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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


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Dem En­de ent­ge­gen

Ich bin we­der de­pri­miert noch de­pres­siv, re­gi­strie­re mit­hin heu­te oh­ne Zorn und Ver­bit­te­rung, daß ich über den Ze­nit mei­nes Le­bens hin­aus bin (schon rein rech­ne­risch spricht al­les da­für, ob­wohl ich durch­aus kein Fall für das Buch der Re­kor­de wä­re, wenn ich noch­mal so­vie­le Jah­re leb­te wie ich jetzt schon auf dem krum­men Buckel ha­be). Die Seh­kraft be­ginnt lang­sam nach­zu­las­sen (wie­wohl ich im­mer noch mehr er­spä­he als die mei­sten an­de­ren und mei­ne Ar­me noch lang ge­nug aus­strecken kann, um be­druck­te Blät­ter weit ge­nug zum un­be­brill­ten Le­sen von mir hal­ten zu kön­nen), die be­nö­tig­ten Ru­he­pha­sen wer­den län­ger, ich neh­me mei­nen Kör­per mit­un­ter deut­li­cher (und äch­zen­der) wahr als frü­her.

Nicht, daß ich schon ech­te Ge­bre­chen hät­te: Ich ver­daue auch eher du­bio­se Buf­fets klag­los, von de­nen an­de­re am Mor­gen da­nach das gro­ße Kot­zen krie­gen. Ich ren­ne die 66 Stu­fen zu mei­ner rea­len Ho­me­zo­ne mehr­mals täg­lich rauf und run­ter, oh­ne nen­nens­wert ins Schnau­fen zu kom­men. Mir tropft der Pim­mel nicht und die Na­se nur sel­ten, ich ma­che mir kei­ne Sor­gen um Krebs, Dia­be­tes und dro­hen­de De­menz. Aber ich spü­re den­noch, daß es die Ram­pe run­ter geht, wenn­gleich noch in ge­mäch­li­chem Tem­po und nur un­merk­lich be­schleu­ni­gend. Ich ma­che mir frei­lich kei­ne Il­lu­sio­nen.

In­des, das ge­schärf­te Be­wußt­sein für die ei­ge­ne End­lich­keit hilft mir auch über man­che Tor­heit hin­weg: Ein Krat­zer am Au­to, von ei­nem flüch­ti­gen Idio­ten ver­ur­sacht? Ge­schenkt! Die Zei­ger der neu­en Uhr sind um sechs und um zwölf Uhr nicht per­fekt in Fluch­tung bzw. Deckung? Sei’s drum! Der Schu­ber der vier ed­len Lei­nen­bän­de hat ei­ne ge­stauch­te Ecke? Na wenn schon! Der schon zu Kin­der­zei­ten kul­ti­vier­te (und reich­lich über­schärf­te) Sinn für Per­fek­ti­on im De­tail ist mir zwar nicht völ­lig ver­lo­ren ge­gan­gen, aber ich kann in­zwi­schen ganz gut (und im­mer öf­ter) fün­fe ge­ra­de sein las­sen. Weil ich ja der­ma­l­einst doch nix mit­neh­men kann, we­der ins Jen­seits noch ins Nichts, was im­mer mich er­war­tet. Mit dem (oh­ne­hin seit je­her ver­geb­li­chen) Be­mü­hen um Per­fek­ti­on im Hier und Jetzt geht mir in­ter­es­san­ter­wei­se auch die Angst vor dem Tod ver­lo­ren, wenn­gleich nicht un­be­dingt die vor dem Ster­ben, zu­mal dem lang­sa­men und qual­vol­len. Aber nach­dem sich das Uni­ver­sum bis­lang fast im­mer schon mir ge­neigt ge­zeigt hat, bin ich auch in die­ser Hin­sicht gu­ten Mu­tes.

Ich glau­be, ich se­he der per­sön­li­chen Zu­kunft so ent­spannt ent­ge­gen wie nie zu­vor. Das heißt nicht, daß ich nicht zu­wei­len arg un­leid­lich wä­re, weil ich mich durch be­ruf­li­che Ka­la­mi­tä­ten ge­streßt oder durch pri­va­te Ma­lai­sen ge­nervt füh­le. Aber es wächst jen­seits der Ta­ges­lau­ne doch ei­ne ent­spann­te Grund­hal­tung in mir her­an, weil ich we­der mir noch an­de­ren noch der gan­zen Welt was be­wei­sen muß.

Ich muß auch nicht al­les se­hen, al­les hö­ren, al­les wis­sen, über­all mal ge­we­sen sein: Ich kann vie­les ima­gi­nie­ren, und wenn ich heu­te die Wahl ha­be zwi­schen ei­nem bun­ten Feu­er­werk im Stadt­park und ei­nem klei­nen Nicker­chen auf der Couch, dann er­scheint mir das Dö­sen auf dem So­fa nicht sel­ten als die at­trak­ti­ve­re Al­ter­na­ti­ve. Was wie­der­um nicht heißt, daß mir die Neu­gier und die Lust auf Ex­pe­ri­men­te ab­han­den ge­kom­men wä­re: Erst vor­ge­stern bin ich mit ei­nem Seg­way durch die Bam­ber­ger Alt­stadt ge­hop­pelt und ha­be das sehr ge­nos­sen. Neu­gier hält jung!

Wer jetzt ein all­ge­mein­gül­ti­ges Fa­zit oder auch nur ein klu­ges Re­su­mee er­war­tet, den muß ich lei­der ent­täu­schen: Ich ken­ne ken­ne kein Pa­tent­re­zept zum Um­gang mit dem Al­ter, dem Ver­wel­ken, dem Tod. Ich den­ke frei­lich, daß man sich bei­zei­ten ins Un­ab­wend­ba­re fü­gen und ge­las­sen hin­neh­men soll­te, was oh­ne­hin nicht zu än­dern ist. De­mut ist das Ge­bot der Stun­de, und es ist ja auch ir­gend­wo nicht nur tröst­lich, son­dern auch in Ord­nung, daß man selbst – wie al­les an­de­re auf der Welt – dem Zy­klus von Wer­den und Ver­ge­hen un­ter­liegt. Ob da­nach noch was kommt oder nicht, ist Glau­bens­sa­che. Wenn man Mahlers Zwo­te hört, ist man ge­neigt, die Auf­er­ste­hung als al­ter­na­tiv­los an­zu­se­hen. Oder ist das letzt­lich nur ei­ne – all­zu mensch­li­che – Il­lu­si­on, aus Angst und Wunsch­den­ken ge­bo­ren? Man wird se­hen (oder auch nicht). Ich je­den­falls bin durch­aus auf das ei­ge­ne En­de neu­gie­rig, aber es hat da­mit noch et­was Zeit...

Diskussion

  1. André Rupprecht  •  16. Aug. 2011, 3:08 Uhr

    Ach zone­batt­ler....

    Du wirst halt ein­fach alt. ;) (Aber nicht welk)

    Schau mein Vad­der an, über 35 Jah­re auf der Bau­stel­le. Abends kam er heim, Fü­ße hoch, Bier­chen auf und die Kip­pe in der Goschn. Haus­halt? Macht die Mut­ter.

    Jetzt ist er Ren­ter, zum mi­li­tan­ten Haus­mann (Haus­rent­ner) mu­tiert, Kü­chen­ver­bot für Mut­tern. Putz­ei­mer wer­den ihr ent­ris­sen....

    Willst Du das? Willst Da das wirk­lich? ;)

    ** Iro­nie aus**

    Sag ihm das bloß nicht!

    #1 

  2. Lexikaliker  •  16. Aug. 2011, 11:36 Uhr

    Ak­zep­tanz, Los­las­sen, die Er­kennt­nis, dass man nichts er­zwin­gen kann und das in­ten­si­ve Er­le­ben auch klei­ner, all­täg­li­cher Din­ge: Du gehst den be­sten Weg des in­ne­ren Frie­dens.

    #2 

  3. Grabenkenner  •  16. Aug. 2011, 16:33 Uhr

    ...»das in­ten­si­ve Er­le­ben klei­ner, all­täg­li­cher Din­ge«... das ist das was den mei­sten bei ih­ren schnel­ler-hö­her-wei­ter-Or­gi­en voll­ends ab­han­den ge­kom­men ist. Wer sich da­ge­gen im Gar­ten über jun­ge Ei­dech­sen freut wird als nicht ganz dicht ab­ge­stem­pelt. Scha­de, aber is so...

    #3 

  4. Rob Irgendwer  •  16. Aug. 2011, 18:12 Uhr

    Das ist ei­ner dei­ner be­sten Bei­trä­ge, lie­ber zone­batt­ler: Per­sön­lich, nach­denk­lich und gut ge­schrie­ben. Al­len Re­spekt.

    Nicht, dass ich den Rest des­we­gen ab­qua­li­fi­zie­ren möch­te, aber die­ser Bei­trag hat aus mir stil­len Le­ser (mal wie­der) ei­nen ak­ti­ven Semp­fer ge­macht.

    Dan­ke für dei­ne oben aus­ge­drück­te Of­fen­heit. Das macht die vir­tu­el­le Ho­me­zo­ne zu ei­nem der sel­te­nen schat­ti­gen Plätz­chen im grel­len In­ter­net und in der Blogo­sphä­re.

    Be­sten Gruß.

    #4 

  5. zonebattler  •  16. Aug. 2011, 19:46 Uhr

    Ich bin ge­rührt und er­freut dar­über, mich von Euch ver­stan­den zu se­hen. Dan­ke!

    #5 

  6. Lexikaliker  •  17. Aug. 2011, 6:32 Uhr

    Dan­ke Dir für die of­fe­nen Wor­te!

    Es mag viel­leicht ein biss­chen weit her­ge­holt wir­ken, doch an­ge­sichts ei­ni­ger Stel­len in Dei­ner Dar­stel­lung hät­te auch die Über­schrift »Neu­an­fang« ge­passt :-)

    #6 

  7. Uebero  •  19. Aug. 2011, 12:45 Uhr

    Ja, ich dan­ke auch, bin als fast ge­nau gleich­alt­ri­ge mit fuer­ther mut­ter und li­be­ro zu sehr aehn­li­chen schlues­sen ge­kom­men bis jetzt auf ein­mal (na­tuer­lich nicht auf ein­mal son­dern schon laen­ger) es so aus­sieht als ob die welt(wirtschaft) es mir nicht mehr er­lau­ben will mich an den klei­nen din­gen zu freu­en und das le­ben et­was locke­rer zu se­hen als noch vor 10 jah­ren viel­leicht. hier in grie­chen­land (und bald auch an vie­len an­de­ren stel­len) mer­ken wir ge­ra­de dass sich vor uns ein ziem­lich gro­sses schwar­zes loch auf­tut, dass die ein­ge­zahl­ten ren­ten­bei­trae­ge uns viel­leicht ueber­haupt kei­ne ren­te zah­len wer­den und dass man freu­de im klei­nen schlecht se­hen kann wenn man je­den tag mit hi­obs­bot­schaf­ten bom­ba­diert wird, freun­de und be­kann­te die ar­beit ver­lie­ren. fa­zit: zum ge­las­sen blei­ben braucht man ei­ne aus­rei­chen­de so­zia­le und fi­nan­zi­el­le si­cher­heit. gruss aus athen, ma­ri­an­ne

    #7 

  8. zonebattler  •  19. Aug. 2011, 13:28 Uhr

    Tja, das mit der fi­nan­zi­el­len Si­cher­heit ist so ei­ne Sa­che: Wenn es im schlimm­sten Fall zu ei­nem Wäh­rungs­schnitt kommt, dann sind mei­ne Er­spar­nis­se (und da­mit die Ru­he) wo­mög­lich da­hin! Un­ge­rech­ter­wei­se ha­ben ja die am mei­sten zu be­fürch­ten, die dank be­schei­de­nen Le­bens­stils und um­sich­ti­gen Wirt­schaf­tens et­was zu ver­lie­ren ha­ben! Wer sein Geld in­des ver­pul­vert und im­mer hart an der Kan­te lebt, den jucken wirt­schaft­li­che Tur­bu­len­zen na­tur­ge­mäß we­ni­ger...

    Hier wie dort wird dis­ku­tiert, ob uns der Ka­pi­ta­lis­mus nicht not­wen­di­ger­wei­se ins Ver­der­ben führt, weil er sy­stem­im­ma­nen­ter­wei­se ei­ne Spal­tung der Ge­sell­schaft in we­ni­ge im­mer Rei­che­re und vie­le im­mer Är­me­re be­treibt. Wenn denn die Dia­gno­se stimmt, was wä­re die The­ra­pie?

    Na­tür­lich kann man als Einzelne(r) we­nig aus­rich­ten, al­len­falls sich selbst treu blei­ben und ein gu­tes Bei­spiel zu ge­ben ver­su­chen. Weg­schau­en hilft auch nicht wirk­lich, aber was blie­be ei­nem selbst im worst ca­se üb­rig, als sein Le­ben und sei­ne Exi­stenz auf neue Bei­ne zu stel­len? Das kann hart wer­den, zu­mal im fort­ge­schrit­te­nen Al­ter; lang­wei­lig wird es mit Si­cher­heit nicht. Und für Her­aus­for­de­run­gen ist man nie zu alt!

    #8 

  9. Uebero  •  19. Aug. 2011, 14:58 Uhr

    und hier. Selbst wenn man ger­ne weg­schau­en wuer­de und der le­bens­til im­mer be­schei­den war und ei­nen her­aus­for­de­run­gen noch nie ge­schreckt ha­ben ist es ei­ne si­tua­ti­on die wir so noch nicht er­lebt ha­ben, denn sie ist we­der ein­schaetz­bar noch re­al ge­nug um zu re­agie­ren. man sieht zu, denkt ich ha­be mir schon lan­ge ge­ahnt dass das nicht gut ge­hen wird aber ins­ge­heim doch ge­dacht dass all die wei­sen die die wirt­schaft steu­ern sich was da­bei dach­ten und jetzt, dach­te schein­bar doch kei­ner was und dann bei­spie­len der ueber 40% ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit in die au­gen se­hen wenn man selbst (noch) ei­nen job hat. schul­di­gung, woll­te dir nicht das wo­chen­en­de ver­der­ben, das hof­fent­lich ein schoe­nes wird.

    #9 

  10. zonebattler  •  19. Aug. 2011, 15:24 Uhr

    Du hast ab­so­lut recht. Die mo­men­ta­nen Ent­wick­lun­gen sind eben­so bei­spiel­los wie brand­ge­fähr­lich (ich kann­te üb­ri­gens auch den von Dir ver­link­ten Spie­gel-Ar­ti­kel schon). Und wenn die Ge­sell­schaft wei­ter­hin so aus­ein­an­der­drif­tet, tan­giert uns das al­le (schon des­halb, weil man dann ir­gend­wann Angst ha­ben muß, noch auf die Stra­ße zu ge­hen). Da sind Ent­wick­lun­gen im Gan­ge und Kräf­te am Werk, ge­gen die der Ein­zel­ne, der be­son­ne­ne zu­mal, we­nig aus­zu­rich­ten im­stan­de ist. Was bleibt üb­rig? In­te­gri­tät und Hal­tung zei­gen, Stel­lung be­zie­hen, kon­se­quent zu sei­nen (alt­mo­di­schen) Prin­zi­pi­en ste­hen und da­nach han­deln. Auch wenn es im Mahl­strom der Me­ga­trends rüh­rend bist lä­cher­lich an­mu­ten mag.

    #10 

  11. zonebattler  •  21. Aug. 2011, 20:06 Uhr

    Pres­se­spie­gel: »Die be­ste Lö­sung des Un­lös­ba­ren« (Stüt­zen der Ge­sell­schaft)

    #11 

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