Sonntag, 3. Juni 2007
Vom Herrn Grabenkenner, der sich in Fürth noch viel besser auskennt als der zonebattler und der daher meine Preisrätsel schneller zu lösen imstande ist als ich mir neue ausdenken kann, von jenem Beinahe-Nachbar also habe ich mir das Buch »Fürth – Wiederaufbau eines Gemeinwesens / Entwicklung zur Großstadt« aus dem Jahre 1956 ausgeliehen. Schon seit längerem halte ich selbst (bis dato leider vergeblich) nach jenem Werk Ausschau, welches mir schon der grafisch sehr interessanten Einbandgestaltung wegen recht begehrenswert erscheint:
Drinnen geht es weniger bunt zu, ja trotz eingestreuter Fotos, Diagramme und Pläne sogar eher akademisch trocken. Gleichwohl erfährt der persistent reader (wie würde man den im Deutschen nennen?) sehr viel über die Alltagskultur und den Zustand unseres Gemeinwesens in der Zeitspanne von 1946 bis 1955.
In der Rückschau aus heutiger Perspektive mutet manches rührend, ja nachgerade kurios an. Als Beispiel möchte ich eine kleine Passage aus dem Abschnitt über die Stadtsparkasse im Kapitel »Finanzen und Steuern« zitieren:
Für den Teilzahlungskredit wurden seit Aufnahme dieses Geschäftszweiges im Jahre 1952 bis Ende des Berichtszeitraumes in 19 294 Einzelverträgen 11 190 262.- DM zur Verfügung gestellt. Per Ende November 1955 sind rund 2,7 Mill. DM in Anspruch genommen, denen 5850 Kauf- und Darlehensverträge gegenüberstehen. Wenn die Stadtsparkasse diese Kreditart im Hinblick auf die veränderten Lebensverhältnisse zugunsten der wirtschaftlich Schwachen betreibt, so wird sie doch bestrebt sein, durch entsprechende Gestaltung der Bedingungen den »Borgkauf« im Interesse des Einzelnen und der Gesamtheit nicht zu leicht zu machen. Die Stadtsparkasse wird im Interesse der Freiheit des arbeitenden Menschen dieser Erscheinungsart mit den mahnenden Worten: »Erst sparen – dann kaufen« begegnen. |
Tja. Den Vergleich zu heutigen Gepflogenheiten im Privatkredit-Geschäft mag ein(e) jede(r) selbst herstellen. Sic transit gloria mundi, wie wir mittelalterlichen Knacker bei solchen Gelegenheiten mahnend einzuwerfen pflegen. Na jedenfalls findet unsereins derlei Lektüre lehrreich und spannend: Falls da draußen jemand ein Exemplar dieses Buches übrig hat, fände er in mir einen dankbaren Abnehmer!
Samstag, 2. Juni 2007
Ich battele ja in diversen zones herum: So bestelle ich unter anderem auch den virtuellen Acker des amtierenden Fürther Stadtheimatpflegers Dr. Alexander Mayer, womit ich ehrenamtlicherweise mein bescheidenes Scherflein zum Erhalt unserer glorreichen lokalen Bauhistorie beizutragen hoffe. Just eben also habe ich auf des Heimatpflegers Homepage dessen neuesten Rundbrief aufbereitet und eingestellt, der das Glockenspiel für den Fürther Rathausturm zum Thema hat. Dazu gibt es eine nette Hörprobe mit Vogelzwitschero continuo, Links zur Presse-Berichterstattung und anderes mehr...
Montag, 28. Mai 2007
Am Rande des ehemaligen Kasernen-Areales in der Fürther Südstadt, genauer gesagt in der Steubentraße, steht die weiland Offiziers-Speiseanstalt des 21. Infanterie-Regimentes, hier von hinten zu sehen auf einer Postkarte aus dem Jahre 1914:
Nach königlichen, kaiserlichen, wehrmachtlichen und amerikanischen Truppen ging dort später ziviles Zechervolk ein und aus, bis das prächtige verzierte und heute zu Recht denkmalgeschützte Jugenstil-Gebäude einem langjährigen Dornröschenschlaf anheimfiel. So präsentierte sich die Eingangsfront noch im November letzten Jahres:
Die Fürther Nachrichten berichteten schon im Oktober 2005 von den Plänen eines Privatmannes, den den früheren US-Klub aufwendig zu renovieren und einer neuen Nutzung zuzuführen. Seither hat der zonebattler nichts mehr darüber gelesen, aber als ihn sein abendlicher Patrouillengang nach längerer Zeit gestern wieder einmal durch die Steubenstraße führte, fand er den einstigen Prachtbau im Baustadium vor: Gerüste hier, Mauerdurchbrüche da, Zäune drumherum.
Weiß jemand aus der Leserschaft Genaueres und vor allem Aktuelleres über Stand und Lage der Dinge? Womöglich hat unsereines einen neueren Zeitungsartikel glatt übersehen?!
Mittwoch, 23. Mai 2007
Soeben recht gemütlich über mich hinweggebrummelt: Eine schöne Junkers Ju 52 !
Kommt durchaus öfters vor, daß die alte Wellblech-Mühle hierzulande ihre Runden dreht.... Man erkennt sie schon von weitem an der charakteristischen Form mit den drei Motoren, weit früher aber hört man deren charakteristisch sonores Wummern!
Montag, 21. Mai 2007
Morgen früh erscheint in den Fürther Nachrichten ein Artikel über die neue Uferpromenade an der Rednitz, doch weil der zonebattler seiner Zeit stets um eine Nasenlänge voraus zu sein trachtet, hat er heute schon auf seiner einschlägigen Nostalgie-Homepage ein Link dorthin geschaltet.
Den heißeren Teil des gestrigen »internationalen Museumstages« verbrachten wir im Nürnberger Museum Industriekultur, woselbst mich zwei Sonderausstellungen (Die Maschinen Leonardo da Vincis, Geschichte der Videospiele) besonders reizten. Die umfangreiche Motorradsammlung (Zweiräder aus hiesiger Produktion) habe ich eher beiläufig passiert, am bewegendsten fand ich letztlich im Untergeschoß die Dokumentation über das ehemalige Kaufhaus Schocken am Aufseßplatz.
Neben der hilflosen Wut, die einen immer wieder überkommt, wenn man die Zeitzeugenberichte aus der Zeit der braunen Barbarei liest, empfand ich Hochachtung vor der inneren Haltung der Gebrüder Schocken, die sich sehr um die Weiterbildung und Förderung ihres Personals bemühten, z.B. durch regelmäßige Buchgaben nach eigener Wahl der Beschenkten. Die folgenden Auszüge aus der Schocken-Hauszeitung von 1926 (!) sollten sich viele Gewerbetreibende heutzutage hinter den Spiegel stecken:
Fünfzehn Leitsätze für das Verkaufspersonal der Kaufhäuser Schocken
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Der Beruf des Verkäufers ... setzt Lebensklugheit und ein großes Verständnis für Menschen und menschliche Bedürfnisse voraus.
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Der gute Verkäufer lobt seine Ware weniger, als er verantworten kann. Das Geschäft hat einen neuen Kunden geworben, wenn der Käufer später sagt: »Die Ware ist besser als ich erwartet habe«.
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Die Warenkenntnis und Berufserfahrung des Verkäufers ... sind am besten angewandt, wenn sie den Käufer in die Voraussetzungen für die Beurteilung einer Ware auf ihren Gebrauchswert einführen. Nur wer Geringes oder Fragwürdiges bietet, hat Grund, die Sachkenntnis des Käufers zu scheuen.
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Der gute Verkäufer wird stets freundlich und sachlich sein. In einer Umgebung, die von einer unaufdringlichen, ruhigen Gefälligkeit und einer allgemeinen Freudigkeit im Dienst bestimmt wird, fühlt sich jeder Käufer und mit ihm jeder Verkäufer wohl.
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Der Verkäufer soll niemanden bevorzugen. ... Der treue Kunde mit kleinem Bedarf ist wichtiger als der einmalige Käufer großer Stücke.
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Wünsche und Vorschläge des Käufers sind immer aufschlußreich. Der Verkäufer nehme sie höflich auf und melde sie dem Abteilungsleiter für die Geschäftsführung. Beschwerden behandle er mit freundlicher Ruhe. Eine gute Antwort ... ist die beste Werbearbeit, und manche Beschwerde hat wertvolle Verbesserung angeregt.
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Der Gebrauchswert einer Ware ist oft nur durch den Gebrauch selbst zu erfahren. Der Verkäufer ... wird Kunden anregen, ihm über die Erfahrungen im Gebrauch zu berichten. ... Besonders aber wird er günstige und ungünstige Erfahrung zur Kenntnis der Stellen bringen, die sie für die zukünftigen Einkaufsentschließungen brauchen.
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Derlei, meine Herrschaften, gehört dick unterstrichen und eingerahmt: Würde und Anstand waren für diese Unternehmer eine Selbstverständlichkeit. Geholfen hat es ihnen freilich nichts, als wenig später die würde- und anstandslosen Horden mit der braunen Scheiße im Hirn den Lauf der Dinge bestimmten...
Mittwoch, 9. Mai 2007
Am kommenden Wochenende gibt es eine interessante Themen-Führung des Fürther Stadtheimatpflegers Dr. Alexander Mayer. Hier seine vollständige Pressemeldung:
Ankündigung:
Führung von Stadtheimatpfleger Alexander Mayer
in Zusammenarbeit mit dem DGB und den Einzelgewerkschaften:
Arbeiten in Fürth
Führung zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Kleeblattstadt
Treffpunkt Waagplatz, 15 Uhr
Fr. 11.05.07
Sa. 12.05.07
sowie
So. 17.06.07 14 Uhr
Sa. 30.06.07
Sa. 14.07.07
Sa. 08.09.07
Sa. 22.09.07
Fürth ist eine Stadt, in deren Stadtbild sich die geschichtliche Entwicklung vom 17. Jahrhundert bis heute in einer Deutlichkeit wie an kaum einem anderen Ort ablesen lässt. Das gilt auch für die Industrielle Revolution, einem rapiden und sozial spannungsreichen Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft: Im 18. bis zum 20. Jahrhundert gestaltete sich die Arbeits- und Sozialordnung Europas um. Fürth spiegelt diesen Übergang an vielen Ecken, Orten und Plätzen sinnfällig wider.
Die industrielle Revolution begann mit der Mechanisierung der Baumwoll-Herstellung, durch Industriespionage kam diese Erfindung 1783 nach Deutschland und wurde in der ersten Fabrik auf dem Europäischen Festland in Ratingen am Rhein verwendet. Es folgte gegen großen Widerstand der Heimweber der mechanisierte Webstuhl. Die Textilindustrie trug die erste Phase der industriellen Revolution, die Umwandlung zur Industriegesellschaft.
In der Fürther Gustavstraße eröffnete 1832 Konrad Weber eine Handweberei mit drei Webstühlen, die später als „Buntweberei Weber und Ott“ firmierte. 1886 ist Weber und Ott „das größte Etablissement dieser Art nicht allein im Königreich Bayern, sondern in ganz Süddeutschland“ und beschäftigte 1000 Arbeiter.
1861 wird in den Fürther Betrieben an fünf Tagen in der Woche mindestens 12, manchmal 14 und in Extremfällen sogar18 Stunden am Tag gearbeitet. Oft gibt es dafür „unbezahlten Urlaub“: Wenn das Geschäft schlecht geht, werden die Arbeiter entlassen. In Webereien kriechen Kinder ab 5 Jahren zwischen den mechanischen Webstühlen, um die Mechanik störende Fussel zu entfernen und Wartungsarbeiten durchzuführen. Nicht selten kommen die kleinen Hände in die laufende Maschine, betriebliche Krankenversicherungen gibt es nur selten.
Ein Arzt stellt um 1860 bei den Arbeitern zwei weit verbreitete Krankheiten fest: Erstens Krätze und zweitens „Demoralisation“, heute würde man „burn out“ sagen – nicht verwunderlich, wenn man trotz 60 Stunden Wochenarbeitszeit dennoch nicht genug verdient, um eine Familie ernähren zu können.
Die Führung beginnt am Freitag, 11.04.07 und am Samstag, 12.04.07 am Waagplatz, führt über die Gustavstraße (Grüner Baum als Vereinslokal der Arbeiterbewegung, ehemalige Kürschnerfabrik Baur mit Storchenschlot) über die Schindelgasse (jüdische Druckerei) in die Gartenstraße (Brauerei Grüner). In der Rosenstraße gibt es etwas über die ehemalige Buntpapierfabrik Stern zu erfahren, in der Blumenstraße über die Spiegelfirmen Bechmann sowie Krailsheimer, die Ahnherren der FLABEG. In der Badstraße werden die Kißkalthäuser vorgestellt, in der Mathildenstraße die Zichorienfabrik Josef Scheuer. Weiter geht es über die Bronzefarbenfabrik Tabor und Eiermann an der Ecke Marien-/Hirschenstraße zum Standort der durch Industriespionage großgewordenen Brillenfabrik Abraham Schweizer, um am Stadtmuseum mit seiner thematisch passenden Ausstellung zu enden.
Dr. Alexander Mayer
Stadtheimatpfleger
Vacher Str. 213g, 90766 Fürth
Telefon: 0911 / 78 494 78
Mobil: 0172 / 98 34 175
www.dr-alexander-mayer.de |
Unsereins ist leider zwiefach verhindert, am Freitag durch die lästige Erwerbsarbeit, am Samstag durch einen privaten Vortrags-Nachmittag. Aber es gibt ja genügend Ausweichtermine...
Montag, 7. Mai 2007
Im Rahmen des 1000-jährigen Stadtjubiläums wird es Mitte September ein regelrechtes Eisenbahn-Wochenende in Fürth geben: Wie der zonebattler aus gut unterrichteten Insiderkreisen erfahren hat, soll dann sogar die Karolinenstraße abschnittsweise gesperrt werden, um Platz für temporäre Tribünenbauten zu schaffen! Unsereins überlegt daher jetzt schon, ob sich wohl ambulant errichtete Hochsitze im eigenen, gleisnahen Schrebergarten gewinnbringend an lechzende Freaks und sabbernde Maniacs vermieten ließen...
So ein in Kennerkreisen hochgeschätztes Event hat es in Fürth freilich schon einmal gegeben, nämlich im Jahre 1985 zur 150-Jahrfeier der ersten deutschen Eisenbahn. Der Herr Grabenkenner hat mir ein paar dokumentarische Privat-Fotos von damals zugespielt, die ich mit seiner freundlichen Zustimmung hier der interessierten Öffentlichkeit präsentieren darf:
Tja, da staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich: Ist auch schon fast wieder ein Vierteljahrhundert her, daß es hierzulande ICEs gibt... Der Knabe in blau ist übrigens kein geringerer als der Herr Grabenkenner höchstpersönlich, der offenbar schon damals der Neugierigen einer war. Recht so!
Donnerstag, 19. April 2007
Wie die Fürther Nachrichten heute vermelden,
...verschwindet mit der Willy Messerschmitt-Straße ein weiterer Schatten aus der NS-Zeit vom alten Atzenhofer Flugplatz. Der Fürther Stadtrat hat gestern mit 36 seiner 50 Stimmen eine Umbenennung der Messerschmitt-Straße in Melli-Beese-Straße beschlossen. |
Während der Name Messerschmitt wohl den meisten geläufig sein dürfte, haben sicher die wenigsten je von Melli Beese gehört. Der zonebattler bis dato auch nicht, darum hat er sich auf Wikipedia schlau gemacht. Der an Hindernissen reiche (und mit dem Freitod endende) Lebenslauf der ersten deutschen Fliegerin hinterläßt den Leser bestürzt: Hut ab vor einer Frau, die in einer männerdominierten Gesellschaft dermaßen mutig und mit großer Ausdauer ihre Visionen verfolgte!
Montag, 5. März 2007
Es ist wieder einmal an der Zeit, aus jener quasiheiligen Schrift zu zitieren, die weiland unter dem Namen Amtsblatt der Deutschen Bundesbahn maßgeblichen Anteil an der Charakterbildung und beruflichen Sozialisation des zonebattler hatte:
Man beachte, daß die Eisenbahn in jenem Fall nur Vollstrecker eines (heutzutage bizarr anmutenden) kommunalen Wunsches war. Doch das selbstredend mit der typisch deutschen Gründlichkeit und Effizienz, um die man uns im Ausland bis heute so sehr beneidet...
Dienstag, 6. Februar 2007
Heute abend bin ich bei bei Recherchen zur lokalen Historie auf die bemerkenswerte Homepage www.verkehrsrelikte.de gestoßen: Für einen Spurensucher wie mich ein gefundenes Fressen! LeserInnen aus Fürth und Umgebung möchte ich besonders auf die Unterseite mit den Verkehrsrelikten im Großraum Nürnberg hinweisen, die eine Fülle an hochinteressanten Informationen und Bilddokumenten bietet!
Donnerstag, 1. Februar 2007
In einem Beitrag namens »Kino-Klassiker vom Klassenfeind« habe ich vor einigen Monaten auf die Kinofilme der DEFA und deren sensationell preiswerte DVD-Jubiläumsgaben als Beilage zum Boulevard-Blatt SUPERillu hingewiesen. Heute gibt es mit dem aktuellen Heft den Konrad-Wolf-Film »Ich war neunzehn« zu kaufen. Meiner Meinung nach ein Muß für jede Sammlung, und da der zonebattler über ein gewisses Sendungsbewußtsein verfügt, hat er heute morgen gleich fünf Hefte mit ebensovielen Silberscheiben zum Weitergeben erstanden...
Süßer und scharfer Senf: