Wie heutzutage vielleicht nicht mehr jedes Kind, aber doch jeder halbwegs belesene Mensch immer noch weiß, fuhr die erste Eisenbahn in Deutschland im Jahre 1835 ab, und zwar von Nürnberg nach Fürth und andersherum. Erstes Ladegut der Bayerischen Ludwigsbahn waren weiland dem Vernehmen nach zwei Fässer Bier, doch der frühe fränkische Alkoholtransfer soll hier nicht unser Thema sein.
Die Eisenbahn symbolisierte damals den Fortschritt, und entlang der Trasse entstanden bald prächtigste Straßenfronten (in Fürth insbesondere die Königswarter Straße / Hornschuchpromenade). Im Gegensatz zu heute war das Wohnen längs der Strecke seinerzeit durchaus kein Ärgernis, sondern vielmehr Privileg der reichen Bürgerschaft.
In Fürth endete das Gleis am Ludwigsbahnhof unweit des Hotel National, also just dort, wo heute die Fürther Freiheit liegt. Sowohl das 1938 abgerissene Bahnhofsgebäude als auch das heute noch existierende (wenngleich stark veränderte) Hotel gaben um das Jahr 1900 ein beliebtes Postkartenmotiv ab:
Heutzutage erinnert so gut wie nichts mehr an die historisch bedeutsame Eisenbahn, außer einem nach Nürnberg an die Bärenschanze versetzten Denkmal aus späterer Zeit ist kaum noch etwas davon im Stadtbild präsent. Reste ehemaliger Betriebsanlagen sowieso nicht. Gleichwohl: Wer Augen hat zu sehen, der findet noch heute manches Überbleibsel aus der Pionierzeit des Dampfrosses!
Zum Beispiel diese Schwellensteine hier, die unweit der Kreuzung Karolinenstraße / Jakobinenstraße den (neuzeitlichen) Bahndamm befestigen. Bei der Bahn wurde schon immer wiederverwendet, was an Baustoffen noch irgendwie zu gebrauchen war, und der rückgebaute Schienen-Unterbau war ja gut anderweitig zu verwenden. Am Stein unten rechts im Bild sind die Rille für die Schiene und die Löcher für die Befestigungsteile deutlich zu erkennen!
Derartige stumme Zeugen der Technik-Geschichte gibt es nicht nur in Fürth: Auch in Nürnberg (am Bahnbetriebswerk Neusündersbühl und in der Sandstraße direkt am Opernhaus) haben Schwellensteine der Ludwigseisenbahn solcherart ihre mutmaßlich »letzte Ruhestätte« gefunden. Was übrigens ebenso für den damals aus England mitsamt den Fahrzeugen gleich mitimportierten Lokführer William Wilson gilt, der auf dem Johannis-Friedhof begraben liegt.
Weitere Relikte der Ludwigseisenbahn
Zum vorstehenden Artikel erhielt ich einen Hinweis von der ehemaligen Fürther Stadtheimatpflegerin Barbara Ohm, den ich nachfolgend im Wortlaut wiedergebe:
vielen Dank für Ihre Mail. Die Geschichte mit den alten Schwellensteinen war mir neu und ist sehr interessant.
Übrigens gibt es noch ein weiteres Relikt vom Bahnhof der alten Ludwigsbahn: Teile des Eisengitters, die den Fürther Bahnhof umzäunten, stehen an der Parkstraße zwischen Bismarck- und Lindenstraße (siehe meinen Stadtführer Bd. II, Seite 179).
Ihnen und Ihrer Allerbesten herzliche Grüße
Ihre Barbara Ohm
Da freut sich der zonebattler, denn das mit den Eisengittern war ihm bis dato unbekannt...
#1
Steinzeit
Im Bereich des alten Güterbahnhofes an der Gebhardtstraße sind tatsächlich weitere dieser Schwellensteine als Böschungsbefestigung verbaut worden, wie mir neulich erst aufgefallen ist:
Im Hintergrund sieht man die größte Pockennarbe im Fürther Stadtbild, das Hochhaus am Hauptbahnhof. Rechts das leere Schotterbett eines mittlerweile komplett rückgebauten Ladegleises.
#2
Wie heute in den Fürther Nachrichten zu lesen ist, kann man an der Kreuzung Karolinenstraße- / Jakobinenstraße in unmittelbarer Nachbarschaft zu den alten Schwellensteinen unter Umständen noch weit explosivere Funde machen...
#3
Ich muß mich korrigieren, was die Sache mit den Schwellensteinen angeht, die wohl tatsächlich nicht von der Ludwigseisenbahn, sondern vielmehr aus frühen Bayerischen Staatsbahnzeiten stammen. Wie man aus dieser Quelle ersehen kann, waren deren erste (Pilzprofil-)Schienen ursprünglich nicht direkt, sondern über »Stühle« (engl. chairs) aus Eisen auf diesen Quadern befestigt. Als man später auf das noch heute übliche Schienenprofil mit breitem Fuß wechselte, die Gleise direkt auf dem Unterbau montieren und überdies aus wirtschaftlichen Gründen die vielen Schwellensteine weiterverwenden wollte, konnte man mit einer Drehung um 45 Grad erreichen, daß die vorhandenen Bohrlöcher für die einzutreibenden Haltenägel dann wieder den passenden Abstand zur Schiene hatten. Die an den Steinen oft zu sehende, diagonale Schienenrille erklärt sich also aus einer ebenso einfachen wie genialen Sparidee!
#4
Hier ist vielleicht auch der rechte Ort, um auf ein feines Modell des ersten Fürther (Ludwigs-)bahnhofes hinzuweisen...
#5
Na, wenn hier der richtige Ort ist, dann erlaube ich mir auch einen Verweis und zwar auf diese Pretiose.
#6
Danke für den Hinweis: Seit der Behringer nicht mehr quasi nebenan residiert, laufe ich stets Gefahr, seine ohnehin nicht so häufigen Auktionen zu verpassen...
#7
Zum großen Eisenbahn-Jubiläumsfest am 28./29. Aug. 2010 soll der zweite, der gründerzeitliche Fürther Ludwigsbahnhof temporär am ursprünglichen Standort wiederauferstehen, als moderne Attrappe, versteht sich. Die Fürther Nachrichten berichten heute über den Stand der Arbeiten am 1:1‑Modell...
#8
In der Ausstellung »Die Strecke des Adlers« im Museum Industriekultur gibt es das Pendant zum Modell des ersten Fürther Ludwigsbahnhofes zu sehen, einen Ausschnitt des Nürnberger Bahnhofes von 1835.
#9
... fuhr die erste Eisenbahn in Deutschland im Jahre 1835 ab, und zwar von Nürnberg nach Fürth und andersherum.
Genauer müsste man sagem, die allererste Eisenbahn auf Schienen in Deutschland war es nicht, da gab es frühere im Ruhrgebiet. Aber die erste, die eine Dampflokomotive zur Personenbeförderung benutzte, den Titel können wir mit Stolz tragen.
#10