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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 3. Oktober 2010

Rei­se ins Re­vier (2)

Der vier­te Tag un­se­rer Rei­se be­gann mit Nie­sel­re­gen, was uns je­doch we­nig aus­mach­te, hat­ten wir doch als er­sten Pro­gramm­punkt oh­ne­hin den Be­such des Deut­schen Berg­bau­mu­se­ums in Bo­chum vor­ge­se­hen. Das weit­läu­fi­ge Mu­se­um gilt als ei­nes der be­deu­tend­sten sei­ner Art und ist in ei­nem hal­ben Tag nicht an­nä­hernd ge­wür­digt. Den­noch konn­ten wir recht viel ler­nen über Ge­schich­te und Tech­nik des Berg­baus, über des­sen Ei­gen­ar­ten wir na­tür­lich prin­zi­pi­ell schon vor­her ei­ni­ger­ma­ßen Be­scheid wuß­ten, des­sen fas­zi­nie­ren­de De­tails uns aber noch nicht so ge­läu­fig wa­ren. Schier un­glaub­lich er­schien es uns, was beim Un­ter­ta­ge­ab­bau so al­les an Ge­rät und Ma­te­ri­al in die Gru­be ver­bracht wer­den muß, be­vor man dem Erd­in­ne­ren über­haupt et­was abgtrot­zen kann. Nicht we­ni­ger ver­blüf­fend ist frei­lich, was nach Aus­beu­tung der Koh­le­flö­ze al­les un­ten bleibt, wenn die Gru­be end­gül­tig ge­schlos­sen wird...

Nach die­sem Aus­flug in die In­du­strie­ge­schich­te tucker­ten wir wei­ter an den Stadt­rand zur Ruhr-Uni­ver­si­tät, um de­ren be­rühm­te Kunst­samm­lun­gen zu in­spi­zie­ren. Der be­ton­la­sti­ge Cam­pus er­in­ner­te den zone­batt­ler stark an die Tech­ni­sche Fa­kul­tät der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät zu Er­lan­gen, wo­selbst er vor drei De­ka­den eher halb­her­zig ein In­ge­nieur­stu­di­um an­ge­fan­gen (und sehr bald wie­der be­en­det) hat­te:

auf dem Campus der Ruhr-Universität in Bochum

Mar­mor, Stein und Be­ton bricht, aber das hat ja letzt­lich auch sei­ne ei­ge­ne Äs­the­tik und vi­su­el­len Charme...

Ein Bum­mel durch die In­nen­stadt (nebst Ge­nuß je ei­nes Ei­ses) run­de­te den Tag. Wir fuh­ren am Abend in süd­öst­li­cher Rich­tung wei­ter und fan­den schließ­lich am hin­te­ren Zip­fel des Park­plat­zes ei­nes Sport­ge­län­des bei Wit­ten ei­nen an­nehm­ba­ren Platz für das am­bu­lan­te Nacht­quar­tier.

Am Mor­gen des fünf­ten Ta­ges roll­ten wir ziel­stre­big zu­rück nach Bo­chum: Des zonebattler’s bes­se­re Hälf­te woll­te un­be­dingt die Me­di­zin­hi­sto­ri­sche Samm­lung der Uni­ver­si­tät be­sich­ti­gen, wel­che in ei­nem pit­to­res­ken al­ten Mala­koff­turm sehr stil­voll un­ter­ge­bracht ist. Wir ver­brach­ten meh­re­re un­ge­stör­te Stun­den lang in der recht in­for­ma­ti­ven Aus­stel­lung. Lei­der wa­ren ei­ni­ge in­ter­ak­ti­ve Ex­po­na­te de­fekt und nicht zu be­nut­zen, wie so oft hat das Geld einst nur für die Ein­rich­tung, nicht aber für die lau­fen­de Un­ter­hal­tung und Pfle­ge ge­reicht... Als un­ver­hoff­ter Hö­he­punkt der Vi­si­te er­wies sich die ei­gent­lich schon rum­me, aber noch nicht ab­ge­bau­te Son­der­aus­stel­lung »Ge­lenk­te Blicke« über Ras­sen­hy­gie­ni­sche Pro­pa­gan­da und Po­li­tik im Kon­text des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Ei­ne vor­treff­li­che Do­ku­men­ta­ti­on und Ana­ly­se der per­fi­den NS-Pro­pa­gan­da mit ih­rem kru­den Mix aus ech­ten bio­lo­gi­schen Er­kennt­nis­sen und pseu­do­wis­sen­schaft­li­chem Ras­sen­wahn-Ge­schwur­bel...

Ein rei­ni­gen­der Be­such im Bo­chu­mer Stadt­bad mach­te uns an­schlie­ßend wie­der auf­nah­me­fä­hig für die künst­le­ri­schen Her­aus­for­de­run­gen, die wir in dem spek­ta­ku­lä­ren Ge­bäu­de­en­sem­ble Si­tua­ti­on Kunst (für Max Im­dahl) such­ten und fan­den. Wir ris­sen mit un­se­rem zag­haf­ten Ge­klin­gel ei­ne an­ge­hen­de Kunst­ge­schicht­le­rin aus ih­ren Stu­di­en und wur­den von ihr ein­ge­las­sen in ei­ne En­kla­ve der Kon­tem­pla­ti­on:

Das Hauptgebäude von 'Situation Kunst (für Max Imdahl)' in Bochum

Teils un­ter fach­kun­di­ger Füh­rung der dienst­tu­en­den Stu­den­tin hat­ten wir nun Ge­le­gen­heit, die aus­ge­stell­ten Wer­ke und den si­tua­ti­ven Kon­text auf uns wir­ken zu las­sen. Sehr eli­tär, da wir auch hier wie­der ein­mal die ein­zi­gen Be­su­cher wa­ren! Wer im­mer sich für zeit­ge­nös­si­sche Kunst in­ter­es­siert und in der Nä­he ist, soll­te die Ge­le­gen­heit zu ei­nem Be­such dort nicht ver­säu­men!

Im be­nach­bar­ten Park fü­gen sich al­ler­lei Skulp­tu­ren in die Um­ge­bung ein und spie­len mit der Wahr­neh­mung duch den Be­trach­ter, wie bei­spiels­wei­se die­ser necki­sche Knick in der Op­tik hier:

Skulptur in der Natur

Wie­der zu­rück in der In­nen­stadt gönn­ten wir uns noch ei­nen aus­gie­bi­gen Rund­gang durch das Mu­se­um Bo­chum, gleich­falls mit Schwer­punkt auf mo­der­ner Kunst. Wie er­staunt wa­ren wir doch, der­glei­chen in die­ser Men­ge und Gü­te mit­ten im ehe­ma­li­gen Koh­len­pott zu fin­den! Was wir hin­ge­gen lei­der nicht fan­den, war ein ver­trau­ens­er­wecken­des Plätz­chen für die Nacht. Über­dies wur­de es rasch dun­kel, al­so fuh­ren wir kur­zer­hand Rich­tung Wit­ten, um ei­ne wei­te­re Nacht ne­ben dem uns schon be­kann­ten Sport­platz zu ver­brin­gen...

Dort­selbst bra­chen wir am sech­sten Tag un­se­rer Rei­se am frü­hen Mor­gen auf und hiel­ten ein­mal mehr auf Bo­chum zu. Nach­dem wir dort die Jahr­hun­dert­hal­le um­lau­fen und aus­gie­big in­spi­ziert hat­ten, zog es uns wei­ter in Rich­tung Bot­trop, wo un­se­re näch­ste De­sti­na­ti­on auf uns war­te­te, das Mu­se­um Qua­drat. Wäh­rend in ei­nem der räum­lich ver­bun­de­nen Ge­bäu­de­tei­le die Wer­ke des Bot­tro­per Künst­lers Jo­sef Al­bers ge­zeigt wer­den, gibt es auf der an­de­ren Sei­te Hei­mat­kund­li­ches zu se­hen, flan­kiert von ei­ner ei­ge­nen Samm­lung der Ur- und Früh­ge­schich­te. Rechts ab­strak­te Kunst, links sehr kon­kre­te Mam­mut­ske­let­te. Ei­ne ei­gen­ar­ti­ge, wenn­gleich durch­aus reiz­vol­le Mi­schung. Wo­hin­ge­gen sich gi­gan­ti­sche Am­mo­ni­ten und an­de­re Fos­si­li­en über vie­le Mil­lio­nen Jah­re er­hal­ten ha­ben, ist der eher zeit­ge­nös­si­sche Mu­se­ums­bau lei­der schon nach we­ni­gen Jahr­zehn­ten ma­ro­de ge­wor­den: Der pflicht­be­wuß­te zone­batt­ler mel­de­te dem Wach­per­so­nal ein ste­tes Trop­fen von der Decke, di­rekt zu Fü­ßen ei­nes dar­ob un­ge­rührt schei­nen­den Mam­muts. Tja, Flach­dä­cher halt, ein Irr­weg der bau­tech­ni­schen Evo­lu­ti­on...

Mehr ha­ben wir von Bot­trop dies­mal nicht ge­se­hen, schon ging es wei­ter ins na­he Ober­hau­sen. Dort er­war­ben wir Kom­bi­tickets für die ak­tu­el­le Aus­stel­lung im weit­hin sicht­ba­ren Ga­so­me­ter so­wie für die Lud­wig­ga­le­rie Schloss Ober­hau­sen. Die Zeit reich­te in­des nur noch für die Be­sich­ti­gung der Ga­le­rie mit der sehr ori­gi­nel­len Aus­stel­lung »Zu[m] Tisch!«. [1]

Da wir dann ganz zu­fäl­lig gleich ne­ben­an ei­nen gut aus­ge­schil­der­ten, gleich­wohl kaum be­leg­ten Wohn­mo­bil-Park­platz fan­den, war die Su­che nach ei­nem Platz für die Nacht dies­mal schon be­en­det, kaum daß sie recht be­gon­nen hat­te. Es blieb al­so noch Zeit für ei­nen Ab­ste­cher zur na­hen Sied­lung Ei­sen­heim, ei­ne der äl­te­sten kom­plett er­hal­te­nen Ar­bei­ter­sied­lun­gen Deutsch­lands. Er­staun­lich, wie schon vor über hun­dert Jah­ren qua­li­täts­voll ge­baut wer­den konn­te: Vier völ­lig ge­trenn­te Woh­nun­gen in ei­nem Haus (se­pa­ra­te Ein­gän­ge in­klu­si­ve) sorg­ten für mi­ni­mier­te Bau­ko­sten und für den so­zia­len Frie­den gleich mit! Heut­zu­ta­ge wer­den al­ler­or­ten für teu­er Geld rei­hen­wei­se mi­ni­mier­te Bür­ger­kä­fi­ge mit ma­xi­mier­ter Rei­bungs­flä­che zum Nach­barn er­rich­tet, aber ich will das heu­te nicht schon wie­der the­ma­ti­sie­ren...

Die Ge­schich­te der Sied­lung Ei­sen­heim ist auf vie­len in­for­ma­ti­ven Text­ta­feln vor Ort nach­zu­le­sen. Kaum zu glau­ben, daß ei­ne un­hei­li­ge Al­li­anz aus Ei­gen­tü­mer, Po­li­tik und Ge­werk­schaf­ten seit den 1960ern den To­tal­ab­riß des (in bau­li­cher wie von der So­zi­al­struk­tur her) völ­lig in­tak­ten Vier­tels ge­gen den er­klär­ten Wil­len der Be­woh­ner durch­set­zen woll­te. Wir la­sen wei­ter und wei­ter, von den da­ma­li­gen Bür­ger­ini­ta­ti­ven und de­ren teils pro­mi­nen­ten Ak­ti­vi­sten hat­ten wir bis­lang nie ge­hört. Na gut, wir wa­ren da­mals noch zu jung und zu we­nig po­li­tisch im Den­ken. Im­mer­hin, die Sa­che ging gut aus: Was da­mals zu Auf­ruhr im Re­vier führ­te wie heu­te der Streit um Stutt­gart 21, liegt heu­te ru­hig und be­schau­lich vor den Au­gen des Be­trach­ters:

kleinbürgerlicher Blumenschmuck in der Siedlung Eisenheim

Ob sich die heu­ti­gen Be­woh­ner über die hi­sto­ri­sche Be­deu­tung ih­res Vier­tels im Kla­ren sind, ob sie sich über­haupt dar­um sche­ren? Man weiß es nicht, aber es wä­re we­nig ver­wun­der­lich, wenn die jun­ge (Multikulti-)Generation für die Vor­ge­schich­te ih­rer en­ge­ren Hei­mat al­len­falls ein Ach­sel­zucken üb­rig hät­te...

So, es wur­de du­ster, es ging auf La­den­schluß zu, drum noch schnell im näch­sten La­den Milch und Kä­se ge­holt und sich auf den durch ho­he Hecken in­ti­mi­sier­ten Wohn­mo­bil-Stell­platz in ei­ne Ecke ver­zo­gen. Daß der Platz un­weit der Bahn lag, war uns zwar be­reits auf­ge­fal­len, daß der Gü­ter­ver­kehr dort na­he am theo­re­ti­schen Aus­la­stungs­li­mit lie­gen muß­te, be­merk­ten wir erst im Lau­fe der Nacht. Na ja, ir­gend­was ist im­mer, und so­lan­ge die Rä­der so rol­len wie dort, muß sich der zone­batt­ler ver­mut­lich kei­ne Sor­gen um die Si­cher­heit sei­nes Ar­beits­plat­zes ma­chen.

Fort­set­zung folgt!

 
[1] Wer Fo­tos aus den ge­nann­ten Mu­se­en ver­mißt, fin­det die­se sämt­lich hier!

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Mittwoch, 29. September 2010

Ab­ge­stuft

Meh­re­re be­mer­kens­wer­te (Wendel-)treppen ha­be ich in die­sem Blog über die Jah­re schon zu­sam­men­ge­tra­gen, aber die »Stairs to Nowhe­re« sind noch­mal ein ganz an­de­res Ka­li­ber. Dan­ke an Frau Eto­sha für den Hin­weis!

Dienstag, 28. September 2010

Rei­se ins Re­vier (1)

Nach­dem der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te im Früh­jahr reich­lich Ge­le­gen­heit zur Kör­per­er­tüch­ti­gung ge­habt hat­ten, soll­te die all­fäl­li­ge Spät­som­mer-Ex­kur­si­on der Ab­wechs­lung hal­ber doch eher dem Trai­ning von Geist und Hirn­schmalz die­nen. Au­ßer­dem war längst wie­der ei­ne Cam­ping­rei­se mit der Renn­gur­ke fäl­lig, um sich ei­ne Wei­le in De­mut und Be­schei­den­heit und nach Art der U‑­Boot-Fah­rer in ei­nem nach­ge­ra­de as­ke­ti­schen Le­bens­stil zu üben. Al­so ward be­schlos­sen (wenn auch nicht groß ver­kün­det), die wei­te Fahrt ins Ruhr­ge­biet an­zu­tre­ten: Deutsch­lands größ­ter Bal­lungs­raum war­tet mit reich­lich in­du­strie­ge­schicht­li­chen Se­hens­wür­dig­kei­ten und be­deu­ten­den Kunst­mu­se­en auf, die den Ti­tel der Kul­tur­haupt­stadt Eu­ro­pas 2010 als al­le­mal ge­recht­fer­tigt er­schei­nen las­sen. Wie üb­lich war der klei­ne GPS-Tracker mit von der Par­tie, was mir nun die nach­träg­li­che Vi­sua­li­sie­rung der zu­rück­ge­leg­ten Rou­te auf der Land­kar­te er­mög­licht:

Reiseroute auf der Landkarte
© Powered by MapSurfer.NET; Map da­ta: © Open­Street­Map con­tri­bu­tors
 
Groß­fas­sung 1070 x 680 Pi­xel

Wir star­te­ten in Fürth am Mor­gen des er­sten Sep­tem­ber-Sams­tags und tra­fen nach et­wa fünf Stun­den weit­ge­hend er­eig­nis­lo­ser Marsch­fahrt [1] im schö­nen Soest ein, wo­selbst wir Freun­de mit Haus, Gar­ten und Hund be­such­ten und uns übers Wo­chen­en­de bei ih­nen ein­ni­ste­ten. Am Mon­tag Mor­gen ging es dann früh­zei­tig wei­ter und das ei­gent­li­che Aben­teu­er los... [2]

Er­ste Hal­te­sta­ti­on war das nord­öst­li­che Ufer des Heng­stey­se­es, von wo aus wir zur na­hen, aber hoch­ge­le­ge­nen Sy­burg wan­der­ten. Gleich ne­ben­an guckt Wil­helm I. über das wei­te Land und hat sich über die Jah­re grün ge­är­gert über sei­ne ihn mitt­ler­wei­le weit­ge­hend igno­rie­ren­den Un­ter­ta­nen:

Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Syberg

Viel­leicht ist er aber auch im­mer noch ver­stimmt über den plum­pen Ge­schmack der brau­nen Kul­tur­ver­we­ser, die sei­nen wei­land grün­der­zeit­li­chen Schnör­kel­gar­ten in den 1930ern zu ei­nem kalt-ab­wei­sen­den Mo­nu­men­tal­kon­strukt ver­hunz­ten...

Wie­der un­ten an­ge­langt, fand sich nach dem am­bu­lan­ten Mit­tags­mahl zwi­schen den nah­ge­le­ge­nen Sied­lun­gen Heng­stey und Ba­they end­lich das lan­ge­such­te und ‑er­sehn­te Spät­som­mer­mo­tiv für ein jah­res­zeit­lich pas­sen­des Desk­top-Hin­ter­grund­bild:

Essenz des Spätsommers

We­ni­ge Mi­nu­ten und Strecken­ki­lo­me­ter spä­ter ge­lang­ten wir in die In­nen­stadt von Ha­gen, wel­che wir per pe­des und sehr aus­führ­lich in­spi­zier­ten. Hier wie spä­ter an­dern­orts in den Städ­ten des Ruhr­e­ge­biets fiel uns auf, daß dort rich­ti­ge Ita­lie­ner mit Be­rufs­eh­re im Lei­be her­vor­ra­gen­des Spei­se­eis zu­be­rei­ten und zu fai­ren Prei­sen feil­bei­ten: 80 Cent pro üp­pig be­mes­se­ner Ku­gel in ei­ner knusp­ri­gen Waf­fel und da­zu noch oh­ne künst­li­che Aro­men, das ist in Nürn­berg und Um­ge­bung bei­lei­be kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit mehr! Wo­mög­lich han­delt es sich da­bei um ei­ne ku­li­na­ri­sche Spät­fol­ge der Gast­ar­bei­ter-Schwem­me in den In­du­strie­zen­tren zu Zei­ten des Wirt­schafts­wun­ders?

Wei­ter ging der Weg über das er­staun­lich be­schau­li­che Land bis nach Hat­tin­gen, des­sen viel­ge­rühm­te Alt­stadt aus Fach­werk­häu­sern uns eben­falls ei­ne aus­gie­bi­ge Er­kun­dung zu Fuß wert war. In der Tat hät­ten wir nicht er­war­tet, dort oben in Deutsch­lands wei­land stark in­du­stria­li­sier­tem We­sten so viel pit­to­res­kes Fach­werk an­zu­tref­fen. Die­ses zeigt sich zwar eher streng und we­ni­ger ver­spielt als die frän­ki­sche Bau­wei­se, weiß aber trotz­dem sehr zu ge­fal­len. Nicht we­ni­ger ori­gi­nell sind üb­ri­gens die ört­li­chen Ein­zel­han­dels­ge­schäf­te, in de­nen man ne­ben al­ler­lei Tin­nef bei­spiels­wei­se mo­di­sche Tarn­an­zü­ge für sei­ne Vier­bei­ner er­wer­ben kann:

ein fesches Regencape für Waldi

Auch sonst gibt es al­ler­lei Ei­gen­wil­li­ges zu se­hen in der wirk­lich put­zi­gen Hat­tin­ger Alt­stadt. Das fin­den frei­lich nicht al­le lu­stig, manch ei­ner wen­det sich so­gar pein­lich be­rührt und mit Grau­sen ab:

lebensgroße Kinderfiguren beim neckischen Spiel

Ei­ne Se­kun­de lang ha­be ich die bei­den Gno­me tat­säch­lich für echt ge­hal­ten...

Der Abend nah­te. Wir ver­sorg­ten uns noch mit ein paar Le­bens­mit­teln (ins­be­son­de­re kühl­be­dürf­ti­gen sol­chen wie Milch und Kä­se, die die Nacht über ne­ben dem Au­to aus­har­ren und aus­hal­ten müs­sen) und be­gan­nen im Um­land mit der Su­che nach ei­nem Stell­platz für die Nacht. Nach ei­ni­gen Irr­we­gen [3] be­zo­gen wir schließ­lich auf ei­nem gro­ßen Platz hin­ter ei­ner Groß­gärt­ne­rei und vor der Ein­fahrt zu ei­ner gro­ßen Bio­gas-An­la­ge Po­sten. Sehr an­ge­nehm, da ru­hig und mit asphal­tier­tem Un­ter­grund, ein ra­res Kom­fort­merk­mal auf un­se­ren mo­to­ri­sier­ten Ex­kur­sio­nen. Mit rou­ti­ner­ten Hand­grif­fen wur­den als­bald die Kla­mot­ten­ta­schen, die Kü­chen- und die Wasch­ki­ste nach vor­ne in das Cock­pit ver­frach­tet und der hin­te­re Teil des treu­en Mi­ni­bus­ses da­mit zum Wohn- und Schlaf­zim­mer um­ge­wid­met. [4] Der ein­set­zen­de Re­gen mach­te das Hau­sen in der be­schüt­zen­den Ei­er­scha­le aus Glas und Blech so rich­tig ge­müt­lich...

So­viel zu den er­sten drei Ta­gen der Rei­se, von de­nen ja recht ei­gent­lich nur ei­ner ei­ne Ex­pe­di­ti­on ins Un­be­kann­te war. In der näch­sten Fol­ge wird es dann schon mehr zu be­rich­ten ge­ben!

 
[1] von der ob­li­ga­to­ri­schen Ent­wäs­se­rungs­pau­se mal ab­ge­se­hen...

[2] Be­waff­net wa­ren wir üb­ri­gens mit dem dicken und fast schon zu um­fang­rei­chen »Ruhr­Kom­pakt« Rei­se- bzw. »Er­leb­nis­füh­rer«. Die te­le­fon­buch­dicke Schwar­te ist zu schwer zur Mit­nah­me auf Wan­de­run­gen und Spa­zier­gän­ge, aber sie ist auch über­aus in­for­ma­tiv, the­ma­tisch sehr um­fas­send und noch da­zu bil­li­ger als die mei­sten Kon­kur­renz­pro­duk­te.

[3] Man braucht bei un­se­rer Art des im­pro­vi­sier­ten Her­um­zi­geu­nerns re­gel­mä­ßig ein paar Ta­ge Übung, bis man wie­der ein Ge­spür und ei­nen Blick für gut ge­eig­ne­te Über­nach­tungs­plät­ze in der frei­en Wild­bahn be­kommt...

[4] Wie im­mer hat­ten wir un­ten Iso­mat­ten und Woll­decken auf die bei­den um­ge­klapp­ten Rück­bän­ke ge­legt und an­son­sten die re­gu­lä­ren Fe­der­bet­ten von da­heim mit­ge­nom­men. Im ei­ge­nen Bett schläft es sich ja be­kannt­lich al­le­mal am be­sten!

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Mittwoch, 25. August 2010

Ent­wick­lun­gen

Man kann es kaum glau­ben: Ein jun­ger Im­mo­bi­li­en­mak­ler sucht für ein Buch­pro­jekt al­te Fo­tos sei­ner Hei­mat­stadt Chi­ca­go und er­stei­gert zu die­sem Be­hu­fe den we­gen Zah­lungs­un­fä­hig­keit der Mie­te­rin un­ter den Ham­mer kom­men­den In­halt ei­nes La­ge­r­ab­teils mit ‑zig­tau­send be­lich­te­ten, aber über­wie­gend un­ent­wickel­ten Fil­men. Er läßt ei­ni­ge, dann im­mer mehr da­von ent­wickeln und kommt lang­sam da­hin­ter, daß die ihm un­be­kann­te Fo­to­gra­fin in den 1950ern bis 1990er Jah­ren ei­ne eben­so ma­ni­sche wie künst­le­risch her­aus­ra­gen­de Licht­bild­ne­rin ge­we­sen sein muß­te, die ih­re mei­sten Schnapp­schüs­se – sei es aus tra­gi­schem Geld­man­gel, sei es aus nach dem er­folg­rei­chen Ein­fan­gen der ge­jag­ten Mo­ti­ve er­lo­sche­nem In­ter­es­se – nie zu sicht­ba­ren Bil­dern ver­ar­bei­tet hat. Er be­ginnt selbst mit der Knip­se­rei und der street pho­to­gra­phy, an­ge­lei­tet und zu­se­hends fas­zi­niert von der in quan­ti­ta­ti­ver wie qua­li­ta­ti­ver Hin­sicht im­mensen Hin­ter­las­sen­schaft der ge­heim­nis­vol­len Frau, die ihm da­mals vom Auk­tio­na­tor als krank und schwie­rig be­schrie­ben wur­de. Als er – et­wa ein Jahr nach dem Er­werb des gi­gan­ti­schen Film­kon­vo­lu­tes – schließ­lich doch nach Vi­vi­an Mai­er goo­gelt, um sie end­lich per­sön­lich ken­nen­zu­ler­nen, fin­det er ... ei­ne erst we­ni­ge Ta­ge vor­her auf­ge­ge­be­ne To­des­an­zei­ge. Er kommt zu spät.

Der eher bei­läu­fig er­wor­be­ne Schatz er­weist sich als so wert­voll und um­fang­reich, daß John Ma­loof den Be­ruf wech­selt: Heu­te ist er selbst als street pho­to­grapher un­ter­wegs und hat sich zu­dem der Er­schlie­ßung und Auf­be­rei­tung des künst­le­ri­schen Ver­mächt­nis­ses je­ner gro­ßen, vor­her der Welt gänz­lich un­be­kann­ten Fo­to­gra­fin ver­schrie­ben. Man wird sich bei­der Na­men mer­ken müs­sen.

Dies war nur die Kurz­fas­sung ei­ner an er­staun­li­chen Zu­fäl­len rei­chen und trotz­dem wah­ren Ge­schich­te. In Gän­ze nach­zu­le­sen ist sie hier, hier, da und dort. Ei­nen deutsch­spra­chi­gen Zei­tungs­ar­ti­kel darf ich aus ur­he­ber­recht­li­chen Grün­den nicht zum Down­load an­bie­ten, aber gu­te Freun­de kön­nen sich pri­vat an mich wen­den...

Samstag, 10. Juli 2010

Ro­bo­ter-Bal­lett

Im Neu­en Mu­se­um Nürn­berg gibt es der­zeit ei­ne Aus­stel­lung mit an­thro­po­mor­phen Skulp­tu­ren des Köl­ner Künst­lers Joa­chim Ban­dau. Bei ei­nem Künst­ler­ge­spräch am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag räum­te Ban­dau frei­mü­tig ein, mit sei­nen vor über 40 Jah­ren (!) ent­stan­de­nen Ar­bei­ten heu­te gar nicht mehr so­viel an­fan­gen zu kön­nen, doch ver­mö­gen die zeit­los wir­ken­den, über­wie­gend aus Pup­pen­be­stand­tei­len kon­stru­ier­ten Pla­sti­ken den Be­trach­ter noch im­mer zu be­gei­stern. Das lang­sam-laut­lo­se Bal­lett der sich in­ner­halb ei­ner durch ein Blei­band mar­kier­ten »Tanz­flä­che« elek­tro­mo­to­risch be­we­gen­den »Gru­si­ni­schen Tän­zer« (zu se­hen im zwei­ten Bild) lädt zum län­ge­ren Be­trach­ten ein und ist nicht oh­ne amü­san­te No­te (wenn ei­ne der rol­len­den Skulp­tu­ren an der Be­gren­zung hilf­los hän­gen­bleibt oder gar zu ent­kom­men droht und dann von ei­ner be­hand­schuh­ten Auf­sichts­per­son wie­der mit sanf­ter Ge­walt in das vor­ge­se­he­ne Are­al zu­rück­bug­siert wer­den muß)...

Joachim Bandau im Neuen Museum Nürnberg
 
Joachim Bandau im Neuen Museum Nürnberg
 
Joachim Bandau im Neuen Museum Nürnberg
 
Joachim Bandau im Neuen Museum Nürnberg

Für die hier vorgesehene(n) Abbildung(en) konn­ten nicht al­le even­tu­ell tan­gier­ten Li­zenz- und/oder Ur­he­ber­rechts­fra­gen mit letz­ter Ge­wiß­heit ge­klärt wer­den, wes­halb auf ei­ne kennt­li­che Dar­stel­lung lei­der ver­zich­tet wer­den muß.

Die Aus­stel­lung »Gru­si­ni­sche Tän­zer« läuft noch bis zum 1. Aug. 2010.

Freitag, 9. Juli 2010

Schat­ti­ger Nach­mit­tag

Spiel von Licht und Schatten in des zonebattler's guter Stube
 
Spiel von Licht und Schatten in des zonebattler's guter Stube
 
Spiel von Licht und Schatten in des zonebattler's guter Stube
 
Spiel von Licht und Schatten in des zonebattler's guter Stube
Samstag, 3. Juli 2010

1000 Grün­de, Fürth zu lie­ben (69)

abendlicher Dösebetrieb in einem Hinterhof am Marktplatz
 
abend­li­cher Dö­se­be­trieb in ei­nem Hin­ter­hof am Markt­platz
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Montag, 28. Juni 2010

Bon­jour tri­stesse (52)

Gepflasterter Hinterhof (Nürnberg, Espanstraße)
 
Ge­pfla­ster­ter Hin­ter­hof (Nürn­berg, Es­pan­stra­ße)
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Samstag, 26. Juni 2010

Die Schatz­in­sel (10)

Nach schier end­los er­schei­nen­der Kur­ve­rei über stei­le Ser­pen­ti­nen er­reicht man end­lich die höch­ste Er­he­bung La Pal­mas, den Ro­que de los Mucha­chos im Nor­den der In­sel. Der Pan­ora­ma­blick, der sich dort oben in gut 2.400 Me­tern Hö­he dem wacke­ren Wan­de­rer eben­so wie dem fuß­fau­len Au­to­mo­bi­li­sten bie­tet, ist nichts we­ni­ger als atem­be­rau­bend spek­ta­ku­lär! Wer bei­zei­ten auf­ge­bro­chen und noch vor der Mit­tags­stun­de vor Ort ist, kann zu­se­hen, wie die wei­ße Wol­ken-Wat­te über den öst­li­chen Kes­sel­rand der Cal­de­ra schwappt und den ge­wal­ti­gen Topf nach und nach füllt, bis man nur noch den äu­ße­ren Grat aus der wäs­se­ri­gen Sup­pe ra­gen sieht! Hoch über den glei­ßend wei­ßen Wol­ken ra­gen die vie­len Kup­peln des Ob­ser­va­to­ri­ums aus dem kar­gen Vul­kan­ge­stein und ge­ben ei­nem das Ge­fühl, den un­end­li­chen Wei­ten des Uni­ver­sums so na­he zu sein wie kaum je zu­vor:

Kuppel einer Sternwarte höchsten Punkt La Palmas

Man kann sich schwer lö­sen von dem fas­zi­nie­ren­den Wech­sel­spiel zwi­schen Wand und Wol­ke: schroff die Gra­te, weich das Wa­bern der Was­ser­tröpf­chen, ein An­blick, den man wahr­lich nicht oft ge­bo­ten be­kommt. Er­staun­lich, daß man die Er­ha­ben­heit des ge­ni­us lo­ci den­noch nicht mit all­zu­vie­len an­de­ren Tou­ri­sten tei­len muß, selbst da oben trifft man auf sei­nes­glei­chen nur in ho­möo­pa­ti­scher (und da­mit ver­träg­li­cher) Ver­dün­nung...

Spiel der wabernden Wolken am Roque de los Muchachos

Auch viel wei­ter un­ten ist das ei­gen­ar­ti­ge (und nach­ge­ra­de ein­ma­li­ge) Spiel der Wet­ter­kräf­te wun­der­bar zu be­ob­ach­ten: Im­mer wie­der sa­hen wir die wei­ße Wol­ken­wal­ze über die Cumbre wup­pen, wo sie sich aber durch die En­er­gie des Son­nen­lich­tes ge­nau­so schnell in Wohl­ge­fal­len auf­löst, wie von hin­ten neu­er Was­ser­dampf nach­ge­scho­ben wird. Was für ein Schau­spiel!

Blick vom Westen über die aus dem Osten herübergedrückte Wolkenwalze

Nicht min­der fas­zi­nie­rend wa­ren die abend­li­chen Son­nen­un­ter­gän­ge, die wir fast je­den Abend von der Ter­ras­se un­se­rer Ca­sa aus ge­gen 20:50 Uhr Orts­zeit ge­nie­ßen konn­ten: Auch da sorg­ten kon­den­sier­te Was­ser­tröpf­chen (vul­go: Wol­ken) für ein vi­su­el­les Sin­nes­spek­ta­kel, in dem sie die ho­ri­zon­ta­le Grenz­li­nie zwi­schen Him­mel und Oze­an auf­ho­ben zu ei­ner fein aqua­rel­lier­ten Farb­ver­laufs­stu­die er­lö­schen­den Lich­tes:

Sonnenuntergang, gesehen von La Laguna aus

Aber wie der Mensch so ist, er ge­wöhnt sich rasch auch an das Au­ßer­ge­wöhn­li­che: Ir­gend­wann guckt man dann nur noch flüch­tig hin, es ist ja eh fast je­den Abend das glei­che Feu­er­werk zu se­hen...

Wo­mit wir am En­de un­se­rer dies­jäh­ri­gen Ex­pe­di­ti­ons-Be­richt­erstat­tung an­ge­kom­men wä­ren. Der zone­batt­ler (der da­für tat­säch­lich län­ger ge­braucht hat als für die Rei­se selbst) ge­steht frei­mü­tig, die Se­rie oh­ne rech­tes Kon­zept an­ge­gan­gen zu sein in der Hoff­nung, daß sich das knap­pe hal­be Hun­dert zum Vor­zei­gen aus­ge­wähl­ter Fo­tos schon ir­gend­wie zu ei­ner halb­wegs in­ter­es­san­ten Ge­schich­te zu­sam­men­fä­deln las­sen wür­de. Ob das nun aus der Sicht der ge­schätz­ten Le­ser­schaft ge­klappt hat und zu­dem ei­ni­ger­ma­ßen in­ter­es­sant und le­sens­wert ist, ver­mag er al­len­falls zu hof­fen; für das Be­wah­ren des Er­leb­ten in der ei­ge­nen Er­in­ne­rung ge­nügt ihm das Er­geb­nis al­le­mal.

Schlie­ßen möch­te ich mit ei­nem emp­feh­len­den Hin­weis auf die pri­va­te Web­site La Pal­ma Ak­tu­ell. Die »täg­lich fri­schen Nach­rich­ten von ei­ner klei­nen grü­nen In­sel im At­lan­tik« tau­gen nicht nur zur Ur­laubs­vor­be­rei­tung, son­dern bie­ten ei­ne Fül­le von ak­tu­el­len und fun­dier­ten In­si­der­infor­ma­tio­nen für al­le, die sich mit ih­rem Rei­se­ziel (oder gar dem ins Au­ge ge­faß­ten spä­te­ren Wohn­sitz) in­ten­siv be­schäf­ti­gen möch­ten.

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Donnerstag, 24. Juni 2010

Die Schatz­in­sel (9)

Wie­wohl auf La Pal­ma und den üb­ri­gen In­seln des ka­na­ri­schen Ar­chi­pels ewi­ger Früh­ling herrscht, geht die­ser na­tür­lich schon mit zu­wei­len ganz be­acht­li­chen Nie­der­schlags­men­gen ein­her, zu­mal auf der pas­sat­wind­be­auf­schlag­ten Ost­sei­te von La Is­la Bo­ni­ta. Kein Wun­der al­so, daß die tra­di­tio­nel­le Dach­form dem Rech­nung trägt und dem vom Him­mel fal­len­den Was­ser den kür­ze­sten Weg nach un­ten weist:

schön restaurierte Dachlandschaft eines traditionellen bäuerlichen Anwesens

Den­noch ist auch die fest­land­spa­ni­sche Flach­dach­bau­wei­se weit ver­brei­tet, wohl weil ei­ne be­spiel­ba­re Dach­flä­che prak­ti­scher­wei­se zum Trock­nen und Dör­ren der Ern­te, zum Fuß­ball­spie­len, Son­nen­ba­den und nicht zu­letzt zum Wä­sche­auf­hän­gen taugt. Lei­der ist sie halt auch im­ma­nent ur­säch­lich für die oft an­zu­tref­fen­den Schim­mel­pro­ble­me im In­ne­ren der Häu­ser, denn Was­ser hat ei­nen klei­nen Kopf, wie die al­ten Ar­chi­tek­ten zu sa­gen pfle­gen. Auch sonst zeich­nen sich die oft­mals in den Hang ge­bau­ten Bau­ern­häus­chen durch in un­se­ren Au­gen eher un­prak­ti­sche De­tails aus: War­um zum Bei­spiel mon­tie­ren die in­su­la­ren Spa­ni­er die Fen­ster­schei­ben vor die Fen­ster­lä­den? Ist das am En­de das Re­sul­tat ei­ner ar­beits­be­schaf­fen­den ge­setz­li­chen Re­ge­lung, in­iti­iert und durch­ge­setzt von der über­mäch­ti­gen Gla­ser­lob­by?

kleine Casa mit Flachdach und einwurfgefährdeten Fenstern

Na ja, nicht al­les kann und muß man mit un­se­rer ger­ma­nisch-ana­ly­ti­schen Denk­wei­se er­klä­ren, die Welt ist bunt und das ist auch gut so. Auf der Groß­bri­tan­ni­schen In­sel hal­ten sie ja auch an ih­ren win­zi­gen Häh­nen für Eis­wür­fel links und Was­ser­dampf rechts fest und kä­men nie auf den Ge­dan­ken, die tra­di­to­nel­len Ar­ma­tu­ren ge­gen un­sport­li­che Ein­he­bel­mi­scher from the con­ti­nent aus­zu­tau­schen...

Aber las­sen wir das Gen­öle und wer­fen wir statt­des­sen lie­ber noch schnell ei­nen Blick auf ei­ne L(i)egebatterie zur platz­spa­ren­den Hal­tung von Pau­schal-Tou­ri­sten:

uniforme Appartment-Anlage in El Socoro

So manch ein fröh­li­cher Ze­cher dürf­te dort nach über­mä­ßi­gem Ge­nuß al­ko­ho­li­scher Ge­trän­ke sei­ne lie­be Not ha­ben, den Ein­gang zur ei­ge­nen Zel­le wie­der­zu­fin­den, sieht es doch links wie rechts auf Dut­zen­den von Me­tern gleich aus. Na ja, je­dem das sei­ne und je­der das ih­re...

Wer es sich lei­sten kann und et­was ab­seits der Haupt­stra­ße sei­ne Ru­he sucht, kann na­tür­lich auch ex­klu­si­ver woh­nen, und das nicht nur für ein paar Ta­ge im Jahr:

ein mustergültig instandgesetztes Anwesen

So man­ches Häus­chen im (üp­pig wu­chern­den) Grü­nen hät­te dem zone­batt­ler und sei­ner bes­se­ren Hälf­te durch­aus zu­ge­sagt, in­des es nag­ten in ih­nen lei­se Zwei­fel, ob die auf Rei­sen er­leb­ten Freu­den des Gast­lan­des, die Schön­hei­ten der Na­tur und ein eher ent­schleu­nig­ter Le­bens­stil auf Dau­er nicht doch et­was ein­tö­nig wä­ren: Das kul­tu­rel­le An­ge­bot ist bei al­ler Viel­falt letzt­lich nicht mit dem hei­mi­schen zu ver­glei­chen! Und dar­um fan­den wir nach drei Wo­chen in­ten­si­ven Ein­las­sens auf die ört­li­chen Ver­hält­nis­se, das es da­mit jetzt doch (vor­erst) ge­nug wä­re...

Dies al­so war der neun­te Streich, und der zehn­te folgt so­gleich: Im letz­ten Teil un­se­res bun­ten Bil­der­bo­gens wol­len wir un­se­re lau­ni­sche Rei­se-Re­por­ta­ge mit ein paar wol­ki­gen Aus­blicken be­schlie­ßen (und dann end­lich wie­der zur Ta­ges­ord­nung über­ge­hen)...

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Dienstag, 22. Juni 2010

Die Schatz­in­sel (8)

Der ei­ne oder die an­de­re wird sich si­cher­lich schon ge­fragt ha­ben, war­um sich des zonebattler’s dies­jäh­ri­ger Rei­se-Rap­port der­ma­ßen in die Län­ge zieht und kein En­de fin­den will. Nun, ei­ne na­he­lie­gen­de Er­klä­rung könn­te der am gest­ri­gen Tag of­fi­zi­ell ein­ge­läu­te­te Som­mer sein, der sich zu­min­dest hier in der frän­ki­schen Pro­vinz so gar nicht von der som­mer­li­chen Sei­te zei­gen mag! Da schwelgt un­ser­ei­ner nur zu gern in den noch fast fri­schen Ur­laubs­er­in­ne­run­gen und ver­setzt sich im Gei­ste lie­ber zu­rück in das an­ge­neh­me Kli­ma der Ka­na­ren...

Blick aus den Bergen auf Santa Cruz de La Palma

Das obi­ge Bild rückt die üp­pi­ge Ve­ge­ta­ti­on, das Meer und die mensch­li­che Zi­vi­li­sa­ti­on in en­ge Nach­bar­schaft, und ge­nau so ist es dort drü­ben auch: Wer sich in ei­nem je­ner Le­bens­räu­me tum­melt, hat es nie weit bis zu den bei­den an­de­ren! Man ge­wöhnt sich schnell dar­an und wünsch­te sich bald, daß es da­heim in der gro­ßen Stadt im Bin­nen­land doch ge­nau­so ein­fach sein mö­ge, den ei­ge­nen Art­ge­nos­sen zu ent­flie­hen und zum völ­lig un­ge­stör­ten Kon­takt mit der un­ge­stü­men Na­tur zu fin­den.

alte Getreidemühle mit abgerüsteten Flügeln

Na­tür­lich ist auch La Pal­ma trotz al­ler Schön­hei­ten nicht das Pa­ra­dies auf Er­den, hier wie an­dern­orts sind wirt­schaft­li­che In­ter­es­sen, ego­isti­sches Be­sitz­den­ken und Stre­ben nach Macht star­ke Trieb­fe­dern des mensch­li­chen Tuns. Und ob die Pal­me­ros in ih­rer Mehr­heit die Schön­heit Ih­rer In­sel an­ge­mes­sen zu wür­di­gen wis­sen, ist auch noch nicht er­wie­sen. Hat­te ich üb­ri­gens schon er­wähnt, daß die groß­flä­chi­gen Ba­na­nen­plan­ta­gen dem Ei­land nicht eben zur Zier­de ge­rei­chen?

Bananenfelder, wohin das Auge blickt...

Aus­ge­rech­net Ba­na­nen! Zum knall­hart ma­ni­pu­la­tiv-an­kla­gen­den Re­por­ta­ge­fo­to­gra­fen hat der Ver­fas­ser in­des ganz of­fen­kun­dig nicht das Zeug, so­gar die häß­li­chen Pla­nen und Fo­li­en der Ba­na­nen­bau­ern ver­wan­delt er im abend­li­chen Ge­gen­licht zu nett an­zu­schau­en­den Licht­spie­le­rei­en. Er kann halt nicht an­ders! Und wenn wir vom Osten über die Cal­de­ra hin­weg in den We­sten sprin­gen und da die Lin­se auf die Wein-Ter­ras­sen rich­ten, dann se­hen auch die auf den er­sten Blick nicht pro­ble­ma­tisch aus:

Weinanbau im Westen La Palmas

Den­noch, selbst wenn das ge­rö­te­te Au­ge des wacke­ren Wan­de­rers den groß­flä­chi­gen Mo­no­kul­tu­ren zu­wei­len man­chen Reiz ab­ge­win­nen kann, die Rei­zung des Riech­or­gans durch die reich­lich aus­ge­brach­ten Spritz­mit­tel geht ihm dort in des Wor­tes dop­pel­ter Be­deu­tung bald die Na­se hoch. Dar­um schneu­zen wir uns jetzt kräf­tig und war­ten auf den näch­sten Teil, in dem wir uns noch ein we­nig der ein­hei­mi­schen Ar­chi­tek­tur auf La Pal­ma an­neh­men wol­len...

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Freitag, 18. Juni 2010

Die Schatz­in­sel (7)

Das Meer! Der wei­te, wei­te Oze­an und sei­ne rau­schen­de Bran­dung, sein un­ab­läs­sig for­dern­des Lecken am Land, sei­ne am Ufer oft spie­le­ri­schen, mit­un­ter aber heil­los ver­hee­ren­den De­mon­stra­tio­nen ei­ner kollos­sa­len Macht fas­zi­nie­ren die Men­schen seit je­her. Ins­be­son­de­re na­tür­lich den ge­mei­nen Bin­nen­länd­ler, der je­ne ge­wal­ti­gen und schier end­los er­schei­nen­den Was­ser­mas­sen nicht tag­täg­lich vor Au­gen hat, son­dern dem die­se Be­geg­nung nur ur­laubs­hal­ber und in grö­ße­ren Zeit­ab­stän­den ver­gönnt ist.

Der zone­batt­ler ist in der ord­nungs­ge­mäß ab­ge­wickel­ten er­sten Hälf­te sei­nes auf 100 Jah­re an­ge­leg­ten ir­di­schen Da­sei­nes schon di­ver­se Ma­le an des sal­zi­gen Was­sers Kan­te ge­stan­den, an der Nord­see, an der Ost­see, im Mit­tel­meer, am At­lan­tik und tat­säch­lich auch am Pa­zi­fik. Schwar­ze Strän­de aus fein zer­krü­mel­ter La­va wa­ren ihm frei­lich bis da­to noch nicht un­ter­ge­kom­men:

Läuferin am abendlichen Strand von Puerto Naos

Wie neu­lich be­reits aus­ge­führt, ist die Kü­ste La Pal­mas über­wie­gend zer­klüf­tet und un­weg­sam, re­gel­rech­te Ba­de­strän­de gibt es nur we­ni­ge und die­se sind noch da­zu von über­schau­ba­rer Aus­deh­nung. Doch selbst dort geht es nicht eben über­lau­fen zu, was un­ser­ei­nem zu­ge­ge­ben sehr ge­le­gen kam, der ich zwar die Men­schen mag, die Leu­te aber mit­un­ter nicht aus­ste­hen kann... Über die Grün­de des Tou­ri­sten-Man­gels zu spe­ku­lie­ren ist hier nicht der rech­te Ort, je­den­falls herrscht im »Won­ne­mo­nat« Mai so­gar in un­mit­tel­ba­rer Nä­he grö­ße­rer Ho­tel­an­la­gen un­über­seh­ba­re Be­le­gungs­flau­te:

Badestrand bei El Socoro

Von der trüb-trau­ri­gen Tri­stesse der über­di­men­sio­nier­ten Bet­ten­bur­gen und der dar­in statt­fin­den­den Zwangs­be­spaßung trä­ger Tou­ri­sten will ich in ei­ner spä­te­ren Fol­ge noch be­rich­ten, hier wol­len wir es bei dem Hin­weis be­las­sen, daß das Meer dort am schön­sten ist, wo man es weit­ge­hend für sich al­lei­ne hat. Wie zum Bei­spiel rund um die so­ge­nann­te »Pi­ra­ten­bucht« un­ter­halb von El Pue­blo an der West­kü­ste:

bunte Schwarzbauten Einheimischer in einer natürlichen Höhle

Der kei­nes­wegs knie­scho­nen­de Ab­stieg dort­hin fand nicht nur in pral­lem Son­nen­lich­te statt, son­dern im spä­te­ren Ver­lauf auch ab­seits der of­fi­zi­el­len We­ge. Über Stun­den kam sich der zone­batt­ler wie­der wie im Film vor, ein ein­sa­mer Schiff­brü­chi­ger ab­seits al­ler be­wohn­ten Ge­fil­de. Das müh­sa­me Vor­an­kom­men, Schritt für Schritt und Me­ter für Me­ter ent­lang eben­so un­ge­si­cher­ter wie stei­ler Ab­bruch­kan­ten sorg­te für sel­ten zu­vor er­leb­ten Ad­re­na­lin­aus­stoß. Doch wie woll­te man je sei­ne ei­ge­nen Gren­zen aus­lo­ten, wenn man sich Ih­nen nicht hin und wie­der auf Sicht- (bzw. Tritt-)weite nä­her­te? Eben. Der spä­te­re, gleich­falls mehr­stün­di­ge Auf­stieg in der glei­ßen­den Son­ne schat­ten­lo­ser Glut re­du­zier­te den Be­richt­erstat­ter auf ein he­cheln­des, japp­sen­des, keu­chen­des und auch weit­ge­hend wür­de­lo­ses Et­was. Ei­ne läu­tern­de Er­fah­rung, ich woll­te sie nie­mals mehr mis­sen.

Nicht min­der be­we­gend war für den Au­tor ein kör­per­lich eher we­nig an­stren­gen­der Nach­mit­tag an den se­mi-na­tür­li­chen Plansch­becken un­weit von Ho­yo Gran­de, nörd­lich von San An­drés an der Ost­kü­ste La Pal­mas ge­le­gen: Ziem­lich ge­nau 19 Jah­re nach sei­nem letz­ten Tauch­gang zog er sich sei­ne (in all den Jah­ren nur leicht gelb­lich ver­färb­te) Pro­fi-Tau­cher­bril­le über, steck­te sich den Schnor­chel in den Schlund und sah fort­an fas­zi­niert dem flim­mern­den Trei­ben un­ter­halb der Was­ser­ober­flä­che zu...

ertauchte Schätze des Meeres: Seeigel-Skelette, Steckmuscheln und ein einsames Krabbenbein

Flos­sen und Blei wa­ren aus Platz- und Ge­wichts­grün­den da­heim ge­blie­ben; in­des es geht auch oh­ne, wenn­gleich man es dann nicht viel tie­fer als drei oder vier Me­ter schafft, be­vor ei­nen der im Salz­was­ser oh­ne­hin er­höh­te Auf­trieb wie­der an die Ober­flä­che zu­rück­drückt. Egal, viel tie­fer sind die in die La­va­kü­ste ge­bag­ger­ten Becken oh­ne­hin nicht. Den­noch wa­ren sie ein span­nen­des Re­vier, denn im­mer wie­der schwapp­te der an­bran­den­de Oze­an über die see­sei­ti­ge Kan­te und spül­te neu­es Ge­tier her­ein, klei­ne Fi­sche, grö­ße­re Fi­sche, gut ge­tarn­te eben­so wie in auf­fäl­li­gen Faben leuch­ten­de. Oh, wie schön ist es dort un­ten, wo al­le lun­gen­at­men­den Zwei­bei­ner die Klap­pe hal­ten und sich in De­mut üben müs­sen...

Nach ei­ner Stun­de ein­sa­men Ge­nus­ses er­hiel­ten der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te un­ver­hofft Ge­sell­schaft in Form ei­nes zwei­ten Pär­chens, wel­ches sich zu­nächst auf ita­lie­nisch un­ter­hielt. Man kam rasch ins Ge­spräch, man schal­te­te auf Deutsch um, denn wie­wohl der jun­ge Mann ita­lie­ni­scher Ab­stam­mung war und sei­ne Freun­din pol­ni­scher, so ka­men sie doch bei­de aus... nein, nicht aus Fürth, aber im­mer­hin aus Nürn­berg-Go­sten­hof! Der Zu­fall woll­te es fer­ner, daß wir ei­ne Wo­che spä­ter nicht nur al­le­samt im glei­chen Flie­ger gen Hei­mat sa­ßen, son­dern dann auch noch die glei­che U‑Bahn nah­men, Um­stei­gen am Plär­rer in­klu­si­ve! So klein ist die Welt. Den bei­den sei hier­mit noch­mals herz­lich zu­ge­wun­ken!

Nun, da­mit sind wir schon wie­der am En­de ei­ner Epi­so­de an­ge­kom­men und kön­nen mitt­ler­wei­le ab­se­hen, daß es ins­ge­samt wohl de­rer zehn ge­ben wird. Ein Dut­zend stim­mungs­vol­ler Schnapp­schüs­se ha­be ich noch vor­be­rei­tet auf Hal­de lie­gen, vier Stück da­von schau­en wir uns in der näch­sten Fol­ge an...

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