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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 24. Juli 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (1)

Der Ein­la­dung ei­nes der­zeit dort le­ben­den und ar­bei­ten­den Freun­des aus hei­mi­schen Ge­fil­den fol­gend, mach­ten sich der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te An­fang Ju­ni nach (Süd-)Schweden auf. Knapp drei Wo­chen lang woll­ten wir im Hau­se un­se­res Gast­ge­bers le­ben, uns dort nütz­lich ma­chen und die Aben­de und Wo­chen­en­den zu ge­mein­sa­men Un­ter­neh­mun­gen nut­zen.

Die U‑Bahn brach­te uns von Fürth zum Nürn­ber­ger Flug­ha­fen, mit KLM Ci­ty­hop­per hupf­ten wir dann von dort erst nach Am­ster­dam und von da aus nach Lin­kö­ping. Schon im Lan­de­an­flug auf den be­schau­li­chen Lin­kö­ping Ci­ty Air­port (mit im­mer­hin je zwei plan­mä­ßi­gen Starts und Lan­dun­gen pro Tag) war of­fen­sicht­lich, daß Wald und Was­ser be­stim­men­de Ele­men­te ei­nes na­tur­na­hen Ur­laubs wer­den wür­den:

im Anflug auf Linköping

Un­ser Freund emp­fing uns am Gate mit gro­ßem Hal­lo und dem Schlüs­sel des für uns be­reits an­ge­mie­te­ten Leih­wa­gens. Der renn­gur­ken­ge­wohn­te zone­batt­ler hat­te sei­ne lie­be Not, sich in dem ver­gleichs­wei­se lu­xu­riö­sen Ge­fährt zu­recht­zu­fin­den und des­sen Mo­tor über­haupt erst ein­mal an­zu­las­sen (nicht per Schlüs­sel­dre­hung, son­dern per Knopf­druck). Im­mer­hin hat­te er dann auf der gut ein­stün­di­gen Fahrt nach Grytgöl in der öster­göt­län­di­schen Flä­chen­ge­mein­de Finspång ge­nug Ge­le­gen­heit, sich mit den Ei­gen­schaf­ten des un­ge­wohn­ten Ve­hi­kels ei­ni­ger­ma­ßen ver­traut zu ma­chen. [1]

Schon bald nach der An­kunft in des Freun­des herr­li­chen Häus­chen wa­ren die Kof­fer ge­leert, die Kla­mot­ten ver­staut, die Neu­gier auf Land und Leu­te groß. Auf er­sten Spa­zier­gän­gen und ‑fahr­ten er­leb­ten wir qua­si die Es­senz des schwe­di­schen Land­le­bens. Der mit­un­ter zu pla­ka­ti­ven Ge­ne­ra­li­sie­run­gen nei­gen­de Au­tor ge­wann da­bei den Ein­druck, daß – von re­gel­be­stä­ti­gen­den Aus­nah­men ab­ge­se­hen – die schwe­di­schen Häu­ser grund­sätz­lich rot ge­stri­chen und die Au­tos sämt­lich von Vol­vo fa­bri­ziert sind:

typisches Schwedenhaus mit untypischem Volvo-Pickup

Die von Fran­ken aus ge­se­hen gut 1.500 km wei­ter nörd­li­che­re La­ge merkt man un­ter an­de­rem am Licht: Es wirkt auch im Hoch­som­mer ir­gend­wie herbst­lich, da die Son­ne fla­cher über dem Ho­ri­zont steht und die Schat­ten da­her selbst zur Mit­tags­stun­de deut­lich schrä­ger fal­len als da­heim. Und na­tür­lich ist es län­ger hell als ge­wohnt: Erst nach 23 Uhr wird es ei­ni­ger­ma­ßen dun­kel, und schon um vier Uhr in der Früh’ kann man oh­ne Lam­pe dem be­gin­nen­den Tag ins freund­li­che Ant­litz se­hen. Im Win­ter kehrt sich das Gan­ze dum­mer­wei­se um, wes­halb man hin­ter je­dem Fen­ster min­de­stens ei­ne stu­ben- und stim­mungs­auf­hel­len­de Leuch­te ste­hen sieht...

Die lan­gen Aben­de bo­ten sich na­tür­lich an zu aus­ge­dehn­ten Spa­zier­gän­gen ums Haus her­um. Kein Ver­kehr, kaum Men­schen, fri­sche Luft und so gut wie kei­ne zi­vi­li­sa­ti­ons­ty­pi­schen Ge­räu­sche: Da staunt der Städ­ter, der da­heim zwar kur­ze We­ge und kul­tu­rel­le Viel­falt ge­nießt, aber eben auch die Schat­ten­sei­ten des Le­bens im Bal­lungs­raum im­mer vor Au­gen (so­wie in Na­se und Oh­ren) ge­führt be­kommt. Der zone­batt­ler freu­te sich fer­ner über die zahl­lo­sen Mo­ti­ve am We­ges­rand und wuß­te an­fangs kaum, wo­hin er sei­ne Ka­me­ra­lin­se zu­erst rich­ten soll­te.

verlassenes Gebäude bei Grytgöl

In die­ser Ge­gend des Lan­des nahm die In­du­stria­li­sie­rung Schwe­dens einst ih­ren An­fang: Nach Ei­sen­erz ge­gra­ben (und Ka­no­nen ge­gos­sen) wur­de hier schon vor Jahr­hun­der­ten. Al­les da­zu Nö­ti­ge (ei­sen­hal­ti­ges Ge­stein, Holz und Was­ser­kraft) war ja reich­lich vor­han­den. Heu­te sind zahl­rei­che Über­bleib­sel von al­ten In­du­strie­an­la­gen in pit­to­res­ker Um­ge­bung zu be­wun­dern, mit­un­ter wer­den sie in eh­ren­amt­li­cher Ar­beit er­hal­ten und zu­min­dest ta­ge­wei­se zu neu­em Le­ben er­weckt.

Apro­pos Le­ben: Nein, El­che ha­ben wir (je­den­falls in frei­er Wild­bahn) kei­ne ge­se­hen, die tap­pen ja ger­ne in der Dun­kel­heit her­um und die nutz­ten wir zum Schla­fen. We­ni­ger be­dau­er­lich fan­den wir den Um­stand, daß wir we­nig bis gar nicht von ste­chen­den In­sek­ten heim­ge­sucht wur­den. Flo­ra­sei­tig über­rasch­te uns die Ent­deckung, daß so gut wie über­all an den Stra­ßen- und Wal­des­rän­dern (so­wie in zahl­lo­sen Vor­gär­ten) bun­te Lu­pi­nen fröh­lich vor sich hin blüh­ten:

Lupinen im Wald

Die­se Pflan­zen ge­dei­hen in Schwe­den der­ma­ßen reich­lich und üp­pig, daß der Be­richt­erstat­ter sie hier­mit für sich zum in­of­fi­zi­el­len Wap­pen­tier er­klärt, ver­gleich­bar et­wa der Di­stel Schott­lands. Üb­ri­gens war es gar nicht so ein­fach, ein paar präch­ti­ge Ex­em­pla­re ir­gend­wo aus­zu­bud­deln und in des Freun­des Gar­ten zwecks lan­des­ty­pi­scher Ver­zie­rung des­sel­ben wie­der ein­zu­gra­ben: Die elend lan­gen Pfahl­wur­zeln sind der­ma­ßen mit­ein­an­der ver­wach­sen, daß selbst gu­te 80 kg Kör­per­ge­wicht auf dem Spa­ten nicht aus­rei­chen, das Ge­krö­se um­stands­los zu durch­ste­chen...

Ver­wei­len wir noch et­was im 250-See­len-Dorf Grytgöl (das zwei­te »g« im Na­men wird üb­ri­gens wie ein »j« aus­ge­spro­chen), des­sen Ein­woh­ner­schaft sich in groß­zü­gi­ger Ver­dün­nung über et­li­che Hekt­ar Flä­che ver­teilt. Mas­sen­mensch­hal­tung ist hier un­be­kannt, viel­mehr lebt man luf­tig und un­ein­ge­engt, z.B. in al­ten Fa­bri­kan­ten­vil­len:

ehem. Fabrikantenvilla

Man muß na­tür­lich da­zu­sa­gen, daß Schwe­den im Ver­gleich zu Deutsch­land 90.000 Qua­drat­ki­lo­me­ter mehr Flä­che, aber nur 1/8 der Ein­woh­ner hat. Wäh­rend sich al­so in der Bun­des­re­pu­blik durch­schnitt­lich et­wa 230 Leu­te ei­nen Qua­drat­ki­lo­me­ter tei­len, le­ben in Schwe­den nur 22 Men­schen auf der glei­chen Flä­che. Aber auch dort wol­len die mei­sten jun­gen und agi­len Zwei­bei­ner eher in den Städ­ten woh­nen, was sich auf die Im­mo­bi­li­en­prei­se wei­ter drau­ßen im Land merk­lich aus­wirkt: Für um­ge­rech­net 100.000 EUR kann man ein schö­nes Häus­chen mit mehr Gar­ten drum­her­um be­kom­men, als ei­nem wo­mög­lich lieb ist, aber da­für muß man halt zum näch­sten Su­per­markt un­ter Um­stän­den mehr als 30 km weit fah­ren. Von der Pen­de­lei zum Ar­beits­platz nicht zu re­den.

Da­für fin­det man auf der an­de­ren Sei­te der Me­dail­le Ru­he und Frie­den, und das ist na­tür­lich auch was wert. Wald und Was­ser sind qua­si im­mer in fuß­läu­fi­ger Nä­he, und ein Spa­zier­gang ent­lang der Tram­pel­pfa­de hat stets auch et­was Me­di­ta­ti­ves...

alter Industriebau an künstlich aufgestautem Gewässer

Denkt man an öf­fent­li­che Frei­bä­der, hat man als Ger­ma­ne so­fort ei­ne ka­ko­pho­ni­sche Ge­räusch­ku­lis­se aus Kin­der­ge­schrei, Was­ser­plat­schern, Ru­fen und Flu­chen im Ohr. Nicht so im schwe­di­schen Hin­ter­land: Je­des Kaff ver­fügt über Ge­wäs­ser, die sich oh­ne gro­ßes Drum­her­um zum Ba­den und Schwim­men eig­nen (und zum An­geln so­wie­so).

Ei­ne »Ba­de­an­stalt« be­steht da­her im We­sent­li­chen aus ei­nem Stück ge­mäh­ter Wie­se, ei­nem Um­klei­de­schup­pen, ei­nem Steg, ei­nem Ret­tungs­boot nebst Ret­tungs­ring und viel, viel wald­um­stan­de­nen Was­ser. Hö­ren tut man dort meist gar nix, denn mehr als ei­ne Hand­voll Dorf­nixen ist in der Idyl­le ge­mein­hin nicht an­zu­tref­fen:

Badesee von Grytgöl

Ach ja... Beim Be­bil­dern die­ser höchst sub­jek­ti­ven Rei­se-Re­por­ta­ge be­fällt den Be­richt­erstat­ter ein star­kes Ver­lan­gen, so­gleich wie­der gen Schwe­den auf­zu­bre­chen. Er wä­re auch je­der­zeit will­kom­men im Haus­halt sei­nes wei­land Forch­hei­mer (und spä­ter nach Fürth mi­grier­ten) Freun­des, al­lein der Jah­res­ur­laub ist voll­stän­dig auf­ge­braucht und die näch­ste Ge­le­gen­heit zum Flug in die Fer­ne bö­te sich da­mit al­len­falls in der Be­triebs­ru­he zwi­schen Weih­nach­ten und Sil­ve­ster. Aber dann sind die Ta­ge dort dro­ben im Nor­den kurz und du­ster und statt ei­nes Miet­wa­gens bräuch­te man min­de­stens ei­nen Schnee­pflug, wenn nicht gar ei­nen Ber­ge­pan­zer...

Zum The­ma Spe­zi­al­fahr­zeu­ge sei hier noch er­wähnt, daß die Schwe­den ger­ne al­te Au­to­mo­bi­le sam­meln: Na­ment­lich klas­si­sche US-Stra­ßen­kreu­zer ste­hen hoch im Kurs, und das, ob­wohl es hier in der Nach­kriegs­zeit kei­ne Be­sat­zer gab, die mit der­lei mon­dän ge­stal­te­ten Sprit­schluckern pu­bli­kums­wirk­sam her­um­fuh­ren. Egal, der Ben­zin-Vi­rus hat auch die Mo­tor­freaks im neu­tra­len Schwe­den be­fal­len, und so sieht (und hört) man auch im ent­le­gen­sten Hin­ter­land im­mer wie­der mal ei­nen Ami­schlit­ten mit so­nor blub­bern­dem V8-Mo­tor vor­bei­crui­sen. Was nicht mehr fährt, wird auf dem ei­ge­nen Grund ab­ge­stellt, auch die­se (Un-)Sitte scheint man von den Ame­ri­ka­nern über­nom­men zu ha­ben:

abgestellter Traktor

Ob chrom­blit­zen­des Schlacht­schiff, 90er-Jah­re-Kom­bi oder al­te Trak­to­ren wie der oben ge­zeig­te: Was im­mer aus­ge­dient hat oder un­fall­be­dingt nicht mehr aus ei­ge­ner Kraft fah­ren kann, wird nicht et­wa ver­schrot­tet, son­dern an mehr oder we­ni­ger pro­mi­nent sicht­ba­rer Stel­le vor oder hin­ter dem Haus dau­er­de­po­niert. Der Be­su­cher wun­dert sich dar­über bis heu­te, denn er kann sich schwer­lich vor­stel­len, daß ein oh­ne wei­te­re Kon­ser­vie­rungs­maß­nah­men of­fen un­ter frei­em Him­mel end­ge­la­ger­tes Kraft­fahr­zeug je­mals wie­der er­folg­reich in­stand­ge­setzt wer­den könn­te: Son­ne, Re­gen, Schnee und kras­se Tem­pe­ra­tur­un­ter­schie­de dürf­ten der­lei Ab­sich­ten von Jahr zu Jahr wei­ter un­ter­mi­nie­ren. Aber viel­leicht ist das »Gras dar­über wach­sen las­sen« in Schwe­den ja die deut­lich bil­li­ge­re Al­ter­na­ti­ve zur ord­nungs­ge­mä­ßen Ent­sor­gung?

Mit die­sem er­sten Blick in die rät­sel­haf­te Men­ta­li­tät der Schwe­den las­sen wir es für heu­te be­wen­den. In der näch­sten Fol­ge ma­chen wir uns in ein paar Ta­gen auf den Weg in ei­ne grö­ße­re Stadt und be­ge­ben uns an­schlie­ßend auf ei­ne Land­par­tie mit al­ler­lei wei­te­ren un­ge­wöhn­li­chen Ein- und Aus­blicken. Hej så län­ge!

 
[1] Wie so oft hat­te ich nach der Heim­kehr spä­ter das Ge­fühl, der ei­ge­ne Wa­gen wä­re durch Stand­schä­den qua­si un­be­nutz­bar ge­wor­den: Len­kung und Pe­da­le über­aus schwer­gän­gig, die Brem­se zwar ver­zö­gernd, aber doch deut­lich trä­ger. War na­tür­lich wie­der ein­mal nur ei­ne Fra­ge der (Um-)Gewöhnung...

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Sonntag, 3. Juli 2016

Rei­se ins Ir­gend­wo

Dumont-Bildatlas »Mosel« mit nicht spezifizierter Rückenbeschriftung
Dienstag, 28. Juni 2016

Som­mer­li­ches Stock­holm

Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Mittwoch, 15. Juni 2016

Ge­schmacks­sa­che (3)

Tigerkaka
Montag, 13. Juni 2016

Drei­schat­tig­keit

Drei Freunde, drei Schatten
Donnerstag, 2. Juni 2016

Ro­sen­rot

Rosen in üppiger Blüte an des zonebattler's Schrebergarten
Montag, 16. Mai 2016

Ge­leit­schutz (2)

Drei Einsatzwagen in Einsatzpause
Mittwoch, 11. Mai 2016

Ad­ler­tag

The Ea­gle has lan­ded:

skelettierter Vogel auf gelber Pappe

Der kommt da­heim in die Map­pe zu sei­nen min­de­stens 21 Jah­re jün­ge­ren Vor­gän­gern!

Montag, 9. Mai 2016

Quan­ten­sprung

Aus alt mach’ neu: In 2 Mi­nu­ten von der voll­jäh­ri­gen Renn­gur­ke zum Neu­wa­gen!

zonebattler's Renngurke mutiert zum Neuwagen (Phase 1)
 
9. Mai 2016, 21:06 Uhr MESZ
 
 
zonebattler's Renngurke mutiert zum Neuwagen (Phase 2)
 
9. Mai 2016, 21:08 Uhr MESZ
Sonntag, 8. Mai 2016

Bon­jour tri­stesse (58)

Zugangstor eines Sportgeländes (Almada ggü. Lissabon)
 
Zu­gangs­tor ei­nes Sport­ge­län­des (Al­ma­da ggü. Lis­sa­bon)
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Freitag, 6. Mai 2016

Kreis­ver­kehr

Aufführungspause im Fürther Stadttheater
Mittwoch, 27. April 2016

Da­men­bei­ne (14)

Trottoir-Tapperin in München

Trot­toir-Tap­pe­rin in Mün­chen
 
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