Samstag, 3. September 2011
Das Führen eines Weblogs, also abgekürzt das Bloggen, ist nach gängiger Meinung ein relativ neumodischer Hype, mittlerweile angeblich sogar ein bereits wieder abflauender solcher. Im Nachhinein betrachtet kann meiner einer mit Fug und Recht behaupten, bereits in den späten 1970er Jahren – zusammen mit einer Handvoll Schulkameraden – das Bloggen in seiner heutigen Form erfunden zu haben, komplett mit chronologisch gereihten Artikeln, fortlaufend nummerierten Kommentaren, Kreuz- und Querbezügen sowie allerlei eingebundenen Bildern und Medien. Und das alles ohne Strom, ohne Computer und ohne Internet, an das ja damals noch keiner dachte. Die nachgerade visionäre Geschichte sei nachfolgend erzählt!
In den letzten Schuljahren vor dem Abitur hatten wir einen Religionslehrer, bei dem pädagogische Neigung, Motivationsfähigkeit und persönliche Autorität jeweils unterhalb der Nachweisbarkeitsschwelle lagen, also allenfalls in homöopatischer Dosierung vorhanden waren. Theologisch sattelfest mag der Mann dagegen gewesen sein, was ihn erhobenen Hauptes sein Lehramt ausüben ließ: Die Aussicht auf einen Platz im Paradies ließ ihn sein Kreuz tragen, das Abhalten von Unterricht war für einen Mann seines Schlages zweifellos das persönliche Martyrium...
Um uns renitenten Schölern und subversiven Subjekten den Unterricht halbwegs erträglich zu gestalten, diente uns das Fach Religion naturgemäß in besonderem Maße dem Gedankenaustausch, wenn auch auf andere Weise als vom Lehrer vorgesehen: Wir schwätzten wie schnatterhafte Erstklässler und untergruben damit die ohnehin nicht vorhandene Autorität der armen Lehrkraft auf das Schamloseste. Immerhin bewiesen wir irgendwann ein Restmaß von Erziehung und Kinderstube, indem wir den geräuschbehafteten Diskurs verschriftlichten und allerlei Notizen auf Zettel (insbesondere auch auf Löschpapier) schrieben, die wir uns als Kassiber weitgehend lautlos zuschoben. Das blieb natürlich auch nicht unbemerkt, aber der Pädagoge ließ in ebenso stummer wie verzweifelter Komplizenschaft fürderhin uns in Ruhe und wir ihn.
Meine Mutter arbeitete damals im Büro eines Bauunternehmens und brachte mir von dort eines Tages ein paar unbenutzte Papierrollen mit, wie sie seinerzeit in elektromechanischen Tischrechnern weite Verwendung fanden: Eine neu beschaffte Rechenmaschine benötigte Protokollierpapier in einem anderen Format, wodurch der vorhandene Restbestand an Rollenware für die ausgemusterten Vorgängerin überflüssig geworden war. Man ahnt, wie es weiterging: Eines Tages hatte ich die gloriose Idee, das spätpubertäre Palaver der vom Religionsunterricht angeödeten Kindsköpfe von der Loseblattsammlung auf die Rolle zu bringen. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Das kuriose Teil wurde sofort allgemein akzeptiert und diente fürderhin als Grundlage der außercurricularen Kommunikation im Fach der katholischen Religionslehre.
Den einsatztechnischen Erfordernissen folgend, implementierten wir bald allerlei Verbesserungen: Sehr schnell wurde es beispielsweise unpraktisch, zu Beginn der Religionsstunde den bereits beschrifteten Teil der Rolle auf- und abzuwickeln, um bis zum unbeschrifteten Teil zu gelangen und dort weiterzumachen. Wir lösten das mit Wäscheklammern, die den bereits beschriebenen und zu einer neuen Wicklung gerollten Teil sicher zusammenhielten. Ferner erwies es sich vom Start weg als diffizil, auf zurückliegende Äußerungen zu rekurrieren und diese zu referenzieren, weswegen wir darauf verfielen, die Beiträge – rückwirkend bis zum Anfang – feinsäuberlich und gut erkennbar zu nummerieren.
Solcherart verfeinert, wurde das inzwischen auf den Namen »Kommunikationsrolle« getaufte Konstrukt nach Art indianischer Friedenspfeifen von einem Diskutanten zum anderen gereicht und nach schriftlicher Kommentarabgabe weitergegeben. Das Bild von der Friedenspfeife ist freilich insofern mißverständlich, als es Harmonie und Sittsamkeit im Umgang miteinander suggerieren mag. Von beidem indes konnte nicht die Rede sein: Wir verfaßten infantile Schmähtiraden aufeinander, die in dreieinhalb Dekaden Abstand erneut zu entziffern mitunter nachgerade peinlich ist. Auch das muß freilich als prophetische Vorwegnahme einer fernen Zukunft gelten, wie der Vergleich mit vielen virtuellen Diskussionsplattformen der Neuzeit anschaulich beweist!
Ein eineinhalb Jahre nach dem Abitur unter dem Namen »Meditationsrolle« aufgesetztes Folgeprojekt mit teilidentischem Teilnehmerkreis konnte an den Erfolg des Vorläufers nicht mehr anknüpfen: Zu weit auseinander lagen die Lebensentwürfe und die Wohnsitze der Schreiber, zu lange waren die Pausen und zu teuer das Porto im analogen Zeitalter. Geschadet hat uns übrigens diese sozialverträgliche Kanalisierung des juvenilen Kommunikationsbedürfnisses nicht: Der eine meiner regelmäßigen Co-Autoren hat später das mp3-Musikkompressionsverfahren maßgeblich (mit-)erfunden, der andere pilotiert Jumbo-Jets um den halben Globus, ein Gast-Autor (auch das gab es damals bereits) führt heute ein innovatives HighTech-Unternehmen an vorderster Front der Forschung. Ich selbst habe es ja immerhin bis zum zonebattler gebracht…
Wie die eingestreuten Fotos dokumentieren, habe ich die wertvollen Zeitzeugnisse bis heute aufbewahrt, möglicherweise in unterbewußter Antizipation ihrer späteren historischen Relevanz. Für eine adäquate Präsentation im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Dauerausstellung schwebt mir ein minimalistischer Museumsbau von etwa drei Metern Breite und Höhe sowie ca. 100 Metern Länge vor: In der Mitte des Raumes würden die entrollten Papierbahnen auf einer schmalen Mauerreihe von ca. 1,20 Metern Höhe unter Glas gezeigt und dem interessierten Publikum die Gelegenheit gegeben werden, sich vom verblaßten Anfang bis zum vergilbten Schluß durch die dadaistische Traktatensammlung zu lesen.
Neben eher banalen Aktivitäten wie Standortauswahl, Grundstückserwerb, Baugenehmigungsantrag, Trägervereinsgründung etc. bereiten mir derzeit noch die ungleich diffizileren Fragen konservatorischer, datenschutzrechtlicher und unternehmerischer Art einiges Kopfzerbrechen: Wie muß man die fragilen Exponate lagern, belichten und belüften, um sie auf Dauer der Nachwelt erhalten zu können? Muß man zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten eingestreute Eigennamen unkenntlich machen? Kriegt man für den gewinnorientierten Abverkauf im angegliederten Museumsshop heutzutage überhaupt noch Registrierkassen-Rollenpapier organisiert, welches eben nicht für Thermodrucker gedacht ist, sondern zur ambulanten Beschriftung mit Bleistift oder Kuli geeignet ist? Alles nicht so einfach! Die Personalfragen immerhin sind bereits geklärt: Die Stellen von Direktor, Kurator, Museumsführer, Hausmeister und Putzmann besetze ich in Personalunion alle selbst, Betriebsrat und Gleichstellungsbeauftragte wären damit schon konzeptionellerseits obsolet.
Sobald ich auf diese Fragen befriedigende Antworten gefunden habe, werde ich mich mit ganzer Kraft diesem noblen (und überdies künstlerisch außerordentlich wertvollen) Ausstellungsprojekt widmen und dieses Blog hier schließen. Selbstreferentielle Spielwiesen wie diese gibt es im digitalen Zeitalter mehr als genug: »Kommunikationsrolle« und »Meditationsrolle« als ihre analogen Vorläufer und Urahnen hingegen nur je einmal!
Montag, 29. August 2011
Das Biergartenwetter scheint zwar vorerst vorbei zu sein, dennoch lohnt der Blick in das neue Blog der fränkischen »Biergarten-Tester«: Die dortigen Rezensionen lesen sich erfrischend ehrlich und ungeschönt!
Mittwoch, 24. August 2011
In einer im dienstlichen Umfeld umlaufenden Fachzeitschrift entdeckte ich das Foto eines Güterzuges, der von einem »Krokodil« gezogen wurde, einer jener massigen Altbau-Elloks der Baureihe 194, die zu des zonebattler’s Lehrjahren tagtäglich durch Fürth (Bay) Hbf donnerten und damals einigen Eindruck auf ihn machten.
Der Text zum gestern erspähten Foto machte mich neugierig, und die anschließend recherchierten Hintergründe verdienen auch die Bewunderung meiner Leserschaft: Als 1‑Frau-Unternehmerin hat Barbara-Birgit Pirch zwei dieser jeweils knapp 120 Tonnen schweren Maschinen eigenhändig restauriert, mit denen sie jetzt im Kundenauftrag Güterzüge kreuz und quer durch die Lande zieht. Was bei einer Lokomotive aus den 1940er Jahren durchaus körperliche Schwerarbeit für die Frau im Führerstand bedeutet...
Die Financial Times Deutschland zeichnet unter dem Titel »Deutschlands kleinstes Bahnunternehmen« ein faszinierendes Bild dieser ungewöhnlichen Eisenbahnerin aus Leidenschaft, und wer sie in Aktion sehen möchte, sei auf ein YouTube-Video verwiesen. Hut ab vor der agilen Krokodil-Dompteuse!
Montag, 22. August 2011
Wenn sich das mit dem Trend zur Telepräsenz bewahrheiten und bis in meine Sphären vordringen sollte, dann kaufe ich mir sofort vom eigenen Salär einen zweiten Blechkameraden, der den Stellvertreter in der Firma fernsteuert (und dieser umgekehrt jenen). Und schwupps, haben die beiden Androiden den ganzen Tag zu tun und ich fürderhin meine schlau verdiente Ruhe bis zum Ruhestand!
Montag, 15. August 2011
Ich bin weder deprimiert noch depressiv, registriere mithin heute ohne Zorn und Verbitterung, daß ich über den Zenit meines Lebens hinaus bin (schon rein rechnerisch spricht alles dafür, obwohl ich durchaus kein Fall für das Buch der Rekorde wäre, wenn ich nochmal soviele Jahre lebte wie ich jetzt schon auf dem krummen Buckel habe). Die Sehkraft beginnt langsam nachzulassen (wiewohl ich immer noch mehr erspähe als die meisten anderen und meine Arme noch lang genug ausstrecken kann, um bedruckte Blätter weit genug zum unbebrillten Lesen von mir halten zu können), die benötigten Ruhephasen werden länger, ich nehme meinen Körper mitunter deutlicher (und ächzender) wahr als früher.
Nicht, daß ich schon echte Gebrechen hätte: Ich verdaue auch eher dubiose Buffets klaglos, von denen andere am Morgen danach das große Kotzen kriegen. Ich renne die 66 Stufen zu meiner realen Homezone mehrmals täglich rauf und runter, ohne nennenswert ins Schnaufen zu kommen. Mir tropft der Pimmel nicht und die Nase nur selten, ich mache mir keine Sorgen um Krebs, Diabetes und drohende Demenz. Aber ich spüre dennoch, daß es die Rampe runter geht, wenngleich noch in gemächlichem Tempo und nur unmerklich beschleunigend. Ich mache mir freilich keine Illusionen.
Indes, das geschärfte Bewußtsein für die eigene Endlichkeit hilft mir auch über manche Torheit hinweg: Ein Kratzer am Auto, von einem flüchtigen Idioten verursacht? Geschenkt! Die Zeiger der neuen Uhr sind um sechs und um zwölf Uhr nicht perfekt in Fluchtung bzw. Deckung? Sei’s drum! Der Schuber der vier edlen Leinenbände hat eine gestauchte Ecke? Na wenn schon! Der schon zu Kinderzeiten kultivierte (und reichlich überschärfte) Sinn für Perfektion im Detail ist mir zwar nicht völlig verloren gegangen, aber ich kann inzwischen ganz gut (und immer öfter) fünfe gerade sein lassen. Weil ich ja dermaleinst doch nix mitnehmen kann, weder ins Jenseits noch ins Nichts, was immer mich erwartet. Mit dem (ohnehin seit jeher vergeblichen) Bemühen um Perfektion im Hier und Jetzt geht mir interessanterweise auch die Angst vor dem Tod verloren, wenngleich nicht unbedingt die vor dem Sterben, zumal dem langsamen und qualvollen. Aber nachdem sich das Universum bislang fast immer schon mir geneigt gezeigt hat, bin ich auch in dieser Hinsicht guten Mutes.
Ich glaube, ich sehe der persönlichen Zukunft so entspannt entgegen wie nie zuvor. Das heißt nicht, daß ich nicht zuweilen arg unleidlich wäre, weil ich mich durch berufliche Kalamitäten gestreßt oder durch private Malaisen genervt fühle. Aber es wächst jenseits der Tageslaune doch eine entspannte Grundhaltung in mir heran, weil ich weder mir noch anderen noch der ganzen Welt was beweisen muß.
Ich muß auch nicht alles sehen, alles hören, alles wissen, überall mal gewesen sein: Ich kann vieles imaginieren, und wenn ich heute die Wahl habe zwischen einem bunten Feuerwerk im Stadtpark und einem kleinen Nickerchen auf der Couch, dann erscheint mir das Dösen auf dem Sofa nicht selten als die attraktivere Alternative. Was wiederum nicht heißt, daß mir die Neugier und die Lust auf Experimente abhanden gekommen wäre: Erst vorgestern bin ich mit einem Segway durch die Bamberger Altstadt gehoppelt und habe das sehr genossen. Neugier hält jung!
Wer jetzt ein allgemeingültiges Fazit oder auch nur ein kluges Resumee erwartet, den muß ich leider enttäuschen: Ich kenne kenne kein Patentrezept zum Umgang mit dem Alter, dem Verwelken, dem Tod. Ich denke freilich, daß man sich beizeiten ins Unabwendbare fügen und gelassen hinnehmen sollte, was ohnehin nicht zu ändern ist. Demut ist das Gebot der Stunde, und es ist ja auch irgendwo nicht nur tröstlich, sondern auch in Ordnung, daß man selbst – wie alles andere auf der Welt – dem Zyklus von Werden und Vergehen unterliegt. Ob danach noch was kommt oder nicht, ist Glaubenssache. Wenn man Mahlers Zwote hört, ist man geneigt, die Auferstehung als alternativlos anzusehen. Oder ist das letztlich nur eine – allzu menschliche – Illusion, aus Angst und Wunschdenken geboren? Man wird sehen (oder auch nicht). Ich jedenfalls bin durchaus auf das eigene Ende neugierig, aber es hat damit noch etwas Zeit...
Samstag, 30. Juli 2011
Für den Verein Medien PRAXIS e.V. suchen wir eine(n) kontaktfreudige(n) Vorstandskollegen/-kollegin aus Fürth oder der näheren Umgebung. Spaß an der Sache ist weit wichtiger als einschlägige Vorbelastung. Näheres dazu führen wir dort drüben aus...
Mittwoch, 27. Juli 2011
Die gute Etosha hat mich auf die grandiose Idee gebracht, es ihr gleichzutun und ein zweites Hirn zu errichten. Klar, es gibt Dienste wie Evernote, in die man alles kippen kann, was man vielleicht mal wieder hervorziehen möchte. Aber ich mag meine virtuellen Stoffsammlungen nicht irgendwelchen Dienstleistern anvertrauen, deren Geschäftsinteresse meinen Vertraulichkeitsbedürfnissen möglicherweise zuwiderläuft.
Darum bastele ich mir demnächst auch unter einer eigenen Adresse ein zweites Gedächtnis, in das ich alles an Quellen, Links, Anleitungen, Erkenntnissen etc. auslagere, was mir vielleicht in Zukunft nochmal hilfreich sein könnte. Das Projekt wird nicht geheim sein (damit ich Freunden, Kunden oder Bekannten bei Bedarf Links auf für sie relevante Artikel zuschicken kann), aber dennoch einigermaßen unsichtbar, da ich es nicht von Google & Co. indizieren lassen werde. Formal muß man sich bei so einem privaten Spickzettel weniger anstrengen, er ist ja nicht an die Öffentlichkeit gerichtet und dient nur der persönlichen Information. Struktur bringt man hinein über Filterkriterien wie Kategorien und Schlagworte, das ist weit praktischer als jedes Notizbüchlein und überdies unverlierbar.
In meinem persönlichen Alltag ist beruflich wie privat der schnelle Internet-Zugang stets gewährleistet, und wenn ich mal bewußt (wie beispielsweise im Urlaub) der Zivilisation temporär entfliehe, dann brauche ich auch mit großer Wahrscheinlichkeit nichts von dem, was ich mir virtuell gemerkt habe.
Doch, sowas ist eine feine Sache, und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fällt mir ein, was ich sinnvollerweise vom Palm-Organizer in eine Gedächtnisstütze auf WordPress-Basis transferieren könnte. Das ausgerechnet ich nicht längst selbst auf den Trichter gekommen bin!
Dienstag, 5. Juli 2011
Seit ich – womöglich altersbedingterhalber – vor wenigem Wochen zum Laster des (gemäßigten) Kaffeetrinkens gefunden habe, finde ich große Freude daran, die hierorts schon vor Jahren gewürdigte Büro-Kaffeemaschine werktäglich (außer Sa) mit Betriebsstoffen aufzufüllen (Wasser links, Kaffeebohnen rechts) sowie ihre Ausscheidungen (Trester unten, Tropfwasser ganz unten) fachmännisch zu entsorgen.
Ja wenn ich es recht bedenke, so finde ich auch im heimischen Haushalt große Befriedigung im Beschicken von Spülmaschine (Salz) und Kühlschrank (Milch) sowie im Entleeren von Staubsauger (Beutel) und Waschmaschine (Flusensieb). Was mag da wohl dahinterstecken? Eine diffuse Angst vor Kontrollverlust, das heroische (doch letztlich müßige) Auflehnen gegen die Entropie, ein rührender Versuch des Haltfindens in unsicherer Zeit?
Wie dem auch sei, ich kippe mir jetzt erstmal drei Kaffeesahne-Portionen und ebensoviele Zuckerstückchen in die bahnamtliche Diensttasse...
Montag, 20. Juni 2011
Wie es so bei Hempels unterm Sofa kreativen Leuten zu Hause und »auf Arbeit« ausschaut, kann man bei Freunde von Freunden und The Selby bewundern in fröhlicher Kongruenz von Exhibitionismus dort und Voyeurismus hier...
Sonntag, 29. Mai 2011
Den Geschmack von Puristen wird die Magdalena Gravity Küche ganz sicher treffen.
Mittwoch, 11. Mai 2011
Sonntag, 8. Mai 2011
Mein erster »richtiger« Mobilrechner, das vor einigen Wochen erworbene Netbook, bescherte mir zwar sogleich einige neue Freiheitsgrade (namentlich die drahtlose Netzanbindung und die Gelegenheit zum entspannten Arbeiten in semihorizontaler Lage vom bequemen Sofa aus), aber letztlich keine sensationell neue Erfahrung. Wie sollte es auch, die konzeptionelle Nähe zum stationären PC (gleiche Plattform, gleiches Werkzeug-Portfolio) war schließlich beabsichtigt; Inbetriebnahme und Nutzung des portablen Kameraden verliefen und verlaufen demzufolge so unspektakulär wie erhofft und erwartet.
Ganz anders hingegen gestaltet sich die »Liebesbeziehung« zu meiner neuesten Errungenschaft: Mit dem Kindle von Amazon holte ich mir jüngst einen charmanten Begleiter ins Haus, der mich sofort in Euphorie versetzte und mich tagtäglich aufs Neue zu begeistern vermag: Diese elektrische Buchprothese hat es wahrlich in sich! Meine neulich geäußerten Zweifel über die Sinnhaftigkeit eines solchen Gerätes haben sich sämtlich in Wohlgefallen aufgelöst...
Das unglaublich gut lesbare eInk-Display (welches man anfangs für eine bedruckte Dummy-Schutzfolie zu halten geneigt ist) mit dem gestochen scharfen Schriftbild ist die beste derzeit erhältliche Näherung an richtiges Papier, man kann darauf stundenlang ermüdungsfrei Traktate lesen, die einem beim Studium auf einem hinterleuchteten LCD längst üble Kopfschmerzen bereiten würden. Schriftart und ‑größe, Laufweite, Zeilenabstand, Block- oder Flattersatz, all das und mehr läßt sich so einstellen, wie man es zum unangestrengten Lesen als optimal empfindet. Das Hochkant-Format der Anzeigefläche ist mit einer (Taschen)buchseite vergleichbar, und da das drumherum gebaute Lesegerät sehr schlank und leicht gestaltet werden konnte, hat man auch das Gefühl, so etwas wie eine leichte Dünndruck-Ausgabe mit einer einzigen »Zauberseite« in Händen zu halten. Wer bildungsbürgerliche Dünkel hegt, die klassische Buch-Haptik bevorzugt oder sich nicht mit derlei neumodischen Gadgets in der Öffentlichkeit zeigen will, kann sein(en) Kindle mit bedruckten Folien (z.B. in Wurzelholzoptik) bekleben und es/ihn auch noch in edle Ledereinbände (gerne mit keltischen Ornamenten) verkleiden.
Doch zurück zu den nackten resp. unverkleideten Tatsachen: Das mit 139,00 EUR (in der reinen WLAN-Variante) nicht eben teure Gerät kann und will kein billigeres iPad sein, und ich persönlich wollte auch gar keinen Tablett-Tausendsassa haben: Mich würde ein Gerät mit allerlei eingebauten Versuchungen (Mailabruf hier, Spielchen da) nur allzuoft und allzuschnell vom konzentrierten Lesen ablenken. Meine papiernen Bücher bieten ja auch keine Sekundär-Divertimenti neben dem eigentlichen Text, und das ist gut und richtig so. OK, der / die / das Kindle bringt einen Webbrowser mit und kann nicht nur vorlesen, sondern nebenbei auch Musik abspielen, aber im Wesentlichen ist das Ding eben kein Universalapparillo, sondern ein spezialisiertes Ein-Zweck-Gerät.
Was kann man nun anfangen mit so einem neuartigen Gerät? Man kann zuförderst bei Amazon eBooks kaufen, die schon Sekunden später durch den Äther (via WLAN oder 3G-Mobilfunk) auf das Maschinchen gespielt werden und zur Lektüre verfügbar sind. Auch diverse Zeitungen und Magazine sind bereits in elektronischen Ausgaben erhältlich. Die Kaufabwicklung funktioniert ebenso simpel wie flott, ist angesichts des proprietären Datenformates gleichwohl nicht allen geheuer: Verfechter offener Dateiformate sehen hier eine ähnliche Gängelung des Benutzers und eine Fesselung an den Hersteller bzw. Vertreiber des Gerätes wie bei den Lifestyle-Produkten mit dem angebissenen Apfel-Logo.
Ich selbst sehe die Situation durchaus entspannt: Zum einen habe ich tatsächlich nicht vor, Geld in aktuelle Bestseller zu investieren (die ich hierzulande meist für den gleichen Betrag in materieller – und mithin leicht wieder verkauf- oder verschenkbarer – Papierform erwerben könnte). Die selbstauferlegte Beschränkung auf kostenlose Klassiker (sprich mittlerweile gemeinfreie Werke) kann mir ja schon weit mehr literarische Pretiosen in den Kindle-Speicher spülen, als ich zu meinen Lebzeiten jemals zu lesen imstande wäre. Zudem kann der / die / das Kindle sehr wohl mit allerlei offenen Formaten umgehen, mit einem universellen Konvertierungsprogramm wie calibre kriegt man so ziemlich alles auf das elegante Lesebrettchen, was frei von einem DRM-Kopierschutz ist. Und selbst den bekäme man mit einiger krimineller Energie weg und bräuchte dafür sein Gerät noch nicht einmal zu »jailbreaken«...
Nach einigen Tagen des Ausprobierens, Herumspielens und natürlich Lesens kann ich dem Apparat auch eine hervorragende Eignung zum Zeitungsersatz attestieren: Was ich bislang an Periodika auf meinen Palm-PDA transferierte und auf dessen Mini-Display häppchenweise zur Kenntnis nahm, strahlt mir jetzt kontrastreich und üppig dimensioniert vom Kindle-Display entgegen! Der bereits erwähnte Konvertier-Experte calibre versteht sich auf das skriptgesteuerte Aufbereiten von Newsfeeds in virtuelle Gazetten.
Die Ergebnisse sind nicht nur lesens‑, sondern auch durchaus sehenswert: In Rubriken einsortiert und über die Navigationswippe ansteuerbar, erscheint der gewünschte Artikel im Handumdrehen (bzw. im Daumendrücken) nach Sekundenbruchteilen auf dem Schirm. Als F.A.Z.-Fan habe ich das kostenpflichtige Kindle-Abo mit dem kostenlosen Extrakt des Feeds von FAZ.NET verglichen und sehe mich mit letzterem bestens bedient: Natürlich finden längst nicht alle Artikel und sonstigen guten Inhalte der käuflichen Ausgabe den Weg in die freie Website (und damit in den eBook-Leser), aber nachdem mir schon die kostenfreie Artikelauswahl weit mehr beschert, als ich in der mir dafür zur Verfügung stehenden Zeit tatsächlich lesen kann, bin ich’s zufrieden...
Mit dem passenden »Rezept« – wie die calibre-Skripte offiziell heißen – konnte ich mir auch allerlei archivierte Ausgaben von brand eins in das immaterielle Bücherregal stellen, womit ich hochkarätigen Lesestoff für Stunden, wenn auch nicht die Stunden zum Lesen geschenkt bekommen hätte...
Neben Büchern und Zeitungen kann man sich auch eigene Dokumente sowie PDF-Dateien auf das / den Kindle spielen. Die direkte Anbindung an den heimischen PC per USB-Kabel habe ich übrigens bis jetzt kaum je benutzt: Viel praktischer ist es, sich das gewünschte Schriftstück per Mail an die (selbst wählbare) eigene Adresse @kindle.com zu schicken: Nur Augenblicke später wird das von Amazon passend zugerichtete Dokument still, stumm und drahtlos auf den eBook-Reader »gebeamt«. Und schon kann man sich auf dem Balkon selbst bei prallem Sonnenschein gemütlich zum Lesen niederlassen:
Die geneigte Leserschaft wird längst bemerkt haben, daß ich persönlich am Kindle in seiner aktuellen (=dritten) Inkarnation wenig auszusetzen habe. Natürlich gilt hier wie überall, daß alles auch seine Schattenseiten hat. Die meisten davon (englische Benutzeroberfläche, noch nicht alle Ansprüche befriedigendes Angebot an deutschsprachigem Lesestoff, dessen Preisgestaltung durch die Verlage, Formatvielfalt, Kopierschutz) werden sich vermutlich im Lauf der Zeit von selbst erledigen. Amazon selbst ist einer der ganz großen Player im Geschäft mit Büchern, welcher durchaus das Zeug (und die Marktmacht) hat, das bisherige Nischenthema eBook zu einem globalen Renner zu machen. Es bleibt spannend!
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Leider arten viele Diskussionen über das Thema eBook in herbe Schlagabtäusche von Extremmeinungs-Verfechtern aus: Die einen wähnen in bedruckten Seiten aus totem Holz ein obsoletes Auslaufmodell, die anderen sehen das Ende aller abendländischen Kultur nahen, wenn man die sinnlichen Werte eines »richtigen« Buches einem schnöden Elektronikkasten zuliebe zu opfern bereit ist. Dabei kann man doch das eine tun (eBooks lesen), ohne das andere zu lassen (schöne Materie kaufen). Ohne daß sich dann die Erde auftäte und einen verschlänge! Das freilich scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben...
Süßer und scharfer Senf: