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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


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Die Ver­kehrs­in­sel (4)

Ge­mein­hin sind wir im Ur­laub weit­ge­hend aut­ar­ke Selbst­ver­sor­ger, die früh­mor­gend­li­che Be­geg­nun­gen mit Ha­se und Igel sol­chen mit Hinz und Kunz vor­zie­hen. Den­noch hat­ten wir dies­mal das grup­pen­dy­na­mi­sche Ex­pe­ri­ment ge­wagt, ei­nen mehr­wö­chi­gen Ho­tel­auf­ent­halt mit Teil­nah­me am Früh­stücks-Buf­fet im haus­ei­ge­nen Re­stau­rant zu bu­chen. Und in­ter­es­sant ge­riet es al­le­mal: Das an bri­ti­schen Ge­schmacks­prä­fe­ren­zen ori­en­tier­te Nah­rungs­an­ge­bot war durch­aus ge­nieß­bar, wenn­gleich et­was arm an Ab­wechs­lung. Wir pepp­ten uns den Start in den Tag ge­le­gent­lich mit selbst mit­ge­brach­ten To­ma­ten auf, denn au­ßer ein paar ge­häck­sel­ten Blätt­chen gab es nichts, was an Sa­lat er­in­nert hät­te. Aber gut, man kann sich auch von Mues­li, Toast­broat mit Schei­ben­kä­se und/oder Mar­me­la­de so­wie Spie­gelei (sun­ny si­de up) er­näh­ren. Ei­ne Zeit­lang je­den­falls...

Als ei­ne ku­li­na­ri­sche Of­fen­ba­rung er­sten Ran­ges ent­pupp­ten sich hin­ge­gen die lo­ka­len Back­wa­ren, zum Ex­em­pel die knusp­rig-war­men Blät­ter­teig­ta­schen mit Fül­lun­gen aus Schafs­kä­se oder Erb­sen­pü­ree (letz­te­res ge­würzt mit Kreuz­küm­mel). Auch die sü­ßen Ver­su­chun­gen auf Mal­ta sind von ex­qui­si­tem Ge­schmack und wur­den vom für der­lei Gau­men­freu­den stets emp­fäng­li­chen zone­batt­ler ger­ne ver­stoff­wech­selt. Sein Fa­vo­rit wa­ren die aus dem na­hen Si­zi­li­en in den mal­te­si­schen Kü­chen-Ka­non über­nom­me­nen Can­no­li:

Auf Gozo gesehene (und anschließend vertilgte) Cannoli Siciliani

Glück­li­cher­wei­se fan­den das zu­min­dest men­gen­mä­ßig üp­pi­ge Früh­stück und die am­bu­lan­te Spe­ze­rei­en-Ver­ko­stung un­ter­wegs ih­ren Aus­gleich in re­ger kör­per­li­cher Be­tä­ti­gung, sonst wä­re der Ver­fas­ser die­ser Zei­len um ei­ni­ges schwe­rer heim­ge­kom­men, als er zur Rei­se auf­ge­bro­chen war. Aber zu un­se­rer Er­leich­te­rung (sic!) ha­ben die aus­ge­dehn­ten Wan­de­run­gen die er­höh­te Ka­lo­rien­zu­fuhr aus­ge­gli­chen, und mei­ner ei­ner kann jetzt bei kon­stant ge­blie­be­nem Dienst­ge­wicht von vie­ler­lei gau­men­kitz­le­ri­schen Er­in­ne­run­gen zeh­ren...

Aber na­tür­lich auch von bild­li­chen sol­chen, die sich in mei­ne Netz­haut und we­ni­ge Au­gen­blicke spä­ter in den Sen­sor mei­ner Ka­me­ra ein­ge­brannt ha­ben! Dar­um klap­pen wir nach all dem spei­chel­fluß­för­dern­den Ge­re­de ums Ge­fut­te­re jetzt end­lich das bun­te Bil­der­al­bum auf und blät­tern ein we­nig dar­in her­um. Was hier hin­ter der früh­lings­fro­hen Fau­na hin­ter ei­nem Mäu­er­chen her­vor­lugt, ist die Kup­pel­kir­che von Mġarr:

Die Pfarrkirche Sta. Maria aus großer Entfernung

In ei­ner be­schau­li­chen 3000-See­len-Ge­mein­de im Nord­we­sten Mal­tas steht al­so ei­ne der größ­ten Kup­pel­kir­chen der Welt! Doch das ver­wun­dert hier nie­man­den, denn es gibt hier noch mehr Got­tes­häu­ser von bom­ba­sti­schen Aus­ma­ßen. Tat­säch­lich sind die zahl­rei­chen Sa­kral­bau­ten wich­ti­ge Land­mar­ken, und so fin­den auf Mal­ta be­son­de­re Ver­kehrs­schil­der Ver­wen­dung, die den des We­ges kom­men­den Pil­ger auf die weit­hin sicht­ba­ren, hei­li­gen Hal­len hin­wei­sen:

Wir nähern uns Mġarr auf staubigen Pfaden...

Je nä­her wir dem Dor­fe ka­men, de­sto gi­gan­ti­scher er­schien uns die Kir­che. Al­le paar Me­ter blieb ich ste­hen, um stau­nend auf den Aus­lö­ser zu drücken und in Bits und Bytes fest­zu­hal­ten, was ei­nem in die­ser Form und Grö­ße da­heim in Deutsch­land nicht be­geg­net, selbst in den tief­ka­tho­lisch­sten Ecken Bay­erns nicht:

Und noch einmal: die Kuppelkirche Sta. Maria in Mġarr

Üb­ri­gens ist je­nes pom­pö­se Got­tes­haus nicht an­nä­hernd so alt, wie man viel­leicht mei­nen könn­te: Im Jah­re des Herrn 1912 be­gon­nen, wur­de die Kir­che erst nach dem 2. Welt­krieg fer­tig­ge­stellt. Auch heu­te noch wä­re die Spen­dier­freu­dig­keit der lo­ka­len Chri­sten­heit ka­tho­li­scher Ge­schmacks­rich­tung wo­mög­lich zur Fi­nan­zie­rung ver­gleich­ba­rer Pro­jek­te in der La­ge, al­lein wo­zu? Es gibt ja kei­nen Ort und kei­ne Sied­lung auf Mal­ta, die nicht schon über (min­de­stens) ei­ne Kir­che ver­füg­ten...

Im In­ne­ren des Mġarr’schen Ex­em­pla­res ha­ben wir uns na­tür­lich auch um­ge­se­hen, die Ka­me­ra ha­be ich dort in­des nicht ge­zückt, ich weiß gar nicht mehr so recht, war­um. Ver­mut­lich weil mich die Ein­rich­tung nicht so sehr be­ein­druckt hat wie je­ne der er­heb­lich äl­te­ren St. Ma­ry of Je­sus Church in Ra­bat mit ih­ren in­ten­si­ven Far­ben:

Im Inneren der St. Mary of Jesus Church in Rabat

So­gar des zonebattler’s bes­se­re Hälf­te, die auf Rei­sen ty­pi­scher­wei­se kaum ei­ne Kir­che aus­läßt, war dies­mal ob der schie­ren Zahl christ­li­cher Kult­stät­ten des Be­sich­ti­gens ir­gend­wann über­drüs­sig. Aber es bot sich kul­tur­hi­sto­risch be­deut­sa­mer Er­satz an in Form der me­ga­li­thi­schen Tem­pel aus der spä­ten Jung­stein­zeit. In Tar­xien gibt es bei­spiels­wei­se ei­ne ko­los­sa­le Da­me oh­ne Ober­leib zu be­wun­dern, die »Ma­gna Ma­ter«:

»Magna Mater« in der Tempelanlage von Tarxien

Der Schluß liegt na­he, daß das weib­li­che Ide­al­bild von vor gut 6000 Jah­ren ein eher üp­pi­ges war. Scha­de, daß der Rest des Tor­sos im Lau­fe der Ge­schich­te ver­lo­ren ge­gan­gen ist!

Nur ein paar Me­ter von der dicken Ma­ma ent­fernt steht die­ser höchst be­mer­kens­wer­te Plat­ten­bau (den auch die Rück­sei­ten al­ler mal­te­si­schen Kup­fer­mün­zen in sti­li­sier­ter Form zei­gen):

jungsteinzeitliche Architektur in der Tempelanlage von Tarxien

Die ver­wen­de­ten Stein­qua­der und ‑plat­ten stam­men (was man ja heut­zu­ta­ge mit wis­sen­schaft­li­chen Me­tho­den zwei­fels­frei er­mit­teln kann) nicht aus Stein­brü­chen der nä­he­ren Um­ge­bung, sind al­so an­ders­wo (oh­ne Me­tall­werk­zeu­ge!) be­hau­en und dann über gro­ße Di­stanz zum »Bau­platz« ge­schafft wor­den. Oh­ne Krä­ne und Tief­la­der, ver­steht sich, si­cher auch oh­ne Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren, EU-wei­ter Auschrei­bung, Ar­chi­tek­ten­wett­be­werb, Un­fall­ver­hü­tungs­ein­wei­sung und Ein­hal­tung ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­ner Ar­beits­schutz­pau­sen, was die Sa­che (und die nach­ge­wie­se­ne Halt­bar­keit des Re­sul­tats) noch er­staun­li­cher macht...

Der Tag neigt sich nun­mehr sei­nem En­de zu, dem Au­tor ver­schwim­men die vie­len Bil­der lang­sam vor Au­gen und sein Geist wird trä­ge. Wir schau­en da­her in der rasch ein­set­zen­den Däm­me­rung noch ver­son­nen ei­nem Seg­ler nach, be­vor wir un­se­rer­seits für heu­te die Se­gel strei­chen:

Segelboot vor St. Julian's im letzten Sonnenlicht

So ger­ne ich pit­to­res­ke Was­ser­fahr­zeu­ge ab­lich­te, ich selbst ha­be lie­ber fe­sten Bo­den un­ter den Fü­ßen, um bei kla­rem Kop­fe zu blei­ben und mei­ne Ka­me­ra ru­hig hal­ten zu kön­nen. Zu­min­dest letz­te­res ist mir über­wie­gend ge­lun­gen: In der näch­sten Fol­ge geht es in Kür­ze wei­ter mit knall­bun­ten und knack­schar­fen Bil­dern hart an der Kitsch­kan­te ent­lang.

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Diskussion

  1. nömix  •  4. Jun. 2012, 10:55 Uhr

    Ein über­aus in­ter­es­san­ter Ar­ti­kel, dan­ke. Dass die Bau­ko­sten der Ro­tun­de von Mġarr durch den Ver­kauf von 300.000 Ei­ern fi­nan­ziert wur­den, wuss­te ich bis­her nicht.

    #1 

  2. zonebattler  •  4. Jun. 2012, 12:14 Uhr

    Gell, das ist er­staun­lich! Nicht aus­zu­den­ken, was man an­dern­orts für Ka­the­dra­len aus dem Ver­kaufs­er­lös von 300.000 Ko­kos­nüs­sen oder Ana­nas­sen fi­nan­zie­ren könn­te!

    #2 

  3. Dorina Gilardone  •  21. Jun. 2012, 12:33 Uhr

    Bil­der und Text ha­ben Er­in­ne­run­gen an mei­nen vie­le Jah­re zu­rück­lie­gen­den Be­such der In­sel wach­ge­ru­fen und die »ma­gna ma­ter« ein fehl­ge­schla­ge­nes Ge­spräch mit ei­nem Rei­se­füh­rer bei der Be­sich­ti­gung der Tem­pel­an­la­ge »Ggan­ti­ja« auf Go­zo. Mei­ne Fra­ge, was er von der In­ter­prät­ati­on ei­nes Ma­tri­ar­chats die­ser Kul­tur we­gen der vie­len ge­fun­de­nen weib­li­chen Sta­tu­et­ten und der run­den Tem­pel­an­la­gen hiel­te, wur­de da­mit be­ant­wor­tet, dass zu­künf­ti­ge Ar­cheo­lo­gen beim Aus­bud­deln christ­li­cher Kir­chen we­gen der vie­len Ma­ri­en­skulp­tu­ren wohl auf ähn­li­che Fehl­schlüs­se kä­men.

    Ha­be die Ant­wort in der Schub­la­de »Ma­cho« ab­ge­legt!

    Freue mich schon auf die Fort­set­zung Ih­rer Rei­se­im­pres­sio­nen!

    #3 

  4. zonebattler  •  22. Jun. 2012, 21:04 Uhr

    Vie­len Dank! Auch für die Ge­duld, denn heu­er hin­ke ich mit mei­ner Ur­laubs-Blog­ge­rei zu­ge­ge­ben et­was hin­ter­her. Aber der zone­batt­ler wä­re nicht der zone­batt­ler, wenn er nicht An­ge­fan­ge­nes (ir­gend­wie und ir­gend­wann) ord­nungs­ge­mäß zu En­de bräch­te...

    #4 

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