf!

 
[1] Aus­ga­ben­rech­nung: EUR 2,40 (Piz­za­stück) + EUR 0,40 (Klo­frau) = EUR 2,80 To­tal

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Sonntag, 3. Oktober 2010

Rei­se ins Re­vier (2)

Der vier­te Tag un­se­rer Rei­se be­gann mit Nie­sel­re­gen, was uns je­doch we­nig aus­mach­te, hat­ten wir doch als er­sten Pro­gramm­punkt oh­ne­hin den Be­such des Deut­schen Berg­bau­mu­se­ums in Bo­chum vor­ge­se­hen. Das weit­läu­fi­ge Mu­se­um gilt als ei­nes der be­deu­tend­sten sei­ner Art und ist in ei­nem hal­ben Tag nicht an­nä­hernd ge­wür­digt. Den­noch konn­ten wir recht viel ler­nen über Ge­schich­te und Tech­nik des Berg­baus, über des­sen Ei­gen­ar­ten wir na­tür­lich prin­zi­pi­ell schon vor­her ei­ni­ger­ma­ßen Be­scheid wuß­ten, des­sen fas­zi­nie­ren­de De­tails uns aber noch nicht so ge­läu­fig wa­ren. Schier un­glaub­lich er­schien es uns, was beim Un­ter­ta­ge­ab­bau so al­les an Ge­rät und Ma­te­ri­al in die Gru­be ver­bracht wer­den muß, be­vor man dem Erd­in­ne­ren über­haupt et­was abgtrot­zen kann. Nicht we­ni­ger ver­blüf­fend ist frei­lich, was nach Aus­beu­tung der Koh­le­flö­ze al­les un­ten bleibt, wenn die Gru­be end­gül­tig ge­schlos­sen wird...

Nach die­sem Aus­flug in die In­du­strie­ge­schich­te tucker­ten wir wei­ter an den Stadt­rand zur Ruhr-Uni­ver­si­tät, um de­ren be­rühm­te Kunst­samm­lun­gen zu in­spi­zie­ren. Der be­ton­la­sti­ge Cam­pus er­in­ner­te den zone­batt­ler stark an die Tech­ni­sche Fa­kul­tät der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät zu Er­lan­gen, wo­selbst er vor drei De­ka­den eher halb­her­zig ein In­ge­nieur­stu­di­um an­ge­fan­gen (und sehr bald wie­der be­en­det) hat­te:

auf dem Campus der Ruhr-Universität in Bochum

Mar­mor, Stein und Be­ton bricht, aber das hat ja letzt­lich auch sei­ne ei­ge­ne Äs­the­tik und vi­su­el­len Charme...

Ein Bum­mel durch die In­nen­stadt (nebst Ge­nuß je ei­nes Ei­ses) run­de­te den Tag. Wir fuh­ren am Abend in süd­öst­li­cher Rich­tung wei­ter und fan­den schließ­lich am hin­te­ren Zip­fel des Park­plat­zes ei­nes Sport­ge­län­des bei Wit­ten ei­nen an­nehm­ba­ren Platz für das am­bu­lan­te Nacht­quar­tier.

Am Mor­gen des fünf­ten Ta­ges roll­ten wir ziel­stre­big zu­rück nach Bo­chum: Des zonebattler’s bes­se­re Hälf­te woll­te un­be­dingt die Me­di­zin­hi­sto­ri­sche Samm­lung der Uni­ver­si­tät be­sich­ti­gen, wel­che in ei­nem pit­to­res­ken al­ten Mala­koff­turm sehr stil­voll un­ter­ge­bracht ist. Wir ver­brach­ten meh­re­re un­ge­stör­te Stun­den lang in der recht in­for­ma­ti­ven Aus­stel­lung. Lei­der wa­ren ei­ni­ge in­ter­ak­ti­ve Ex­po­na­te de­fekt und nicht zu be­nut­zen, wie so oft hat das Geld einst nur für die Ein­rich­tung, nicht aber für die lau­fen­de Un­ter­hal­tung und Pfle­ge ge­reicht... Als un­ver­hoff­ter Hö­he­punkt der Vi­si­te er­wies sich die ei­gent­lich schon rum­me, aber noch nicht ab­ge­bau­te Son­der­aus­stel­lung »Ge­lenk­te Blicke« über Ras­sen­hy­gie­ni­sche Pro­pa­gan­da und Po­li­tik im Kon­text des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Ei­ne vor­treff­li­che Do­ku­men­ta­ti­on und Ana­ly­se der per­fi­den NS-Pro­pa­gan­da mit ih­rem kru­den Mix aus ech­ten bio­lo­gi­schen Er­kennt­nis­sen und pseu­do­wis­sen­schaft­li­chem Ras­sen­wahn-Ge­schwur­bel...

Ein rei­ni­gen­der Be­such im Bo­chu­mer Stadt­bad mach­te uns an­schlie­ßend wie­der auf­nah­me­fä­hig für die künst­le­ri­schen Her­aus­for­de­run­gen, die wir in dem spek­ta­ku­lä­ren Ge­bäu­de­en­sem­ble Si­tua­ti­on Kunst (für Max Im­dahl) such­ten und fan­den. Wir ris­sen mit un­se­rem zag­haf­ten Ge­klin­gel ei­ne an­ge­hen­de Kunst­ge­schicht­le­rin aus ih­ren Stu­di­en und wur­den von ihr ein­ge­las­sen in ei­ne En­kla­ve der Kon­tem­pla­ti­on:

Das Hauptgebäude von 'Situation Kunst (für Max Imdahl)' in Bochum

Teils un­ter fach­kun­di­ger Füh­rung der dienst­tu­en­den Stu­den­tin hat­ten wir nun Ge­le­gen­heit, die aus­ge­stell­ten Wer­ke und den si­tua­ti­ven Kon­text auf uns wir­ken zu las­sen. Sehr eli­tär, da wir auch hier wie­der ein­mal die ein­zi­gen Be­su­cher wa­ren! Wer im­mer sich für zeit­ge­nös­si­sche Kunst in­ter­es­siert und in der Nä­he ist, soll­te die Ge­le­gen­heit zu ei­nem Be­such dort nicht ver­säu­men!

Im be­nach­bar­ten Park fü­gen sich al­ler­lei Skulp­tu­ren in die Um­ge­bung ein und spie­len mit der Wahr­neh­mung duch den Be­trach­ter, wie bei­spiels­wei­se die­ser necki­sche Knick in der Op­tik hier:

Skulptur in der Natur

Wie­der zu­rück in der In­nen­stadt gönn­ten wir uns noch ei­nen aus­gie­bi­gen Rund­gang durch das Mu­se­um Bo­chum, gleich­falls mit Schwer­punkt auf mo­der­ner Kunst. Wie er­staunt wa­ren wir doch, der­glei­chen in die­ser Men­ge und Gü­te mit­ten im ehe­ma­li­gen Koh­len­pott zu fin­den! Was wir hin­ge­gen lei­der nicht fan­den, war ein ver­trau­ens­er­wecken­des Plätz­chen für die Nacht. Über­dies wur­de es rasch dun­kel, al­so fuh­ren wir kur­zer­hand Rich­tung Wit­ten, um ei­ne wei­te­re Nacht ne­ben dem uns schon be­kann­ten Sport­platz zu ver­brin­gen...

Dort­selbst bra­chen wir am sech­sten Tag un­se­rer Rei­se am frü­hen Mor­gen auf und hiel­ten ein­mal mehr auf Bo­chum zu. Nach­dem wir dort die Jahr­hun­dert­hal­le um­lau­fen und aus­gie­big in­spi­ziert hat­ten, zog es uns wei­ter in Rich­tung Bot­trop, wo un­se­re näch­ste De­sti­na­ti­on auf uns war­te­te, das Mu­se­um Qua­drat. Wäh­rend in ei­nem der räum­lich ver­bun­de­nen Ge­bäu­de­tei­le die Wer­ke des Bot­tro­per Künst­lers Jo­sef Al­bers ge­zeigt wer­den, gibt es auf der an­de­ren Sei­te Hei­mat­kund­li­ches zu se­hen, flan­kiert von ei­ner ei­ge­nen Samm­lung der Ur- und Früh­ge­schich­te. Rechts ab­strak­te Kunst, links sehr kon­kre­te Mam­mut­ske­let­te. Ei­ne ei­gen­ar­ti­ge, wenn­gleich durch­aus reiz­vol­le Mi­schung. Wo­hin­ge­gen sich gi­gan­ti­sche Am­mo­ni­ten und an­de­re Fos­si­li­en über vie­le Mil­lio­nen Jah­re er­hal­ten ha­ben, ist der eher zeit­ge­nös­si­sche Mu­se­ums­bau lei­der schon nach we­ni­gen Jahr­zehn­ten ma­ro­de ge­wor­den: Der pflicht­be­wuß­te zone­batt­ler mel­de­te dem Wach­per­so­nal ein ste­tes Trop­fen von der Decke, di­rekt zu Fü­ßen ei­nes dar­ob un­ge­rührt schei­nen­den Mam­muts. Tja, Flach­dä­cher halt, ein Irr­weg der bau­tech­ni­schen Evo­lu­ti­on...

Mehr ha­ben wir von Bot­trop dies­mal nicht ge­se­hen, schon ging es wei­ter ins na­he Ober­hau­sen. Dort er­war­ben wir Kom­bi­tickets für die ak­tu­el­le Aus­stel­lung im weit­hin sicht­ba­ren Ga­so­me­ter so­wie für die Lud­wig­ga­le­rie Schloss Ober­hau­sen. Die Zeit reich­te in­des nur noch für die Be­sich­ti­gung der Ga­le­rie mit der sehr ori­gi­nel­len Aus­stel­lung »Zu[m] Tisch!«. [1]

Da wir dann ganz zu­fäl­lig gleich ne­ben­an ei­nen gut aus­ge­schil­der­ten, gleich­wohl kaum be­leg­ten Wohn­mo­bil-Park­platz fan­den, war die Su­che nach ei­nem Platz für die Nacht dies­mal schon be­en­det, kaum daß sie recht be­gon­nen hat­te. Es blieb al­so noch Zeit für ei­nen Ab­ste­cher zur na­hen Sied­lung Ei­sen­heim, ei­ne der äl­te­sten kom­plett er­hal­te­nen Ar­bei­ter­sied­lun­gen Deutsch­lands. Er­staun­lich, wie schon vor über hun­dert Jah­ren qua­li­täts­voll ge­baut wer­den konn­te: Vier völ­lig ge­trenn­te Woh­nun­gen in ei­nem Haus (se­pa­ra­te Ein­gän­ge in­klu­si­ve) sorg­ten für mi­ni­mier­te Bau­ko­sten und für den so­zia­len Frie­den gleich mit! Heut­zu­ta­ge wer­den al­ler­or­ten für teu­er Geld rei­hen­wei­se mi­ni­mier­te Bür­ger­kä­fi­ge mit ma­xi­mier­ter Rei­bungs­flä­che zum Nach­barn er­rich­tet, aber ich will das heu­te nicht schon wie­der the­ma­ti­sie­ren...

Die Ge­schich­te der Sied­lung Ei­sen­heim ist auf vie­len in­for­ma­ti­ven Text­ta­feln vor Ort nach­zu­le­sen. Kaum zu glau­ben, daß ei­ne un­hei­li­ge Al­li­anz aus Ei­gen­tü­mer, Po­li­tik und Ge­werk­schaf­ten seit den 1960ern den To­tal­ab­riß des (in bau­li­cher wie von der So­zi­al­struk­tur her) völ­lig in­tak­ten Vier­tels ge­gen den er­klär­ten Wil­len der Be­woh­ner durch­set­zen woll­te. Wir la­sen wei­ter und wei­ter, von den da­ma­li­gen Bür­ger­ini­ta­ti­ven und de­ren teils pro­mi­nen­ten Ak­ti­vi­sten hat­ten wir bis­lang nie ge­hört. Na gut, wir wa­ren da­mals noch zu jung und zu we­nig po­li­tisch im Den­ken. Im­mer­hin, die Sa­che ging gut aus: Was da­mals zu Auf­ruhr im Re­vier führ­te wie heu­te der Streit um Stutt­gart 21, liegt heu­te ru­hig und be­schau­lich vor den Au­gen des Be­trach­ters:

kleinbürgerlicher Blumenschmuck in der Siedlung Eisenheim

Ob sich die heu­ti­gen Be­woh­ner über die hi­sto­ri­sche Be­deu­tung ih­res Vier­tels im Kla­ren sind, ob sie sich über­haupt dar­um sche­ren? Man weiß es nicht, aber es wä­re we­nig ver­wun­der­lich, wenn die jun­ge (Multikulti-)Generation für die Vor­ge­schich­te ih­rer en­ge­ren Hei­mat al­len­falls ein Ach­sel­zucken üb­rig hät­te...

So, es wur­de du­ster, es ging auf La­den­schluß zu, drum noch schnell im näch­sten La­den Milch und Kä­se ge­holt und sich auf den durch ho­he Hecken in­ti­mi­sier­ten Wohn­mo­bil-Stell­platz in ei­ne Ecke ver­zo­gen. Daß der Platz un­weit der Bahn lag, war uns zwar be­reits auf­ge­fal­len, daß der Gü­ter­ver­kehr dort na­he am theo­re­ti­schen Aus­la­stungs­li­mit lie­gen muß­te, be­merk­ten wir erst im Lau­fe der Nacht. Na ja, ir­gend­was ist im­mer, und so­lan­ge die Rä­der so rol­len wie dort, muß sich der zone­batt­ler ver­mut­lich kei­ne Sor­gen um die Si­cher­heit sei­nes Ar­beits­plat­zes ma­chen.

Fort­set­zung folgt!

 
[1] Wer Fo­tos aus den ge­nann­ten Mu­se­en ver­mißt, fin­det die­se sämt­lich hier!

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Dienstag, 28. September 2010

Rei­se ins Re­vier (1)

Nach­dem der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te im Früh­jahr reich­lich Ge­le­gen­heit zur Kör­per­er­tüch­ti­gung ge­habt hat­ten, soll­te die all­fäl­li­ge Spät­som­mer-Ex­kur­si­on der Ab­wechs­lung hal­ber doch eher dem Trai­ning von Geist und Hirn­schmalz die­nen. Au­ßer­dem war längst wie­der ei­ne Cam­ping­rei­se mit der Renn­gur­ke fäl­lig, um sich ei­ne Wei­le in De­mut und Be­schei­den­heit und nach Art der U‑­Boot-Fah­rer in ei­nem nach­ge­ra­de as­ke­ti­schen Le­bens­stil zu üben. Al­so ward be­schlos­sen (wenn auch nicht groß ver­kün­det), die wei­te Fahrt ins Ruhr­ge­biet an­zu­tre­ten: Deutsch­lands größ­ter Bal­lungs­raum war­tet mit reich­lich in­du­strie­ge­schicht­li­chen Se­hens­wür­dig­kei­ten und be­deu­ten­den Kunst­mu­se­en auf, die den Ti­tel der Kul­tur­haupt­stadt Eu­ro­pas 2010 als al­le­mal ge­recht­fer­tigt er­schei­nen las­sen. Wie üb­lich war der klei­ne GPS-Tracker mit von der Par­tie, was mir nun die nach­träg­li­che Vi­sua­li­sie­rung der zu­rück­ge­leg­ten Rou­te auf der Land­kar­te er­mög­licht:

Reiseroute auf der Landkarte
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Groß­fas­sung 1070 x 680 Pi­xel

Wir star­te­ten in Fürth am Mor­gen des er­sten Sep­tem­ber-Sams­tags und tra­fen nach et­wa fünf Stun­den weit­ge­hend er­eig­nis­lo­ser Marsch­fahrt [1] im schö­nen Soest ein, wo­selbst wir Freun­de mit Haus, Gar­ten und Hund be­such­ten und uns übers Wo­chen­en­de bei ih­nen ein­ni­ste­ten. Am Mon­tag Mor­gen ging es dann früh­zei­tig wei­ter und das ei­gent­li­che Aben­teu­er los... [2]

Er­ste Hal­te­sta­ti­on war das nord­öst­li­che Ufer des Heng­stey­se­es, von wo aus wir zur na­hen, aber hoch­ge­le­ge­nen Sy­burg wan­der­ten. Gleich ne­ben­an guckt Wil­helm I. über das wei­te Land und hat sich über die Jah­re grün ge­är­gert über sei­ne ihn mitt­ler­wei­le weit­ge­hend igno­rie­ren­den Un­ter­ta­nen:

Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Syberg

Viel­leicht ist er aber auch im­mer noch ver­stimmt über den plum­pen Ge­schmack der brau­nen Kul­tur­ver­we­ser, die sei­nen wei­land grün­der­zeit­li­chen Schnör­kel­gar­ten in den 1930ern zu ei­nem kalt-ab­wei­sen­den Mo­nu­men­tal­kon­strukt ver­hunz­ten...

Wie­der un­ten an­ge­langt, fand sich nach dem am­bu­lan­ten Mit­tags­mahl zwi­schen den nah­ge­le­ge­nen Sied­lun­gen Heng­stey und Ba­they end­lich das lan­ge­such­te und ‑er­sehn­te Spät­som­mer­mo­tiv für ein jah­res­zeit­lich pas­sen­des Desk­top-Hin­ter­grund­bild:

Essenz des Spätsommers

We­ni­ge Mi­nu­ten und Strecken­ki­lo­me­ter spä­ter ge­lang­ten wir in die In­nen­stadt von Ha­gen, wel­che wir per pe­des und sehr aus­führ­lich in­spi­zier­ten. Hier wie spä­ter an­dern­orts in den Städ­ten des Ruhr­e­ge­biets fiel uns auf, daß dort rich­ti­ge Ita­lie­ner mit Be­rufs­eh­re im Lei­be her­vor­ra­gen­des Spei­se­eis zu­be­rei­ten und zu fai­ren Prei­sen feil­bei­ten: 80 Cent pro üp­pig be­mes­se­ner Ku­gel in ei­ner knusp­ri­gen Waf­fel und da­zu noch oh­ne künst­li­che Aro­men, das ist in Nürn­berg und Um­ge­bung bei­lei­be kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit mehr! Wo­mög­lich han­delt es sich da­bei um ei­ne ku­li­na­ri­sche Spät­fol­ge der Gast­ar­bei­ter-Schwem­me in den In­du­strie­zen­tren zu Zei­ten des Wirt­schafts­wun­ders?

Wei­ter ging der Weg über das er­staun­lich be­schau­li­che Land bis nach Hat­tin­gen, des­sen viel­ge­rühm­te Alt­stadt aus Fach­werk­häu­sern uns eben­falls ei­ne aus­gie­bi­ge Er­kun­dung zu Fuß wert war. In der Tat hät­ten wir nicht er­war­tet, dort oben in Deutsch­lands wei­land stark in­du­stria­li­sier­tem We­sten so viel pit­to­res­kes Fach­werk an­zu­tref­fen. Die­ses zeigt sich zwar eher streng und we­ni­ger ver­spielt als die frän­ki­sche Bau­wei­se, weiß aber trotz­dem sehr zu ge­fal­len. Nicht we­ni­ger ori­gi­nell sind üb­ri­gens die ört­li­chen Ein­zel­han­dels­ge­schäf­te, in de­nen man ne­ben al­ler­lei Tin­nef bei­spiels­wei­se mo­di­sche Tarn­an­zü­ge für sei­ne Vier­bei­ner er­wer­ben kann:

ein fesches Regencape für Waldi

Auch sonst gibt es al­ler­lei Ei­gen­wil­li­ges zu se­hen in der wirk­lich put­zi­gen Hat­tin­ger Alt­stadt. Das fin­den frei­lich nicht al­le lu­stig, manch ei­ner wen­det sich so­gar pein­lich be­rührt und mit Grau­sen ab:

lebensgroße Kinderfiguren beim neckischen Spiel

Ei­ne Se­kun­de lang ha­be ich die bei­den Gno­me tat­säch­lich für echt ge­hal­ten...

Der Abend nah­te. Wir ver­sorg­ten uns noch mit ein paar Le­bens­mit­teln (ins­be­son­de­re kühl­be­dürf­ti­gen sol­chen wie Milch und Kä­se, die die Nacht über ne­ben dem Au­to aus­har­ren und aus­hal­ten müs­sen) und be­gan­nen im Um­land mit der Su­che nach ei­nem Stell­platz für die Nacht. Nach ei­ni­gen Irr­we­gen [3] be­zo­gen wir schließ­lich auf ei­nem gro­ßen Platz hin­ter ei­ner Groß­gärt­ne­rei und vor der Ein­fahrt zu ei­ner gro­ßen Bio­gas-An­la­ge Po­sten. Sehr an­ge­nehm, da ru­hig und mit asphal­tier­tem Un­ter­grund, ein ra­res Kom­fort­merk­mal auf un­se­ren mo­to­ri­sier­ten Ex­kur­sio­nen. Mit rou­ti­ner­ten Hand­grif­fen wur­den als­bald die Kla­mot­ten­ta­schen, die Kü­chen- und die Wasch­ki­ste nach vor­ne in das Cock­pit ver­frach­tet und der hin­te­re Teil des treu­en Mi­ni­bus­ses da­mit zum Wohn- und Schlaf­zim­mer um­ge­wid­met. [4] Der ein­set­zen­de Re­gen mach­te das Hau­sen in der be­schüt­zen­den Ei­er­scha­le aus Glas und Blech so rich­tig ge­müt­lich...

So­viel zu den er­sten drei Ta­gen der Rei­se, von de­nen ja recht ei­gent­lich nur ei­ner ei­ne Ex­pe­di­ti­on ins Un­be­kann­te war. In der näch­sten Fol­ge wird es dann schon mehr zu be­rich­ten ge­ben!

 
[1] von der ob­li­ga­to­ri­schen Ent­wäs­se­rungs­pau­se mal ab­ge­se­hen...

[2] Be­waff­net wa­ren wir üb­ri­gens mit dem dicken und fast schon zu um­fang­rei­chen »Ruhr­Kom­pakt« Rei­se- bzw. »Er­leb­nis­füh­rer«. Die te­le­fon­buch­dicke Schwar­te ist zu schwer zur Mit­nah­me auf Wan­de­run­gen und Spa­zier­gän­ge, aber sie ist auch über­aus in­for­ma­tiv, the­ma­tisch sehr um­fas­send und noch da­zu bil­li­ger als die mei­sten Kon­kur­renz­pro­duk­te.

[3] Man braucht bei un­se­rer Art des im­pro­vi­sier­ten Her­um­zi­geu­nerns re­gel­mä­ßig ein paar Ta­ge Übung, bis man wie­der ein Ge­spür und ei­nen Blick für gut ge­eig­ne­te Über­nach­tungs­plät­ze in der frei­en Wild­bahn be­kommt...

[4] Wie im­mer hat­ten wir un­ten Iso­mat­ten und Woll­decken auf die bei­den um­ge­klapp­ten Rück­bän­ke ge­legt und an­son­sten die re­gu­lä­ren Fe­der­bet­ten von da­heim mit­ge­nom­men. Im ei­ge­nen Bett schläft es sich ja be­kannt­lich al­le­mal am be­sten!

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