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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 30. Dezember 2018

Som­mer in Sie­ben­bür­gen (4)

Am En­de der vor­he­ri­gen Fol­ge ver­stieg sich der zone­batt­ler in Schwur­be­lei­en be­züg­lich der von ihm po­stu­lier­ten, tos­ka­ni­schen An­mu­tung der zen­tral­ru­mä­nisch-sie­ben­bür­gi­schen Land­schaft. Nun mag da jede(r) ei­ge­ne As­so­zia­tio­nen ha­ben und die­sen Ver­gleich mehr oder we­ni­ger weit her­ge­holt fin­den, al­lein des Be­richt­erstat­ters Ge­müt sah sich tat­säch­lich von ita­lie­ni­scher Leich­tig­keit er­füllt, als er auf dem rum­peln­den Bret­ter­wa­gen wie­der zu­rück in Rich­tung Ri­chiș (Rei­ches­dorf) kut­schiert wur­de:

Italienisch anmutende Landschaft in Rumänien

Viel­leicht war es auch nur ein all­ge­mei­nes (Hoch-)Gefühl von Frei­heit und Aben­teu­er, be­gün­stigt durch das tem­po­rä­re Aus­klin­ken aus al­len da­heim zu­rück­ge­las­se­nen Ver­ant­wort­lich­kei­ten so­wie dem un­ver­stell­ten Blick in die Na­tur und die Wei­te des Ho­ri­zonts, ei­ne Ele­men­tar­er­fah­rung, die ei­nem als Stadt­be­woh­ner im nor­ma­len All­tag ge­mein­hin nicht so oft ver­gönnt ist.

Aber wenn man schon mal Schö­nes um sich hat und auch ent­spre­chend Zeit, es zu ge­nie­ßen, dann soll man die Ge­le­gen­heit beim Schop­fe packen. So dach­te sich der Chro­nist, als er sich an­dern­tags schon ge­gen Mit­tag wie­der in die Ho­ri­zon­ta­le be­gab und im ehe­ma­li­gen Pfarr­gar­ten von Rei­ches­dorf al­le Vie­re be­hag­lich von sich streck­te:

Langgestreckte Entspannung im ehemaligen Pfarrgarten von Richiș (Reichesdorf)

Ja, so kann man es aus­hal­ten, ob­wohl un­ter dem üp­pig tra­gen­den Ap­fel­baum ein rea­li­sti­sches Ri­si­ko be­stand, un­ver­hofft ge­wal­tig ei­nen auf die Bir­ne zu krie­gen. Links und rechts von mir und um mich her­um wa­ren je­den­falls im Mi­nu­ten­takt Ein­schlä­ge von fri­schem Fall­obst zu hö­ren. Ver­mut­lich hat aber ei­ne hö­he­re Macht ih­re schüt­zen­de Hand über mich ge­hal­ten, ich wur­de je­den­falls im Schat­ten des ein­sti­gen Pfarr­hau­ses nicht von aus­ge­klink­ten Äp­feln at­tackiert...

Un­ser Ur­laub neig­te sich nun lang­sam sei­nem En­de ent­ge­gen. Wie so oft bei in­ten­si­ven Er­fah­run­gen jen­seits der ge­wohn­ten Um­ge­bung und ab­seits der all­täg­li­chen Ri­tua­le war un­ser Zeit­emp­fin­den gründ­lich de­ju­stiert wor­den und die Som­mer­fri­sche kam uns deut­lich län­ger vor, als sie mit noch nicht ein­mal zwei Wo­chen tat­säch­lich war. Noch ein­mal spa­zier­ten wir abends von un­se­rer im ehe­ma­li­gen Pfarr­haus lo­gie­ren­den Nach­bars­fa­mi­lie zu un­se­rer ei­ge­nen Fe­ri­en­woh­nung die Haupt­stra­ße von Ri­chiș hin­un­ter:

Hauptstraße von Richiș (Reichesdorf)

Tags dar­auf mach­ten sich die an­de­ren Für­ther – von uns ord­nungs­ge­mäß ver­ab­schie­det – auf den lan­gen Heim­weg von Ru­mä­ni­en nach Deutsch­land, quer durch Un­garn und Öster­reich. Da sie ja mit dem Fa­mi­li­en­mo­bil auf dem Land­we­ge rei­sten und schon der Kin­der und des Hun­des we­gen noch ei­ne Über­nach­tung un­ter­wegs ein­ge­plant hat­ten, fan­den sich der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te in der Si­tua­ti­on wie­der, ei­ner­seits noch ei­nen gan­zen Tag län­ger blei­ben zu kön­nen, an­de­rer­seits dank stäh­ler­ner Flü­gel spä­ter so­gar als er­ste wie­der da­heim in Fran­ken an­zu­kom­men. [1]

In­des be­deu­te­te das auch, oh­ne die stets si­tua­ti­ons­klä­ren­de, kom­mu­ni­ka­ti­ve Hil­fe un­se­rer Mut­ter­sprach­le­rin Al­mut aus­zu­kom­men, was in­so­fern zu leich­ter Un­ru­he An­laß gab, als wir ja noch in Sa­chen Trans­fer zum Flug­ha­fen von Si­biu (Her­mann­stadt) auf ein­hei­mi­scher Leu­te Hil­fe an­ge­wie­sen wa­ren. Aber nach­dem uns un­ser leid­lich eng­lisch spre­chen­der Fe­ri­en­woh­nungs-Ver­mie­ter ver­spro­chen hat­te, uns mit­samt sei­nem Bru­der höchst­selbst in die gut 70 km ent­fern­te Stadt zu kut­schie­ren, konn­ten wir den letz­ten vol­len Ur­laubs­tag noch ein­mal voll­ends aus­ko­sten und ei­ne gro­ße Wan­de­rung in die Um­ge­bung un­ter­neh­men...

Putzig, aber trutzig: kleine Bauernkate

Ty­pisch ru­mä­ni­sche Bau­ern­häu­ser wie das vor­ste­hend ge­zeig­te fal­len ein, zwei Num­mern klei­ner aus als die ein­sti­gen An­we­sen der Sie­ben­bür­ger Sach­sen, sind aber nicht min­der lie­bens­wür­dig in ih­rer be­schei­de­nen, sich in die Land­schaft ein­fü­gen­den Art. Im Ver­ein mit der un­ver­stell­ten (und nicht ein­ge­zäun­ten) Um­ge­bung er­wecken sie in des mit­tel­eu­ro­päi­schen Städ­ters nai­ver Fan­ta­sie den Ein­druck von länd­li­cher Idyl­le und »hei­ler Welt«, ei­ner frag­los bei nä­he­rer Be­trach­tung halt- und sub­stanz­lo­sen Il­lu­si­on.

Vor lau­ter Stau­nen über die von den deutsch­stäm­mi­gen Sied­lern er­rich­te­ten Kir­chen­bur­gen kam die Volks­fröm­mig­keit der ein­ge­bo­re­nen Ru­mä­nen hier bis­lang noch gar nicht recht zur Spra­che. Auch die – ver­schie­den aus­ge­präg­te, aber letz­lich ge­mein­sa­me – Re­li­gi­on ver­moch­te die bei­den gro­ßen Be­völ­ke­rungs­grup­pen auf Dau­er nicht zu ver­ei­nen: Bei­de hat­ten bzw. ha­ben ih­re ei­ge­nen Kir­chen und ih­re ei­ge­nen Fried­hö­fe. Und auch ih­re ei­ge­nen Kru­zi­fi­xe, an de­nen frei­lich der glei­che (höl­zer­ne) Hei­land hängt. Es ist schon ein Kreuz...

Kruzifix am Wegesrand

Für uns Wan­ders­leu­te ha­ben der­lei hand­greif­li­che Ma­ni­fe­sta­tio­nen des orts­üb­li­chen Glau­bens­be­kennt­nis­ses vor al­lem auch ei­ne nost­al­gisch-pit­to­res­ke Sei­te, die per­fekt zum Bild der hier noch über­wie­gend ge­ring me­cha­ni­sier­ten Land­wirt­schaft paßt. Pa­sto­ra­le Sze­nen wie die­se wir­ken da­her auf den mit­tel­eu­ro­päi­schen Me­tro­pol­re­gi­ons­be­woh­ner wie aus der Zeit ge­fal­len...

Näm­li­ches galt für die Be­geg­nung mit ei­ner Zie­gen­her­de, die wir nur we­ni­ge Ki­lo­me­ter wei­ter hat­ten: Vom wet­ter­ge­gerb­ten Schä­fer bis zur ma­le­ri­schen Land­schaft bot sich dem Blick das per­fek­te Ar­ran­ge­ment ei­ner bäu­er­li­chen Gen­re­sze­ne nach Art der al­ten Mei­ster. Ein­zig das wirk­lich furcht­ein­flö­ßen­de Ge­bell und Ge­ha­be ei­nes hal­ben Dut­zend zäh­ne­flet­schen­der Hir­ten­hun­de (aus mut­maß­lich we­nig lie­be­vol­ler Hal­tung) in­ji­zier­te ei­nen Schuß Ad­re­na­lin in den an­son­sten vor­herr­schen­den Glücks­hor­mon-Cock­tail...

Von scharfen Hunden bewachte Ziegenherde

Was macht man in sol­chen Fäl­len? Ge­nau, den Weg un­ver­züg­lich frei, um den ag­gres­si­ven Kläf­fern zu si­gna­li­sie­ren, daß man ih­re gei­fernd vor­ge­tra­ge­nen Ar­gu­men­te durch­aus ver­stan­den hat und zu wür­di­gen weiß. Es hier auf ei­ne Kraft­pro­be an­kom­men zu las­sen, wür­de no­mi­nell in­tel­li­gen­te­re Zwei­bei­ner letzt­lich doch sehr schnell als die Düm­me­ren da­ste­hen (wenn nicht gar lie­gen) las­sen.

Kaum al­so ward die Brücke frei­ge­ge­ben, da flu­te­te auch schon die Her­de her­an und hin­über, be­glei­tet vom fröh­li­chem Ge­mecker der Zie­gen und dem nur­mehr der Form ge­nü­gen­den Knur­ren ih­rer Be­gleit­hun­de. Nach ei­ni­gen Mi­nu­ten hat­te der tau­send­fü­ßi­ge Tross end­lich die an­ge­peil­te Wie­se er­reicht und wir konn­ten die Brücke un­be­hel­ligt in Ge­gen­rich­tung pas­sie­ren...

Semi-italienisches Hirten-Idyll

Auf ei­ner asphal­tier­ten Stra­ße ging es dann zü­gig wei­ter bis nach Nemsa (Nie­mesch), ei­nem letzt­lich so un­be­deu­ten­den Kaff, daß es zwar (Über­ra­schung!) über ei­ne klei­ne Kir­chen­burg ver­fügt, gleich­wohl aber über kei­nen ei­ge­nen Wi­ki­pe­dia-Ein­trag, auf den ich hier ver­lin­ken könn­te. Mir selbst ist ein rüh­rend zu nen­nen­der, win­zig klei­ner Dorf­la­den in Er­in­ne­rung ge­blie­ben, in dem es im­mer­hin ein er­fri­schen­des Eis am Stiel zu kau­fen gab.

An­son­sten bot sich dem Be­su­cher dort das glei­che Bild wie in den an­de­ren säch­si­schen Sied­lun­gen auch: Die ty­pi­sche An­ein­an­der­rei­hung von Haus und Hof mit al­ler­lei die Schön­heit ver­schan­deln­den Ac­ces­soires wie Sa­tel­li­ten-Schüs­seln und Strom­ma­sten mit lust­los dran­ge­häng­tem Strip­pen­sa­lat. Sehr ver­traut war uns in­zwi­schen zu­dem der An­blick von Pfer­de­wa­gen samt son­nen­ge­bräun­ter, bäu­er­li­cher Be­sat­zung:

Alltagsszene in Nemsa (Nimesch)

Raus aus dem Ort, rein in die Wie­sen und Au­en: Über al­ler­lei Feld- und Wirt­schafts­we­ge wan­der­ten wir wei­ter durch die Na­tur, in der wir dann lang­sam auf­grund zahl­rei­cher We­ges­win­dun­gen und man­gels auf­fäl­li­ger Land­mar­ken die Ori­en­tie­rung ver­lo­ren. Dank Son­nen­stand und Smart­phone mit GPS-Or­tung konn­ten wir aber un­se­re ge­ne­rel­le Marsch­rich­tung bei­be­hal­ten, bis wir auf brei­te­re We­ge und be­kann­te Stra­ßen ka­men...

Die wir dann aber doch bald wie­der ver­lie­ßen, um ab­seits der nicht ganz un­ge­fähr­li­chen Au­to-Pi­sten wie­der zu un­se­rem Aus­gangs­punkt zu­rück­zu­mar­schie­ren. Kurz vor Rei­ches­dorf nahm ich dann noch­mal ei­nen ehe­ma­li­gen Wein­berg ins Vi­sier, in des­sen abend­li­cher Lieb­lich­keit der Weh­mut mit­schwingt über den ein­sti­gen Reich­tum [2] des Lan­des:

Ehemaliger Weinberg bei Richiș (Reichesdorf)

Was nun noch folg­te (Kof­fer­packen, letz­te Nacht in frem­den Bet­ten, lan­ge Fahrt zum Flug­ha­fen usw.) ist im De­tail nicht be­rich­tens­wert. In­ter­es­san­ter ist die Fra­ge nach der zu­künf­ti­gen Ent­wick­lung der Re­gi­on: Die Sie­ben­bür­ger Sach­sen, die bis heu­te hier ge­blie­ben sind, wer­den in we­ni­gen Jah­ren aus­ge­stor­ben sein. Ih­re Nach­kom­men, die jetzt in Deutsch­land, Öster­reich oder an­ders­wo an­säs­sig sind, wer­den nicht zu­rück­kom­men. War­um auch? Die ein­sti­gen »Nach­bar­schaf­ten«, die wech­sel­sei­ti­ge Hil­fe­stel­lung in al­len Le­bens­la­gen bo­ten [3], gibt es nicht mehr, wer hier neu an­fan­gen woll­te, müß­te das fak­tisch fast bei Null tun. In ei­nem Land, das ent­wick­lungs­mä­ßig im­mer noch hier und da hin­ter­her­hinkt und in dem Recht ha­ben und Recht krie­gen ver­mut­lich im­mer noch wei­ter aus­ein­an­der­lie­gen als in den mit­tel­eu­ro­päi­schen De­mo­kra­tien. So fo­kus­siert sich die Hoff­nung auf ei­ne jun­ge Ge­ne­ra­ti­on öko­lo­gisch den­ken­der Ru­mä­nen, die hof­fent­lich nicht al­le ihr Heil und ih­re Zu­kunft in den Städ­ten (oder gar im Aus­land) su­chen, son­dern die im ei­ge­nen Land Auf­bau­ar­beit lei­sten und Sie­ben­bür­gen lang­fri­stig aufs Neue er­blü­hen las­sen.

Der Ver­fas­ser hofft, mit sei­nen Zei­len In­ter­es­se an ei­nem Land­strich ge­weckt zu ha­ben, den ver­mut­lich vie­le (wie er selbst ja vor­her auch) bis­lang gar nicht als mög­li­che Rei­se-De­sti­na­ti­on auf dem Schirm ge­habt hat­ten. Wer sich in­des für Ge­schich­te er­wär­men kann und ein Fai­ble für Ar­chi­tek­tur hat, neh­me sich die Li­ste von Or­ten in Sie­ben­bür­gen mit Kir­chen­burg oder Wehr­kir­che vor: Bis man die ca. 150 Or­te an­ge­fah­ren oder an­ge­lau­fen und be­sich­tigt hat, wird man ein paar Ur­lau­be brau­chen!

 
[1] Der ge­staf­fel­te Auf­bruch war in er­ster Li­nie dem Um­stand ge­schul­det, daß die Re­la­ti­on Nürn­berg – Si­biu und zu­rück nicht täg­lich be­flo­gen wird. Aber auch sonst hät­ten wir den Weg zum Flug­ha­fen nicht ge­mein­sam mit un­se­ren heim­rei­sen­den Nach­barn an­tre­ten kön­nen, weil ihr Wa­gen ja schon mit den ei­ge­nen Fa­mi­li­en­mit­glie­dern samt de­ren Ge­päck und Pro­vi­ant bis in die letz­ten Lücken aus­ge­füllt war.

[2] Sie­he da­zu den Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel »Wein­bau in Ru­mä­ni­en«.

[3] Zum Preis von so­zia­ler Kon­trol­le und gei­sti­ger En­ge, wie zu ver­mu­ten steht. Das ei­ne ist ja oh­ne das an­de­re meist nicht zu ha­ben...

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Donnerstag, 27. Dezember 2018

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Montag, 24. Dezember 2018

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Freitag, 14. Dezember 2018

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Donnerstag, 13. Dezember 2018

Abend­li­cher Ab­ste­cher

Auf ein gemeinsames Käffchen mal eben nach München (und retour)...

Sonntag, 9. Dezember 2018

Som­mer in Sie­ben­bür­gen (3)

Da wir ja für die Dau­er des ge­sam­ten Ur­laubs un­ser Haupt­quar­tier in Ri­chiș (Rei­ches­dorf) auf­ge­schla­gen hat­ten, war un­ser Ak­ti­ons­ra­di­us auf ei­ne hal­be Ta­ges­rei­se be­schränkt. Von ei­ner ech­ten Be­schrän­kung konn­te in­des kei­ne Re­de sein, denn es gab im Um­kreis von ein paar Dut­zend Ki­lo­me­tern oh­ne­hin viel mehr zu se­hen, als in un­se­rer heu­ri­gen Som­mer­fri­sche Platz fin­den konn­te. [1] Der in mehr­fa­cher Hin­sicht be­mer­kens­wer­te­ste Aus­flug (un­ter an­de­rem war er der wei­te­ste) führ­te uns nach Vis­cri ali­as Deutsch-Weiß­kirch. Die schier nicht en­den wol­len­de An­fahrt über ei­ne holp­ri­ge »Stra­ße« der Ka­te­go­rie »Test­par­cours für Mi­li­tär­fahr­zeu­ge« führ­te uns schließ­lich in das be­schau­li­che Dorf, wel­ches mit­samt sei­ner (na was wohl?) Kir­chen­burg auf der Welt­erbe-Li­ste der UNESCO steht. Und das völ­lig zu Recht, wie schon der er­ste Blick auf die be­stens ge­pfleg­te Sa­kral­fe­stung be­weist:

Die Kirchenburg von Viscri (Deutsch-Weißkirch)

Rou­ti­niert wur­de a) das In­ne­re in­spi­ziert, b) der Turm be­stie­gen, c) die Aus­sicht ge­nos­sen, d) der kom­plet­te Ge­bäu­de­kom­plex be­gan­gen und schluß­end­lich e) die Ge­denk­ta­feln für die in den bei­den Welt­krie­gen um­ge­kom­me­nen Kriegs­op­fer des Or­tes stu­diert [2]. Auch wenn sich die­se trut­zi­gen Bau­ten im Zweck glei­chen und in ih­rer An­la­ge oft­mals ähn­lich sind: Letzt­lich ist doch kei­ne Kir­chen­burg wie die an­de­re und je­de hat ih­ren ei­ge­nen Cha­rak­ter!

Beim an­schlie­ßen­den Be­strei­fen des Or­tes mach­ten wir noch in ei­ner na­hen Hof­wirt­schaft Halt, aus de­ren hin­te­ren Be­reich ein be­stän­di­ges Klop­fen und Schlei­fen oder Frä­sen zu hö­ren war. Zu­nächst dach­ten wir al­le­samt an Bau­ar­bei­ten zur Ver­schö­ne­rung des An­we­sens. Tat­säch­lich aber wur­den wir erst Oh­ren- und dann er­staun­te Au­gen­zeu­gen der lan­des­üb­li­chen Brot­pro­duk­ti­on: Die au­ßen völ­lig ver­kohlt er­schei­nen­den Lai­be wur­den – frisch aus dem Ofen kom­mend – erst von Frau­en auf Tisch­plat­ten ge­hau­en (wo­durch die äu­ße­ren »Ver­koh­lun­gen« ab­fie­len) und dann an Män­ner wei­ter­ge­reicht, die an sta­tio­nä­ren Elek­tro­mo­to­ren mit auf­ge­pflanz­ten Schleif­schei­ben den Rest der schwar­zen Schicht her­un­ter­frä­sten, bis als Lohn der Mü­he ein damp­fend hei­ßer Brot­laib mit ho­nig­gel­ber Kru­ste üb­rig blieb. Das al­les ging in ein­ge­spiel­ter Prä­zi­si­on ruck-zuck von­stat­ten und dem wei­land ver­blüff­ten En­des­un­ter­fer­tig­ten läuft Mo­na­te spä­ter im­mer noch das Was­ser im Mun­de zu­sam­men beim Ge­dan­ken an den wun­der­ba­ren Ge­schmack des ul­tra­fri­schen Bro­tes...

Blümerantes Spiel von Licht und Schatten

Auch sonst gab es in Vis­cri / Deutsch-Weiß­kirch ei­ni­ges zu ent­decken, fröh­lich-far­big ver­putz­te Häu­ser, schön re­stau­rier­te De­tails, und im­mer wie­der ma­chen sich Haus­be­sit­zer auch die Mü­he, al­te Fas­sa­den-In­schrif­ten von frü­he­ren Be­sit­zern und Be­woh­nern wie­der auf­zu­fri­schen. Na ja, so­was wie »Las­set uns am Al­ten, so es gut ist, hal­ten. Aber auf dem al­ten Grund Neu­es wir­ken je­de Stund« mag ja auch man­chem Ru­mä­nen oh­ne deut­sche Wur­zeln als wei­ses Le­bens­mot­to er­schei­nen.

Die ge­neig­te Le­se­rIn­nen­schaft mö­ge sich bit­te Vis­cri per Goog­le Maps aus der Luft an­schau­en: Ein­mal mehr fällt das ty­pi­sche Er­schei­nungs­bild ei­nes Sie­ben­bür­gi­schen Stra­ßen­dor­fes auf mit vie­len schma­len, aber sehr tie­fen An­we­sen ent­lang der Haupt­stra­ße. [3] In die­sem zwar um­ständ­lich er­reich­ba­ren, je­doch in je­dem Rei­se­füh­rer her­vor­ge­ho­be­nen Dorf kann man durch­aus den Ein­duck ei­nes durch den Tou­ris­mus be­för­der­ten, lang­sa­men Auf­schwungs ge­win­nen: Hand­ar­bei­ten wer­den aus­ge­stellt und an­ge­bo­ten, und der schon er­wähn­te Trend zur or­dent­li­chen In­stand­set­zung und ‑hal­tung der al­ten säch­si­schen Häu­ser scheint sich links und rechts der Vor­rei­ter fort­zu­set­zen: Wenn’s der Nach­bar sicht­bar schön(er) hat, will man bald selbst mit ei­nem an­sehn­li­chen Er­schei­nungs­bild der ei­ge­nen Be­hau­sung glän­zen:

Dach-Detail in Deutsch-Weißkirch

Man kann den Deutsch-Weiß­kir­chern nur wün­schen, daß Sie den wu­chern­den Tou­ris­mus auf ei­ne Wei­se ein­he­gen kön­nen, daß er dau­er­haft mehr se­gens­rei­che als schäd­li­che Wir­kung ent­fal­tet. Ei­ne bes­ser aus­ge­bau­te Zu­fahrts­stra­ße und mehr Park­plät­ze wür­den ver­mut­lich die Ver­käu­fer kit­schi­ger Fern­ost-Sou­ve­nirs und du­bio­ser Dra­cu­lan­ti­en auf den Plan ru­fen, von orts­un­ty­pi­schen und ku­li­na­risch frag­wür­di­gen Ein­kehr-An­ge­bo­ten nicht zu re­den. Wie es sich lang­fri­stig aus­geht, ist un­ge­wiß. Noch je­den­falls ist es in und um Vis­cri recht be­schau­lich...

Noch ru­hi­ger geht es in Clo­așterf (Klos­dorf) zu, ei­nem der drei Orts­tei­le von Sa­schiz (Keisd), den wir auf der Rück­fahrt an­steu­er­ten (der be­fe­stig­ten Kir­che we­gen, wie die bis hier­her treu ge­blie­be­nen Le­se­rIn­nen frag­los be­reits ge­ahnt ha­ben). Ein klei­ner Wei­ler im re­gio­nal­ty­pi­schen »La­dy­kra­cher-Lay­out« [3], der zwar ins­ge­samt nicht eben her­un­ter­ge­kom­men aus­schaut, in dem aber doch die Spu­ren lang­jäh­ri­gen Ver­falls hier und da deut­lich zu­ta­ge tre­ten:

Verfallendes Haus in Cloașterf (Klosdorf)

Tja, war­um sind an sich schö­ne Häu­ser in idyl­li­scher La­ge un­be­wohnt und dem lang­sa­men Ver­fall preis­ge­ge­ben? Sind es un­ge­klär­te Ei­gen­tü­mer­ver­hält­nis­se, land­flucht­be­ding­ter Ein­woh­ner­schwund oder man­gelt es den Haus­be­sit­zern schlicht am Wil­len (oder auch nur an den Mit­teln), ih­ren Be­sitz an­ge­mes­sen zu pfle­gen? Man weiß es nicht, aber ei­nen (oder meh­re­re) der ge­nann­ten mög­li­chen Grün­de wird es schon ha­ben...

In Clo­așterf tra­fen wir das Tor im Wehr­wall um die Kir­che ver­schlos­sen an. Es fand sich im­mer­hin ein Hin­weis auf den Schlüs­sel­be­wah­rer und des­sen Te­le­fon­num­mer. Und tat­säch­lich, un­se­re mit­ge­führ­te Mut­ter­sprach­le­rin Al­mut konn­te an­hand die­ser An­ga­ben den ru­mä­ni­schen Auf­pas­ser her­bei­ru­fen. Nur we­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter surr­te er auf ei­nem elek­tri­schen Mi­nia­tur­mo­tor­rad her­bei und ge­währ­te uns Ein­laß in das al­te Ge­mäu­er, in dem aber­mals die Zeit ste­hen­ge­blie­ben zu sein schien:

In der kleinen Kirchenburg von Klosdorf

Auch wenn dies durch­aus nicht das er­ste men­schen­lee­re (wenn­gleich mut­maß­lich nicht gott­ver­las­se­ne) Got­tes­haus war, wel­ches wir auf un­se­rer Rei­se be­sich­tig­ten: Er­neut konn­te man den Ein­druck ha­ben, als wä­re die Ge­mein­de der Gläu­bi­gen ge­ra­de erst auf­ge­bro­chen (oder noch nicht ein­ge­trof­fen). Man muß sich im­mer wie­der ins Be­wußt­sein ru­fen, daß kaum noch Sie­ben­bür­ger Sach­sen in die­ser Ge­gend le­ben, die über Jahr­hun­der­te ih­re Hei­mat ge­we­sen war. Da ihr selbst­ge­wähl­ter Ex­odus nicht mit ei­ner über­ha­ste­ten Flucht vor ei­nem an­rücken­den Feind zu ver­glei­chen ist, ver­wun­dert es schon, daß die Ru­mä­ni­en­deut­schen so­gar in ih­ren pri­va­ten Häu­sern so vie­le per­sön­li­che Din­ge ein­fach zu­rück­ge­las­sen ha­ben...

Wie so oft war es un­se­rer mul­ti­l­in­gua­len Nach­ba­rin ver­gönnt, mit dem lo­ka­len Bo­den­per­so­nal ei­nen schnel­len Schwatz auf Ru­mä­nisch zu hal­ten. Das freu­te na­tür­lich auch den dienst­eif­ri­gen Schlüs­sel­be­wah­rer, die ge­mein­sa­me Spra­che ver­bin­det und löst die Zun­ge. Der Be­richt­erstat­ter, des­sen Plap­per­ta­schi­zi­tät in hei­mi­schen Ge­fil­den nach­ge­ra­de le­gen­där ist, war in Ru­mä­ni­en oft­mals zum stum­men Zu­hö­ren ver­ur­teilt, und nicht mal das funk­tio­nier­te zu­frie­den­stel­lend, da ihm sei­ne zu­se­hends ne­bu­lö­ser wer­den­den La­tein-Kennt­nis­se al­len­falls bei der De­chif­frie­rung von amt­li­chen Schrift­stücken ah­nungs­wei­se wei­ter­zu­hel­fen ver­mö­gen. Na im­mer­hin konn­te er da­durch sich im vor­lie­gen­den Fal­le ganz auf die Kom­po­si­ti­on ei­nes Schat­ten­spie­les mit den bei­den agi­len Ge­sprächs­part­nern kon­zen­trie­ren:

Besucherin und Kirchenwächter im Zwiegespräch

Nach­dem wir al­les ge­se­hen hat­ten (wie im­mer in­klu­si­ve Turm mit Glocken und ku­bik­me­ter­wei­se Tau­ben-Gua­no), schwang sich der freund­li­che Herr wie­der auf sei­nen kom­pak­ten E‑Roller und schnurr­te von hin­nen, um sein un­se­ret­we­gen un­ter­bro­che­nes Ta­ge­werk wie­der auf­zu­neh­men. Wir fuh­ren im Au­to hin­ter­her und mach­ten auf dem Heim­weg noch kurz Sta­ti­on im ei­gent­li­chen Ort Sa­schiz, des­sen ein­drucks­vol­le Wehr­kir­che uns an die­sem Ta­ge al­ler­dings wirk­lich ver­schlos­sen blieb. Egal, man kann nicht im­mer Glück ha­ben und so bleibt für die näch­ste Rei­se nach Ru­mä­ni­en auch noch was üb­rig...

Am näch­sten Mor­gen schwan­gen wir uns nach dem Früh­stück auf die Fahr­rä­der un­se­rer Nach­barn, wel­che die­se – hin­ten auf ihr Au­to ge­schnallt – aus Fürth nach Ru­mä­ni­en mit­ge­nom­men hat­ten. Sehr prak­tisch in­de­ed! Das Ziel der Stram­pe­lei war wie­der ein­mal der Nach­bar­ort Bier­tan (Birt­hälm), des­sen Kir­chen­burg zu den meist­be­such­ten zählt, was wohl zu glei­chen Tei­len ih­rer fa­cet­ten­rei­chen An­la­ge, dem gu­ten Er­hal­tungs- re­spek­ti­ve Re­no­vie­rungs­zu­stand und der ver­kehrs­gün­sti­gen La­ge zu­zu­schrei­ben ist. Je­den­falls tut man gut dar­an, vor den rent­ner­spucken­den Rei­se­bus­sen auf­zu­schei­nen. Nach Be­sich­ti­gung der ar­chi­tek­to­ni­schen In­ne­rei­en kam ich nicht um­hin, die Ka­me­ra zu zücken, um das wuch­ti­ge En­sem­ble mit sei­nen vie­len trut­zi­gen Tür­men noch­mals im Bil­de fest­zu­hal­ten:

Von jeder Seite ansehnlich: Die Kirchenburg zu Biertan (Birthälm)

Über die be­reits in der vor­aus­ge­gan­ge­nen Fol­ge be­schrie­be­ne, mit üp­pig­ster Be­zu­schus­sung durch die EU ins pit­to­res­ke Nichts ge­bau­te Asphalt­stra­ße ra­del­ten wir an­schlie­ßend re­tour bis zum En­de der mon­dä­nen Pi­ste, scho­ben als­dann die Draht­esel über den Berg und roll­ten schluß­end­lich er­schöpft, aber zu­frie­den wie­der in Rei­ches­dorf ein...

Aber da­mit war der Tag ja bei wei­tem noch nicht aus­ge­füllt! Nach ei­nem mit­täg­li­chen Nicker­chen folg­te auf die Zwei­rad­tour ein Vier­rad­aus­flug der be­son­de­ren Art: Ein schon Ta­ge zu­vor sei­ne Dien­ste an­ge­bo­ten ha­ben­der Fuhr­werks­be­sit­zer tauch­te tat­säch­lich zum ver­ab­re­de­ten Zeit­punkt am aus­ge­mach­ten Treff­punkt auf, um die Für­ther De­le­ga­ti­on (be­kannt­lich be­stehend aus vier Er­wach­se­nen, zwei Kin­dern und ei­ner La­bra­dor­eu­se) quer durch die üp­pig-grü­ne Land­schaft nach Ațel (Het­zel­dorf) zu kut­schie­ren. Die aus­ge­wa­sche­nen Schot­ter­we­ge, der Wa­gen aus gro­ben Bret­tern und die schwab­be­lig-wei­chen Bal­lon­rei­fen lie­ßen die Fahrt zwar strecken­wei­se zur Schau­kel­par­tie wer­den, der Chro­nist konn­te je­doch An­flü­ge von See­krank­heit tap­fer un­ter­drücken. Kind­heits­er­in­ne­run­gen wur­den in ihm wach, als das schwer be­la­de­ne Ve­hi­kel über die stau­bi­gen Wirt­schafts­we­ge zuckel­te:

Mit dem Bretterwagen quer durch die Landschaft

An die­ser Auf­nah­me ist meh­rer­lei be­mer­kens­wert: Er­stens die ro­ten Fin­ger­nä­gel von Prin­zes­sin Ida (5), zwei­tens, daß man vor lau­ter Be­sat­zung das Ve­hi­kel gar nicht sieht, drit­tens der ru­hig lau­fen­de An­trieb mit 1 PS, vier­tens die grü­nen Hü­gel im Hin­ter­grund, de­ren Ter­ras­sie­rung sie ein­deu­tig als ehe­ma­li­ge Wein­ber­ge aus­weist. Man be­kommt so lang­sam ei­ne Ah­nung da­von, wie aus­ge­dehnt, ja nach­ge­ra­de do­mi­nie­rend der Wein­an­bau in die­ser Ge­gend frü­her war, des­sen Be­herr­schung aber mit dem Ex­odus der Sie­ben­bür­ger Sach­sen weit­ge­hend ver­lo­ren ge­gan­gen ist und der nun von be­son­ders rüh­ri­gen jun­gen Ru­mä­nen lang­sam wie­der er­lernt und be­trie­ben wird, frei­lich in ei­nem im Ver­gleich zu frü­her noch recht be­schei­de­nen Maß­stab...

Die ob­li­ga­to­ri­sche Kir­chen­burg sa­hen wir am Ziel un­se­rer Aus­fahrt nur aus der Fer­ne, wir wur­den von des Fuhr­manns Fa­mi­lie er­war­tet und freund­lich be­wir­tet. Nach Ver­ko­stung von Back­werk und ge­sten­un­ter­stütz­tem Small Talk er­klom­men wir im­mer­hin noch den hoch­ge­le­ge­nen deut­schen Fried­hof von Ațel, späh­ten durch das Schlüs­sel­loch der zu­ge­sperr­ten Berg­ka­pel­le und stu­dier­ten die In­schrif­ten der Grab­stei­ne. Auch dies­mal gab es wie­der die lan­des­ty­pi­sche Häu­fung be­stimm­ter Nach­na­men zu be­ob­ach­ten:

Deutscher Friedhof von Ațel (Hetzeldorf)

An­schlie­ßend ging es wie­der zu­rück über Stock und Stein im pfer­de­be­spann­ten Bret­ter­wa­gen durch ei­ne ma­le­ri­sche Land­schaft, die strecken­wei­se den Ver­gleich mit der Tos­ka­na nicht zu scheu­en braucht. Dies im Bil­de zu be­le­gen be­hal­te ich mir aber für den vier­ten und letz­ten Teil die­ser Rei­se­be­richt­erstat­tung vor.

 
[1] Wo­mit an­ge­deu­tet sei, daß ein wei­te­rer Be­such in Sie­ben­bür­gen be­reits als be­schlos­sen gel­ten darf...

[2] Die­se Ge­denk­ta­feln le­sen sich in­so­fern be­son­ders be­stür­zend, als man­che Nach­na­men auf ih­nen gleich halb­dut­zend­fach oder gar noch öf­ters zu se­hen sind. Auf den er­sten Blick schei­nen dort in bei­den gro­ßen men­schen­ge­mach­ten Ka­ta­stro­phen des 20. Jahr­hun­derts gan­ze Fa­mi­li­en aus­ge­löscht wor­den zu sein, aber hier spielt na­tür­lich auch die »ge­schlos­se­ne Ge­sell­schaft« der Sie­ben­bür­ger Sach­sen mit hin­ein: Die Hei­ra­te­rei un­ter­ein­an­der führ­te lo­gi­scher­wei­se auch zur Ver­meh­rung eta­blier­ter Fa­mi­li­en­na­men. Im Ver­ein mit ei­ner tra­di­tio­nel­len Nei­gung zur Ver­ga­be der el­ter­li­chen Vor­na­men an die Nach­kom­men führ­te das viel­fach zu kom­plet­ten Na­mens­gleich­hei­ten über meh­re­re Ge­ne­ra­tio­nen hin­weg, was Ah­nen­for­scher heut­zu­ta­ge vor be­son­de­re Her­aus­for­de­run­gen stellt.

[3] Py­ro­ma­nen aus des zonebattler’s Al­ters­ko­hor­te füh­len sich viel­leicht wie die­ser an die »La­dy Cracker« er­in­nert, die es all­jähr­lich zu Sil­ve­ster an­zu­kau­fen und ab­zu­feu­ern galt: Hundert(e) klei­ne Kra­cher in zwei Rei­hen, de­ren Lun­ten zu ei­nem ge­mein­sa­men Mit­tel­strang ver­floch­ten wa­ren. Ab­stra­hiert man die Mi­ni-Böl­ler zu Grund­stücken und nimmt man den ge­mein­sa­men Lun­ten­zopf als Stra­ße, hat man das maß­stäb­li­che Mu­ster ei­ner Sie­ben­bür­gi­schen An­sied­lung vor Au­gen!

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Montag, 3. Dezember 2018

Rot­licht­be­zirk (2)

Verfallender Gewerbebau in Ingolstadt

Freitag, 30. November 2018

Ge­stri­che­ne Stri­che

Die deut­sche Spra­che ver­fügt über vie­le lan­ge Wör­ter, der gern zi­tier­te Do­nau­dampf­schiff­fahrts­ge­sell­schafts­ka­pi­tän ist da bei­lei­be noch nicht das läng­ste Kom­po­si­tum. Fließ­tex­te flie­ßen frei­lich ziem­lich un­schön, wenn lan­ge Wor­te und kur­ze Zei­len­län­gen ei­ne un­hei­li­ge Al­li­anz ein­ge­hen: Im Flat­ter­satz sieht das Lay­out ziem­lich zer­ris­sen aus, im Block­satz be­lei­di­gen oft rie­si­ge Leer­räu­me zwi­schen den Wör­tern das Au­ge äs­the­tisch sen­si­bler Le­se­rIn­nen. Was kann man da­ge­gen tun? Rich­tig, mit Sil­ben­tren­nung ar­bei­ten! Das frei­lich ist nicht so ein­fach, denn ma­nu­ell in den Bei­trags­quell­text ein­ge­füg­te »Soft-Hy­phens« (co­diert als »­«) ma­chen nicht nur zu­sätz­li­che Ar­beit, son­dern aus dem Boots­kom­man­dan­ten und an­de­ren Wort­un­ge­tü­men ei­nen nur noch schwer les­ba­ren Quell­text:

Screenshot Quelltext mit bedingten Trennstrichen

Das Elend wird durch den Um­stand po­ten­ziert, daß un­ter­schied­li­che Be­triebs­sy­ste­me, ver­schie­de­ne Brow­ser und nicht zu­letzt va­ri­ie­ren­de Bild­schirm­grö­ßen und ‑Auf­lö­sun­gen al­le­samt ih­ren Ein­fluß ha­ben auf die Dar­stel­lung ei­ner Web­site: Kaum ruft man den müh­sam ma­nu­ell mit be­ding­ten Trenn­stri­chen op­ti­mier­ten Ar­ti­kel in ei­nem an­de­ren Brow­ser auf oder gar auf ei­nem an­de­ren Ge­rät, schon sprin­gen wie­der häß­li­che Um­brü­che ins Au­ge, weil ge­ring­fü­gi­ge Un­ter­schie­de in der Dar­stel­lung von Schrif­ten das Lay­out schon wie­der zer­fet­zen. Al­so noch­mals hin­ge­langt und wei­te­re Trenn­stel­len in den Roh­text in­ji­ziert. Auf Dau­er mag man sich das nicht wirk­lich an­tun...

In sei­nem psy­cho­pa­thi­schen Hang zur Per­fek­ti­on hat der zone­batt­ler bis ge­stern vie­le Stun­den sei­nes Le­bens in letzt­lich ver­geb­li­che Op­ti­mie­rungs­maß­nah­men ge­steckt. Bis ge­stern? Ja, denn dann hat er end­lich ge­fun­den, wo­nach er lan­ge ver­geb­lich Aus­schau ge­hal­ten hat­te: Das Word­Press-Plug­in »wp-Ty­po­gra­phy«, wel­ches sprach­spe­zi­fisch die Sil­ben­tren­nung au­to­ma­ti­siert und noch al­ler­lei an­de­re Tricks be­herrscht, um die Ty­po­gra­phie der ver­ba­len Er­güs­se zu ver­edeln, der­weil sich de­ren Au­tor end­lich wie­der nur um die ei­gent­li­chen In­hal­te zu küm­mern braucht und sei­ner sprach­li­chen Krea­ti­vi­tät her­nach nicht im­mer noch selbst den op­ti­schen Fein­schliff ver­pas­sen muß. Nein, ab so­fort kann wie­der fröh­lich drauf­los ge­tippt wer­den:

Screenshot Quelltext ohne Sollbruchstellen

In­ter­es­sier­te Le­se­rIn­nen mö­gen sich die­sen Hin­ter­grund-Ar­ti­kel zu Ge­mü­te füh­ren. Der in den Kom­men­ta­ren kon­sta­tier­te Per­for­mance-Ver­lust ist bei ge­nau­er Be­ob­ach­tung tat­säch­lich spür­bar, aber die leicht ver­län­ger­ten La­de­zei­ten sind al­les an­de­re als kri­tisch; das deut­lich ver­bes­ser­te Er­schei­nungs­bild der Tex­te wiegt das mehr als auf! Au­ßer­dem scheint das über­aus mäch­ti­ge und viel­fach kon­fi­gu­rier­ba­re Plug­in ak­tiv ge­pflegt, wei­ter­ent­wickelt und op­ti­miert zu wer­den: Ich konn­te an­son­sten kei­ne Kol­la­te­ral­schä­den in dem Dut­zend von mir be­trie­be­ner oder be­treu­ter Word­Press-In­stal­la­tio­nen fest­stel­len, in de­nen ich die­ses klei­ne Wun­der­werk der Soft­ware­tech­nik noch zur gest­ri­gen Gei­ster­stun­de ein­ge­baut ha­be.

In die­sem Sin­ne geht es hei­ter wei­ter: Wort­mon­ster im­mer, Trenn­stri­che nim­mer!

Donnerstag, 29. November 2018

Hil­fe­ruf

Das Bür­ger-Blog »Für­ther Frei­heit« wur­de im Jahr 2010 kon­zi­piert und rea­li­siert. Hin­ter den Ku­lis­sen wird der vir­tu­el­le Ma­schi­nen­raum kon­ti­nu­ier­lich ge­war­tet und soft­ware­tech­nisch auf dem neue­sten Stand ge­hal­ten, was man aus Be­nut­zer­sicht in der Re­gel gar nicht mit­be­kommt. So weit, so gut.

Un­ge­mach droht in­des durch die mit­tel­fri­stig an­ge­kün­dig­te Ab­schal­tung von PHP 5.6 sei­tens des Web­ho­sters. Wäh­rend der zone­batt­ler als Her­aus­ge­ber al­le sei­ne an­de­ren Pro­jek­te er­folg­reich auf das ak­tu­el­le PHP 7.2 um­stel­len konn­te, ist ihm das bei der »Für­ther Frei­heit« bis­lang noch nicht ge­lun­gen: Das ver­wen­de­te Word­Press-Lay­out (im Fach­jar­gon »The­me« ge­nannt) ist dies­be­züg­lich ver­al­tet und ak­tua­li­sie­rungs­be­dürf­tig.

Aus den Fugen: Die "Fürther Freiheit" unter PHP 7.2

Lei­der ist der da­ma­li­ge Her­stel­ler und An­bie­ter nicht mehr in die­sem Ge­schäft tä­tig, und die Fir­ma, an die er sei­ne schön struk­tu­rier­ten und wun­der­bar funk­tio­na­len The­mes im Ma­ga­zin-Look wei­ter­ge­ge­ben hat, hat die­se mitt­ler­wei­le in den Ru­he­stand ge­schickt und jeg­li­che Un­ter­stüt­zung da­für ein­ge­stellt.

Ge­sucht wird mit­hin ein(e) Software-Spezialist(in), der/die sich mit der Skript­spra­che PHP aus­kennt und den (mut­maß­lich über­schau­ba­ren) Um­stel­lungs­auf­wand be­wäl­tigt. Der in die­ser Hin­sicht lei­der nur mit ru­di­men­tä­rem Ba­sis­wis­sen aus­ge­stat­te­te Schrei­ber die­ser Zei­len hat ei­ne

Test­in­stal­la­ti­on der »Für­ther Frei­heit« un­ter PHP 7.2

an­ge­legt, an der sich Kenner(innen) und Könner(innen) aus­to­ben könn­ten. Man sieht an der ver­link­ten Test­ko­pie der »Für­ther Frei­heit«, daß im we­sent­li­chen die Haupt­sei­te Pro­ble­me macht: Oben fehlt das Kopf­bild mit dem Ti­tel, un­ten der kom­plet­te Block mit den ex­ter­nen Links. Vor al­lem aber – sie­he Screen­shot – er­schei­nen die Ru­bri­ken-Auf­ru­fe grup­piert an fal­schen Stel­len mit­ten in der Sei­te und das waag­rech­te Haupt­me­nü ist nicht vor­han­den. Auf den zwei­ten Blick fal­len auch fal­sche Grö­ßen von Vor­schau­bild­chen auf und an­de­re Klei­nig­kei­ten mehr.

Die ein­zeln auf­ge­ru­fe­nen Ar­ti­kel im­mer­hin sind so­weit in Ord­nung, was die Hoff­nung nährt, daß der er­for­der­li­che Nach­bes­se­rungs­auf­wand letzt­lich gar nicht so groß ist. Wenn man denn weiß, wo man hin­lan­gen muß...

Wer fühlt sich be­ru­fen, die »Für­ther Frei­heit« ins näch­ste Jahr­zehnt hin­über­zu­ret­ten? Ernst ge­mein­te An­ge­bo­te bit­te ich an post@fuerther-freiheit.info zu rich­ten. Vie­len Dank!

Mittwoch, 14. November 2018

Kauf-Kö­ni­gin­nen

Betuchte Konsumenteusen in Baden-Baden

Sonntag, 11. November 2018

Som­mer in Sie­ben­bür­gen (2)

Man soll­te ja mei­nen, daß ei­nem wäh­rend ei­nes na­tur­nah ver­brach­ten Ur­laubs auf dem Lan­de pri­mär quer­for­ma­ti­ge Mo­ti­ve vor die Lin­se kom­men. Tat­säch­lich muß der zone­batt­ler aber ver­blüfft kon­sta­tie­ren, daß er sel­ten so vie­le Hoch­for­mat-Auf­nah­men mit nach Hau­se ge­bracht hat wie aus der Som­mer­fri­sche in Ru­mä­ni­en! Das liegt na­tür­lich zu­för­derst an den mehr­fach er­wähn­ten, je­doch bis da­to in die­ser Rei­se-Re­pri­se nicht ge­zeig­ten Kir­chen­bur­gen und son­sti­gen Hoch­bau­ten der fo­to­ge­nen Sor­te. Ein weit­hin be­rühm­tes Mo­tiv ist der Stund­turm von Sig­hișo­ara ali­as Schäß­burg, und der schaut nun wirk­lich so aus, wie sich der ge­mei­ne Vam­pir-Fan die per­fek­te Ku­lis­se für nächt­lich-gru­se­li­ges Trei­ben vor­stellt:

Stundturm mit vorgelagerter Torburg in Sighișoara (Schäßburg)

Sig­hișo­ara ist ein mar­kan­tes Bei­spiel für ei­nen an sich sehr schö­nen Ort (das hi­sto­ri­sche Zen­trum ge­hört seit 1999 zum UNESCO-Welt­kul­tur­er­be), wel­cher je­doch durch tou­ri­sti­sche Heim­su­chung – an­geb­lich bis mög­li­cher­wei­se wur­de Vlad Țe­peș (Vlad III. Dră­cu­lea, der Pfäh­ler) hier vor rund 600 Jah­ren ge­bo­ren – ei­ni­ges von sei­nem na­tür­li­chen Charme ein­ge­büßt hat. Die hei­mi­sche Wirt­schaft und auch Tei­le der Ga­stro­no­mie ma­chen sich den Dra­cu­la-Ho­kus­po­kus zu­nut­ze, um mit mil­dem Gru­sel Pu­bli­kum und Gä­ste an­zu­locken. Wirk­lich gru­se­lig sind in­des die al­ler­or­ten feil­ge­bo­te­nen Sou­ve­nirs aus fern­öst­li­cher Pro­duk­ti­on: Bei de­ren An­blick wür­de sich der ori­gi­na­le Graf Dra­cu­la (so es ihn denn gä­be) wohl selbst schau­dernd ab­wen­den...

Wir wen­den uns nicht ab, son­dern wei­ter­hin zu, und zwar wei­ter­hin den auf­rech­ten Zeu­gen der lan­des­spe­zi­fi­schen Ar­chi­tek­tur! Hier se­hen wir die mu­ster­gül­tig in­stand­ge­hal­te­ne, evan­ge­li­sche Kir­che zu Mălân­crav (Malm­krog):

Evangelische romanische Kirche von Mălâncrav (Malmkrog)

Wir wa­ren dort zwecks Be­suchs ei­nes klei­nen trans­sil­va­ni­schen Klas­sik-Mu­sik­fe­sti­vals, des­sen Aus­füh­ren­de samt Troß zur Zeit un­se­rer Vi­si­te in der Ge­gend un­se­res Wei­lens her­um­tin­gel­ten. Gleich ne­ben der ro­ma­ni­schen Kir­che gibt es in Mălân­crav ein un­ga­ri­sches Adels­schloß, in wel­chem die jun­gen Mu­si­ker ihr Kön­nen de­mon­strier­ten. Da­von gibt es hier lei­der kei­ne Bil­der zu se­hen, aus Dis­kre­ti­ons­grün­den eben­so wie aus mei­ner al­ters­be­dingt zu­neh­men­den Nei­gung, kul­tu­rel­le Hö­he­punk­te im Mo­ment ih­res Ent­ste­hens sinn­lich zu ge­nie­ßen statt sie mit letzt­lich un­taug­li­chen Mit­teln ir­gend­wie kon­ser­vie­ren zu wol­len. Ei­ne Kir­che läuft ei­nem nicht weg (al­len­falls tut es mit­tel­fri­stig das pas­sen­de Licht), da­her konn­te der ein­drucks­vol­le Sa­kral­bau dann stell­ver­tre­tend für das Ge­samt­erleb­nis sei­nen Weg durch das Ob­jek­tiv und letzt­lich hier hin­ein in des Be­richt­erstat­ters Blog fin­den...

Ein klei­ner Sprung durch Zeit und Raum bringt uns nach Copșa Ma­re oder auch Groß-Ko­pisch, ei­nem recht idyl­li­schen Ort öst­lich von Bier­tan (Birt­hälm), den wir von dort aus er­wan­dert ha­ben. Vor­bei an Brun­nen, klei­nen Ka­ten, ki­chern­den Kin­dern und kläf­fen­den Kö­tern über­wan­den wir zu siebt (vier Er­wach­se­ne, zwei Kin­der, ein bra­ver Hund) ei­nen Hö­hen­zug, um schließ­lich nach dem Kon­sum von Eis und kal­ten Ge­trän­ken aus dem win­zi­gen Dorf­la­den vor dem na­tür­lich auch hier vor­han­de­nen Turm ei­ner Kir­chen­burg zu ste­hen:

Turm der Pfeilerbasilika in Copșa Mare (Groß-Kopisch)

Der ru­mä­ni­sche Burg­wäch­ter (des­sen Frau wohl mit der Ein­sam­keit und der zäh da­hin­flie­ßen­den Zeit in der sie­ben­bür­gi­schen Pro­vinz we­ni­ger zu­frie­den war als der ihr recht­mä­ßig zu­ge­mu­te­te Schlüs­sel­be­wah­rer) hat­te uns die Kir­che auf­ge­sperrt und sie uns dann zur ei­ge­nen Er­for­schung über­las­sen (viel zu er­klä­ren hät­te er wohl oh­ne­hin nicht ver­mocht, die Ge­schich­te der Sie­ben­bür­ger Sach­sen ist ja nicht die sei­ne). Al­so er­klom­men wir (ab­ge­se­hen von Frie­da, der läs­si­gen La­bra­do­rin) den Turm der Kir­che. Über höl­zer­ne »Hüh­ner­lei­tern« hin­auf und über hau­fen­wei­se Tau­ben­kot hin­weg bis zu den gro­ßen Glocken. Al­les völ­lig un­be­auf­sich­tigt und un­ter Be­gleit­um­stän­den, die es da­heim in Deutsch­land de­fi­ni­tiv so nir­gends mehr gibt. Da wä­re so ein Turm we­gen Bau­fäl­lig­keit ver­ram­melt und ver­rie­gelt. [1] [2]

Mit­ten in frem­den Lan­den Glocken mit deut­scher In­schrift zu se­hen fühlt sich an­fangs schon ein we­nig merk­wür­dig an, zu­mal auch die an­de­ren Be­schrif­tun­gen in der Kir­che, ver­staub­te Ge­sang­bü­cher und son­sti­gen ge­druck­ten Hin­ter­las­sen­schaf­ten sämt­lich auf Deutsch ver­faßt sind. Schnell wer­den da As­so­zia­tio­nen an apo­ka­lyp­ti­sche End­zeit-Ge­schich­ten ge­weckt, mit­un­ter kommt man sich in den ent­le­ge­ne­ren Kir­chen tat­säch­lich wie der letz­te Mensch auf Er­den vor. Man ge­wöhnt sich na­tür­lich dar­an, aber es ist schon ei­gen­ar­tig, sich das jahr­hun­der­te­lan­ge Ne­ben­ein­an­der von Ru­mä­nen, Sie­ben­bür­ger Sach­sen und an­de­ren Volks­grup­pen vor­zu­stel­len, die al­le ziem­lich kon­se­quent un­ter Ih­res­glei­chen blie­ben, statt sich lang­fri­stig zu ei­nem Volk zu ver­men­gen...

Die Kirchenburg von Copșa Mare aus der Distanz

Der Blick zu­rück auf Copșa Ma­re und sei­ne Kir­chen­burg zeigt ei­ne ver­meint­li­che Idyl­le, die ty­pisch ist für Sie­ben­bür­gen, je­nem Land­strich in der Mit­te Ru­mä­ni­ens, in der die Ver­gan­gen­heit noch über­all of­fen zu Ta­ge liegt. Die­se zu Fuß zu er­wan­dern und zu er­kun­den ist un­gleich be­frie­di­gen­der als das Hin­ge­fah­ren­wer­den im Rei­se­bus mit je­weils 20 Mi­nu­ten Knips- und Pin­kel­pau­se vor der Wei­ter­fahrt zur näch­sten Se­hens­wür­dig­keit! Der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te wa­ren sich je­den­falls ei­nig: Lie­ber ei­ne Hand­voll in­ten­siv in­spi­zier­ter Kir­chen­bur­gen in der Er­in­ne­rung be­hal­ten als zwei Dut­zend nur en pas­sant fo­to­gra­fier­te hin­ter­her kaum noch zu­ord­nen zu kön­nen.

Wenn wir nach un­se­ren täg­li­chen Ex­kur­sio­nen wie­der »da­heim« in Ri­chiș an­ge­kom­men wa­ren, ga­ben wir uns fast je­den Abend der Sü­ße des Mü­ßig­gan­ges hin, mach­ten erst ein klei­nes Nicker­chen, nick­ten an­schlie­ßend den im­mer­glei­chen Sta­ti­sten vor der Dorf­bar zu und lie­ßen uns über­ra­schen von dem, was uns so vor die Au­gen kam. Ei­ne er­staun­li­che Ent­deckung wa­ren akri­bisch ge­führ­te, prä-ex­ce­li­ti­sche Ta­bel­len aus den 1920er Jah­ren, in de­nen in schön­ster Hand­schrift fest­ge­hal­ten war, wer in wel­chem Haus des Dor­fes wohn­te und wie­viel Stück Vieh und »Zün­der« be­saß:

Historische Dokumente, von Unwissender zum Verkauf feilgeboten

Der amt­li­che Cha­rak­ter der Do­ku­men­te war of­fen­kun­dig, der aus ih­nen wa­bern­de Geist des deut­schen Be­rufs­be­am­ten­tums eben­so. In­des war die ehe­dem ger­ma­ni­sche Grund­ord­nung der Ero­si­on preis­ge­ge­ben: Ei­ne im ehe­ma­li­gen Pfarr­haus ein­ge­mie­te­te Zi­geu­ne­rin [2] hat­te die Ar­chi­va­li­en am Dach­bo­den ge­fun­den und kur­zer­hand zu le­gi­ti­mer Mar­ke­ten­der­wa­re er­klärt in der Hoff­nung, die ih­rem Ver­ständ­nis ver­schlos­sen blei­ben­den Schrift­stücke an Tou­ri­sten wie uns ver­hö­kern zu kön­nen. Der Ge­winn liegt be­kannt­lich im Ein­kauf, und bei weg­ge­fun­de­nen An­ti­qui­tä­ten mit Ein­stands­preis Null wä­re auch der be­schei­den­ste Er­lös als Ge­winn zu ver­bu­chen. Daß da­mit hi­sto­ri­sche Er­kennt­nis­se und Kon­tex­te un­wie­der­bring­lich da­hin sind, hat schon alt­ägyp­ti­sche Grab­räu­ber nicht ge­stört, was woll­te man da von ei­ner sim­pel ge­strick­ten und mut­maß­lich kaum bis we­nig ge­bil­de­ten Land­frau er­war­ten? Wir ha­ben je­den­falls nichts ge­kauft von ih­rer pa­pie­re­nen Beu­te, um der­lei Tun nicht auch noch zu er­mu­ti­gen...

Ein neu­er Tag, ein neu­es Aben­teu­er: Statt die gut vier Stra­ßen­ki­lo­me­ter nach Bier­tan mit der Nach­barn Fahr­rä­der zu er­stram­peln, zo­gen wir zu Fuß los, um nach Über­que­rung des näch­sten grö­ße­ren Ge­län­de­buckels in ei­nem par­al­lel ver­lau­fen­den Tal zum Nach­bar­ort zu mar­schie­ren. Auf stark aus­ge­spül­ten Wirt­schafts­we­gen ging es zu­nächst forsch berg­an, und im­mer wie­der gab es ei­nen Grund an­zu­hal­ten, um sich Fau­na und Flo­ra nä­her zu be­se­hen. Mei­ne Gü­te, dach­te sich der schwit­zen­de Chro­nist bei ei­ner die­ser Ge­le­gen­hei­ten, wie lan­ge hast Du schon kei­nen Schwal­ben­schwanz mehr ge­se­hen? Und die­ser präch­ti­ge Flat­ter­mann hier po­siert ge­ra­de­zu keck vor Dei­ner Ka­me­ra und will par­tout im Bil­de fest­ge­hal­ten wer­den! Na gut, man ist ja be­tö­ren­den Schön­hei­ten je­der­zeit ger­ne und eil­fer­tig zu Dien­sten:

Sich sonnender Schwalbenschwanz

Auch we­ni­ger au­gen­fäl­lig her­aus­ge­putz­te Sechs­bei­ner ha­ben wir in gro­ßer Zahl und Viel­falt an­ge­trof­fen. Tat­säch­lich wird ei­nem durch das all­ge­gen­wär­ti­ge Ge­wim­mel und Ge­sum­me in Sie­ben­bür­gens Wald und Flur erst so recht vor Au­gen und Oh­ren ge­führt, daß das viel­zi­tier­te In­sek­ten­ster­ben in Deutsch­land und Zen­tral­eu­ro­pa kei­ne hoh­le Pa­nik­ma­che, son­dern längst be­droh­li­che Rea­li­tät ist. Da kann man nur hof­fen, daß Mo­no­kul­tu­ren und Che­mie­kon­zer­ne nicht auch noch Ost­eu­ro­pas Öko­sy­ste­me auf Dau­er ver­ar­men las­sen...

Im drü­bi­gen Tal be­gann dann er­staun­li­cher­wei­se ei­ne wun­der­bar aus­ge­bau­te und prä­zi­se asphal­tier­te Stra­ße im fak­ti­schen Nichts: Kein Ort, kein Haus, kein son­sti­ger er­sicht­li­cher Grund, war­um ei­ne Stra­ße die­ser Gü­te just hier be­gin­nen oder en­den soll­te! Es ging ein­fach los und aus dem stau­big-san­di­gen Wirt­schafts­weg in the midd­le of nowhe­re wur­de von ei­nem Schritt zum näch­sten ei­ne per­fekt mar­kier­te Fahr­bahn:

Mit EU-Mitteln erbaute Asphaltstraße im Nirgendwo

Ki­lo­me­ter­lang ging es so vor­an, selbst­re­dend mit glän­zen­den neu­en Stopp­schil­dern an al­len ein­mün­den­den We­gen, de­nen man ge­trost ei­ne durch­schnitt­li­che Ver­kehrs­dich­te von 1,5 Fuhrwerken/Woche un­ter­stel­len darf. Als er­fah­re­ne In­sel­rei­sen­de ahn­ten wir die Hin­ter­grün­de na­tür­lich schon lan­ge, be­vor wir am Orts­ein­gang von Bier­tan un­ser Wäh­nen auf ei­ner gro­ßen In­for­ma­ti­ons­ta­fel be­stä­tigt sa­hen: Im Rah­men ei­nes vom Land mit 0 EUR, aber von der Eu­ro­päi­schen Uni­on mit knapp 1.000.000 EUR ge­för­der­ten In­fra­struk­tur­pro­jekts wur­de hier ein Stück Fort­schritts auf (nicht et­wa in) den Sand ge­setzt, auf den die Be­tei­lig­ten mäch­tig stolz sind. Man mag sich fra­gen, ob man mit dem Geld nicht bes­ser die im­mer noch un­be­fe­stig­ten Staub­stra­ßen in­ner­halb des nicht ganz un­be­deu­ten­den Städt­chens Bier­tan hät­te asphal­tie­ren kön­nen. Man mag sich fer­ner dar­über echauf­fie­ren, daß der eu­ro­pä­isch-fö­de­ra­le Geld­re­gen im­mer nur Neu­es kurz­fri­stig er­blü­hen läßt, zu des­sen lau­fen­der Un­ter­hal­tung da­nach aber kei­ne Mit­tel mehr da sind, wes­halb die Na­tur sich un­ver­züg­lich an­schickt, sich al­les wie­der lang­sam zu­rück­zu­er­obern. Hilft aber al­les nix: Wenn die ei­nen schlau ge­nug sind, form­ge­rech­te För­der­an­trä­ge zu stel­len, und die an­de­ren sich nicht mit dem Pa­pier­krieg be­fas­sen wol­len, dann fließt das Geld halt zu den Ge­wief­te­ren, auch ganz oh­ne Kor­rup­ti­on. Die es dem Ver­neh­men nach in Ru­mä­ni­en aber auch noch in rei­cher Aus­wahl ge­ben soll...

Kurz vor Bier­tan und in Sicht­wei­te be­sag­ter In­fo­ta­fel geht der Asphalt wie­der in Sand und Staub über, was für ein orts­üb­li­ches Ve­hi­kel mit zwei PS ja auch den al­le­mal stim­mi­ge­ren Un­ter- und Hin­ter­grund ab­gibt:

Pferdefuhrwerk am Ortsrand von Biertan (Bierthälm)

Die To­po­gra­phie der von uns be­rei­sten und in­spi­zier­ten Dör­fer folgt meist dem glei­chen Sche­ma: In­nen die so­li­den Hö­fe und Häu­ser der Sie­ben­bür­ger Sach­sen, drum­her­um die ein­fa­che­ren und klei­ne­ren Häus­chen der Ru­mä­nen, drau­ßen an der Pe­ri­phe­rie die schä­bi­gen Hüt­ten bis un­wür­di­gen Ver­schlä­ge der Ro­ma und an­de­rer un­ter­pri­vi­le­gier­ter Volks­grup­pen. Mit dem Ex­odus der deutsch­stäm­mi­gen Be­völ­ke­rung, al­so nach der Aus­wan­de­rung der mei­sten Sie­ben­bür­ger Sach­sen, hat sich das »Va­ku­um« bald durch Nach­zug von au­ßen ge­füllt. Dar­über gä­be es vie­les zu le­sen und auch zu schrei­ben, hier sei nur fest­ge­hal­ten, daß na­tür­lich auch heu­te noch (oder wie­der) die bes­ser Ge­stell­ten die ge­die­ge­ne­ren Häu­ser im Orts­kern be­woh­nen und die Ar­men drau­ßen in den Bei­na­he-Slums hau­sen...

So, dann wol­len wir mal nach die­sen Be­trach­tun­gen mit we­ni­gen wei­te­ren Schrit­ten end­lich das Ziel un­se­rer Wan­de­rung er­rei­chen und so­zu­sa­gen »von hin­ten rein­kom­mend« die gran­dio­se Kir­chen­burg von Birt­hälm er­spä­hen:

Die Kirchenburg von Biertan (Birthälm)

Im 16. Jahr­hun­dert er­baut und von ei­ner drei­fa­chen Ring­mau­er um­ge­ben, ist die­ser trut­zi­ge Got­tes­haus­kom­plex ge­ra­de­zu der In­be­griff ei­ner Sie­ben­bür­gi­schen Kir­chen­burg und hät­te be­ste Aus­sich­ten auf ei­nen der vor­der­sten Plät­ze in ei­nem hier­mit ima­gi­nier­ten Ran­king der Präch­tig­sten ih­rer Art! Über die Bau­ge­schich­te und die rei­che In­nen­aus­stat­tung mö­ge sich die in­ter­es­sier­te Le­ser­schaft im oben ver­link­ten Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel in­for­mie­ren. Der En­des­un­ter­fer­tig­te be­läßt es für heu­te beim Hin­weis auf ein wun­der­ba­res Fo­to der Kir­chen­burg zu Birt­hälm, in des­sen Hin­ter­grund et­was zu se­hen ist, was un­be­darf­te Be­ob­ach­ter viel­leicht gar nicht auf An­hieb er­ken­nen und rich­tig ein­ord­nen kön­nen: Die Re­de ist von den Ter­ras­sie­run­gen, die heu­te sinn­los er­schei­nen mö­gen, aber auf die frü­he­re Nut­zung des Han­ges als Wein­berg hin­wei­sen. Da­von wird in den näch­sten Fol­gen die­ses Rei­se-Rap­ports noch die Re­de sein, für heu­te sei es nun­mehr ge­nug. Fort­set­zung folgt!

 
[1] Wo­bei sich der Be­richt­erstat­ter dun­kel dar­an er­in­nert, in Thü­rin­gen kurz nach der Wen­de im Rah­men ei­nes In­spek­ti­ons­be­su­ches auch schon mal ei­nen bau­fäl­li­gen Kirch­turm un­ter ver­gleich­bar ver­we­ge­nen Rah­men­be­din­gun­gen er­klom­men zu ha­ben. Was in der Ex-DDR mit dem Mau­er­fall zu En­de ging, ist im Ru­mä­ni­en der Jetzt­zeit hier und da noch ge­gen­wär­tig – im Gu­ten wie im Schlech­ten.

[2] Lei­der hat der lan­ge Zeit un­kon­trol­lier­te Zu­gang zu den ver­las­se­nen Kir­chen­bur­gen die­sen oft schwer zu­ge­setzt durch Plün­de­rung und Van­da­lis­mus. Die einst nicht un­be­dingt au­ßer­or­dent­lich präch­ti­ge, si­cher­lich je­doch or­dent­li­che Or­gel der Kir­che von Copșa Ma­re ist ge­gen­wär­tig in de­so­la­tem Zu­stand: Vie­le ih­rer Pfei­fen wur­den von Me­tall­die­ben grob her­aus­ge­ris­sen und ab­trans­por­tiert, wo­mit das nun nicht ein­mal mehr aus dem »letz­ten Loch« pfei­fen­de In­stru­ment jen­seits al­ler rea­li­sti­schen Hoff­nun­gen auf Re­pa­rier­bar­keit zum trau­ri­gen Sperr­müll­hau­fen de­gra­diert wor­den ist...

[3] Mit die­ser orts­üb­li­chen Ty­pi­sie­rung ist durch­aus kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung be­ab­sich­tigt, die Ro­ma in Ru­mä­ni­en be­zeich­nen sich mit­un­ter ja selbst als ți­ga­ni. Der all­zeit auf Kom­ple­xi­täts­re­duk­ti­on be­dach­te zone­batt­ler dif­fe­ren­ziert un­ge­ach­tet eth­ni­scher Her­kunft, Ge­schlecht, Haut­far­be und Na­sen­län­ge stets nur nach ihm sym­pa­thi­schen und ihm un­sym­pa­thi­schen Men­schen. Das hat sich je­der­zeit und je­den­falls be­währt und reicht zum Be­strei­ten des All­tags­le­bens auch al­le­mal aus.

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Freitag, 2. November 2018

Kip­pen­kerl

Masthalterung von irgendwas in Sichtweite des Nürnberger Hauptbahnhofes

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