Dienstag, 16. Juli 2013
Ein drittes und letztes Mal geht es heute in die Upper Barrakka Gardens, um dort Punkt zwölf lautstark demonstriert zu bekommen, was die Stunde geschlagen hat: In einem täglich wiederkehrenden Ritual wird von (mutmaßlich pseudo-)britischen Soldaten mittags Salut geschossen und damit ein weithin hörbares Zeit- (und früher auch Macht-) Zeichen gegeben...
Der Officer links im Bild erklärt per Mikrofon und Lautsprecheranlage das Prozedere, die beiden Haubenträger rechterhand führen die Ballerei durch. Leider wird nur eine einzige Kanone abgeschossen und noch leiderer hat die nur Pulver, aber keine Kugel im Rohr, weshalb es kein spektakuläres Schiffe-Versenken-Spiel im Maßstab 1:1 zu beklatschen gibt, sondern halt nur einen Knall zu hören und eine weiße Rauchwolke zu sehen:
Für drollige Spleens wie derlei militärische Herumhampeleien lieben wir ja die Söhne Albions, wobei ich wie schon eingangs angedeutet den nagenden Anfangsverdacht hege, daß in den Uniformen Ihrer Majestät Artilleristen in Wirklichkeit maltesische Hilfsarbeiter stecken könnten, die für kleines Geld die romantisierten Kolonialzeitträume der Touristen beflügeln. Aber man muß den harmlosen (Feuer-)Zauber ja nicht unbedingt entzaubern...
Magische Eindrücke hält Valletta auch in den Abendstunden bereit, wenn sich die Touristenmengen verpulverisiert haben und die Einheimischen daheim vor ihren Glotzen sitzen: Dann hat man die pittoreske Altstadt fast für sich allein und kann im schwindenden Tageslicht noch manche schöne Szene auf den Film Sensor-Chip bannen. Wie diese dienstfrei habenden Sonnenschirme hier:
Manchmal wünscht man sich als Freizeit-Fotograf die analogen Zeiten zurück: Bei um die 50 Pfennigen pro Dia hätte ich derlei Motive unter mühevollen Verrenkungen nach langer Überlegung genau 1x sorgsam anvisiert und abgelichtet. Heutzutage nimmt man ein halbes Dutzend leicht verschiedene Schnappschüsse mit und quält sich später daheim mit der Frage herum, welcher davon nun letztlich der beste ist... Tja.
Auch von diesen gestaffelten Haustüren habe ich im schummerigen Dämmerlicht etliche Aufnahmen gemacht, ja sogar einige freihändige Belichtungsreihen realisiert zum Zwecke der nachträglichen HDR-Bearbeitung:
Die fraglos surrealste und skurrilste Begegnung in den schläfrigen Gassen Vallettas kündigte sich schon aus einiger Entfernung lautstark akustisch an. Unter blechern-schepperndem Abspielen einer Klimper-Fassung von Lili Marleen machte ein motorisierter Eis-Verkäufer die Runde, mal an dieser, mal an jener Ecke haltend und sich musikalisch mit einem Klirrfaktor nahe 100% bei der potentiellen Kundschaft ankündigend:
Nachdem der im Bild gezeigte Knabe mit der Startnummer 18 auf dem Rücken sein tiefgekühltes Betthupferl gekauft hatte, raste der ambulante Eis-Dealer mit quietschenden Reifen heiter weiter, sein Lili-Marleen-Getröte bald hier, bald dort ertönen lassend, vielfältiges Echo inklusive. Mal war sein Wagen einige Querstraßen weiter zu sehen, mal flitzte er an ganz anderer Stelle durchs beschauliche Bild. Ob sich der unüberhörbare Einsatz letztlich wirtschaftlich für ihn gelohnt hat, erscheint mir zumindest zweifelhaft zu sein: Allein der Betrieb der wattstarken Beschallungsanlage wird – im Verein mit der Kühlanlage – einiges an Energie verbrauchen. Ein nennenswerter Kundenansturm war hingegen nicht zu konstatieren. Vermutlich zahlt der Gelatiero bei jeder verkauften Kugel drauf, aber die Menge macht’s dann wohl wett...
Nachdem wir dann die Stadt bis zum äußersten erreichbaren Ende durchlaufen und an ihrem Rand halb umrundet hatten, näherten wir uns über den zentralen Busbahnhof wieder ihrem Eingang. Inzwischen war es gänzlich dunkel geworden, was mir Gelegenheit gab, mich dem ansonsten bus-umtosten Tritonbrunnen gefahrlos zu nähern, um ihn per Langzeitbelichtung einzufangen und zu konservieren:
Gemessen am Status – Valletta ist ja immerhin die Hauptstadt eines souveränen EU-Staates – ist das Städtchen eher überschaubar und provinziell anmutend; genau das aber macht ja seinen besonderen Reiz aus. Wie es um das Kulturleben bestellt ist, kann ich nicht wirklich beurteilen – Feuerwerks-Festivals mal ausgenommen. Aber wenn überhaupt, dann wäre Valletta wohl der Ort, an bzw. in dem sich unsereins gerne dauerhaft niederlassen würde. Aber da es bis zum Ruhestand noch einge Jährchen hin sind, sind derlei Überlegungen derzeit akademischer Natur.
In Sachen Reisemitbringsel sind der zonebattler und seine bessere Hälfte ja einigermaßen pragmatisch orientiert: raumgreifende Staubfänger sind verpönt, im Zweifelsfall genießen natürliche Fundstücke wie Wurzeln, Steine, Schneckengehäuse etc. eine höhere Wertschätzung als von Menschenhand gebastelter oder gar industriell gefertigter Mumpitz. Gerne genommen werden hingegen Lebensmittel in Form ortsüblicher Delikatessen, mit denen sich das Urlaubsgefühl im heimischen Alltag noch eine Weile und im Wortsinne geschmackvoll aufrechterhalten läßt. Hier sehen wir die am Tag vor der Heimreise eingekaufte Auswahl an maltesischen und italienischen Käsesorten, ambulant gekühlt im Wasserbad des hotelzimmereigenen Waschbeckens:
Dank einer schon Monate vorher gelegenheitshalber eingekauften, digitalen Gepäckwaage konnten wir diesmal guten Gewissens kiloweise einkaufen, was uns lecker und probierenswert erschien, ohne eine gewichtsmäßige Überschreitung der Freigepäcksgrenze befürchten zu müssen...
So, die Koffer sind gepackt, alle Schubladen, Schränke und Kommoden zum x. Mal auf vergessene Habseligkeiten gecheckt, dann also mit Sack und Pack runter in die Hotel-Lobby, ein schnelles Frühstück im noch schummerig leeren Restaurant-Saal verputzt, good bye gesagt und ab ins private Flughafen-Taxi. So schön der Urlaub auch gewesen war, an seinem Ende freut man sich doch immer auf die eigenen vier Wände. Ein letzter Blick zurück auf Sonne, Meer und landestypische Architektur:
Ob wir jemals wieder nach Malta kommen werden? Wer weiß... Aus eigenem Antrieb vielleicht nicht, dazu haben wir jetzt einerseits das Land intensiv genug erforscht und andererseits vom Rest der Welt etliches noch gar nicht gesehen. Aber wenn sich beispielsweise im Freundeskreis ein Plan herauskristallisierte, den maltesischen Archipel in fröhlicher Runde gemeinsam zu bereisen, dann würden wir uns sicherlich nicht lange bitten lassen, eine neue Expedition dorthin zu begleiten...
Samstag, 13. Juli 2013
Was nun wirklich faszinierend ist auf Malta, sind die steinernen Zeugen der Geschichte, angefangen von den frühsteinzeitlichen Tempelanlagen über die auch ästhetisch bombastischen Festungsbauten des Johanniterordens bis hin zu den Wohnsiedlungen aus britischer Kolonialzeit. Auch wenn es hier und da und dort bröselt und Wind und Wetter ihre Nagezähne ohne Unterlaß wetzen, Malta ist ein Freilicht-Museum par excellence!
Hier standen wir in den Buskett Gardens, dem (einzigen!) Wald Maltas und erspähten dort ein prunkvolles Wappen am Verdala Palace, dem offiziellen Sitz des Staatsoberhauptes und damit sozusagen das insulare Schloß Bellevue [1]:
Auch wenn wir in diesem unseren zweiten Malta-Urlaub darauf bedacht waren, uns bis dato unbekannte Ecken der Inseln zu erkunden, so zog es uns natürlich dennoch auf’s Neue in jene Orte, die wir schon im Vorjahr begeistert erforscht hatten. Wie z.B. in die alte Hauptstadt Mdina, in deren mittelalterlichen Gassen-Labyrinth man immer wieder gerne auf den Auslöser drückt:
An sonnig-heißen Tagen lernt man die schattigen Zufluchtsorte Mdinas zu schätzen und setzt sich gerne zu Kaffee und Kuchen in eines der Cafés an bzw. in der Stadtmauer, wo man überdies noch einen grandiosen Fernblick genießen kann...
Doch auch die weniger schattigen Sehenswürdigkeiten haben ihren Reiz, zumal die Temperaturen im späten Frühling und frühen Sommer durchaus noch gut auszuhalten sind. Also sind wir natürlich auch heuer mit dem Bus ins Fischerstädtchen Marsaxlokk gefahren, um dort dem bunten Treiben zuzuschauen. Ganz besonders bunt sind dort bekanntermaßen die Fischerboote:
Auch an Sonn- und Feiertagen kann man die Fischer beim Arbeiten beobachten, denn zu tun ist natürlich immer etwas: Netze müssen entheddert und geflickt, Motoren repariert und geschmiert, Betriebsstoffe geladen und verstaut werden. Vor allem aber müssen die vom Salzwasser und der Sonne maltraitierten Anstreiche regelmäßig erneuert werden, eine Arbeit, die mit Hingabe und in nachgerade kontemplativer Versenkung ausgeführt wird:
Die Malteser kümmern sich nicht nur sorgsam und leidenschaftlich um ihre Kähne und Kutter (sowie um ihre Schrotflinten), sie haben auch ein Herz für Oldtimer auf Rädern: Immer wieder begegnet man tadellos restaurierten solchen, meist britischer Provenienz. Oftmals sind sie leider schon wieder weg, bevor man die Kamera in Anschlag bringen kann, aber einmal hatte ich Glück und konnte einen langsam dahintuckernden LKW geradezu mustergülig ablichten:
Von Marsaxlokk aus sind wir landeinwärts in Richtung Nordwesten gewandert, und wenn ich heute – zweieinhalb Monate später – diese Zeilen niederschreibe, so habe ich wieder die flirrende Luft vor Augen, das Summen der Insekten im Ohr, die vielfältigen Düfte in der Nase. Und natürlich die Bilder der Landschaft im Kopf, die ich im Interesse der Verdichtung gerne auf das Wesentliche zurechtschneide und von störendem Drumherum befreie:
Was in diesen Tonnen mal drin war, will man vermutlich gar nicht so genau wissen. Über allerlei dubiose Behältnisse am Rande landwirtschaftlicher Nutzflächen hatte ich mich ja schon im letzten Jahr befremdet gezeigt...
Nicht weniger befremdlich und auch etwas bedrohlich erscheinend, letztlich aber belustigend war ein paar Stunden später der lautstarke Empfang, den uns in einer winzig kleinen Siedlung am Rand des Flughafens von Malta ein paar vierbeinige Wächter der Hl. Mutter Gottes bereiteten:
Wenn man gegen den Turbinenlärm startender Passagierjets ankläffen muß, muß man sich schon ordentlich ins Zeug legen. Immerhin konnten auch diese armen Schweine Köter ihren Posten nicht verlassen und uns nicht in die Waden beißen. So konnten wir unverseht zum Flugplatz weitertappen, an seinem Zaun entlang bis zum Terminal-Gebäude marschieren und dort dennächsten Bus Richtung Valletta nehmen...
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liegen auf dem überschaubaren Inselreich recht nah beieinander, und es ist verblüffend, wie schnell man zu Fuß (!) von einer »Zeitzone« zur nächsten gelangen kann. Springen wir zum Abschluß und zum Exempel noch schnell in die Zukunft und schauen uns eine unfertige Luxus-Wohnanlage an, die auf einem Hügel nördlich von Naxxar entsteht:
Wie so oft ließ der Zustand der Baustelle nicht erkennen, ob hier nur im Rahmen einer ausgedehnten Siesta pausiert wurde, oder ob die zu 85% fertiggestellte Wohnanlage schon wieder dem bauträgerpleitebedingten Verfall preisgegeben ist [2]: Hier und da hörte man zwar eine Bohrmaschine oder eine Säge kreischen, aber ansonsten herrschte – mitten unter der Woche – Ruhe und Leere.
Leer sind nunmehr auch des Chronisten Hirn und Wampe, weshalb er sich jetzt in Richtung Küche und Kühlschrank verabschiedet. In der nächsten und letzten Folge seines Reise-Rapports läßt er es aber demnächst noch einmal so richtig krachen!
[1] Wenn der zonebattler sich nicht faulheitshalber um die vorbereitende Lektüre von Reiseführer und Wikipedia gedrückt gehabt hätte, dann hätte er vorher gewußt, daß der Präsidentenpalast der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und er hätte sich von seiner besseren Hälfte nicht bergauf bis zum verschlossenen Zaun treiben lassen müssen. Tja, so ereilte ihn die verdiente Strafe (wobei der Fußmarsch dorthin natürlich trotzdem ein schöner solcher war)...
[2] Man sieht so vieles auf Malta und Gozo, was sich unseren teutonischen Denkmustern nicht wirklich erschließt. Ist aber umgekehrt vermutlich genauso.
Montag, 8. Juli 2013
Fragt man einheimische Malteser oder insulare Gastarbeiter nach gangbaren Fußwegen zur Küste oder gar nach Wanderrouten an derselben entlang, so erntet man zunächst Ratlosigkeit, dann aber gut gemeinte Ratschläge hinsichtlich der unbedingt anzuratenden Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zum direkten Ansteuern des Zielortes: Ausschreiten um des Ausschreitens willen scheint dort ein dermaßen abstruses Konzept zu sein, daß sich keiner vorstellen kann, warum man so etwas machen sollte. Unsereins wiederum war befremdet ob der geographischen Uninformiertheit mancher Leute, bei denen terra incognita schon einen Steinwurf abseits der Straße zu beginnen scheint...
Aber egal: Vom (in der Tat per Bus angefahrenen) Städtchen Kalkara aus umquerten wir per pedes die Baustelle der futuristischen SmartCity (wo derzeit noch nix sonderlich Smartes zu sehen ist), schlugen uns durch allerlei Gestrüpp und quasiöffentliche Feldwege durch nach Xgħajra und marschierten von da aus ein gutes Stück den Nordost-Zipfel Maltas entlang bis hinunter nach Marsaskala. Dabei kamen wir durch melancholisch stimmende Gegenden, die kaum je ein Tourist freiwillig aufsuchen dürfte. Was allerdings vielfach doch hingekommen war, waren EU-Fördermittel:
Das Bild steht prototypisch für die nicht-nachhaltige Verpulverung von öffentlichen Geldern durch Baumaßnahmen am Bedarf vorbei: breite Promenaden ohne promenierendes Publikum, Bänke sonder Zahl ohne Sitzende, Infrastruktur aller Art ohne die dazugehörigen Nutzer. Und ohne eine Perspektive, denn nach der Errichtung findet offenbar eine bedarfsweise Instandsetzung nur selten und präventive Instandhaltung gar nicht statt. Was für teuer Geld errichtet wurde, ist also sogleich wieder dem Verfall preisgegeben, der ja in der salzhaltigen Meeresluft nicht lange auf sich warten läßt: Zäune verrosten, Bänke verwittern, Grünanlagen verkommen.
Während sich die zeitgenössische Bauwirtschaft also mit dem realsozialistischen DDR-Motto: »Wir bauen auf und reißen nieder, so haben wir Arbeit, immer wieder« ganz gut charakterisieren läßt, so wurde in den lange zurückliegenden Zeiten des mächtigen Malteserordens schon aus Gründen des Aufwands (die Zeche zahlten nicht andere und moderne Baumaschinen gab es auch nicht) weit nachhaltiger gedacht und umsichtiger konzipiert. Ein schönes Beispiel sind die zahlreichen aus dieser Zeit überkommenen Wachtürme, von denen aus man nahende Invasionsflotten frühzeitig entdecken und schnurstracks weitermelden konnte:
Die Restaurierung dieser natürlich auch der Erosion unterliegenden, steinernen Zeitzeugen mit Hilfe von EU-Fördermitteln geht natürlich in Ordnung, damit wird Geschichte plakativ und leicht faßlich erhalten und nicht wie in unserer heimischen »Denkmalstadt« mutwillig plattgemacht (was – soviel sei der Gerechtigkeit halber konzediert – selbstredend auch auf Malta in großem Stil passiert). Immerhin, den verschiedenen Elementen der maltesischen Befestigungsanlagen wird konservatorische Aufmerksamkeit zuteil, und das auch im kleineren Maßstab, wie dieses Modell im neulich schon erwähnten »Fortress Builders Interpretation Centre« dokumentiert:
Man beachte die pragmatische Material-Mix-Bauweise: Wie die Bastionen und sonstigen großen Befestigungen auch bestehen die Türme zu großen Teilen aus Füllmaterial, welches zwischen die Innen- und Außenmauern verbracht und verdichtet wurde: Das spart nicht nur Bearbeitungsaufwand und Kosten, sondern steckt auch die Energie einschlagender Kanonenkugeln besser (und leichter reparierbar) weg als durchgängige Massivbauweise...
Im 20. Jahrhundert bauten die Briten munter weiter, wenngleich natürlich angesichts der Fortschritte der Militärtechnik unter geänderten Prämissen: Während man mit immer großkalibrigeren Geschützen den auf dem Wasser sich nähernden Feind schon weit vor seiner Sichtbarkeit einen feurigen Empfang zu bereiten trachtete, baute man an möglichen Landungsstellen etliche MG-Bunker aus Stahlbeton, von denen aus eine vergleichsweise kleine Mannschaft eine zahlenmäßig überlegende Truppe unter Feuer nehmen und wirksam niederhalten konnte. Der eigenen Wehrlosigkeit gegen Angriffe mit schwerer Artillerie oder später gar aus der Luft versuchte man mit Tarnanstrichen zur weitgehenden Unsichtbarmachung zu begegnen:
Meiner Meinung nach sollte man die alten Bunker dauerhaft wieder mit (gerne von der EU subventionierten) Soldaten besetzen: Wenn die aus den Schießscharten spähenden, jungen maltesischen Schützen die allgegenwärtigen Umweltfrevler (aus den Reihen der eigenen Bevölkerung) unter Beschuß nähmen, hätten sowohl die fliegende Fauna als auch die Landschaft was davon, von der Schaffung sicherer Arbeitsplätze (mit Pensionsanspruch) ganz zu schweigen. Im Nu wäre Ruhe, herrschten Sauberkeit und Ordnung! Weil dergleichen radikale Ansätze natürlich schon aus wahltaktischen Gründen momentan noch als unrealistisch einzustufen sind, werden bis auf weiteres nach wie vor die Vögel abgeknallt und die Landschaft zugemüllt:
Was angesichts der prinzipiell traumhaft schönen Umgebung kaum zu verstehen ist: Die flächendeckende Vermüllung des Lebensraumes geschieht ja nicht durch Fremde, sondern primär und zuvörderst durch die Einheimischen, die alles, was sie loswerden wollen, an Ort und Stelle liegen lassen. Oder sogar extra hinfahren: Wir haben an unbewohnten Küstenabschnitten wild entsorgte Herde, Kühlschränke und Kraftfahrzeuge gesehen, reich garniert mit unverrottbaren Kunststoffabfällen. Warum nur tut so ein Anblick nur dem Auswärtigen weh und nicht jenem, der sein eigenes Land so unnötig schändet?
Vielleicht hängt das ja mit der Bunker-Mentalität der Insulaner zusammen, die sich auch nach Jahrzehnten des Friedens immer noch gerne wehrhaft einkasteln und ihren Blick aufs Leben auf einen schmalen Tunnelblick verengen:
Nein, dieses Bild zeigt keine alte Wehrmauer, sondern den Rohbau eines neuen Wohnhauses mit klar erkennbaren Scheuklappen. Wenn man so konsequent alles ausblendet, was einen stören könnte, dann kommt man natürlich leichteren Herzens durch Leben...
Genug räsoniert, es hilft ja doch nix. Schauen wir uns nochmal an der unbewohnten Küste um und werfen wir dort einen unauffälligen Blick auf die Feizeitbeschäftigung der älteren Generation: Während Opa auf einem gischtumspülten Felsen hockt und Fische aus dem Meer zu ziehen sucht, sitzt Oma im notdürftig beschatteten Kleinbus und strickt derweilen. Die mitgeführten Vierbeiner teilen den unaufgeregten Lebensstil, dösen in der Sonne und lassen sich angesichts der fremden Wanderer noch nicht einmal zu einem lässigen »Wuff« herab.
So, wir nähern uns langsam dem Endpunkt unseres langen Marsches, der Touristen-Hochburg Marsaskala. Schon räkeln sich die ersten Miezen lasziv im Halbschatten der kunstvoll gestalteten (und selbstverständlich mit EU-Mitteln bezahlten) Bänke:
Cat content geht immer, wie der medienerfahrene zonebattler weiß. Obwohl er es ja an sich nicht nötig hat, seine Zugriffs-Statistiken durch derlei Tricks zu puschen. Freilich ist es mit dem öffentlichen Abbilden von Lebewesen so eine Sache: Bei zweibeinigen Miezen kriegt man schon beim Fotografieren mitunter Unschönes an den Kopf geworfen (real oder verbal), außerdem kann das verletzte Recht am eigenen Bild noch Jahre später zur juristischen Stolperfalle werden. Ergo zeige ich in meinen virtuellen Wunderkammern nur dann (identifizierbare) Menschen, wenn diese sich mit meinem lichtbildnerischen Ansinnen dezidiert einverstanden erklärt haben. Die bepelzten Vierbeiner pflege ich zu kraulen und ihr Schnurren als konkludente Zustimmung zu werten. So einfach ist das.
Und damit lasse ich es für heute bewenden. Demächst geht es heiter weiter.
Mittwoch, 3. Juli 2013
Nach zehn im Wortsinne eindrucksvollen Tagen auf Gozo freuten wir uns auf die uns verbleibende Urlaubswoche auf der Hauptinsel Maltas. Wir setzten mit der Fähre über und wurden am Terminal bereits von einem persönlichen Chauffeur erwartet [1], der uns schnurstracks nach Valletta brachte und uns dabei aufgrund baubedingter Einbahnstraßen-Regelungen eine unfreiwillig-ausgedehnte Stadtrundfahrt durch das arg verwinkelte Labyrinth der engen Straßen und Gassen Vallettas zuteil werden ließ...
Wir boten dem gestreßten Fahrer schließlich an, die letzten paar Meter zu unserer neuen Herberge mit Sack und Pack zu Fuß zurückzulegen, aber eine derartige Kapitulation vor den Verhältnissen kam für ihn schon aus Gründen der Ehre nicht in Frage. Irgendwann schaffte er es dann schließlich doch, uns direkt vor dem Osborne Hotel abzuliefern.
Unser Zimmer dort war deutlich kleiner als das im Grand Hotel auf Gozo, dafür umso praktischer eingerichtet mit einer Vielzahl an Verstaumöglichkeiten. Es fehlte uns an nichts Relevantem. Also erst mal alles wieder ausgepackt und einsortiert, den kleinen Tagesrucksack geschultert und raus auf die Straße. Wo uns als erstes die Eleganz der Städterinnen auffiel, die sich stylistisch deutlich von der der Touristinnen abhebt:
Valletta ist im Grunde wie Fürth: einerseits groß genug, um urbanes Leben zu beherbergen, andererseits klein genug, um ein überschaubares Kaff zu bleiben. Und überall historische Bausubstanz, womit sie allerdings auf Malta mindestens so sorglos umzugehen scheinen wie bei uns in Fürth. Aber die von den Großmeistern des Malteserordens zur eindrucksvollen Festung ausgebaute Hauptstadt Maltas bietet noch mehr: italienische Einflüsse sind ebenso zu spüren wie arabische und afrikanische, wobei das mediterrane Flair noch mit einer ordentlichen Prise britischer Kolonial-Ära gewürzt ist. Diese Mischung ist einigermaßen originell und anderswo nicht anzutreffen.
Finden tut man in so einer Melange Foto-Motive ohne Ende, die meisten Touristen sehen folgerichtigerweise die Stadt nicht primär mit eigenen Augen, sondern als Sucher-Abbild auf dem Display ihres unablässig vor die Augen gehaltenen Smartphones! Auch der zonebattler hat natürlich oft seine Kamera in Anschlag gebracht, wobei es ihm wie meist weniger um die aus den Reiseführern bekannten »Sehenswürdigkeiten« ging, sondern um Lichtspiele, Details und Strukturen. Wie zum Beispiel um die Streifenmuster von Wellblächdächern, die ihre zufällige Fortsetzung in den vor ihnen gelagerten Ruderbooten fanden:
Derlei Motive mag ich gern, wozu sollte ich auch ablichten, was in jedem Bildband schöner zu sehen ist, weil deren Fotografen im Gegensatz zu mir bei Sonnenauf- oder ‑untergang zur Stelle waren, mithin die spektakuläreren Lichtverhältnisse vorteilhaft zu nutzen wußten? Eben. Unsereiner guckt da lieber untertags in die weniger repräsentativen Ecken. Und was sieht man da? Genau, die gleichen Nischenbewohner wie in Fürth:
Weitere Motive verdanken sich dem Umstand, daß man im Frühling, der Vorsaison also, noch nicht soviele Touristen antrifft, die durch ihre schiere Präsenz den Blick auf das strukturell Festhaltenswerte verstellen. So ein Bild wie das folgende wäre an einem hochsaisonalen Sommerabend sicherlich nicht so einfach und ohne längere Wartezeit einzufangen:
Natürlich zog es uns bald auch wieder zu jenen schönen Orten, an denen wir schon im Jahr zuvor Gefallen gefunden hatten. Beispielsweise zu den Upper Barrakka Gardens, von denen schon im zweiten Teil die Rede war. Der weite Panoramablick über den Hafen lockt Schaulustige in großer Zahl an, auch wenn der eine oder die andere die imponierende Umgebung lieber zum Abschweifen in innere oder imaginäre Welten nutzt:
Richten wir aber die Linse dann doch noch über die Mauern und hinunter ins Wasser, wo sich vom Faltboot bis zur ausgewachsenen Bohrinsel (!) Wasserfahrzeuge aller Kategorien und Gewichtsklassen tummeln und sich beobachten lassen:
Ein paar Tage später entdeckte ich dann aber doch eine ganz neue Attraktion, von der ich schon auf dem Hinflug im Kundenmagazin der Air Malta gelesen hatte und die in nur wenigen Gehminuten vom Hotel aus zu erreichen war: Im »The Fortress Builders Interpretation Centre« wird die Geschichte des Festungsbaus auf multimediale und didaktisch moderne Art und Weise erzählt und erläutert. Von den Anfängen der Verteidigungsbauten in frühgeschichtlicher Zeit spannt sich der Bogen über die regelrechte Bauwut des Malteserordens bis hin zu den neuzeitlichen Bunkeranlagen der Briten im zweiten Weltkrieg.
Von den Exponaten verdienen die zahlreichen Modelle, die historischen Fotos und die großflächigen Bildtafeln besondere Erwähnung. Die Bildschirmstationen mit animierten Präsentationen sind attraktiv gestaltet und verlocken zu stundenlanger Beschäftigung damit: Der menschliche Erfindergeist war und ist in militärischen Belangen ja seit jeher am kreativsten. Auch klassische Architekturmodelle sind nach wie vor interessante Studienobjekte, erkennt man an ihnen doch die größeren Strukturen und Konzepte, die man – als kleiner Wicht vor den riesigen Originalmauern stehend – durchaus beabsichtigterweise nicht wahrzunehmen imstande ist:
In die Errichtung des Zentrums sind – wie bei vielen von uns besichtigten Infrastrukturmaßnahmen – beachtliche Menge an EU-Fördermitteln geflossen (genauer gesagt: stolze 85%), womit auch unsereins mit seinen Steuergeldern seinen kleinen Anteil am Ergebnis haben dürfte. Die deutsche (Mit-)Aufbauhilfe geht voll in Ordnung angesichts des Umstandes, daß die teutonische Luftwaffe vor 70 Jahren sehr wirkungsvoll und ungebetenerweise am Gegenteil mitgewirkt hat...
Leider haben zwischenzeitliche Wahlen und ein Regierungswechsel das schicke Zentrum schon kurz nach seiner Eröffnung in eine prekäre Lage gebracht: Der Direktor hat Mühe, Druckerpatronen und andere Verbrauchsmaterialien zu finanzieren, seine wenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter sitzen auf von daheim mitgebrachten Stühlen. Cafeteria und Museumsshop existieren b.a.w. nur auf dem Papier, und für eine besucherzahlenfördernde Beschilderung im Außenbereich hat es auch nicht gereicht: Wie immer kommen die Mittel für den Bau aus anderen Töpfen als die für die Betriebsführung und Instandhaltung, worauf ich später noch einmal zurückkommen werde. Für heute wenden wir uns kopfschüttelnd ab und linsen über die Schultern einer auf der obersten Terrasse an der Festungsmauer pausierenden Zentrums-Mitarbeiterin hinüber nach Sliema:
Tja. Hüben Festungswälle, drüben Bettenburgen. Solider ist allemal das alte Gemäuer, schon wegen der Dicke seiner Wände. Dennoch fährt man mit dem Paradigmenwechsel offenbar nicht schlecht: Während man die Invasoren früher erst mit Bollwerken draußen und später mit Kanonen auf Distanz hielt, läßt man sie heute als zahlende Gäste ins Land hinein und nimmt ihnen das Geld ab, ohne sich mit ihnen zu hauen. Eine klassische Win-Win-Situation!
Mit diesen philosophischen Betrachtungen verabschiedet sich der Autor für heute. In der nächsten Folge geht es raus aus der Hauptstadt, die Küste entlang. Allerlei merkwürdige Dinge gibt es nämlich auch da...
[1] Mit diesem uns kurzfristig angekündigten Service unseres Reiseveranstalters hatten wir gar nicht gerechnet: Aufgrund unserer ungewöhnlichen Reisebuchung mit Orts- und Hotelwechsel mittendrin waren wir davon ausgegangen, den »Zwischentransfer« auf eigene Faust unternehmen zu müssen. Ein Hoch auf die örtliche Stadthalterin von FTI-Touristik, Frau Borg!
Dienstag, 25. Juni 2013
Mitunter kommt man sich auf Gozo und Malta recht verlassen vor, zumal beim Erforschen aufgegebener Gebäude, die es auf beiden Inseln in großer Menge gibt. Hier tappten wir nördlich von Żebbuġ an den Klippen der Qbajjar-Bucht auf ein von weitem tadellos in Schuß erscheinendes, an eine kleine Festung erinnerndes Gebäude zu:
Was uns da drinnen erwartete, war kein Museum, kein Laden und auch kein Lokal, sondern ein längst aufgelassenes Restaurant mit reichlich Spuren von Verfall und Vandalismus. Ein paar Fotos des traurig heruntergekommenen Zustandes aus dem Inneren des an sich ja prächtigen Gebäudes zeige ich in den Kommentaren zu diesem Beitrag. Hier an der Oberfläche gehen wir lieber rasch weiter, und drehen uns nur nochmal aus einiger Entfernung kurz um, um den an exponierter Lage errichteten Bau nochmal in voller Rest-Schönheit zu bewundern:
Die allerorten auffälligen Leerstände und aufgegebenen Häuser haben uns natürlich auf die Hintergründe neugierig gemacht. Die Antworten von befragten Einheimischen und darauf angesprochenen Reiseleitern reichten von schwer begreiflichen Dummheiten (Bauen auf unsicheren Tonschichten, auf denen die errichteten Bauten dann unter bedrohlicher Rißbildung ins Rutschen kamen und gesperrt werden mußten) bis hin zu den Tücken des lokalen Erbrechtes (Freibeträge nur auf Barvermögen, nicht jedoch auf Immobilienbesitz, so daß viele ungenutzte Häuser aus Steuervermeidungsgründen lieber dem Staat geschenkt als weitergenutzt werden). Eine Immobilienblase, erbläht aus der Gier renditehungriger Investoren ohne Nachhaltigkeitsstreben, hat hier und da zum Bauen am Bedarf vorbei geführt, wovon wir am Schluß dieser Folge noch ein Exempel sehen werden.
Vorher aber wenden wir uns wieder landeinwärts und schauen uns nach den Menschen und deren besten Freunden um. Hier in dieser Genre-Szene sehen wir eine vor ihrem Haus handarbeitende Oma und ihren vierbeinigen Bewacher:
Wobei »Bewacher« eine recht euphemistische Zuschreibung ist: Wenn ich die 25 Aufnahmen, die ich von der alten Frau und Ihrem faltigen Gesellen gemacht habe, nach Art eines virtuellen Daumenkinos an meinem Monitor durchblättere, dann bewegt sich die wettergegerbte Großmutter da um einiges mehr als ihr träges, quasi zur Salzsäule erstarrtes Hundchen. Vermutlich hätte ich sogar Oma samt Spitzenklöppelei unter den Augen des alten Kameraden einsacken und forttragen können, bevor der überhaupt reagiert, geschweige denn »Wuff« gesagt hätte...
Weit weniger gemütlich aufgelegt waren diese beiden Kerle hier, die immerhin keine fliegenden Hunde waren und sich daher auch nicht wirklich von ihrer hohen Hausmauer herunter trauten:
So furchterregend die kläffenden Köter auf den ersten Blick auch waren, im Grunde waren sie arme Schweine. Die Landbevölkerung – und das ist keineswegs nur auf Malta so – pflegt zu den ihnen anvertrauten, nichtmenschlichen Geschöpfen ein eher pragmatisches und nicht unbedingt von Empathie getragenes Verhältnis. Man möchte gar nicht wissen, was da so alles hinter den Mauern, Zäunen und Hecken vorgeht...
Immerhin scheint sich ein übergeordneter Gestaltungswille (mutmaßlich der EU-Bürokratie) langsam auch der Beziehung von Mensch und Tier annehmen zu wollen, wie dieses Schild im Gemeindegebiet von Quala beweist:
Angesichts der Lässigkeit, mit der die Insulaner ihre nicht verrottenden Kunststoff-Flaschen und anderen Zivilisationsmüll in die Landschaft werfen, muten Aufforderungen zum Einsammeln hündischer Hinterlassenschaften nachgerade rührend an. Aber immerhin, schaden kann es nix, und wenn sich langfristig ein Gefühl für umsichtiges Handeln auf allen Ebenen breitmacht, kann man das ja nur begrüßen...
Begrüßt habe ich auch etwas ganz anderes, nämlich das von mir heißgeliebte, kalte »Mint Cornetto«-Eis, welches ich vor vielen Jahrzehnten in einem früheren Leben im Vereinigten Königreich Ihrer Majestät Elisatbeth II, damals noch unter dem insularen Markennamen »Wall’s« kennengelernt habe. In diesen globalisierten Zeiten weist das aus heimischen Gefilden wohlbekannte Langnese-Logo auf die Zugehörigkeit zum Unilever-Konzern hin, der immerhin den althergebrachten Geschmackspräferenzen Rechnung trägt und die britische Vorliebe zum Pfefferminz-Geschmack auch in den ehemaligen Kolonien hochhält:
Das in entlegener Küstenlage erstandene Eis erfreute nicht nur durch sein typisches Minze-Aroma, sondern auch durch seine sehr kusperige Waffeltüte, der offenbar ununterbrochenen Kühlkette sein Dank! Des zonebattler’s bessere Hälfte kann der Minzophilie des Berichterstattenden indes nur wenig abgewinnen und guckte daher lieber aufs Meer hinaus, welches an jenem windigen Tag recht munter an die Gestade schwappte uind die Klippen hinauf zoschte...
Wie schon mehrfach hervorgehoben, wuselt das Heer der einheimischen wie eingereisten Menschen vornehmlich in den Städten herum, die insofern Ameisenhäufen ähneln. Außerhalb der Orte trifft man Zweibeiner regelmäßig nur in gut verträglicher Dosierung an, denn die Touristen sind überwiegend zu faul zum Wandern und die Insel-Bewohner anderweitig beschäftigt. Wer die Natur und die Einsamkeit liebt, kommt also auf Gozo und Malta auf seine Kosten, aller Sticheleien von mir gegen die eine oder andere Unsitte zum Trotze...
Was mich an an eine solche erinnert, die ich ja nochmals aufgreifen wollte, die des augenscheinlich sinnlosen Verschwendens von Geld und Grund zum Zwecke des Errichtens unnötiger und überflüssiger Bauten. Zum Exempel gibt es oberhalb des Hafenstädtchens Mġarr eine ausgedehnte alte Festung, das Fort Chambray. Innerhalb der meterdicken Außenmauern wurde in den letzten Jahren eine luxuriöse Apartment-Anlage mit mondänen Gemeinschafts-Pools errichtet, die auf den arglosen Besucher eingermaßen gespenstisch wirkt, da so gut wie unbewohnt und von allen guten Geistern verlassen:
Wir kamen uns dort vor in einem postapokalyptischen Endzeit-Film: Alle Häuser und Anlagen vom Feinsten, doch allenfalls in jeder zwanzigsten Einheit schien sich Leben zu regen, der Rest stand still und stumm herum, war offenkundig noch nie bezogen und zeigte schon erste Spuren von Verwitterung und Verfall. Sehr eigenartig! Angeblich leisten sich reiche Malteser hier (mit angesichts der Euro-Einführung rasch unterzubringendem Schwarzgeld) ein nobles Ferien-Domizil, welches sie nur wenige Wochen im Jahr bewohnen. Der Haken ist nur: Wer im Geld schwimmt und solchen Luxus haben zu müssen meint, der will auch Schickeria-Leben um und unter sich haben und kein verschlafenes Fischerdorf, an dem der Fährhafen das einzig nennenswerte Stück belebter Infrastruktur ist...
Egal, ein Rätsel mehr, welches einen Inselurlaub wie den unseren ja auch würzt. Damit genug von und mit Gozo, in der nächsten Folge geht es auf die Hauptinsel Maltas hinüber und in der Hauptstadt Valletta weiter!
Montag, 17. Juni 2013
Schon letztes Jahr staunten wir ja über die zahlreichen Kirchen, die über den erzkatholischen Inselstaat verstreut sein Landschaftsbild nachhaltig prägen. Eines der eindrucksvollsten Exemplare ist die Johannes dem Täufer geweihte Kuppelkirche von Xewkija, die wir hier aus einiger Entfernung alles andere überragen sehen:
Leider eignen sich diese weithin sichtbaren Landmarken nur bedingt zur Orientierung: Es gibt ihrer so viele, daß man seinen gottgefälligen Weg vor lauter Kirchen kaum sieht, ähnlich wie es sich im Sprichwort mit dem Wald und den Bäumen verhält. Wälder freilich gibt es auf Gozo nicht und in Malta nur einen dreiviertelten, insofern ist die enorme Packungsdichte von Gotteshäusern wohl durchaus als Ausgleichsmaßnahme zu werten...
Tags drauf haben wir uns dann die Church Of St John The Baptist nicht nur aus der Nähe, sondern auch von innen angesehen. Aus dem heimischen Sandstein gebaut, ist sie natürlich von entsprechender Farbgebung:
Neobarocke Architektur und quietschbunt manieristische Innenausstattung gehen Hand in Hand, was allerdings selten zu sehen ist, sind angemessen dimensionierte Orgeln. Tatsächlich findet man sogar in den größeren Kirchen oft gar keine »richtige« Orgel auf der Empore, sondern nur ambulant aufgeständerte Yamaha-Keyboards mit angeschlossenen Party-Beschallungs-Boxen. Verwunderlich, aber vermutlich auf eine nicht vorhandene heimische Orgelbau-Tradition zurückzuführen. Schade, Resonanzraum und Volumen für die größten Baßpfeifen wäre vorhanden!
Jetzt aber wieder hinaus aus der weihrauchschwangeren Sakralatmosphäre an die frische (Meeres-)Luft, wo der Geruch des Meeres und der Blick in die Ferne zum Absprung in die Tiefe locken:
Na ja, letztlich entsann ich mich dann doch des Umstandes, keine Flügel zu haben. Aber auch mit solchen hätte ich mich fürchten müssen: Hier am südlichsten Zipfel Gozos kam uns nämlich einer jener Ballermänner kurz ins Blickfeld, von deren (Un-)Taten wir ansonsten den ganzen Tag über ständig was zu hören bekamen:
Einerseits katholisch sein und sonntags die Schöpfung lobpreisen, anderseits aber Teile derselben nach Kräften auszurotten, derlei Bigotterie ist nach wie vor bizarrer Alltag auf Gozo und Malta. Und dann laufen die Pistoleros resp. Flintoleros auch noch martialisch getarnt im Gelände herum, als ginge es darum, sich im Guerilla-Kampf einer Invasion übermächtiger Feinde zu erwehren. Man sollte die Piff-Paff-Puffis in einem abgegrenzten Gelände (gerne mit Tribünen drumherum) zusammenpferchen und sich gegenseitig abschießen lassen, daß hätte zumindest noch einen gewissen sportlichen Charakter...
Es braucht vermutlich noch Jahrzehnte, bis der kollektive Inselkoller soweit abgeflaut ist, daß Zugvögel auf der Route zwischen Europa und Afrika nicht mehr bei der Zwischenlandung um ihr Leben fürchten müssen. Womöglich liegt die Schießfreude der Gozitaner und Maltesen ja im militärischen Erbe begründet, dessen steinerne Zeugnisse (ähnlich wie die Kirchen) noch überall herumstehen und weithin zu erspähen sind:
Themenwechsel: Wenn man den ganzen Tag auf den Beinen gewesen und eine zweistellige Anzahl von Kilometern durch die Landschaft getrottet ist, dann freut man sich in den Abendstunden auf einen barrierefreien Spaziergang durch die Dörfer und Städtchen und hofft auf eine zum Naturerlebnis kontrastierende Auswahl an pittoresken Fotomotiven. Meiner einer ist ja nicht schnell genug (weder von der inneren Einstellung noch von mitgeführten Ausrüstung her) zum Einfangen bewegter Objekte oder Lebewesen, auch neigt der zonebattler in seiner wehmütig-elegischen Grunddisposition ohnehin den melancholischen Motiven zu. Da kommt ein kamerabewehrter Tagesausklang im Hauptstädtchen Victoria (alias Rabat) gerade recht:
Eigentlich müßte man bei sowas eine dicke Spiegelreflex auf das schwere Stativ schrauben, die Komposition skrupulös perfektionieren und erst dann genau einmal auf den Auslöser drücken. Meiner einer stellt sich breitbeinig selbst als Stativ vor das Motiv, drückt sich die schwenkdisplaytragende Knipse auf den Gürtel, zieht die Wampe ein und hält die Luft an, bevor er dann ein halbes Dutzend mal abdrückt (und später daheim das am wenigsten verwackelte Foto heraussiebt). Nein, für werbeplakatgroße Abzüge taugt die Vorgehensweise eher nicht, aber ja, ich will im Urlaub möglichst unbeschwert herumkrabbeln und nicht mehr kilogrammweise Fotoapparate mit mir herumschleppen...
So, nachdem wir gerade ein so schönes Rot als Blickfänger benutzt hatten, muß jetzt zur Abwechslung mal was blaues her. Und siehe, nur vier Minuten und wenige Dutzend Schritte später kam mir schon was Schönes vor die Linse:
An diesem – vermutlich gar nicht so alten – Moped läßt sich einmal mehr das pragmatische Verhältnis der Bevölkerung zu Ihren Werkzeugen und Vehikeln illustrieren: Gepflegt wird nix (allenfalls notdürftig repariert, was sonst gar nicht mehr ginge), was abgewirtschaftet ist, wird ersetzt. Die für präventive Instandhaltung nicht investierte Zeit kann anderswie sinnvoll genutzt werden (z.B. zum Schrotschießen).
Aber jetzt will ich nicht länger nölen, ich bin ja schließlich selbst nicht konsequent und lichte einerseits knatternde Stinker ästhetisierend ab, die ich dann andererseits (mitsamt ihren Fahrern) verwünsche, sobald sie bestimmungsgemäßem Gebrauch unterzogen werden. Nochmal acht Minuten und ein paar Meter weiter fand ich zum guten Schluß dieses werbende Paddel eines Reiseveranstalters vor:
Von der mittleren Trendsportart hatte ich bis dato noch nie etwas gehört, wiewohl ich im Zivil- wie im Berufsleben schon manche Gelegenheit zum unauffälligen Abseilen ergriffen habe. Da mußte ich mich tatsächlich in der Wikipedia rückversichern, daß es das »Abseiling« tatsächlich als etablierte Bezeichnung gibt. Ein deutsch-englisches Lehnwort-Konstrukt, welches ich natürlich unverzüglich meinem Wortschatz einverleibt habe. Solch ein schönes Souvenir lobe ich mir: kostet nix, macht nicht dick und fängt keinen Staub.
Aus demselben mache ich mich aber jetzt und vertröste die geneigte Leserschaft auf den nächsten Teil, der etwa im Wochenabstand folgen wird...
Montag, 10. Juni 2013
Die Insel Gozo wollten wir uns primär per pedes erwandern, da traf es sich gut, daß das Frühstücks-Bufett im Grand Hotel zum Davonlaufen war. Also eigentlich nicht die dargebotenen Speisen, sondern vielmehr die immer gleiche Musikberieselung, die aus einem schwer erträglichen Mittelalter-Medley aus den 1970er Jahren bestand: Neben Abba-Evergreens (»Suuupaaaa Truuupaaa«) erodierten besonders die James-Last-Arrangements deutscher (!) Volkslieder unsere Hörnerven. Das britische Publikum indes nahm diese späte Rache des ehemaligen Kriegsgegners erstaunlich gleichmütig, ja nachgerade stoisch hin. Womöglich haben die Engländer die easy-listening-Varianten von »Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus« und anderen germanischen Schenkelklopfern aber auch gar nicht erkannt...
Apropos erodieren: Die Erosion ist bekanntermaßen ein immer wiederkehrendes Motiv auf dem maltesichen Archipel, ich hatte letztes Jahr schon darüber geschrieben und werde auch diesmal mehrfach darauf rekurrieren. Weil den Maltesern und Gozitanern die Häuser von Wind und Wetter sozusagen unter dem Hintern wegpulverisiert werden, herrscht stete Nachfrage nach neuen Sandsteinen, wie sie in zahlreichen Steinbrüchen im Wortsinne aus dem Vollen gesägt [1] werden:
Trotz sorgfältigen Sägens scheint es gleichwohl jede Menge Bruch zu geben, denn die Straßen, Felder und Äcker sind gesäumt von Steinen, die aus irgendwelchen Gründen nicht verbaut worden sind. Mitunter meint man, ein zorniges Riesenbaby habe seine LEGO-Kiste ausgeschüttet und den Inhalt über die Landschaft verstreut...
Die unversehrten Steine türmt man gerne auch himmelwärts zur Ehre Gottes auf, wie das Exempel der Pfarrkirche von Għajnsielem zeigt:
Doch auch mit Gottes Segen wird sein Haus nicht so lange halten wie die bis heute erhaltenen Tempelanlagen aus der Jungsteinzeit, denn der Zahn der Zeit nagt schneller an dem weichen Material, als den jeweiligen Besitzern recht sein kann. Mitunter sieht das Zerstörungswerk der Elemente dabei sogar recht dekorativ aus:
Körbe- bzw. speicherkartenweise könne ich hier Fotos von interessanten Mauern ausbreiten, von neuen und alten und solchen, bei denen die Datierung schwerfällt: Was heute in Remineszenz an den georgianischen Stil erbaut wird und noch gleißend gelb in der Sonne leuchtet, sieht wenige Jahre später oft schon aus wie aus dem 19. Jahrhundert überkommen...
Niemand scheint sich indes an dem eigentlich zu weichen Baumaterial zu stören, es hält ja immerhin auch die Baukonjunktur am Laufen, jedenfalls bis zur Erschöpfung der natürlichen Lagerstätten. Hier noch ein nettes Beispiel für das kreative Spiel mit Sandstein-Bauklötzen:
Doch vorerst genug erzählt von des Menschen Wirken, jetzt schauen wir uns endlich in der Natur um. Von unserem hafennahen Stand- und Wohnort aus machten wir uns zunächst zu Fuß auf und erkundeten die Küstenlinie in der näheren Umgebung. Aber auch da begegnet man natürlich auf Schritt und Tritt der Erosion:
Während sich daheim in Deutschland ein rechtes Frühlingswetter partout nicht einstellen wollte, genossen wir in den ersten Tagen unseres Urlaubs auf den maltesischen Inseln reichlich Sonnenschein, weswegen wir uns an allen exponierten Hautpartien gut mit Sonnenmilch präparierten und die Köpfe mit Tüchern gegen Hitzschlag schützten. Man holt sich sonst leicht einen schweren Sonnenbrand und bemerkt das erstmal gar nicht, denn in Meeresnähe weht ja fast immer ein kühlendes Lüftchen...
Wind und Sonne machen sich die Menschen hier übrigens seit jeher zunutze, um dem Meer sein Salz abzutrotzen: Noch heute finden sich überall ganze Netze an künstlich angelegten Bassins, in die das Meerwasser zur Verdunstung geleitet wurde. Auch wenn heute viele Anlagen aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr betrieben werden, so sind sie immer noch gut erhalten vorhanden und schön anzuschauen. Wir haben ein Kilo feinsten Meersalzes selber händisch schöpfen und später als wohlschmeckendes Souvenir mit nach Hause nehmen können:
Der Trick dabei war, nicht nach dem trockenen, bereits auskristallisierten Salz zu schielen (welches man wohl mühsam bergmännisch mit Hammer und Meißel abbauen müßte), sondern die noch feuchte, gesättigte Sole zu bergen, die sich sehr leicht aufnehmen ließ und die nach dem Abtropfen der noch flüssigen Salzlösung im Handumdrehen zu einer Handvoll reinsten Meersalzes wurde. Natürlich kann man sich sowas auch abgepackt kaufen, aber selbstgefangenes Salinensalz schmeckt nochmal so gut!
So, nachdem wir das Salz für die Suppe eingesammelt und in einer dichten Plastikbox sicher verstaut hatten, wandten wir uns irgendwann landeinwärts und erfreuten uns an der üppigen Vegetation des gozitanischen Frühlings:
So bunt und blütenreich geht es hier freilich wirklich nur im Frühling zu: Im Sommer brennt die Sonne unbarmherzig auf die Inseln hernieder und läßt die steinige Landschaft um einiges karger erscheinen. Wer Malta und Gozo bereisen und sich an der Flora ergötzen will, tut das am besten von April bis Juni, auch wenn die mittelmeerischen Wassertemperaturen dann noch nicht wirklich zum Bade laden...
Aber auch ohne den Drang zum Eintauchen in das noch etwas kühle Naß zog es uns immer wieder dorthin, wo die Wellen an die Gestade schlagen, sich allerlei Getier beobachten läßt (und leider auch mancherlei menschengemachter Müll). Sehr interessant sind überdies die zahlreichen wuchtigen Beobachtungstürme, die schon vor Jahrhunderten – zur Blütezeit des Malteserordens – errichtet worden sind, um etwaige Invasoren rechtzeitig ausmachen zu können:
Der im Bild gezeigte Dwejra Tower in der Nähe des berühmten Azure Window lohnt schon der grandiosen Aussicht halber die Besteigung, vorzugsweise dann, wenn sich gerade keine Schulklasse schnatternder Mädchen durch das Gebäude kichert...
Soviel für heute; Fortsetzung folgt !
[1] Recht eigentlich müßte man diese Abbaustätten eher als Steingesägen denn als Steinbrüche bezeichnen, denn die Quader werden ja eben nicht aus dem gelben Gestein gebrochen, sondern gesägt. Man vergleiche dazu meine überaus stringente Argumentation in Sachen Zug/Schub.
Donnerstag, 30. Mai 2013
Im letzten Teil der Reiseberichterstattung von 2012 hatte ich es schon angedeutet, daß es womöglich auch heuer wieder nach Malta gehen könnte. Und so kam es dann tatsächlich: Zur gleichen Jahreszeit wie im Vorjahr bereisten der zonebattler und seine bessere Hälfte von Ende April bis Anfang Mai für knapp drei Wochen den mediterranen Inselstaat. Um der faktischen Fortsetzung des vorausgegangenen Urlaubs auch virtuell Rechnung zu tragen, setze ich die Serie unter dem gleichen Titel nahtlos fort und werde mir auch diesmal (über einige Wochen gestreckt) insgesamt acht bunt bebilderte Folgen abringen, zur Bewahrung meiner eigenen Erinnerungen und hoffentlich auch zur Erbauung meiner geschätzten Leserschaft...
Also dann los: Nachdem sich ein durchgängiger Wohnort (Sliema) beim ersten Aufenthalt auf Malta angesichts der zeitraubenden Busfahrerei als suboptimal herauskristallisiert hatte, splitteten wir diesmal den Urlaub auf zwei weit auseinanderliegende Standorte auf: Erst verbrachten wir zehn Tage auf der beschaulichen Insel Gozo, nach deren ausgiebigen Erforschung wir dann noch für eine Woche auf die quirlige Hauptinsel, namentlich in die Hauptstadt Valletta übersiedelten. Hier zunächst die traditionsgemäß angefertigte Überblickskarte mit unseren vom stets mitgeführten Vorratsdatenspeicher feinsäuberlich mitprotokollierten Wegen:
Map data: © OpenStreetMap contributors, powered by OpenRouteService
Doch halt, werfen wir noch einen kurzen Blick zurück auf die diesmal recht abenteuerliche Anreise: Während wir in 2012 noch recht kommod von Nürnberg aus direkt mit Air Berlin gen Malta schweben konnten, hat sich die von meinem Ex-Chef-Chef-Chef-Chef Hartmut Mehdorn geführte Airline inzwischen aus NUE weitgehend verabschiedet, so daß wir diesmal von MUC aus mit Air Malta fliegen mußten. Von Nürnberg nach München zu kommen bedeutet normalerweise, eine recht unspektakuläre gute Stunde im ICE zu sitzen. Diesmal freilich standen wir dichtgedrängt im Zuge, denn aufgrund einer Kupplungsstörung in Köln verkehrte unsere blecherne Weißwurst an unserem Anreisetag nicht als Doppelzug, sondern als singuläre Garnitur. Immerhin, die Stimmung in der proppenvollen Sardinenbüchse war deswegen nicht etwa gedämpft, sondern eher recht entspannt bis unverdrossen fröhlich. Waren offenbar überwiegend Profireisende unterwegs... [1]
Von München Hbf aus ging es dann mit der S‑Bahn zum Flughafen, von dort in gerade einmal zweieinhalb Stunden über die Alpen, über Italien, über Sizilien und eine abschließende Handbreit Mittelmeer nach Malta. Dort erwartete uns ein Transfer-Bus, der uns über Land an den Städten vorbei (als einzige!) bis zum Fährhafen von Ċirkewwa brachte. Da ging dann der Urlaub für mich so richtig los... [2]
Eine halbe Stunde dauert die Überfahrt vom Nordwestzipfel Maltas am kleinen Comino vorbei nach Gozo. Nur wenige hundert Meter oberhalb des Hafens von Mġarr bezogen wir Quartier im dortigen Grand Hotel, von dem aus man das Kommen und Gehen der Fähren wunderbar beobachten kann:
Bei dem im Bild deutlich sichtbaren Wachturm handelt es sich übrigens um den St Mary’s Tower auf Comino; rechts hinten im Bild ist dann schon die Hauptinsel des maltesischen Archipels zu sehen.
Mit ihrem kompakten Arrangement von Fährschiffen, Fischerbooten, Kirchen, einer alten Festung und allerlei pittoresken Küstenabschnitten wirkt die Bucht von Mġarr ein wenig wie ein auf Lebensgröße hochskalierter Abschnitt einer fröhlich bunten (wenn auch schienenlosen) Modellbahnlandschaft:
Unser preiswertes Zimmer mit Landblick erwies sich als unerwartet riesig und luxuriös, wenngleich sich ein paar Unterteilungen im Schrank und/oder eine schubladisierte Kommode als sehr hilfreich erwiesen hätten. Dafür gab es freies WLAN im ganzen Haus und damit drahtlosen Kontakt zu den Weiten der virtuellen Welt wie auch zur heimischen Sphäre, ein Umstand, den wir im Gegensatz zu manch anderen durchaus zu schätzen wissen.
Dem heimatlich dauerhaft trüben Wetter glücklich entflohen, mußten sich die Augen und der Blick erst einmal an die knalligen Farben und den wolkenlos blauen Himmel gewöhnen:
Dank der (noch) nicht vorhandenen Verbindung der Inseln via Brücke oder Tunnel hat sich das landwirtschaftlich geprägte Gozo bis heute einen eher ruhigen und beschaulichen Charakter bewahren können. Weil typische Urlauber-Attraktionen eher auf der Hauptinsel zu finden sind, kommen mit den ersten Fähren überwiegend Tages-Touristen nach Gozo geschippert, die am späten Nachmittag dann auch wieder weggeschafft werden. Abends kehrt auf der kleinen Insel sehr schnell Ruhe ein, die allenfalls durch das Knattern eigenartiger motorisierter Gefährte unterbrochen wird...
Schon in den frühen Morgenstunden findet die Nachtruhe indes ein jähes Ende, zumal im Frühling, wenn Jagdsaison ist und die gozitanischen Männer aus Mangel an sinnstiftenden Zerstreuungen auf alles ballern, was Flügel hat und flattert. Ich hatte auf diesen barbarischen Blödsinn weiland schon im ersten Teil hingewiesen, diesmal erlebten wir das stete Piff-Paff-Puff leider noch krasser. Überall im Gelände findet man provisorische Unterstände für Schrotflintenträger und drumherum aufgestellte »Präsentierteller« aus Steinplatten, auf denen sich arglose Piepmätze zu ihrer dann mutmaßlich letzten Rast niederlassen sollen. Man kann nur hoffen, daß diese Art von »Brauchtum« irgendwann vermittels einer zunehmend restriktiveren EU-Gesetzgebung weitgehend ausradiert werden wird...
Ungewohnt sind übrigens auch andere Gebräuche der ansonsten durchaus friedlichen und freundlichen Insulaner; insbesondere erfreuen die allerort präsenten Beispiele kreativer Leitungsführung das Herz des Fotografen:
Spätestens hier läuft der Chronist nun Gefahr, sich zu wiederholen, hat er doch in den ersten acht Teilen dieser Serie schon viel erzählt und gezeigt, was er auch in seinem diesjährigen Urlaub gesehen und fotografisch konserviert hat. Macht aber nix, Beispiele für umstandslose Selbsthilfe und unprätentiöses Improvisationstalent kann man schließlich immer zeigen, ohne sein Publikum zu langweilen:
Lassen wir den ersten Tag auf Gozo ausklingen mit einem stimmungsvollen Sonnenuntergang, den ich gerade noch rechtzeitig mit ambulant aufgestützter Kamera einfangen konnte:
Im folgenden Teil werde ich dann von unseren ausgedehnten Wanderungen berichten, die uns vor allem entlang der einsamen Küstenlinie Gozos zahlreiche wunderschöne Ausblicke – und auch manchen Weltschmerz – beschert haben.
[1] Harald Schmidt hat sich zu diesem Thema mal dezidiert geäußert, siehe hier.
[2] Beim Übersetzen nach Gozo gelang mir gleich der erste schöne Schnappschuß...
Sonntag, 8. Juli 2012
In der achten und – vorerst – letzten Folge meiner Malta-Impressionen komme ich zunächst noch einmal auf das menschliche Streben nach Schutz und Abgrenzung zu sprechen und widme dem Bau von Mauern ein paar Sätze und Bilder. Gerade an den alten Festungsanlagen sind Erosionserscheinungen evident, und wenn nicht an den kritischsten Stellen immer wieder Ausbesserungsarbeiten stattfinden würden, wäre die Natur mit ihrem gnadenlosen Rückeroberungswerk viel schneller fertig, als die alten Baumeister sich das gedacht haben mögen.
Der drohende Verfall hat freilich auch seine ästhetische Seite. Hier eine Detailaufnahme einer riesigen alten Festungsmauer aus dem örtlichen Kalksandstein, an der Wind und Wetter schon fleißig geschliffen und geschmirgelt haben:
Frisch zugehauen, wird man den Quadern aus Sedimentgestein ihre innere Schichtung nicht unbedingt angesehen haben. Das permanente Beblasen mit salzhaltiger Luft läßt die innere Struktur plastisch hervortreten, und auch die vom Wind mitgeführten Sandkörner tragen das ihre dazu bei, die weicheren Schichten der Blöcke im Wortsinne zu pulverisieren (während härtere Sektionen länger Widerstand leisten). Und so schaut irgendwann aus wie ein Schwamm, was einstmals ein massives Gefüge war.
Man erlebt hier also im kleinen Maßstab, was an Orten wie dem Monument Valley und anderswo im Südwesten der USA seit ‑zig Jahrtausenden im Großen stattfindet. Pragmatisch wie die Malteken nun mal sind, akzeptieren sie den natürlichen Lauf der Dinge und machen sich daher heutzutage nicht mehr mehr Mühe beim Mauerbau als unbedingt nötig:
»Des dud’s«, wie der Franke sagen würde. Man beachte übrigens die glatten Kanten der gelben Quader mitsamt den halbkreisförmigen Sägespuren: von Hand gebrochen und mühsam auf Maß gehauen werden die Steine natürlich schon längere Zeit nicht mehr...
Maltesische Gewitztheit und Bauernschläue treiben manchmal auch kuriose Blüten. Hier sieht man eine sehr kreative Kombination aus Grenzbefestigung und umstandsloser Müllentsorgung:
Da hat jemand ganz offenkundig die Bezeichnung »Einbauherd« zu wörtlich genommen, wie mir scheinen will. Na ja, wenigstens besteht so ein altes Küchengerät im wesentlichen aus Stahl und Eisen und damit aus wenn nicht kompostierbaren, so doch leidlich unschädlich verrottenden Materialien.
Man findet aber leider auch allerlei anderes in der Landschaft herumliegen, was da definitiv nicht hingehört: PET-Flaschen sonder Zahl (Pfand wird darauf derzeit noch nicht erhoben), aber auch alte Kunststoff-Kanister und Blechfässer, deren früherer Inhalt nicht unbedingt für eine wilde Entsorgung in der Natur sprach:
Da fehlen einem mitunter die Worte. Leider mangelt den Bewohnern kleinerer Inseln ja oft am Gefühl für das Frevlerische ihres Tuns, denn was sie an Dreck in die Luft pusten, ins Erdreich verbuddeln oder ins Wasser kippen, beeinträchtigt sie und ihr eigenes Wohlbefinden meist nicht direkt und unmittelbar. Wind und Wasser verdünnen das schädliche Zeugs und tragen es fort, aus den Augen, aus der Nase, aus dem Sinn. Da ist es sicherlich nicht eben einfach, dem Nachwuchs in der Schule was von Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder Ressourcenschonung zu erzählen. Der Papst müßte seine Schäfchen (nicht nur die maltesischen) nachdrücklich zum Erhalt der Schöpfung auffordern, damit diese sich die Erde nicht immer nur ohne Rücksicht auf Verluste untertan machen...
Aber ganz hoffnungslos scheint der Fall dann doch nicht zu sein: Auf unseren Streifzügen kreuz und quer durch Malta begegneten uns hier und da Recycling-Container zum artreinen Sammeln alten Plastiks, Glases, Metalls und Papiers, von denen unsere etwa zehn Jahre alten Reiseführer noch gar nichts wußten. Der in jüngster Zeit zaghaft begonnene Versuch von Mülltrennung und Wiederverwertung wird den Aberwitz des Verbrennens jeglichen Misch-Abfalls hoffentlich irgendwann beenden.
Mit ein paar versöhnlicheren Fotos wie dem vom diesem kleinen Landungssteg im Abendlicht kratzen wir nun die Kurve und streben dem Ende des gut zwei- bzw. knapp dreiwöchigen Aktiv-Urlaubs entgegen, der – das sei hier nebenher erwähnt – mit knapp 500 EUR pro Nase für Hin- und Rückflug, Transfer und Hotelzimmer mit Frühstück sogar zu den außerordentlich preiswerten zu zählen war.
Beschwören wir ein letztes Mal die Grandezza vergangener Epochen herauf mit dem Abbild einer prächtigen Villa in Attard, in deren Nachbarschaft sich der Regierungspalast und diverse ausländische Botschaften befinden:
Passend zum Prunk der Architektur erscheint der üppige Wuchs der Pflanzen drumherum, das palmenartige Gewächs in der Mitte scheint ja geradewegs zu explodieren, wie ein florales Feuerwerk, sozusagen.
Das diese Assoziation nicht von ungefähr kommt, sei mit dem letzten Bild belegt, mit welchem ich nun mit einem großen Knall diesen Artikel und damit die ganze Serie beschließen will. Ende April/Anfang Mai ließen es die Organisatoren des »Malta International Fireworks Festival« nach allen Regeln der Kunst blitzen und krachen:
Drei Abende hintereinander gab es da im Grand Harbour von Valletta Spektakuläres zu sehen und zu hören: Pyrotechnik-Hersteller aus aller Welt überboten sich mit ihren Darbietungen, und sogar der alte Zündler zonebattler, der in den fünf Dekaden seines irdischen Daseins schon manche Lunte selbst gelegt und angesteckt hat, hatte Vergleichbares bislang noch nicht gesehen...
Mit diesem Feuerregen bedanke ich mich bei meiner geschätzten Leserschaft für das Interesse und klappe mein Urlaubsalbum zu, nicht ohne die Absicht zu bekräftigen, der kleineren und etwas weniger turbulenten Insel Gozo dermaleinst eine eigene Expedition zu widmen. Vielleicht schon im nächsten Jahr, wer weiß?
Sonntag, 1. Juli 2012
Schauen wir uns noch ein wenig in Maltas Städten um, die für unsere an fränkische Gegebenheiten gewöhnten Augen immer wieder Überraschendes bereithalten. Die extrem hohe Bevölkerungsdichte ist natürlich vor allem an der Architektur ablesbar. Aus der Entfernung erinnern die meisten menschlichen Ansiedlungen an Ameisenhaufen:
Hier hat selbstredend die perspektivverdichtende Wirkung der Tele-Brennweite nachgeholfen, zwischen den im Bild gezeigten Häuserreihen gibt es natürlich noch Straßen und Wege. Gleichwohl ist es schon erstaunlich, wie dicht gepackt die Menschen hier leben. Wenn Sie denn tatsächlich noch in der Stadt leben, der hohe Prozentsatz an (gesehenem wie gefühltem) Leerstand läßt da mitunter Zweifel aufkommen.
Die die Küstenlinie und Strände säumenden Hotelbauten fügen sich zwar farblich in das bauliche Umfeld bestens ein (die graugelbe Farbe des heimischen Kalksandsteins dominiert allerorten die bauliche Szenerie), dennoch kommt man mitunter in Versuchung, die überhohen Touristenburgen einfach wegzuknallen. Werkzeuge dafür wären durchaus vorhanden:
Indes, es hülfe nichts: Aus den Trümmern würde das alte Malta nicht wieder auferstehen, man muß den Flächenfraß und das Wuchern in die Höhe wohl hinnehmen, im Grunde ist es anderswo (und fast überall) genau das Gleiche...
Aber es gibt ja immer noch genug Altes zu sehen, was Herz und Auge erfreut. Zum Beispiel die typischen Erker (für die man das Holz weiland tatsächlich aus dem fernen England heranschaffen mußte):
Auch da hat aber mittlerweile schon manch zweifelhafter »Fortschritt« Einzug gehalten: Der Erker links vom hochkant gestellten Werbeschild des Schneiders beispielsweise hat schon Fenster aus bronzefarben eloxiertem Aluminium, oben ist noch dazu Riffelglas oder ‑plastik drin. Das mag pflegeleichter und billiger sein als die hölzernen Fensterrahmen von früher, schöner ist es keinesfalls. Auch untenrum ist besagter Erker glatt und schmucklos, solche aurabefreiten Teile wird man vermutlich zukünftig leider immer häufiger vorfinden...
Ich hatte schon erwähnt, daß man abseits der touristischen Trampelpfade selbst in den Städten ziemlich schnell in Gefilde findet, in denen man mit sich und den alten Gemäuern allein ist. Während in den Hauptstraßen emsige Betriebsamkeit herrscht, trifft man zwei, drei Fußminuten entfernt mitunter noch nicht einmal Einheimische in den ruhigen Gassen. Da muß ein Fotograf praktischerweise nicht lange warten, um menschenleere Ansichten komponieren zu können:
Möchte natürlich sein, daß die Malteken während der Mittagsstunden ein Nickerchen halten und ihre Häuser nur verlassen, wenn es sich nicht vermeiden läßt. Als Reisender ist man dagegen eben auch dann unterwegs, wenn die Sonne (und das Thermometer) am höchsten stehen...
Hin und wieder kommt es aber selbst in den entlegensten Winkeln vor, daß man ein paar neugierige Augen auf sich ruhen fühlt:
Obzwar sie jegliche Vögel unter Einsatz von Feuerwaffen vom Himmel holen, scheinen die Insulaner ihre Katzen zu lieben: An zahlreichen Orten fanden wir »Cat Cafés« vor, ambulante Fütterungsstationen für schnurrende Vierbeiner, derer auch viele dort herumlungern. Kein Wunder, kostenloses Essen wird immer gern genommen. Womöglich sehen sich die Leute in einer gewissensbedingten Bringschuld, denn immerhin lassen sie ihren Vierbeinern ja kaum noch fliegende Beute zum Selberjagen übrig!
Von den vierbeinigen Miezen ist der Bogen zu den zweibeinigen solchen elegant zu schlagen: Da an den Strandpromenaden rund um die Uhr flaniert und in den nahen Bars und Clubs gefeiert wird, müssen sich die begehrenswerten Frauen (und solche, die es werden wollen), schon ein Stückchen größer machen, um aus dem Heer ihrer Geschlechtsgenossinen im Wortsinne herauszuragen. Die dazu erforderlichen Vorrichtungen gibt es allerorten in reicher Auswahl und in allen Preislagen zu kaufen:
Ja, da kann man(n) nur staunen. Und das tat der Berichterstatter denn auch oft und ausgiebig, ohne das hier im Detail erläutern zu wollen. Jedenfalls bleibt festzuhalten, daß die Absatzhöhen auf Malta europäische Höchststände erreichen. Frauen zwischen 15 und 55 mit Trekking-Sandalen an den Füßen sind ohne jede Notwendigkeit zur weiteren Beweiserhebung sofort als deutsche Touristinnen zu identifizieren. Wobei sich nicht wenige von denen in den insularen Schuhgeschäften mit hohen Hacken einzudecken scheinen...
Wenden wir zum Schluß der heutigen Folge den Blick wieder vom Boden ab und hoch hinaus, um uns an einem grafischen Spiel von Licht und Schatten zu erfreuen. Auch sowas kann ja elektrisierend wirken:
Absatzgeklacker hin, Kamerageklicke her: Die Vielfalt der Sinneseindrücke auf Malta ist enorm, weswegen ich eine Expedition dorthin meinen Leserinnen und Lesern nur wärmstens empfehlen kann. In einer weiteren und letzten Folge lasse ich es zum Abschluß meiner Reise-Reprise demnächst noch einmal richtig krachen!
Sonntag, 17. Juni 2012
Im Mittelpunkt der heutigen Folge der zonebattlerschen Reiseberichterstattung steht der Mensch als solcher, und zwar sowohl in seiner Ausprägung als stationär waltender Einheimischer wie auch in seiner phänotypischen Erscheinung als Fremder und Tourist. Allen Zweibeinern gemein ist ein latenter Hang zur trotzigen Unvernunft im Verhalten, welcher wiederum bei Reisenden – vermutlich wegen der fehlenden Sozialkontrolle des heimischen Habitats sowie der Nicht-Alltäglichkeit der temporären Lebensführung – deutlich stärker ausgeprägt ist.
Als illustrierendes Beispiel möge die exzessive Sonnenlicht-Exposition der eigenen Schwarte dienen, die ja nachgewiesenermaßen nicht nur zur Bewunderung durch Artgenossen, sondern auch zum (durchaus weniger angenehmen) Hautkrebs führen kann. Da die möglichen gesundheitlichen Nachteile des Sonnenbadens seit langem bekannt sind, bemühen sich die Menschen in ihrem heimischen Umfeld gemeinhin um »schonendes« Grillen:
Touristen hingegen lassen nicht selten alle Ratio in der Heimat zurück. Namentlich die britischen Pauschal-Reisenden neigen dazu, am ersten Tag ihres Urlaubsaufenthalts käseweiß bis kreidebleich zum Frühstücksbufett zu erscheinen, am zweiten Morgen jedoch bereits in leuchtendem Feuerrot nach Art frisch gekochter Hummer. Möglicherweise sind sie der Auffassung, daß Verbrennungen zweiten Grades ein geringer Preis für die verlockend erscheinende Aussicht sind, in ihren zwei Wochen auf der kleinen Insel mehr Sonne »tanken« zu können als den Rest des Jahres über daheim auf dem großen Eiland mit seiner sprichwörtlich nebulösen Witterung...
Schwieriger noch als das Einhalten einer tolarablen Bestrahlungsdosis ist das Finden einer kommunikativen Basis mit dem mitreisenden Partner. Nicht wenige Paare sehen sich im lang ersehnten Urlaub mit der unverhofft auftretenden Situation konfrontiert, mehr als die werktäglich üblichen paar Minuten miteinander reden zu können (oder gar zu müssen). Kein Wunder, das einem da mitunter die Worte fehlen:
Na, immerhin ist das Handtuch zwischen den beiden hier im Bild noch nicht zerrissen. Feiner heraus sind da jene, die Malta ohnehin nur ansteuern, um non-stop Party zu feiern. Wer solches tut, braucht sich im donnernden Gestampfe mehr oder weniger musikalischer Rhythmen ohnehin nicht verbal zu äußern, es verstünde ihn eh keiner. Die zur hellen Tageszeit davon sichtbaren Spuren im für derlei Exzesse zuständigen Ort St. Julian’s haben dem Berichterstatter schon von ferne gezeigt, daß das seine Welt nicht ist, weshalb er sich dazu auch nicht weiter auslassen kann und mag.
Doch scheren wir uns nicht weiter um die zwischenmenschlichen Risiken und Nebenwirkungen eines mit hohem Erwartungsdruck angetretenen Erholungsurlaubs (!), wenden wir uns vielmehr wieder der Betrachtung der maltesischen Bevölkerung zu. Hier betrachtet ihrerseits eine männliche Auswahl derselben die polizeiamtlichen Konsequenzen eines kleineren Verkehrsunfalls mit minderen Blechschäden:
Tja, den gemeinen Malteken bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Ist ja auch kein Wunder bei der bewegten Geschichte: Wer so viele Besatzer, Eroberer, Regenten und Verwalter hat kommen (und wieder gehen) sehen, der regt sich über Bagatellen nicht mehr auf, sondern freut sich allenfalls über die kleine Abwechslung im ansonsten unspektakulären Tageslauf.
Möglicherweise wirkt auch das Fischen und Angeln – ein auf Inseln aus naheliegenden Gründen weitverbreiteter Zeitvertreib – beruhigend auf das Gemüt. Jedenfalls geben die rutenschwingenden Männer rund um die Hafenpromenaden nicht nur pittoreske Genre-Motive, sondern auch ein Bild der Ruhe ab:
Wobei das mit der Ruhe so eine Sache ist: Wie wir ja schon gehört haben, hantieren die männlichen Malteken nicht nur mit der Angelrute herum, sondern auch gerne mit dem Schießgewehr, was der meditativen Kontemplation der Schützen womöglich den Höhepunkt beschert, dem arglosen Wanderer indes einen jähen Schrecken.
Aller katholischen Frömmigkeit zum Trotz hat der Jagdtrieb der Malteken, der absolut nix mit traditionsbewußter Wehrhaftigkeit zu tun hat (die Singvögel greifen die Insel ja nicht an und feindliche Jagdbomber wiederum wären mit Bleischrot schwerlich zu beeindrucken), seinen Niederschlag in der kollektiven Ikonographie gefunden. Hier sieht man eindeutig, woher der Wind weht:
Eine Faszination für das Schießen, insbesondere mit weit größeren Kalibern, ist auch den britischen Besuchern zu eigen (den männlichen, versteht sich). Gerne besuchen sie daher in Mannschaftsstärke die Relikte der kriegerischen Auseinandersetzungen in, auf und um Malta. Der Chronist hat einem fantasiebegabten Hobby-Historiker die fixe Idee ausreden müssen, wonach es sich bei diversen aufgegeben Badebecken am Felsenstrand um Geschützstellungen (»gun emplacements«) aus dem zweiten Weltkrieg gehandelt habe. Die Exzentrizität der Engländer mag auch beim Militär die eine oder andere Entsprechung gefunden haben, aber auch die Kanoniere Ihrer Majestät schossen und schießen gerne mit trockenen Füßen und unbehelligt von Ebbe und Flut!
Ein immerhin nett anzuschauendes Relikt des militärischen Erbes aus der Kolonialzeit ist die Wache vor dem Großmeisterpalast in Valletta. Schneidige Kerls in feschen Uniformen knallen mit ihren eisenbeschlagenen Tretern auf den Boden, fuchteln ritualisiert mit ihren seitengewehrbestückten Karabinern herum und werden anschließend in ihren winzigen Schilderhäuschen von den Touristen – zonebattler inklusive – als Kuriosität abgelichtet:
Meiner einer hat mit Männlichkeitsritualen und Imponiergehabe wenig am Hut, aber ich bin ja auch nur ein oller zonebattler und kein ganzer Kerl.
Doch auch die Kerle waren mal Kinder, und denen wollen wir uns heute abschließend zuwenden. Auf den ersten Blick schauen die Jungs und Mädels auf Malta genauso aus wie der frühreife Nachwuchs allerorten, man trifft sich draußen, findet sich und seine Freunde cool und die anderen doof (und vice versa).
Ein bemerkenswerter Unterschied zur heimischen Jugend ist uns allerdings aufgefallen: Die Erziehung zum sozialen Wesen scheint auf Malta noch bestens zu funktionieren! Junge Leute stehen, ja springen unaufgefordert in den rappelvollen Bussen auf, wenn ältere Menschen zusteigen und einen Sitzplatz gebrauchen könnten. Steht man als Auswärtiger ratlos mit Landkarte oder Stadtplan in der Hand am Wegesrand herum, kriegt man von alt und jung sogleich Orientierungshilfe angeboten. Ob das nun mit der starken Verwurzelung im Christentum römischer Prägung zu tun hat, sei dahingestellt. In jedem Fall sind Höflichkeit und gegenseitige Rücksichtnahme essentielle soziale Schmierstoffe in dichtbevölkerten Lebensräumen, und daß derlei Selbstverständlichkeiten andernorts keine mehr sind, ist mehr als nur schade.
Ins nähere Gespräch sind wir mit Jugendlichen nicht gekommen, was hätten wir ihnen auch erzählen können? Es war aber offensichtlich, daß es ihnen trotz der peripheren Insellage an nichts fehlt, was ihre Altersgenossen auf dem Festland für selbstverständlich halten. Auch das Internet wird seinen Teil dazu beitragen, daß Isolationsgefühle gar nicht erst aufkommen. Zu kaufen gibt es heutzutage sowieso alles überall. Übrigens muß mancherlei Spielzeug, welches im Fürther Umland erdacht worden ist, noch nicht einmal importiert werden: Sämtliche Playmobil-Figuren etwa erblicken schon lange nicht mehr in Zirndorf das Licht der Welt, sondern mitten in Malta! Das gilt auch für die in der Fürther Fußgängerzone verkauften Exemplare, wie deren Schachtelaufdrucke beweisen...
Das Zeitfenster für die spielerische Beschäftigung mit Plastik-Männchen scheint indes immer kürzer zu werden: Kaum muß man nicht mehr befürchten, daß das Kleinkind die Dinger verschluckt, da ist es auch schon fast in der Pubertät angelangt und beginnt sich für richtige Männchen (oder Weibchen) zu interessieren. Das ist auf Malta nicht anders als in Deutschland und den anderen westlichen Ländern.
Wir sind nun auch angelangt, und zwar am Ende der heutigen Folge. Demnächst gibt es eine weitere mit neuen fotografischen Impressionen aus dem kleinen Inselstaat zwischen Europa und Afrika.
Sonntag, 10. Juni 2012
Ansichtskartenwürdige Aufnahmen an der Kitschgrenze entlang habe ich in der vorhergehenden Folge für diesmal versprochen, und so habe ich mich hingesetzt und eine Auswahl Fotos herausgesucht, in denen das Blau am blauesten ist! Früher hatte man für sowas einen für seine satten Farben bekannten Fuji Velvia Dialfilm mit 50 ASA in der Kamera, im digitalen Hier und Jetzt greift meiner einer gern auf die I2E-Optimierung von FixFoto zurück, um die draußen im prallen Leben vorhandene Farbintensität noch ein wenig zu betonen. Fangen wir mal an mit einem Blick über die Klippen auf das mare nostrum hinaus:
Ja, da kann man schon den Blues kriegen. Nicht minder satt ist übrigens das Grün der üppigen Vegetation, was den Frühling ganz klar zur besten Besuchszeit macht: Im Sommer ist es auf Malta viel zu heiß, um sich auf ausgedehnte Wanderungen zu begeben; im Herbst werden die Temperaturen zwar wieder erträgllicher, aber dann ist von der frischen Flora des Frühlings nichts mehr zu sehen und die Landschaft ist so trocken und so gelbgrau wie die steinernen Städte.
Und weil wir damit schon wieder den Bogen zurück in die Stadt geschlagen haben, schauen wir uns bei bestem Wanderwetter einen Ausschnitt aus den rund um Valletta allgegenwärtigen Festungsanlagen an:
Kurioserweise haben uns die Festungen und Bastionen immer wieder an die gleichfalls von italienischen Baumeistern errichtete Stadtmauer von Forchheim (Oberfr) erinnert, im deutlich größeren Maßstab, versteht sich. Aber das Prinzip der Verteidigungswälle mit sternförmig gezackten Vorsprüngen, Rücksprüngen, Wachtürmchen etc. ist hier wie da das gleiche. Der immense Aufwand, der hier in früheren Epochen betrieben wurde, legt ein beredtes Zeugnis ab von der strategischen Wichtigkeit Maltas über Jahrhunderte hinweg.
Doch verlassen wir die trutzigen Relikte kriegerischer Zeiten und wenden wir uns wieder der friedlichen Gegenwart zu. Im immer noch recht idyllischen Fischerort Marsaxlokk (das »x« wird zischend wie »sch« ausgesprochen) sind die bunten Boote der Fischer am frühen Nachmittag schon längst wieder eingelaufen und im Hafen vertäut:
Der dem Verzehr von Meeresfrüchten gemeinhin nicht zugeneigte Chronist hat sich den lokalen Gegebenheiten angepaßt und direkt an der Mole in einem der zahlreichen Restaurants einen Fischteller verspeist (ohne den Teller natürlich) und fand die drei verschiedenen Filets tatsächlich gar nicht mal so übel. Den Verzehr tentakelbehafteter Kopffüßler indes lehnt er weiterhin stringent ab, dafür mag er die intelligenten und verspielten Kraken und Tintenfische viel zu sehr leiden. Freunde ißt man nicht.
Zwei Tage später kamen wir erneut nach Marsaxlokk, welches diesmal den Endpunkt einer in Marsaskala beginnenden Wanderung darstellte. Unterwegs kamen wir an grandiosen Klippen vorbei, die den bekannten Kreidefelsen auf Rügen nicht ganz unähnlich sehen:
Kleiner Einschub: Im Vergleich zu unserem letzten Insel-Urlaub auf La Palma waren die Wanderungen auf Malta insgesamt weniger schlauchend (schon aufgrund der deutlich geringeren Höhenunterschiede und der Abwesenheit von unter dem Fuß wegrutschender Vulkanasche), weniger zivilisationsfern und damit unter dem Strich abwechslungsreicher. So verwundert es wenig, daß ich aus 2,5 Wochen auf Malta doppelt soviele Fotos heimgebracht habe als von drei Wochen auf La Palma...
In Marsaxlokk angekommen, zeigte sich der Himmel diesmal nicht mehr so diesig wie am Vorvortage, als das weiter oben gezeigte Foto vom Bootsgewimmel im Hafenbecken entstanden war. Diesmal war das satte Blau des Himmels kaum noch zu steigern, und so ergab sich endlich die Gelegenheit, das typische Reiseführermotiv schlechthin einzufangen und festzuhalten:
Ja, so ein poppiges Luzzu macht schon was her, erst recht, wenn sein beschützendes Horusauge so sorgfältig bemalt ist wie an dem gezeigten Exemplar! Einmal mehr war der zonebattler froh, sich für Perspektiven wie diese dank des Schwenkdisplays seiner Kamera nicht zu abenteuerlichen akrobatischen Verrenkungen herablassen zu müssen...
Kaum weniger pittoresk als die bunten Boote sind die elektrischen Installationen auf Malta, deren oberirdische Leitungsführung eher pragmatischen Erwägungen zu folgen scheint als den deutschen Sicherheitsvorschriften und den anerkannten Regeln der Technik: Wo einmal ein Kabel gespannt worden ist, kommt hier noch eins dazu und da noch eins dran, und ob das alles so witterungsfest und auf Dauer ungefährlich ist wie es sein sollte und müßte, ist doch mehr als fraglich. Egal, des Fotografen Auge erfreut das Spiel von Licht und Schatten jedenfalls:
Bei solchen und ähnlichen Anblicken (die Abwasserrohrführungen an den Außenwänden muten mitunter ähnlich abenteuerlich an) frage ich mich zuweilen, ob die Südländer nun zu lax oder wir Nordländer nur zu penibel sind in der Beurteilung und Handhabung infrastruktureller Angelegenheiten. Viel mehr Unfälle als bei uns scheint es andernorts ja auch nicht zu geben, was durchaus gegen eine übermäßige Reglementierung spräche. Andererseits muß das aushäusig angebrachte Material in unseren Breiten gemeinhin mehr aushalten, schließlich sind die Temperaturschwankungen übers Jahr gesehen größer. Wie dem auch sei, von Stromunfällen oder plötzlichen Wassereinbrüchen sind wir während unseres Urlaubs verschont geblieben...
So, nachdem ich heute den blauen Farbtopf aufgemacht habe, darf ein Schönwetterblick auf den Hafen von Valletta von der Festung gegenüber natürlich nicht fehlen:
Erstaunlich übrigens, das man selbst an vielgeknipsten und sehr beliebten Touristen-Highlights wie diesem Wachtürmchen selten ein Problem damit hat, »menschenleere« Ansichten abzulichten: Die Menge verläuft sich (wohl auch in des Wortes mehrfacher Bedeutung) in den Straßen und Gassen, man findet wenige Schritte abseits der Zentren schnell in ruhige und beschauliche Ecken...
Ein abschließender Sprung quer über die Insel in den Nordwesten führt uns zu einem prächtig restaurierten alten Palast, den ich hier gleichfalls vor des Himmels tiefster Bläue präsentieren möchte:
Dank geschickter Standortwahl des Fotografen verdeckt der alte Klotz in der Nähe der Stadt Mellieħa das weit weniger schöne Luxushotel dahinter, mit dessen Luxus es ausweislich diverser Bewertungsporale aber auch nicht mehr weit her sein soll. Nicht immer halten die Zustände im Inneren, was die Fassaden versprechen, aber das ist ja nicht nur auf Malta so.
Auch des zonebattler’s Einlassungen entsprechen nicht immer den selbstauferlegten Standards, das krampfhafte Entlanghangeln an der Farbe von Himmel und Wasser war vermutlich nicht der Weisheit letzter Schluß für einen einigermaßen leserlichen Reisebericht, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, daß die meisten meiner geschätzten LeserInnen ohnehin lieber bunte Bildchen anschauen als ellenlange Texte am Bildschirm studieren. Dennoch will ich natürlich auch die wirklich Wißbegierigen nicht verprellen und verspreche hiermit leichthin, mich in der nächsten Folge wieder etwas zusammenzureißen und gehaltvollere Sentenzen abzusondern.
Süßer und scharfer Senf: