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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


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Me­men­to mo­ri

In ei­nem ab­bruch­rei­fen Haus, des­sen Be­tre­ten mitt­ler­wei­le längst nicht mehr ganz un­ge­fähr­lich ist, ha­ben wir neu­lich in ei­ner Un­men­ge Schutt und Müll ein klei­nes Dop­pel­por­trait ge­fun­den. Das Glas des höl­zer­nen Auf­stell-Rah­mens war zer­split­tert, auf der des­halb un­ge­schütz­ten obe­re Hälf­te der al­ten Fo­to­gra­fie wa­ren Feuch­tig­keit und Schim­mel­be­fall schon flei­ßig da­bei, das An­ge­den­ken an die bei­den Dar­ge­stell­ten für im­mer aus­zu­lö­schen. Da mich das in Se­pia­tö­nen ge­hal­te­ne Bild ir­gend­wie be­rührt hat und es über­dies of­fen­kun­dig ist, daß die Por­trai­tier­ten schon längst nicht mehr un­ter den Le­ben­den wei­len (kön­nen), kann ich das Fo­to hier wohl be­den­ken­los vor­zei­gen und da­mit letzt­lich doch dem Ver­ges­sen ent­rei­ßen:

ein vergilbtes Doppelportrait

Wen oder was se­hen wir da? Ver­mut­lich ei­ne Mut­ter und ih­ren Sohn, letz­te­rer durch Mi­li­tär­man­tel, Gür­tel und Uni­form­müt­ze mit Reichs­ad­ler als An­ge­hö­ri­ger der Deut­schen Wehr­macht aus­ge­wie­sen. Wo­mit das Fo­to grob auf den Zeit­raum von 1933 bis 1945 zu da­tie­ren wä­re. Das Lä­cheln das jun­gen Man­nes mu­tet zag­haft an, das sei­ner Mut­ter (oder soll­te es gar sei­ne Groß­mutter sein?) eher in sich ge­kehrt und un­si­cher. Ist das letzt­lich nur die Fol­ge der un­ge­wohn­ten Si­tua­ti­on, des stei­fen Still­hal­ten­müs­sens vor der neu­gie­ri­gen Ka­me­ra? Oder scheint schon die ‑be­rech­tig­te- Sor­ge durch, ob der Sohn (En­kel?) der­ma­l­einst le­ben­dig und in ei­nem Stück aus der Feu­er­es­se des Krie­ges zu­rück­keh­ren wird? Wir wis­sen es nicht, wir kön­nen es nur an­neh­men. Spe­ku­la­ti­on ist es fer­ner, die Sze­ne im Ate­lier ei­nes Be­rufs­fo­to­gra­fen ver­or­ten zu wol­len, doch deu­ten der ar­ran­gier­te Vor­hang rechts und na­tür­lich die zeit­ge­nös­si­schen Usu­an­cen dar­auf hin. Den­noch ver­brei­tet das ein­fa­che Mo­bi­li­ar ei­ne Au­ra klein­bür­ger­li­cher En­ge und Be­tu­lich­keit. Aber wie hät­te un­ter den spie­ßi­gen brau­nen Macht­ha­bern auch et­was an­de­res ent­ste­hen sol­len?

Klei­ne Leu­te, ge­wiß, die uns da an­schau­en und die si­cher­lich nicht Ge­schich­te ge­schrie­ben ha­ben, son­dern von die­ser in ih­rer Exi­stenz be­stimmt wur­den. Was ha­ben sie in je­nen Zei­ten ge­dacht und ge­macht? Mit all’ den an­de­ren ge­ju­belt und da schnell weg­ge­se­hen, wo sich die häß­li­che Frat­ze des Re­gimes in al­ler Deut­lich­keit zeig­te? Wir wis­sen es nicht, wir wer­den es auch nicht mehr er­fah­ren. Wir kön­nen uns da­her auch kein Ur­teil an­ma­ßen, wohl aber dar­über nach­den­ken, daß auch von uns der­ma­l­einst nicht viel mehr üb­rig blei­ben wird als hier ein Fo­to, da ein Stück Film und dort viel­leicht ein krea­ti­ves Werk, wel­ches den ei­ge­nen Tod über­dau­ert.

Mö­gen die bei­den in Frie­den ru­hen...

Diskussion

  1. nachtschwester  •  18. Okt. 2008, 17:53 Uhr

    Sie ist sei­ne Groß­mutter. Wo­mög­lich ha­ben sie sich ge­mein­sam ab­lich­ten las­sen, be­vor er an die Front muss­te, da­mit sie ei­ne Er­in­ne­rung hat­te?
    Sie wirkt so fra­gil, und mit sei­ner Hand in ih­rem Rücken sieht es ein biss­chen so aus, als wol­le er sie in die Ob­hut des Be­trach­ters ge­ben, be­vor er geht.
    Sehr schö­nes Bild, das viel er­zählt.

    #1 

  2. Hoffende  •  8. Dez. 2008, 21:48 Uhr

    Eben erst ge­fun­den.

    Du bist al­so auch so ei­ner, der in al­ten Häu­sern nach Hin­ter­las­sen­schaf­ten sucht, die Ge­schich­ten er­zäh­len kön­nen. Wun­der­bar. Ich hof­fe, dass ich noch mehr da­von bei dir fin­den kann, und abon­nie­re dich mal.

    Das Bild spricht Bän­de und regt die Fan­ta­sie an – wenn auch in ei­nem et­was un­schö­nen Kon­text. Nichts­de­sto­trotz: Der­art ge­stell­te Fo­tos aus je­ner Zeit las­sen sel­ten der­art viel Ge­fühl er­ken­nen wie hier.

    #2 

  3. zonebattler  •  8. Dez. 2008, 22:56 Uhr

    Ich su­che in der Tat...

    ...ger­ne nach Hin­ter­las­sen­schaf­ten al­ler Art, da­für gibt’s bei mir ei­ne ei­ge­ne Ru­brik na­mens »Spu­ren­su­chen«!

    #3 

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