Dienstag, 20. Dezember 2005
Zum Zwecke des Verwandtenbesuchs in den Tiefen des Nordwestpfälzer Berglandes sind wir dieser Tage mit dem ansonsten eher selten genutzten Einsatzwagen über die Autobahn A3 Richtung Frankfurt (Main) getuckert. Etwa 30 km nach Würzburg kommt man an Wertheim vorbei, woselbst ein sogenanntes Factory Outlet Center am Wegesrand die markenbewußte Verbrauchermeute zum hemmungslosen Kaufen einlädt. Dieses Areal (übrigens nicht mehr in Bayern und noch nicht in Hessen, sondern in Baden Württemberg gelegen, welches sich da oben irgendwie dazwischenstülpt) ist eine Art Disney-Land ohne Mickey Mouse: Unweit der echten historischen Stadt hat man da eine schicke Fantasy-Konsumburg auf den »Almosenberg« [sic!] hingesetzt, die so aussieht, wie Europäer glauben, daß sich die Amis so wohl Good Old Germany vorstellen. Oder so ähnlich...
Das Angebot im Wertheim Village ist insgesamt vielleicht mit »merkwürdig« am besten umschrieben: Überwiegend sind es Bekleidungsfirmen, die ihre Vorjahres-Kollektionen und sonstigen Restposten an den Mann und die Frau zu bringen versuchen. Manch’ kurioser Kittel in absurder Farbstellung und extremer Mini- oder Maxi-Größe hängt da offenbar schon seit der Eröffnung herum und hat am Preisschild eine eindrucksvolle Reduzierungs-Historie aufzuweisen. Aber ein häßlich-schrilles Teil bleibt ein häßlich schrilles Teil (und überträgt diese Attribute womöglich auf die Trägerin), also bleibt es weiterhin liegen (resp. hängen), auch wenn es mittlerweile eine Zehner-Potenz billiger geworden ist. Gewürzt wird die amüsante Textil-Beschau gelegentlich durch nette Beispiele kreativer Rechtschreibung:
In diversen Internet-Foren kann man nun Kundenmeinungen lesen, die sich zumindest darin einig sind, daß »die Architektur« dort bemerkenswert und außergewöhnlich sei. Ich kann dem nicht beipflichten: Tatsächlich gibt es da überhaupt keine Architektur zu sehen, sondern banale Industrie-Lagerhallen mit playmobiloidem, funktionslosem Blendwerk drauf und dran. Lächerlich! Ich persönlich fände ehrliche Blechschuppen allemal weniger peinlich als diese in jeder Hinsicht hohle Kulissenstadt. Gastronomie ist übrigens nicht in nennenswertem Umfang präsent, schon gar keine mit bodenständigen Preisen. Zu loben sind indessen die stets sauberen Toiletten-Anlagen.
Zonebattler’s Resümee: Wir sind das Gegenteil von Marken-Fetischisten, gehören also nicht der anvisierten Zielgruppe an. Meine bessere Hälfte hat zwar meist das eine oder andere schöne Teil zum Schnäppchenpreis ergattern können, aber das war eher Zufall. Gut geführte Second-Hand-Läden sind in Sachen Mode allemal ergiebiger (und preiswerter)! Für uns ist das künstliche Dorf ein praktischer Zwischenstopp zum Füße vertreten und Verrichten menschlicher Bedürfnisse, verbunden mit einem kurzen Schaufensterbummel. Extra hinfahren würden wir zu sowas jedoch nie. Aber das mögen andere anders sehen...
P.S.: Nach der etwas ausgedehnten Pinkelpause muß man achtgeben, nicht versehentlich in verkehrter Richtung wieder auf die Autobahn zu fahren: Einmal nicht ganz aufgepaßt, und man hat rauf und runter schnell 2x20 unnötige Kilometer auf dem Zähler!
Donnerstag, 8. Dezember 2005
Auf arte laufen immer wieder sehr bemerkens- und sehenswerte Dokumentationen, und ich möchte hier und heute die Serie Baukunst wärmstens empfehlen:
Jede Folge widmet sich einem Prototyp der architektonischen Moderne. Das jeweilige Bauwerk wird »vom Keller bis zum First« unter technischen, ästhetischen, aber auch ökonomischen Gesichtspunkten analysiert. Außerdem zeigen die Filme, wie sich die einzelnen Gebäude in ihre Umgebung einfügen. |
Diesem Zitat aus der arte-Homepage muß ich nicht viel hinzufügen, außer vielleicht, daß sich alle Filme durch überaus ruhige Kameraführung auszeichnen, was ihnen geradezu meditativen Charakter verleiht. Sehr, sehr gut gemacht!
Leider ist die Serie schon komplett »über den Äther« gegangen, aber weil ich sie so hervorragend finde und obendrein selbst nicht alle Folgen mitgekriegt habe, habe ich mir die DVD-Ausgabe geleistet, die man z.B. bei amazon.de bestellen kann. Der Preis liegt bei einem solchen »Special Interest«-Titel naturgemäß oberhalb des von Hollywood-Massenware her Gewohnten, doch niemand wird die Investition meines Erachtens je bereuen...
Die jeweils eine knappe halbe Stunde langen Filmdokus liegen auf insgesamt 4 DVDs vor und zeigen im Einzelnen:
Die Bildqualität der merkwürdigerweise in der amerikanischen NTSC-Fernsehnorm gemasterten Filme ist sehr gut, in PAL wäre sie aufgrund der höheren Auflösung vermutlich noch einen Tick besser. Leider sind auf den Silberscheiben keinerlei Extras enthalten, man findet aber interessanteste Hintergrund-Informationen über die oben geschalteten Links zur arte-Website...
Film / Inhalt |
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Bild & Ton |
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Extras |
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Aufmachung |
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Gesamturteil |
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zonebattler’s Fazit: Zweifelsfrei eine Sammlung von bleibendem Wert und eine Bereicherung für alle, die sich an schöner, funktionaler und außergewöhnlicher Architektur erfreuen können. Ein weiteres DVD-Highlight im sehr ambitionierten Vertriebsprogramm der absolut Medien GmbH !
Mittwoch, 23. November 2005
Ich liebe alte Städte wie Regensburg, Bamberg oder Görlitz, die weder durch den Krieg noch durch die Bauwut danach nachhaltig ihr Gesicht verloren haben. Fürth kann sich da ohne weiteres einreihen, wenngleich im Wortsinne »herausragende« Betonsünden wie das Sparkassen-Gebäude oder das Hochhaus am Bahnhof an recht brachiale Bauboom-Zeiten erinnern, die gar nicht so lange zurückliegen...
Ganze Straßenzüge sind hier in Fürth noch in prächtigster Gründerzeit-Neo-Renaissance erhalten, und das im warmen Goldton des fränkischen Sandsteins. Eine einmalige Kulisse! Insbesondere die Eckhäuser waren zu den Kreuzungen hin besonders prächtig geschmückt, oft mit eindrucksvollen Zwiebeltürmen wie hier an der Ecke Karlstraße / Amalienstraße:
Leider sind viele dieser rein der Ästhetik dienenden Zier-Aufsätze heute spurlos verschwunden, sei es durch Kriegsschaden, sei es durch Verwitterung, Blitzschlag oder (häufiger wohl) Abriß durch unsensible Hausbesitzer. So sieht das ansonsten noch bestens gepflegte Haus von der alten Postkarte heute aus:
Wer’s nicht anders kennt, mag mit den Schultern zucken. Wer aber einen Sinn für Schönheit und Proportionen hat, wird den Unterschied bemerken (und den Verlust des geschindelten Dach-Türmleins als schmerzlich empfinden). Nach Studium des bebilderten Beispiels mögen die geneigten LeserInnen spaßeshalber mal erhobenen Hauptes durch die Stadt laufen, um nach weiteren Dächern Ausschau zu halten, denen »oben was fehlt«!
Ich würde mir jedenfalls wünschen, daß Besitzer und Bewohner alter Häuser ihre Immobilien und Behausungen nicht nur unter rein praktischen Aspekten beurteilten, sondern auch deren Schönheit bewahren und ggf. wiederherstellen würden. Klar kostet das was, aber es bereichert doch letztlich alle. Wo müßte man den Hebel also ansetzen? Wie bei so vielen Zeiterscheinungen schon bei der entsprechenden Erziehung des Nachwuchses, denke ich. Da werden die Weichen gestellt, da fängt es an (oder eben auch nicht)...
P.S.: Wie die Fürther Nachrichten bereits letzten Samstag ankündigten, findet heute um 19.00 Uhr im historischen Sitzungssaal des Rathauses eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema Denkmal statt. Hingehen!
P.P.S.: Weitere Bilder finden Sie in den Kommentaren zu diesem Beitrag.
Samstag, 1. Oktober 2005
Heute und ab sofort an jedem Monatsersten gibt es in der Rubrik Spurensuchen eine Preisfrage für meine geschätze Leserschaft! Es gilt jeweils, ein fotografisch von mir festgehaltenes Detail aus Fürth zu identifizieren und räumlich zuzuordnen. Und hier kommt auch schon die erste Aufnahme: Wo ist sie wohl entstanden?
Wer als erste(r) unter richtigem Namen und mit funktionierender eMail-Adresse die korrekte Antwort (Straße und Hausnummer!) in einen Kommentar zu diesem Beitrag schreibt, gewinnt einen schönen Preis aus meinem Fundus. Diesmal ist es:
Eine Original-DVD »Abre los ojos« (Open Your Eyes) mit Penélope Cruz. |
Bis zum Erscheinen des nächsten Rätsels (also genau einen Monat lang) können Lösungen eingereicht werden. Die Laufzeit endet mit dem Erscheinen eines weiteren Rätsel-Bildes am jeweils nächsten Monatsanfang. Mit der Vorstellung eines neuen Preisrätsels wird die zutreffende Antwort zur Vorgängerfrage (in einem Kommentar zu dieser) bekanntgegeben, sofern sie bis dahin nicht richtig beantwortet wurde.
Samstag, 24. September 2005
Gestern gekleckert (Kleines Atelier), heute geklotzt: Das Neue Museum Nürnberg ist schon von außen ein Gesamt-Kunstwerk von beachtlichem Format! Als Staatliches Museum für Kunst und Design in Nürnberg spielt diese Institution natürlich auch in einer ganz anderen Liga als privat geführte Mini-Galerien...
Fangen wir bei der Architektur an: Was Volker Staab da an den Rand der Altstadt in unmittelbare Nachbarschaft des altertümelnden Handwerkerhofes gesetzt hat, ist ein Juwel der Klarheit, in seiner reinen Formensprache sehr überzeugend (wie übrigens auch das gleichfalls von Staab entworfene Museum Georg Schäfer in Schweinfurt). Auch nachts entfalten der Museumsbau und der ihm vorgelagerte Klarissenplatz eine verführerische Anziehungskraft, andeutungsweise nachzuempfinden anhand eines offiziellen Panoramafotos.
Bei aller Bewunderung für den Meister kann sich der zonebattler jedoch den kleinen Seitenhieb nicht verkneifen, daß er (im Gegensatz zu den Bauten) die Homepage des Staab’schen Architekturbüros für ein byzantinisches Chaos hält: Die ist nämlich mit verwirrendem und unnötigem Multimedia-Schnickschnack »angereichert«, welcher die Orientierung erheblich erschwert... Tja, Beton und Bits sind halt doch zweierlei Werkstoffe!
Im Inneren erwartet uns ein kontrastreicher Zusammenklang aus zeitgenössischer Kunst und neuzeitlichem Design, der in dieser Form sonst nirgends unter einem Dach anzutreffen ist. Aufgrund der besonders großzügigen Präsentation mit viel Luft und Licht um die einzelnen Werke zieht jedes Exponat die ihm gebührende Aufmerksamkeit ablenkungsfrei auf sich. Eine sehr inspirierende Atmosphäre!
Da ich nur wenige Schritte vom Museum entfernt meinem täglichen Broterwerb nachgehe, nutze ich die Mittagspause des Öfteren zu Kurzbesuchen, die ich zuweilen auch fotografisch dokumentiere (wie zum Beispiel hier und dort). Als Mitglied der Museumsinitiative genieße ich stets freien Eintritt zu den Sammlungen und Ausstellungen, da lohnt dann auch eine kurze »Stippvisite«...
Abschließend weist der Schreiber dieser Zeilen mit Genugtuung darauf hin, daß das NMN zwar in Nürnberg angesiedelt, aber an maßgebenden Schaltstellen personell von Fürthern und Fürtherinnen unterwandert ist: Der Kurator zum Exempel ist nicht nur ein Fast-Nachbar von mir, sondern bekennender Fan der SpVgg Greuther Fürth !
Samstag, 10. September 2005
Die Stadt Fürth ist reich an Baudenkmalen, komplette Gründerzeit-Straßenzüge strahlen auch heute noch (fast) in der Pracht vergangener Zeiten. Gleichwohl hat nicht jeder ein Auge und ein Herz dafür: Fast täglich komme ich z.B. am spätklassizistischen Haus eines Architekten (!) vorbei, welches dieser in übelster Weise außen (und dem Vernehmen nach auch innen) geschändet hat. Wie gerne würde ich diese Barbarei hier anprangern, Roß und Reiter nennen und die Verschandelung der wunden Villa wort- und bildreich belegen... Es blutet einem das Herz. Aber so wie die Dinge liegen, würde die juristische Keule wohl eher mich treffen als den unsensiblen Metzger...
Immerhin gibt es nicht nur solche Zeitgenossen: Am morgigen Tag des offenen Denkmals wird es viele architektonische Kleinodien zu besichtigen geben, die liebevoll instandgesetzt und bis heute im Originalzustand erhalten worden sind. Da viele historische Bauten in Privatbesitz und nur zu diesem landesweiten Aktionstag der Öffentlichkeit zugänglich sind, sollte man sich die Chance nicht entgehen lassen!
In gewisser Weise auch ein Denkmal, ja nachgerade eine Institution sind die Sir Henry Wood Promenade Concerts, die allsommerlich (heuer in der 111. Saison) in London stattfinden und in der berühmten Last Night of the Proms ihren extatischen Abschluß finden. Im traditionellen Schlußkonzert wird die Royal Albert Hall heute abend zum Hexenkessel, wenn nach der Pause das immer gleiche Programm aus großsymphonischen britischen »Schlachtrössern« gegeben wird:
Elgar – Pomp and Circumstance March No.1
Henry Wood – Fantasia on British Sea Songs
Parry / Elgar – Jerusalem
Traditional – Nationalhymne
Traditional – Auld Lang Syne (Schottisches Volkslied) |
Das Publikum (5.000 Besucher in der Halle, mehr als 100.000 im Hyde Park und in anderen live zugeschalteten Open Air-Locations) summt, singt, hupt und trötet dabei mit, die Ausgelassenheit kann mit dem Kölner Karneval regelmäßig locker mithalten! Man kann es kaum in Worte fassen, man muß es sehen (und vor allem hören). Zum Glück wird das Event auch in diesem Jahr wieder hier bei uns im Fernsehen übertragen, und zwar vom Norddeutschen Rundfunk ab 22:10 Uhr. Wir haben uns dafür hier schon eine große Tüte Kartoffelchips in der typisch englischen Geschmacksrichtung »Salt & Vinegar« sowie eine Schachtel »After Eight« zurechtgelegt. Rule Britannia!
Süßer und scharfer Senf: