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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 11. November 2018

Som­mer in Sie­ben­bür­gen (2)

Man soll­te ja mei­nen, daß ei­nem wäh­rend ei­nes na­tur­nah ver­brach­ten Ur­laubs auf dem Lan­de pri­mär quer­for­ma­ti­ge Mo­ti­ve vor die Lin­se kom­men. Tat­säch­lich muß der zone­batt­ler aber ver­blüfft kon­sta­tie­ren, daß er sel­ten so vie­le Hoch­for­mat-Auf­nah­men mit nach Hau­se ge­bracht hat wie aus der Som­mer­fri­sche in Ru­mä­ni­en! Das liegt na­tür­lich zu­för­derst an den mehr­fach er­wähn­ten, je­doch bis da­to in die­ser Rei­se-Re­pri­se nicht ge­zeig­ten Kir­chen­bur­gen und son­sti­gen Hoch­bau­ten der fo­to­ge­nen Sor­te. Ein weit­hin be­rühm­tes Mo­tiv ist der Stund­turm von Sig­hișo­ara ali­as Schäß­burg, und der schaut nun wirk­lich so aus, wie sich der ge­mei­ne Vam­pir-Fan die per­fek­te Ku­lis­se für nächt­lich-gru­se­li­ges Trei­ben vor­stellt:

Stundturm mit vorgelagerter Torburg in Sighișoara (Schäßburg)

Sig­hișo­ara ist ein mar­kan­tes Bei­spiel für ei­nen an sich sehr schö­nen Ort (das hi­sto­ri­sche Zen­trum ge­hört seit 1999 zum UNESCO-Welt­kul­tur­er­be), wel­cher je­doch durch tou­ri­sti­sche Heim­su­chung – an­geb­lich bis mög­li­cher­wei­se wur­de Vlad Țe­peș (Vlad III. Dră­cu­lea, der Pfäh­ler) hier vor rund 600 Jah­ren ge­bo­ren – ei­ni­ges von sei­nem na­tür­li­chen Charme ein­ge­büßt hat. Die hei­mi­sche Wirt­schaft und auch Tei­le der Ga­stro­no­mie ma­chen sich den Dra­cu­la-Ho­kus­po­kus zu­nut­ze, um mit mil­dem Gru­sel Pu­bli­kum und Gä­ste an­zu­locken. Wirk­lich gru­se­lig sind in­des die al­ler­or­ten feil­ge­bo­te­nen Sou­ve­nirs aus fern­öst­li­cher Pro­duk­ti­on: Bei de­ren An­blick wür­de sich der ori­gi­na­le Graf Dra­cu­la (so es ihn denn gä­be) wohl selbst schau­dernd ab­wen­den...

Wir wen­den uns nicht ab, son­dern wei­ter­hin zu, und zwar wei­ter­hin den auf­rech­ten Zeu­gen der lan­des­spe­zi­fi­schen Ar­chi­tek­tur! Hier se­hen wir die mu­ster­gül­tig in­stand­ge­hal­te­ne, evan­ge­li­sche Kir­che zu Mălân­crav (Malm­krog):

Evangelische romanische Kirche von Mălâncrav (Malmkrog)

Wir wa­ren dort zwecks Be­suchs ei­nes klei­nen trans­sil­va­ni­schen Klas­sik-Mu­sik­fe­sti­vals, des­sen Aus­füh­ren­de samt Troß zur Zeit un­se­rer Vi­si­te in der Ge­gend un­se­res Wei­lens her­um­tin­gel­ten. Gleich ne­ben der ro­ma­ni­schen Kir­che gibt es in Mălân­crav ein un­ga­ri­sches Adels­schloß, in wel­chem die jun­gen Mu­si­ker ihr Kön­nen de­mon­strier­ten. Da­von gibt es hier lei­der kei­ne Bil­der zu se­hen, aus Dis­kre­ti­ons­grün­den eben­so wie aus mei­ner al­ters­be­dingt zu­neh­men­den Nei­gung, kul­tu­rel­le Hö­he­punk­te im Mo­ment ih­res Ent­ste­hens sinn­lich zu ge­nie­ßen statt sie mit letzt­lich un­taug­li­chen Mit­teln ir­gend­wie kon­ser­vie­ren zu wol­len. Ei­ne Kir­che läuft ei­nem nicht weg (al­len­falls tut es mit­tel­fri­stig das pas­sen­de Licht), da­her konn­te der ein­drucks­vol­le Sa­kral­bau dann stell­ver­tre­tend für das Ge­samt­erleb­nis sei­nen Weg durch das Ob­jek­tiv und letzt­lich hier hin­ein in des Be­richt­erstat­ters Blog fin­den...

Ein klei­ner Sprung durch Zeit und Raum bringt uns nach Copșa Ma­re oder auch Groß-Ko­pisch, ei­nem recht idyl­li­schen Ort öst­lich von Bier­tan (Birt­hälm), den wir von dort aus er­wan­dert ha­ben. Vor­bei an Brun­nen, klei­nen Ka­ten, ki­chern­den Kin­dern und kläf­fen­den Kö­tern über­wan­den wir zu siebt (vier Er­wach­se­ne, zwei Kin­der, ein bra­ver Hund) ei­nen Hö­hen­zug, um schließ­lich nach dem Kon­sum von Eis und kal­ten Ge­trän­ken aus dem win­zi­gen Dorf­la­den vor dem na­tür­lich auch hier vor­han­de­nen Turm ei­ner Kir­chen­burg zu ste­hen:

Turm der Pfeilerbasilika in Copșa Mare (Groß-Kopisch)

Der ru­mä­ni­sche Burg­wäch­ter (des­sen Frau wohl mit der Ein­sam­keit und der zäh da­hin­flie­ßen­den Zeit in der sie­ben­bür­gi­schen Pro­vinz we­ni­ger zu­frie­den war als der ihr recht­mä­ßig zu­ge­mu­te­te Schlüs­sel­be­wah­rer) hat­te uns die Kir­che auf­ge­sperrt und sie uns dann zur ei­ge­nen Er­for­schung über­las­sen (viel zu er­klä­ren hät­te er wohl oh­ne­hin nicht ver­mocht, die Ge­schich­te der Sie­ben­bür­ger Sach­sen ist ja nicht die sei­ne). Al­so er­klom­men wir (ab­ge­se­hen von Frie­da, der läs­si­gen La­bra­do­rin) den Turm der Kir­che. Über höl­zer­ne »Hüh­ner­lei­tern« hin­auf und über hau­fen­wei­se Tau­ben­kot hin­weg bis zu den gro­ßen Glocken. Al­les völ­lig un­be­auf­sich­tigt und un­ter Be­gleit­um­stän­den, die es da­heim in Deutsch­land de­fi­ni­tiv so nir­gends mehr gibt. Da wä­re so ein Turm we­gen Bau­fäl­lig­keit ver­ram­melt und ver­rie­gelt. [1] [2]

Mit­ten in frem­den Lan­den Glocken mit deut­scher In­schrift zu se­hen fühlt sich an­fangs schon ein we­nig merk­wür­dig an, zu­mal auch die an­de­ren Be­schrif­tun­gen in der Kir­che, ver­staub­te Ge­sang­bü­cher und son­sti­gen ge­druck­ten Hin­ter­las­sen­schaf­ten sämt­lich auf Deutsch ver­faßt sind. Schnell wer­den da As­so­zia­tio­nen an apo­ka­lyp­ti­sche End­zeit-Ge­schich­ten ge­weckt, mit­un­ter kommt man sich in den ent­le­ge­ne­ren Kir­chen tat­säch­lich wie der letz­te Mensch auf Er­den vor. Man ge­wöhnt sich na­tür­lich dar­an, aber es ist schon ei­gen­ar­tig, sich das jahr­hun­der­te­lan­ge Ne­ben­ein­an­der von Ru­mä­nen, Sie­ben­bür­ger Sach­sen und an­de­ren Volks­grup­pen vor­zu­stel­len, die al­le ziem­lich kon­se­quent un­ter Ih­res­glei­chen blie­ben, statt sich lang­fri­stig zu ei­nem Volk zu ver­men­gen...

Die Kirchenburg von Copșa Mare aus der Distanz

Der Blick zu­rück auf Copșa Ma­re und sei­ne Kir­chen­burg zeigt ei­ne ver­meint­li­che Idyl­le, die ty­pisch ist für Sie­ben­bür­gen, je­nem Land­strich in der Mit­te Ru­mä­ni­ens, in der die Ver­gan­gen­heit noch über­all of­fen zu Ta­ge liegt. Die­se zu Fuß zu er­wan­dern und zu er­kun­den ist un­gleich be­frie­di­gen­der als das Hin­ge­fah­ren­wer­den im Rei­se­bus mit je­weils 20 Mi­nu­ten Knips- und Pin­kel­pau­se vor der Wei­ter­fahrt zur näch­sten Se­hens­wür­dig­keit! Der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te wa­ren sich je­den­falls ei­nig: Lie­ber ei­ne Hand­voll in­ten­siv in­spi­zier­ter Kir­chen­bur­gen in der Er­in­ne­rung be­hal­ten als zwei Dut­zend nur en pas­sant fo­to­gra­fier­te hin­ter­her kaum noch zu­ord­nen zu kön­nen.

Wenn wir nach un­se­ren täg­li­chen Ex­kur­sio­nen wie­der »da­heim« in Ri­chiș an­ge­kom­men wa­ren, ga­ben wir uns fast je­den Abend der Sü­ße des Mü­ßig­gan­ges hin, mach­ten erst ein klei­nes Nicker­chen, nick­ten an­schlie­ßend den im­mer­glei­chen Sta­ti­sten vor der Dorf­bar zu und lie­ßen uns über­ra­schen von dem, was uns so vor die Au­gen kam. Ei­ne er­staun­li­che Ent­deckung wa­ren akri­bisch ge­führ­te, prä-ex­ce­li­ti­sche Ta­bel­len aus den 1920er Jah­ren, in de­nen in schön­ster Hand­schrift fest­ge­hal­ten war, wer in wel­chem Haus des Dor­fes wohn­te und wie­viel Stück Vieh und »Zün­der« be­saß:

Historische Dokumente, von Unwissender zum Verkauf feilgeboten

Der amt­li­che Cha­rak­ter der Do­ku­men­te war of­fen­kun­dig, der aus ih­nen wa­bern­de Geist des deut­schen Be­rufs­be­am­ten­tums eben­so. In­des war die ehe­dem ger­ma­ni­sche Grund­ord­nung der Ero­si­on preis­ge­ge­ben: Ei­ne im ehe­ma­li­gen Pfarr­haus ein­ge­mie­te­te Zi­geu­ne­rin [2] hat­te die Ar­chi­va­li­en am Dach­bo­den ge­fun­den und kur­zer­hand zu le­gi­ti­mer Mar­ke­ten­der­wa­re er­klärt in der Hoff­nung, die ih­rem Ver­ständ­nis ver­schlos­sen blei­ben­den Schrift­stücke an Tou­ri­sten wie uns ver­hö­kern zu kön­nen. Der Ge­winn liegt be­kannt­lich im Ein­kauf, und bei weg­ge­fun­de­nen An­ti­qui­tä­ten mit Ein­stands­preis Null wä­re auch der be­schei­den­ste Er­lös als Ge­winn zu ver­bu­chen. Daß da­mit hi­sto­ri­sche Er­kennt­nis­se und Kon­tex­te un­wie­der­bring­lich da­hin sind, hat schon alt­ägyp­ti­sche Grab­räu­ber nicht ge­stört, was woll­te man da von ei­ner sim­pel ge­strick­ten und mut­maß­lich kaum bis we­nig ge­bil­de­ten Land­frau er­war­ten? Wir ha­ben je­den­falls nichts ge­kauft von ih­rer pa­pie­re­nen Beu­te, um der­lei Tun nicht auch noch zu er­mu­ti­gen...

Ein neu­er Tag, ein neu­es Aben­teu­er: Statt die gut vier Stra­ßen­ki­lo­me­ter nach Bier­tan mit der Nach­barn Fahr­rä­der zu er­stram­peln, zo­gen wir zu Fuß los, um nach Über­que­rung des näch­sten grö­ße­ren Ge­län­de­buckels in ei­nem par­al­lel ver­lau­fen­den Tal zum Nach­bar­ort zu mar­schie­ren. Auf stark aus­ge­spül­ten Wirt­schafts­we­gen ging es zu­nächst forsch berg­an, und im­mer wie­der gab es ei­nen Grund an­zu­hal­ten, um sich Fau­na und Flo­ra nä­her zu be­se­hen. Mei­ne Gü­te, dach­te sich der schwit­zen­de Chro­nist bei ei­ner die­ser Ge­le­gen­hei­ten, wie lan­ge hast Du schon kei­nen Schwal­ben­schwanz mehr ge­se­hen? Und die­ser präch­ti­ge Flat­ter­mann hier po­siert ge­ra­de­zu keck vor Dei­ner Ka­me­ra und will par­tout im Bil­de fest­ge­hal­ten wer­den! Na gut, man ist ja be­tö­ren­den Schön­hei­ten je­der­zeit ger­ne und eil­fer­tig zu Dien­sten:

Sich sonnender Schwalbenschwanz

Auch we­ni­ger au­gen­fäl­lig her­aus­ge­putz­te Sechs­bei­ner ha­ben wir in gro­ßer Zahl und Viel­falt an­ge­trof­fen. Tat­säch­lich wird ei­nem durch das all­ge­gen­wär­ti­ge Ge­wim­mel und Ge­sum­me in Sie­ben­bür­gens Wald und Flur erst so recht vor Au­gen und Oh­ren ge­führt, daß das viel­zi­tier­te In­sek­ten­ster­ben in Deutsch­land und Zen­tral­eu­ro­pa kei­ne hoh­le Pa­nik­ma­che, son­dern längst be­droh­li­che Rea­li­tät ist. Da kann man nur hof­fen, daß Mo­no­kul­tu­ren und Che­mie­kon­zer­ne nicht auch noch Ost­eu­ro­pas Öko­sy­ste­me auf Dau­er ver­ar­men las­sen...

Im drü­bi­gen Tal be­gann dann er­staun­li­cher­wei­se ei­ne wun­der­bar aus­ge­bau­te und prä­zi­se asphal­tier­te Stra­ße im fak­ti­schen Nichts: Kein Ort, kein Haus, kein son­sti­ger er­sicht­li­cher Grund, war­um ei­ne Stra­ße die­ser Gü­te just hier be­gin­nen oder en­den soll­te! Es ging ein­fach los und aus dem stau­big-san­di­gen Wirt­schafts­weg in the midd­le of nowhe­re wur­de von ei­nem Schritt zum näch­sten ei­ne per­fekt mar­kier­te Fahr­bahn:

Mit EU-Mitteln erbaute Asphaltstraße im Nirgendwo

Ki­lo­me­ter­lang ging es so vor­an, selbst­re­dend mit glän­zen­den neu­en Stopp­schil­dern an al­len ein­mün­den­den We­gen, de­nen man ge­trost ei­ne durch­schnitt­li­che Ver­kehrs­dich­te von 1,5 Fuhrwerken/Woche un­ter­stel­len darf. Als er­fah­re­ne In­sel­rei­sen­de ahn­ten wir die Hin­ter­grün­de na­tür­lich schon lan­ge, be­vor wir am Orts­ein­gang von Bier­tan un­ser Wäh­nen auf ei­ner gro­ßen In­for­ma­ti­ons­ta­fel be­stä­tigt sa­hen: Im Rah­men ei­nes vom Land mit 0 EUR, aber von der Eu­ro­päi­schen Uni­on mit knapp 1.000.000 EUR ge­för­der­ten In­fra­struk­tur­pro­jekts wur­de hier ein Stück Fort­schritts auf (nicht et­wa in) den Sand ge­setzt, auf den die Be­tei­lig­ten mäch­tig stolz sind. Man mag sich fra­gen, ob man mit dem Geld nicht bes­ser die im­mer noch un­be­fe­stig­ten Staub­stra­ßen in­ner­halb des nicht ganz un­be­deu­ten­den Städt­chens Bier­tan hät­te asphal­tie­ren kön­nen. Man mag sich fer­ner dar­über echauf­fie­ren, daß der eu­ro­pä­isch-fö­de­ra­le Geld­re­gen im­mer nur Neu­es kurz­fri­stig er­blü­hen läßt, zu des­sen lau­fen­der Un­ter­hal­tung da­nach aber kei­ne Mit­tel mehr da sind, wes­halb die Na­tur sich un­ver­züg­lich an­schickt, sich al­les wie­der lang­sam zu­rück­zu­er­obern. Hilft aber al­les nix: Wenn die ei­nen schlau ge­nug sind, form­ge­rech­te För­der­an­trä­ge zu stel­len, und die an­de­ren sich nicht mit dem Pa­pier­krieg be­fas­sen wol­len, dann fließt das Geld halt zu den Ge­wief­te­ren, auch ganz oh­ne Kor­rup­ti­on. Die es dem Ver­neh­men nach in Ru­mä­ni­en aber auch noch in rei­cher Aus­wahl ge­ben soll...

Kurz vor Bier­tan und in Sicht­wei­te be­sag­ter In­fo­ta­fel geht der Asphalt wie­der in Sand und Staub über, was für ein orts­üb­li­ches Ve­hi­kel mit zwei PS ja auch den al­le­mal stim­mi­ge­ren Un­ter- und Hin­ter­grund ab­gibt:

Pferdefuhrwerk am Ortsrand von Biertan (Bierthälm)

Die To­po­gra­phie der von uns be­rei­sten und in­spi­zier­ten Dör­fer folgt meist dem glei­chen Sche­ma: In­nen die so­li­den Hö­fe und Häu­ser der Sie­ben­bür­ger Sach­sen, drum­her­um die ein­fa­che­ren und klei­ne­ren Häus­chen der Ru­mä­nen, drau­ßen an der Pe­ri­phe­rie die schä­bi­gen Hüt­ten bis un­wür­di­gen Ver­schlä­ge der Ro­ma und an­de­rer un­ter­pri­vi­le­gier­ter Volks­grup­pen. Mit dem Ex­odus der deutsch­stäm­mi­gen Be­völ­ke­rung, al­so nach der Aus­wan­de­rung der mei­sten Sie­ben­bür­ger Sach­sen, hat sich das »Va­ku­um« bald durch Nach­zug von au­ßen ge­füllt. Dar­über gä­be es vie­les zu le­sen und auch zu schrei­ben, hier sei nur fest­ge­hal­ten, daß na­tür­lich auch heu­te noch (oder wie­der) die bes­ser Ge­stell­ten die ge­die­ge­ne­ren Häu­ser im Orts­kern be­woh­nen und die Ar­men drau­ßen in den Bei­na­he-Slums hau­sen...

So, dann wol­len wir mal nach die­sen Be­trach­tun­gen mit we­ni­gen wei­te­ren Schrit­ten end­lich das Ziel un­se­rer Wan­de­rung er­rei­chen und so­zu­sa­gen »von hin­ten rein­kom­mend« die gran­dio­se Kir­chen­burg von Birt­hälm er­spä­hen:

Die Kirchenburg von Biertan (Birthälm)

Im 16. Jahr­hun­dert er­baut und von ei­ner drei­fa­chen Ring­mau­er um­ge­ben, ist die­ser trut­zi­ge Got­tes­haus­kom­plex ge­ra­de­zu der In­be­griff ei­ner Sie­ben­bür­gi­schen Kir­chen­burg und hät­te be­ste Aus­sich­ten auf ei­nen der vor­der­sten Plät­ze in ei­nem hier­mit ima­gi­nier­ten Ran­king der Präch­tig­sten ih­rer Art! Über die Bau­ge­schich­te und die rei­che In­nen­aus­stat­tung mö­ge sich die in­ter­es­sier­te Le­ser­schaft im oben ver­link­ten Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel in­for­mie­ren. Der En­des­un­ter­fer­tig­te be­läßt es für heu­te beim Hin­weis auf ein wun­der­ba­res Fo­to der Kir­chen­burg zu Birt­hälm, in des­sen Hin­ter­grund et­was zu se­hen ist, was un­be­darf­te Be­ob­ach­ter viel­leicht gar nicht auf An­hieb er­ken­nen und rich­tig ein­ord­nen kön­nen: Die Re­de ist von den Ter­ras­sie­run­gen, die heu­te sinn­los er­schei­nen mö­gen, aber auf die frü­he­re Nut­zung des Han­ges als Wein­berg hin­wei­sen. Da­von wird in den näch­sten Fol­gen die­ses Rei­se-Rap­ports noch die Re­de sein, für heu­te sei es nun­mehr ge­nug. Fort­set­zung folgt!

 
[1] Wo­bei sich der Be­richt­erstat­ter dun­kel dar­an er­in­nert, in Thü­rin­gen kurz nach der Wen­de im Rah­men ei­nes In­spek­ti­ons­be­su­ches auch schon mal ei­nen bau­fäl­li­gen Kirch­turm un­ter ver­gleich­bar ver­we­ge­nen Rah­men­be­din­gun­gen er­klom­men zu ha­ben. Was in der Ex-DDR mit dem Mau­er­fall zu En­de ging, ist im Ru­mä­ni­en der Jetzt­zeit hier und da noch ge­gen­wär­tig – im Gu­ten wie im Schlech­ten.

[2] Lei­der hat der lan­ge Zeit un­kon­trol­lier­te Zu­gang zu den ver­las­se­nen Kir­chen­bur­gen die­sen oft schwer zu­ge­setzt durch Plün­de­rung und Van­da­lis­mus. Die einst nicht un­be­dingt au­ßer­or­dent­lich präch­ti­ge, si­cher­lich je­doch or­dent­li­che Or­gel der Kir­che von Copșa Ma­re ist ge­gen­wär­tig in de­so­la­tem Zu­stand: Vie­le ih­rer Pfei­fen wur­den von Me­tall­die­ben grob her­aus­ge­ris­sen und ab­trans­por­tiert, wo­mit das nun nicht ein­mal mehr aus dem »letz­ten Loch« pfei­fen­de In­stru­ment jen­seits al­ler rea­li­sti­schen Hoff­nun­gen auf Re­pa­rier­bar­keit zum trau­ri­gen Sperr­müll­hau­fen de­gra­diert wor­den ist...

[3] Mit die­ser orts­üb­li­chen Ty­pi­sie­rung ist durch­aus kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung be­ab­sich­tigt, die Ro­ma in Ru­mä­ni­en be­zeich­nen sich mit­un­ter ja selbst als ți­ga­ni. Der all­zeit auf Kom­ple­xi­täts­re­duk­ti­on be­dach­te zone­batt­ler dif­fe­ren­ziert un­ge­ach­tet eth­ni­scher Her­kunft, Ge­schlecht, Haut­far­be und Na­sen­län­ge stets nur nach ihm sym­pa­thi­schen und ihm un­sym­pa­thi­schen Men­schen. Das hat sich je­der­zeit und je­den­falls be­währt und reicht zum Be­strei­ten des All­tags­le­bens auch al­le­mal aus.

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Montag, 10. September 2018

Som­mer in Sie­ben­bür­gen (1)

Ich hat­te ja schon un­längst un­ter dem rei­ße­ri­schen Ti­tel »Schau­ri­ge Schön­hei­ten« ein paar schwarz­ge­weiß­te Fo­tos aus dem heu­ri­gen Ur­laub als Ap­pe­tit­an­re­ger ge­zeigt. Heu­te nun soll end­lich et­was Far­be in die Er­in­ne­run­gen an ei­ne wun­der­ba­re Rei­se ge­bracht wer­den. Gleich vor­ne­weg: Auch wenn in Trans­sil­va­ni­en ali­as Sie­ben­bür­gen man­cher­orts mit ab­stru­sen Dra­cu­la-Le­gen­den ver­sucht wird, den Tou­ris­mus zu be­feu­ern [1], die Rea­li­tät ist eher bunt als dü­ster und Blut­sauger gibt’s dort wie hier wohl pri­mär im Fi­nanz­ge­wer­be. Den­noch muß er­neut zu­ge­ge­ben wer­den, daß wir Ru­mä­ni­en oh­ne die An­re­gung durch un­se­re be­freun­de­te und bi­lin­gua­le Nach­ba­rin Al­mut S. wohl nie­mals ernst­haft als Rei­se­ziel er­wo­gen hät­ten: Ein paar un­ve­ri­fi­zier­te Vor­ur­tei­le hat man halt doch ir­gend­wie im Hin­ter­kopf ge­habt...

Be­sag­te Nach­ba­rin war nun schon ei­ne gu­te Wo­che vor uns im Au­to mit Mann, zwei Töch­tern, ei­nem Hund und al­ler­lei Haus­rat los­ge­fah­ren, der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te flo­gen spä­ter mit nur ei­nem ein­zi­gen Kof­fer be­la­den hin­ter­her. [2] Am Flug­ha­fen von Si­biu (Her­mann­stadt) [3] ver­ei­nig­te sich die Für­ther Nach­bar­schaft und steu­er­te das et­wa 80 km ent­fern­te Ri­chiș (Rei­ches­dorf) an:

Richiș (Reichesdorf) im Kreis Sibiu (Hermannstadt) / Gemeinde Biertan (Birthälm)

Un­se­re Nach­barn wa­ren dort nicht zum er­sten Mal (wir jetzt ver­mut­lich auch nicht letzt­mals) und führ­ten uns in die ört­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten ein. Wo­bei sich das Dorf­le­ben sehr über­sicht­lich dar­stell­te und der Auf­ent­halt dort ent­spre­chend ent­span­nend und ent­schleu­ni­gend. Zur Ge­schich­te Sie­ben­bür­gens ist zu­sam­men­fas­send zu sa­gen, daß dort mehr als 850 Jah­re lang Ru­mä­nen, Un­garn, Zi­geu­ner, Ju­den und deut­sche Ein­wan­de­rer fried­lich ne­ben­ein­an­der her leb­ten – zwar in weit­ge­hend ge­schlos­se­nen Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten, aber eben mit Re­spekt vor den je­weils an­de­ren und sich nicht ge­gen­sei­tig an die Gur­gel ge­hend. In­so­fern kann die Ge­gend als leuch­ten­des Bei­spiel für die prin­zi­pi­el­le Mög­lich­keit ei­ner weit­ge­hend fried­li­chen Ko­exi­stenz ver­schie­de­ner Volks­grup­pen, Eth­ni­en und Re­li­gio­nen die­nen. [4]

Heu­te sind die Spu­ren der deut­schen Be­sied­lung der Ge­gend noch un­über­seh­bar, die Sie­ben­bür­ger Sach­sen selbst al­ler­dings nur noch in ho­möo­pa­thi­scher Do­sie­rung an­säs­sig: In zwei gro­ßen Aus­wan­de­rungs­wel­len in den 1970ern und nach 1990 sind die von gro­ßem Zu­sam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühl ge­präg­ten Ru­mä­ni­en­deut­schen aus Sie­ben­bür­gen nach Deutsch­land ge­schwappt und kom­men heu­te über­wie­gend nur als »Som­mer­sach­sen« im Ur­laub wie­der für ein paar Wo­chen zu­rück ins Land ih­rer Vä­ter und der ei­ge­nen Ver­gan­gen­heit. Na­tür­lich auch nach Ri­chiș, wo wir er­staun­lich vie­le Au­tos mit deut­schen Kenn­zei­chen aus un­se­rer Re­gi­on sa­hen (FÜ, N, ER, SC, AN, ...). So sieht es in die­sem ty­pi­schen Stra­ßen­dorf aus:

Typische Häuser der Siebenbürger Sachsen

An der wech­seln­den Fas­sa­den­far­be er­kennt man so­fort den im­mer wie­der­keh­ren­den Rhyth­mus aus Hof­ein­fahrt und Wohn­haus, der das stra­ßen­sei­ti­ge Er­schei­nungs­bild der Sie­ben­bür­gisch-Säch­si­schen An­we­sen be­stimmt. [5] Nach hin­ten ge­hen die Grund­stücke sehr in die Tie­fe und oft noch den Hang hin­auf, so daß bei re­la­tiv schma­ler Stra­ßen­front viel Platz für Scheu­nen, Wirt­schafts­ge­bäu­de, Stäl­le und Nutz­gär­ten war. In­ter­es­sier­te Le­se­rIn­nen mö­gen sich das mal ver­mit­tels Goog­le Earth aus der Luft an­schau­en, die hand­tuch­schmal er­schei­nen­den Grund­stücke fal­len auf den er­sten Blick ins Au­ge.

Was man lei­der auch sehr schnell re­gi­striert, sind die Spu­ren der Ver­nach­läs­si­gung, ja auch des Ver­falls, dem die al­ten Häu­ser und Ein­rich­tun­gen seit dem Aus­zug ih­rer letz­ten deutsch­stäm­mi­gen Be­sit­zer aus­ge­setzt sind: Auch wenn sich zwi­schen­drin ei­ni­ge schö­ne Bei­spie­le von be­hut­sa­mer In­stand­set­zung und Re­no­vie­rung fin­den (na­ment­lich in Ri­chiș ha­ben sich groß­stadt­mü­de Men­schen aus den Nie­der­lan­den, Bel­gi­en, Frank­reich, Eng­land, Deutsch­land und sonst­wo­her recht preis­wert ein­ge­kauft), so sind doch lei­der vie­ler­orts et­li­che An­we­sen leer­ste­hend und in be­kla­gens­wer­tem Zu­stand. [6] Im­mer­hin, in Ri­chiș sieht es auf der Haupt­stra­ße auch in der an­de­ren Rich­tung noch (oder wie­der) ganz ge­die­gen aus:

Typische Häuser der Siebenbürger Sachsen

Daß auf den bei­den vor­an­ge­gan­ge­nen Fo­tos nur ein Au­to und ein Mo­tor­rol­ler zu se­hen sind, hat nichts mit be­schau­li­chem Wo­chen­en­de oder ver­kehrs­ar­men Ta­ges­rand­zei­ten zu tun: Der mo­to­ri­sier­te In­di­vi­du­al­ver­kehr ist auf dem Lan­de noch sehr über­schau­bar, höl­zer­ne Fuhr­wer­ke mit ei­ner ein­zi­gen Pfer­de­stär­ke vor­ne dran sieht man dort öf­ter als be­reif­te Bür­ger­kä­fi­ge aus Blech. Auch das ein Grund, war­um uns die Som­mer­fri­sche in Sie­ben­bür­gen sehr ge­fal­len hat.

Ein wei­te­rer Grund wa­ren die Be­geg­nun­gen mit ent­spann­ten Men­schen, sei­en es al­te Sach­sen, sei­en es jun­ge Ru­mä­nen. Wäh­rend wir mit den erst­ge­nann­ten gut auf Deutsch über die frü­he­ren Zei­ten plau­dern konn­ten, konn­ten wir uns bei den zweit­ge­nann­ten mit Eng­lisch be­hel­fen. Al­ler­dings kann die völ­ker­ver­stän­di­gen­de Eis­bre­cher-Rol­le un­se­rer »Dol­met­sche­rin« Al­mut nicht stark ge­nug be­tont wer­den, oh­ne de­ren Sprach­kennt­nis­se uns man­che Tür ver­schlos­sen und man­ches Er­leb­nis ver­wehrt ge­blie­ben wä­re. Weit­ge­hend wort­lo­ses Ein­ver­neh­men zum bei­der­sei­ti­gen Plai­sir be­stand (wie al­ler­orts) zwi­schen dem zone­batt­ler und sei­nen vier­bei­ni­gen Freun­den. Hier se­hen wir Ent­span­nungs­übun­gen von Herrn Paul­chen, der uns wäh­rend un­se­res Auf­ent­hal­tes ans Herz ge­wach­sen ist und den wir nur un­ter Seuf­zen zu­rück­ge­las­sen (und ei­ner un­ge­wis­sen Zu­kunft über­ant­wor­tet) ha­ben:

Paulchen freut sich seines Lebens

Das klei­ne Paul­chen wuß­te sich sehr an­stän­dig zu be­neh­men und sich da­mit den tem­po­rä­ren Gä­sten im Ort nach­drück­lich zu emp­feh­len. Sein char­man­tes We­sen brach­te ihm vie­le Sym­pa­thien und si­cher­lich auch den ei­nen oder an­de­ren Lecker­bis­sen ein. An­de­ren Hun­den im Ort ging es we­ni­ger gut, denn man muß lei­der kon­sta­tie­ren, daß die Be­hand­lung und Ver­wen­dung von Haus- und Nutz­tie­ren in Ru­mä­ni­en (wie frag­los auch in vie­len an­de­ren Län­dern an Eu­ro­pas Pe­ri­phe­rie) eher nicht den uns ver­trau­ten Ge­pflo­gen­hei­ten ent­spricht...

Hun­de, Kat­zen, Hüh­ner, Pfer­de, Kü­he: In Sie­ben­bür­gens Dör­fern läuft ei­ne Men­ge Ge­tier frei her­um und weck­te in un­ser­ei­nem Er­in­ne­run­gen an ei­ne fer­ne Kind­heit, als sol­che – aus Kin­der­sicht pa­ra­die­si­schen – Ver­hält­nis­se auch in deut­schen Lan­den All­tag wa­ren. Über­haupt wur­den in des Be­richt­erstat­ters Ge­dächt­nis al­ler­lei ver­schüt­te­te Er­in­ne­run­gen auf­ge­quirlt, als ihm ty­pi­sche Ge­rü­che aus un­be­schwer­ten Ju­gend­ta­gen in die Na­se stie­gen, sei es das süß­li­che Aro­ma ver­go­re­ner Trau­ben in ei­nem be­helfs­mä­ßi­gen Wein­kel­ler, sei es der üp­pi­ge Ge­ruchs­cock­tail ei­ner frisch ge­mäh­ten Wie­se mit gro­ßem Ar­ten­reich­tum an Pflan­zen. Un­ver­mu­te­te Flash­backs wie die­se rühr­ten den ol­len zone­batt­ler tat­säch­lich zu Trä­nen: Er­staun­lich, was so al­les ir­gend­wo im Hin­ter­kopf schlum­mern und nach ei­nem hal­ben Jahr­hun­dert durch ein paar olfak­to­ri­sche Schlüs­sel­rei­ze wie­der ak­ti­viert wer­den kann!

Abendstimmung in Richiș

Ri­chiș ali­as Rei­ches­dorf war al­so un­ser zeit­wei­li­ges Zu­hau­se, von dort aus un­ter­nah­men wir Wan­de­run­gen und klei­ne Ex­pe­di­tio­nen, per pe­des, per Rad, per Pfer­de­fuhr­werk oder per PKW. [7] Wo­bei es schon im Ort selbst und in des­sen un­mit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft viel zu ent­decken gab für je­man­den, der na­tur­na­hen Ur­laub liebt und dem Tru­bel des städ­ti­schen Le­bens zeit­wei­se ger­ne ent­flieht.

Was ei­nem so­gleich auf­fällt au­ßer dem ty­pi­schen Er­schei­nungs­bild der Häu­ser ist die Lie­be der Ru­mä­nen (und wohl auch der im Lan­de ver­blie­be­nen Deut­schen) zu Blu­men. Al­ler­or­ten leuch­ten bun­te Blü­ten, nicht nur drau­ßen am We­ges­rand und in den Wie­sen, auch in­ner­orts an den Stra­ßen, in den Hö­fen, vor den Häu­sern und nicht zu­letzt auch an de­ren Fen­stern:

Üppiger Blumenschmuck ist allerorten anzutreffen

Auch da­mit hat­ten wir nicht ge­rech­net: Un­se­re Rei­sen in süd­li­che­re Ge­fil­de hat­ten wir im­mer im Früh­ling un­ter­nom­men, um auf La Pal­ma, Mal­ta, Mal­lor­ca oder Te­ne­rif­fa in den Ge­nuß bun­ter Blü­ten­pracht zu kom­men. Im Spät­som­mer noch ir­gend­wo üp­pi­ges Grün und far­ben­fro­he Blu­men flä­chen­deckend vor­zu­fin­den hät­ten wir nicht zu hof­fen ge­wagt, zu­mal nicht nach die­sem Dür­re-Som­mer in Deutsch­land. Ein wei­te­rer Plus­punkt für un­ser neu ent­deck­tes Rei­se­land Ru­mä­ni­en!

Nicht we­ni­ger üp­pig, wenn auch deut­lich we­ni­ger schön wu­chern über­all die vom Men­schen ge­leg­ten Adern des tech­ni­schen Fort­schritts: Strom‑, Te­le­fon- und In­ter­net-Ka­bel lie­gen nicht im Bo­den, son­dern hän­gen in der Luft zwi­schen gro­ben Be­ton­ma­sten im wei­land kom­mu­ni­sti­schen Bru­ta­lo-De­sign. Auch im De­tail herrscht of­fen­bar die Ma­xi­me »func­tion first«, wes­halb die Ver­strickun­gen der Ver­strip­pun­gen so aus­se­hen, wie sie halt nun mal aus­schau­en:

Kabelverhau vor historischem Bau

Schön ist na­tür­lich was an­de­res, aber ein ge­wis­ser Prag­ma­tis­mus ist dem Land­volk ja über­all auf der Welt zu ei­gen, eben­so wie ei­ne sou­ve­rä­ne Lax­heit in äs­the­ti­schen Fra­gen. Nicht ein­mal der post­mo­der­ne Fran­ke könn­te sich hier gu­ten Ge­wis­sens über­le­gen füh­len, kommt ihm doch all­zu­oft selbst ein schnod­de­ri­ges »des dudd’s« über die Lip­pen...

Mit so ei­ner Hal­tung kann man nicht nur er­tra­gen, was fein­sin­ni­gen Gei­stern und kon­troll­be­dürf­ti­gen Cha­rak­te­ren ein Greu­el ist, nein, man kann so­gar mit dem un­ge­plan­ten Wer­den und Ver­ge­hen um ei­nen her­um sei­nen Frie­den ma­chen. Und viel­leicht so­gar zu der Er­kennt­nis ge­lan­gen, daß die Na­tur nicht des Men­schen Werk in zer­stö­re­ri­scher Ab­sicht zu über­wu­chern an­ge­tre­ten ist, son­dern ihm viel­mehr ein Stück Schön­heit zu­rück­bringt in sei­ne von ihm selbst ent-schön­te klei­ne Welt:

In jeder Ritze regt sich Leben

Der west­li­che Wahn des Aus­rot­tens al­len Wild­wuch­ses hat auf den (mä­ßig) wil­den Osten glück­li­cher­wei­se noch nicht über­ge­grif­fen, und un­ter an­de­rem das macht den Charme Sie­ben­bür­gens aus. Der Ex­odus der Sie­ben­bür­ger Sach­sen (kor­rek­ter­wei­se müß­te man sie als ru­mä­ni­sche Staats­bür­ger deut­scher Na­tio­na­li­tät ti­tu­lie­ren) hat zwar vie­les dem Nie­der­gang über­ant­wor­tet (von den Häu­sern über die be­rühm­ten Kir­chen­bur­gen bis hin zu den Wein­ber­gen), in­des wirkt der schlei­chen­de Fall auf den Be­su­cher eher pit­to­resk und char­mant so­wie in der Re­gel nicht de­pri­mie­rend. Wer Ve­ne­dig kennt und des­sen mor­bi­de Au­ra liebt, mag das nach­voll­zie­hen kön­nen. Üb­ri­gens sieht man von der re­al exi­stie­ren­den Ar­mut in Ru­mä­ni­en selbst in den Städ­ten deut­lich we­ni­ger als in den ur­ba­nen Zen­tren im »rei­chen« We­sten...

Als wahr­lich reich an­zu­se­hen sind in­des die Men­schen, die zwar in be­schei­de­nen, aber doch wür­di­gen Ver­hält­nis­sen zu­frie­den le­ben. Wie zum Bei­spiel je­ne Sie­ben­bür­ger Sach­sen, die wei­land dem Her­den­trieb wi­der­stan­den ha­ben und in der an­ge­stamm­ten Hei­mat zu­rück­ge­blie­ben sind. Wir durf­ten sol­che ken­nen­ler­nen. Aus Grün­den der Dis­kre­ti­on zei­ge ich zur Il­lu­stra­ti­on nur ei­nen äu­ßer­lich Ein­druck vom klei­nen Pa­ra­dies der bo­den­stän­di­gen Leu­te:

Nicht ganz klein, und immer noch fein: Der Hausgarten von Frau und Herrn Schaas

So, das war es dann für heu­te. Sei­ten­lang über Sie­ben­bür­gen ge­plap­pert und nicht ei­ne ein­zi­ge Kir­chen­burg ge­zeigt! Macht aber nix, denn er­stens bin ich ja schon in Vor­lei­stung ge­gan­gen und zwei­tens macht(e) der Ro­bert von ne­ben­an oh­ne­hin die bes­se­ren Bil­der. Da­für ist der zone­batt­ler zwei­fels­frei die grö­ße­re Plap­per­ta­sche, so er­gän­zen wir bei­de uns präch­tig. Im zwei­ten Teil geht es hier dem­nächst wei­ter mit bun­ten An­sich­ten und wei­te­ren Schach­tel­sät­zen aus dem Zen­trum Ru­mä­ni­ens!

 
[1] Ei­ne Stra­te­gie, die of­fen­bar ei­ni­gen Er­folg zei­tigt. Im­mer­hin hat das An­locken un­be­darf­ter Pau­schal-Tou­ri­sten mit dep­per­ten Dra­cu­lan­ti­en den Vor­teil, daß die­se dann zu­meist in den oh­ne­hin über­lau­fe­nen und tou­ri­sti­fi­zier­ten Städ­ten ver­blei­ben und sich eher sel­ten ins noch weit­ge­hend ur­sprüng­li­che Um­land ver­ir­ren...

[2] Von Nürn­berg nach Si­biu (Her­mann­stadt) braucht ein Air­bus der un­ga­ri­schen Wizz Air noch nicht ein­mal zwei Stun­den.

[3] In die­ser Rei­se­be­richt­erstat­tung wer­den Orts­na­men in of­fi­zi­el­ler ru­mä­ni­scher Schreib­wei­se no­tiert, bei erst­ma­li­ger Nen­nung ge­folgt vom deut­schen Na­men in Klam­mern.

[4] Die­se ver­ein­fa­chen­de Dar­stel­lung ist na­tür­lich im De­tail durch­aus kri­tisch zu se­hen. Bei­spiels­wei­se hat sich in Deutsch­lands tau­send­jäh­ri­gem Jahr­zwölft der kol­lek­ti­ve Ras­sen­wahn auch un­ter den fern­ab des brau­nen Rei­ches le­ben­den Sie­ben­bür­ger Sach­sen breit­ge­macht. Dies nä­her aus­zu­füh­ren ist aber nicht das The­ma die­ser Ur­laubs-Re­pri­se.

[5] Was uns üb­ri­gens vor dem Ur­laub nicht be­kannt war: Die ur­sprüng­li­chen »Sie­ben­bür­ger Sach­sen« ka­men als will­kom­me­ne Sied­ler aus dem Lu­xem­bur­gi­schen, dem Rhein­land und von der Mo­sel. Zu »Sach­sen« mach­te sie der Weg über Mit­tel­deutsch­land, mit den »rich­ti­gen« Sach­sen hat­ten und ha­ben sie nichts zu tun. Ähn­lich ver­hält es sich üb­ri­gens mit den »Ba­na­ter Schwa­ben«, de­nen die­ses miß­wei­sen­de Eti­kett auf­ge­klebt wur­de, weil die Aus­wan­de­rer ih­re Schiffs­rei­se auf der Do­nau wei­land in Ulm be­gan­nen...

[6] Land­flucht ist na­tür­lich auch in Ru­mä­ni­en ein The­ma: Jun­ge Leu­te zieht es in die Städ­te, wo es mehr Ab­wechs­lung und auch at­trak­ti­ve­re Ar­beit gibt (sprich bes­ser be­zahl­te, zeit­lich we­ni­ger aus­ufern­de und nicht so kör­per­lich an­stren­gen­de wie in der Land­wirt­schaft drau­ßen)...

[7] Un­se­re Nach­bars­fa­mi­lie aus Fürth hat­te ja al­les da­bei (bis auf das Pfer­de­fuhr­werk).

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Mittwoch, 22. August 2018

Schau­ri­ge Schön­hei­ten

Ei­nen ih­rer best Ur­lau­be ever ver­brach­ten der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te so­eben in Sie­ben­bür­gen. Oh­ne die be­freun­de­te Nach­ba­rin Al­mut S., die auf­grund Ih­rer Her­kunft dop­pel­te Mut­ter­sprach­le­rin ist, hät­te un­ser­eins Ru­mä­ni­en ver­mut­lich nie als mög­li­ches Rei­se­ziel ins Au­ge ge­faßt. So aber hat­ten wir das Glück, ei­ne mit der Ge­gend, den Men­schen und ih­rer Spra­che ver­trau­te Tür­öff­ne­rin an un­se­rer Sei­te zu wis­sen, was un­se­re Som­mer­fri­sche zu ei­nem ganz be­son­de­ren (und nach­hal­tig wir­ken­den) Er­leb­nis wer­den ließ. Da­zu wird spä­ter mehr zu er­zäh­len sein, wenn die rei­che Bild-Aus­beu­te der Rei­se ge­sich­tet und ge­wich­tet ist. Einst­wei­len ma­che ich mei­ner Le­se­rIn­nen­schaft Mund und Au­gen wäss­rig mit ei­ner klei­nen, künst­lich ent­färb­ten und leicht ver­dü­ster­ten Vor­schau...

 
Impressionen aus Siebenbürgen

 
Impressionen aus Siebenbürgen

 
Impressionen aus Siebenbürgen

 
Impressionen aus Siebenbürgen

 
Impressionen aus Siebenbürgen

 
Für den zur Me­lan­cho­lie und Weh­mut nei­gen­den En­des­un­ter­fer­tig­ten ge­riet die Ex­pe­di­ti­on un­ver­hoff­ter- und un­ge­plan­ter­wei­se auch zum Flash­back in die ei­ge­ne Kind­heit, was ihn durch­aus kalt er­wisch­te. Auch dar­über dem­nächst mehr in die­sem vir­tu­el­len Mi­ni-Thea­ter!

Montag, 30. Juli 2018

Hei­ße Mu­sik am hei­ßen Som­mer­tag

Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des  »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 
Alle Jahre wieder: Konzertbesuch in Schloß Weißenstein zu Pommersfelden im Rahmen der Internationalen Sommerakademie des »Collegium Musicum«

 

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Samstag, 7. Juli 2018

Li­la Pau­se

Blühende Prachtscharten auf des zonebattler's Zugbeobachtungsbalkon

Sonntag, 17. Juni 2018

In­klu­si­on

Gefiederter Nachwuchs in friedlicher Koexistenz

Freitag, 20. April 2018

Durst

Schwer und entbehrungsreich ist das Leben in der Mauerritze

Samstag, 5. August 2017

Fake Moon

Ge­stern abend, kurz vor Mit­ter­nacht: Der zone­batt­ler geht noch­mals raus auf den hin­te­ren Bal­kon, um das Wet­ter für die Nacht und den heu­ti­gen Tag zu pro­gno­sti­zie­ren. Der Him­mel wirkt ei­ni­ger­ma­ßen klar, nur der Mond fun­zelt et­was trü­be durch ei­nen Dunst­schlei­er hin­durch. Ei­ne dunk­le Wol­ke zieht über ihn hin­weg...

Aber Mo­ment mal: Be­wegt sich der Mond et­wa selbst? Der Be­richt­erstat­ter reibt sich die Au­gen und guckt noch­mal ge­nau­er hin: Tat­säch­lich, der Erd­tra­bant scheint zu pen­deln. Ist das Au­to­sug­ge­sti­on? Täu­schen die spo­ra­disch vor­bei­zie­hen­den Wol­ken ei­ne Be­we­gung nur vor? Die bes­se­re Hälf­te wird her­bei­ge­ru­fen, um das Phä­no­men mit ei­ge­nen Au­gen zu prü­fen und ggf. zu be­stä­ti­gen.

Und in der Tat, wir se­hen bei­de, daß der »Mond« ei­ne leich­te Pen­del­be­we­gung aus­führt. Der Blick durch das Fern­glas trägt nicht zur Auf­klä­rung bei, da­zu ist das klei­ne Ding nicht licht­stark ge­nug. Wir tip­pen schließ­lich bei­de auf ei­nen Bal­lon.

Nachts Gestirn, tagsüber Werbeträger: Der ALDI-Ballon

Heu­te mor­gen nun strahl­te die Son­ne zu­nächst der­ma­ßen stark aus der glei­chen Rich­tung, daß man sie mit der Hand be­schat­ten muß­te, um zu se­hen, ob da noch was ist. Und tat­säch­lich, der »Mond« war als schwar­ze Sil­hou­et­te gleich ne­ben der Son­ne zu er­ken­nen. Und auch ei­ne wei­te­re Ver­mu­tung trifft zu: Die »Wol­ken« wa­ren nichts an­de­res als auf­ge­druck­te AL­DI-Lo­gos, die durch die Ei­gen­ro­ta­ti­on der Bal­lon­hül­le schein­bar vor­über­ge­zo­gen wa­ren!

Da­mit ist al­les klar: Un­se­re na­he AL­DI-Fi­lia­le fei­ert nach er­folg­tem Um­bau ih­re Neu­eröff­nung im neu­en Look. Der Wer­be­bal­lon ist groß ge­nug, um als Mond durch­ge­hen zu kön­nen, rund ge­nug, um sich nicht un­ten durch ei­nen Schnie­p­fel samt Seil zu ver­ra­ten, und re­flek­tie­rend ge­nug, um durch das Streu­licht der nächt­li­chen Stadt als gleich­mä­ßig il­lu­mi­niert zu er­schei­nen. Wie­vie­le An­ru­fe we­gen ei­ner ver­meint­li­chen UFO-Sich­tung heu­te nacht wohl bei der Po­li­zei ein­ge­gan­gen sind?

Dienstag, 18. Juli 2017

Oh­ne Moos nix los

mysteriöse Moos-Insel am Rande des Golfplatzes von Fürth-Atzenhof
Donnerstag, 6. Juli 2017

La Bi­en­na­le (3)

Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
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Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
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Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
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Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2017
 
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Sonntag, 14. August 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (4)

Zu ih­rer Ge­schich­te und dem Be­wah­ren hi­sto­ri­scher Zeug­nis­se ha­ben die Schwe­den ein un­ver­krampf­tes Ver­hält­nis. Da sie schon seit län­ge­rem kei­ne kriegs­be­ding­ten Ver­hee­run­gen im ei­ge­nen Land zu be­kla­gen ha­ben und in­fol­ge­des­sen kei­ne zer­bomb­ten Städ­te wie­der­auf­zu­bau­en wa­ren, muß­ten sie in den 1960er Jah­ren und spä­ter schon die sprich­wört­li­che Ab­riß­bir­ne schwin­gen, um in ih­ren al­ten Stadt­ker­nen groß­flä­chig Platz für Neu­es zu schaf­fen. Im Rück­blick mö­gen vie­le das be­dau­ern, denn was dann an Be­ton-Bru­ta­lo-Ar­chi­tek­tur nach­folg­te, er­scheint sen­si­ble­ren Ge­mü­tern oft als bö­se Bau­sün­de, das ist in Schwe­den nicht an­ders als in Deutsch­land.

Im­mer­hin ha­ben die Schwe­den vie­les durch Trans­lo­zie­rung ge­ret­tet, bei­spiel­haf­te Alt­bau­ten al­so zu Mu­se­ums­dör­fern zu­sam­men­ge­faßt. Auch so­was kennt man aus hie­si­gen Lan­den, aber in Schwe­den gibt’s das deut­lich öf­ters. Zum Bei­spiel in Gam­la Lin­kö­ping, wo man die Es­senz des al­ten Orts­ker­nes von Lin­kö­ping in ei­ner Zeit­bla­se be­wahrt hat:

Szenerie in Gamla Linköping

Die in al­ten Lä­den und Kon­to­ren un­ter­ge­brach­ten Ge­schäf­te, Werk­stät­ten und Be­trie­be sind na­tür­lich schon auf Tou­ri­sten und Fe­ri­en­gä­ste ab­ge­stimmt und aus­ge­rich­tet, den­noch hat man nie den Ein­druck, in ei­ner künst­li­chen Dis­ney-Land-Ku­lis­se her­um­zu­lau­fen: Das Ge­bo­te­ne hat Be­zug zur Re­gi­on, die An­la­ge ist gut ge­plant und die mei­sten Häu­ser sind von »rich­ti­gen« Ein­woh­nern dau­er­haft be­wohnt. Zu­dem lie­gen Mu­se­ums­dör­fer wie Gam­la Lin­kö­ping nicht ir­gend­wo ganz weit drau­ßen, son­dern an der Pe­ri­phe­rie der In­nen­stadt, un­ein­ge­zäunt und mit meh­re­ren of­fe­nen Zu­gän­gen.

Wa­gen wir mal ei­nen grö­ße­ren Sprung (in der vir­tu­el­len Re­tro­spek­ti­ve kann man ja um­stand­los ma­chen, was in rea­li­ter ei­ne Ta­ges­rei­se be­deu­tet) nach Es­kils­tu­na, der Part­ner­stadt Er­lan­gens. Von der jahr­hun­der­te­al­ten Tra­di­ti­on der Me­tall­ver­ar­bei­tung und Ka­no­nen­her­stel­lung sieht und hört man dort heut­zu­ta­ge nicht mehr viel:

Blumenmeer in Eskilstuna

Ein­mal mehr be­gei­ster­te uns in die­sem schmucken Städt­chen (wie schon Ta­ge zu­vor in Norr­kö­ping) das Fla­nie­ren am Fluß ent­lang (hier Es­kilst­un­aån ge­hei­ßen). We­nig Au­tos, viel Grün, reich­lich Kul­tur und Krea­tiv­wirt­schaft in al­ten Back­stein­fa­bri­ken, da ist ein hal­ber Tag rum wie nix und man hat noch im­mer längst nicht al­les ge­se­hen, was ei­nen in­ter­es­sie­ren könn­te: Hier ei­ne Kir­che, da ei­ne Pro­me­na­de, dort ein Kunst­mu­se­um...

Apro­pos Mu­se­um: in mei­nem Stock­hol­mer Bil­der­bo­gen ha­be ich ja schon vor ei­ni­ger Zeit die kon­ser­vier­te Va­sa ge­zeigt, je­ne be­rühm­te kö­nig­li­che Ga­leo­ne, die auf ih­rer Jung­fern­fahrt im Jah­re 1628 schon nach et­wa 1300 Me­tern Fahr­strecke ken­ter­te und ab­soff. Nach mehr als 330 Jah­ren un­ter Was­ser hat man das be­stens er­hal­te­ne Schiff 1961 ge­ho­ben und ge­bor­gen und in ein na­hes Trocken­dock ge­schleppt. An Ort und Stel­le hat man dem wun­der­ba­ren Wrack spä­ter so­zu­sa­gen das Va­sa-Mu­se­um über­ge­stülpt und zeigt dort heu­te an­hand von viel­fäl­ti­gen Ex­po­na­ten rund um das ori­gi­na­le Schiff des­sen eben­so tra­gi­sche wie fas­zi­nie­ren­de Ge­schich­te:

Querschnitt durch die »Vasa« (Modell)

Der Be­such im Va­sa-Mu­se­um ist frag­los ein »Muß« für je­den Stock­holm-Be­su­cher: Die Au­ra des ech­ten Schif­fes ist be­ein­druckend, die di­dak­ti­sche Kon­zep­ti­on der um das gi­gan­ti­sche Ge­fährt her­um er­rich­te­ten Aus­stel­lung bei­spiel­haft. Ein Glücks­fall, daß der Schiffs­bohr­wurm in dem land­na­hen Brack­was­ser kei­ne Über­le­bens­chan­ce hat­te: Der lo­ka­len Ab­we­sen­heit die­ses an­son­sten weit­ver­brei­te­ten Holz­fres­sers ver­dankt die Mensch­heit die Über­lie­fe­rung des weit­ge­hend kom­plet­ten Schif­fes als aus­sa­ge­star­ke »Zeit­kap­sel«!

Nicht ganz so alt, aber gleich­wohl nett an­zu­schau­en sind an­de­re hi­sto­ri­sche Fahr­zeu­ge, die man auf Stock­holms Stra­ßen im Ein­satz sieht. Ne­ben au­to­mo­bi­len Old­ti­mern sind das zum Bei­spiel hi­sto­ri­sche Stra­ßen­bah­nen wie die­ses fast fa­brik­frisch wir­ken­de Ex­em­plar:

Straßenbahn in Stockholm

Ich hat­te ja schon in der er­sten Fol­ge mei­nes Rei­se-Rap­ports er­wähnt, daß in Schwe­den ver­gleichs­wei­se we­nig Men­schen auf ver­gleichs­wei­se viel Flä­che le­ben. Ent­spre­chend leer sind die Stra­ßen, ent­spre­chend groß sind die Au­tos. Lo­gisch, daß ei­nem aus­ge­wie­se­ne Klein­wa­gen eher sel­ten be­geg­nen. So­gar in der Me­tro­po­le Stock­holm ha­be ich nur ei­nen ein­zi­gen Smart ge­se­hen, und der kam aus­weis­lich sei­nes Kenn­zei­chens aus ... Co­burg!

An die­ser Stel­le mei­ner Re­mi­nes­zen­zen tropft mir nun un­ver­se­hens der Sab­ber von der Un­ter­lip­pe auf die Ta­sta­tur, her­vor­ge­ru­fen durch al­li­te­ra­ti­ons­in­du­zier­te (Co­burg -> Cor­net­to) Trig­ge­rung mul­ti­sen­so­ri­scher Er­in­ne­run­gen an das ach so gött­li­che La­kritz-Eis:

Lakritz-Cornetto

Ne­ben die­ser in deut­schen Lan­den un­be­kann­ten Eis­hörn­chen-Va­ri­an­te gab es na­tür­lich im Su­per­markt auch or­dent­li­che »An­stalts­packun­gen« zu kau­fen, mit de­nen wir den Ge­frier­schrank un­se­res gast­ge­ben­den Freun­des voll­ge­schlich­tet ha­ben zwecks ku­li­na­ri­scher Ab­run­dung der lan­gen Aben­de. Je mehr frän­ki­schen Freun­den und Be­kann­ten ich da­von er­zäh­le, de­sto mehr muß ich frei­lich ein­se­hen, daß La­krit­ze ein sehr po­la­ri­sie­ren­des Ge­nuß­mit­tel ist: Den ei­nen läuft – gleich mir – so­gleich das Was­ser im Mun­de zu­sam­men, die an­de­ren schüt­teln sich hef­tig ob der blo­ßen Vor­stel­lung, so­was in den Mund zu neh­men. Zwi­schen­drin scheint’s nix zu ge­ben...

Aber egal. Wenn wir nun schon mal in Stock­holm sind, ma­chen wir noch ei­nen Aus­flug in die/den Skan­sen, ein wei­te­res, in die­sem Fall weit­hin be­kann­tes und be­rühm­tes Mu­se­ums­dorf. Das exi­stiert schon seit 1891 und be­wahrt im Wort­sinn groß­flä­chig die schwe­di­sche Volks­kul­tur:

altes Schwedenhaus im Skansen

Auch die­se At­trak­ti­on ist ein für je­den Haupt­stadt-Be­su­cher ob­li­ga­to­ri­scher Pro­gramm­punkt, für den man sich (min­de­stens) ei­nen hal­ben Tag Zeit neh­men soll­te. Wir wa­ren üb­ri­gens sehr po­si­tiv über­rascht von der fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on der in hi­sto­ri­sche Ko­stü­me ge­klei­de­ten »Be­woh­ner­schaft« des Mu­se­ums­dor­fes. Das pro­fun­de Wis­sen der Hand­wer­ker, Bäue­rin­nen und Mäg­de ging weit über das hin­aus, was von »ty­pi­schen« Be­su­cher­fa­mi­li­en ge­mein­hin nach­ge­fragt wird. Auch in kom­ple­xen hi­sto­ri­schen und wirt­schaft­li­chen Zu­sam­men­hän­gen er­wie­sen sich die Da­men und Her­ren als über­aus be­schla­gen und sat­tel­fest, wir gin­gen letzt­lich er­heb­lich klü­ger wie­der her­aus, als wir hin­ein­ge­gan­gen wa­ren. So soll es sein!

Den bis hier­her ge­folg­ten Le­se­rin­nen und Le­sern ge­gen­über sei nun­mehr ein­ge­stan­den, daß des zonebattler’s höchst sprung­haf­te Er­zähl­dra­ma­tur­gie kein be­wußt ge­wähl­tes Stil­mit­tel ist, son­dern doch nur Aus­druck von Plan­lo­sig­keit und Faul­heit: Tat­säch­lich hat sich der Blub­ber-Blog­ger im Vor­aus 5 x 8 sei­ner schön­sten Ur­laubs-Fo­tos nach rein äs­the­ti­schen Kri­te­ri­en her­aus­ge­sucht und ver­sucht die­se im Nach­gang ei­ni­ger­ma­ßen stim­mig ver­bal zu ver­bin­den. Dank die­ses ent­waff­nen­den Be­kennt­nis­ses braucht es jetzt für ein wei­te­res »See-Stück« wohl kei­ne wei­te­ren Ver­ren­kun­gen:

Rettung ist nahe!

»Swe­den in a nuts­hell« wür­de ich die­ses pro­to­ty­pi­sche Mo­tiv wohl be­nen­nen, wenn ich denn für ein eng­lisch­spra­chi­ges Pu­bli­kum schrü­be: Was­ser, Wald, Wol­ken, Ro­man­tik so­wie all­ge­gen­wär­ti­ge Um­sicht, Vor­kehr und Si­cher­heit, all das und mehr fin­det sich hier in ei­nem ein­zi­gen Aus­schnitt kom­pakt zu­sam­men­ge­faßt wie­der.

Was­ser und Si­cher­heit sind auch die idea­len Stich­wor­te für et­was, was ich bis­lang we­der er­wähnt noch ge­zeigt hat­te: Bur­gen und Schlös­ser näm­lich, die lan­des­ty­pisch gern et­was ge­drun­ge­ner ge­baut wer­den resp. wur­den als wir re­la­ti­ven Süd­län­der das so ge­wohnt sind. Das hier ist Öre­b­ro slott in Öre­b­ro, man be­ach­te den ei­gens in­sze­nier­ten Kon­trast zu den neu­zeit­li­chen Sitz­ge­le­gen­hei­ten im Vor­der­grund:

Örebro slott

Auch die­se se­hens­wer­te Stadt »er­ober­ten« wir uns üb­ri­gens im Rah­men ei­nes Ta­ges­aus­flu­ges. Im Ver­gleich zu un­se­ren her­kömm­li­chen Rund­rei­sen er­wies sich der sta­tio­nä­re Auf­ent­halt an ei­nem Ort – eben Grytgöl – als pla­ne­ri­sche Her­aus­for­de­rung: Ei­ner­seits woll­ten wir na­tür­lich mög­lichst vie­le Fa­cet­ten des uns bis­lang un­be­kann­ten Lan­des ken­nen­ler­nen, an­de­rer­seits moch­ten wir nicht ei­nen Gut­teil des Ta­ges im Au­to ver­brin­gen, nur um stun­den­lang streng tem­po­li­mi­tiert durch im­mer­wäh­ren­de Wald­schnei­sen zu glei­ten...

Na ja, es fan­den sich in den knapp drei Wo­chen un­se­res Ur­lau­bes ge­nü­gend Zie­le im 100-Ki­lo­me­ter-Ra­di­us, die des Aus­rückens wert wa­ren. Man­ches ließ sich auch ganz gut mit­ein­an­der ver­bin­den. Den ei­nen oder an­de­ren Tag blie­ben die Rä­der un­se­res wei­ßen Vol­vos so­gar gänz­lich un­be­wegt und wir da­heim bzw. in fuß­läu­fi­ger Nä­he, was durch­aus zur gründ­li­chen Er­ho­lung und Ent­schleu­ni­gung bei­trug. Der Ef­fekt ist er­freu­li­cher­wei­se der­ma­ßen nach­hal­tig, daß mit der fünf­ten und letz­ten Fol­ge die­ser Rei­se-Re­pri­se auch erst wie­der in ei­ner Wo­che zu rech­nen ist!

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Samstag, 6. August 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (3)

Nach ei­ni­gen Ta­gen des er­hol­sa­men Auf­ent­halts kri­stal­li­sier­ten sich für uns ein paar of­fen­bar spe­zi­fi­sche Merk­ma­le des Schwe­den­tums her­aus. Der Schwe­de als sol­cher ist zu­nächst ein­mal noch ein rich­ti­ger Mann, von dem die paa­rungs­wil­li­gen Weib­chen zu Recht er­war­ten, daß er al­le an­fal­len­den Ar­bei­ten am und rund ums Haus be­herrscht und selbst lei­sten kann. Für die Er­rich­tung und In­stand­hal­tung der ei­ge­nen vier Wän­de wird ex­ter­ne Hil­fe nur dann in An­spruch ge­nom­men, wenn’s gar nicht an­ders geht. An­son­sten greift der Schwe­de be­herzt ei­gen­hän­dig zu Sä­ge, Axt und Ham­mer: Gro­ße Vol­vo-Kom­bis und rie­si­ge Bau­märk­te sind land­auf, land­ab gang und gä­be und be­le­gen des Schwe­den Hang und Drang zur Aut­ar­kie.

Tra­di­tio­nel­ler­wei­se streicht der Schwe­de sein höl­zer­nes Heim nach Fer­tig­stel­lung in rost­rot an; die­se Tra­di­ti­on hat nicht nur äs­the­ti­sche, son­dern pri­mär kon­ser­vie­ren­de Wir­kung ge­gen die Un­bil­den von Wind und Wet­ter, wie wir uns sa­gen lie­ßen. Was im­mer in der Far­be an che­mi­schen Keu­len (wei­land Ab­fall­pro­duk­te des Berg- und Hüt­ten­we­sens) ver­steckt sein mag, vor­zeig­bar ist das Er­geb­nis je­den­falls al­le­mal:

typisches Schwedenhaus der größeren Sorte

Vom Herrn des Hau­ses wird fer­ner er­war­tet, daß er den Ra­sen rund­her­um kurz und ge­pflegt hält, wes­halb es mit der idyl­li­schen Ru­he auf dem Land ei­ne re­la­ti­ve Sa­che ist: Ir­gend­ei­ner knat­tert im­mer mit (oder gar auf) sei­nem Ben­zin-Ra­sen­mä­her um sei­ne Dat­sche her­um, was bei den lan­des­üb­li­chen Par­zel­len­grö­ßen schon ei­ne gu­te Wei­le dau­ern kann...

Gro­ße Grund­stücke, gro­ße Ab­stän­de zum Nach­barn: Die sple­ndid iso­la­ti­on bringt ei­ne ge­wis­se Zer­sie­de­lung der Land­schaft mit sich. Da­mit die Post­bo­tin nicht in bis zum En­de je­der Schot­ter­stra­ße pre­schen muß, um ein Brief­lein oder ei­ne Ga­zet­te zu­zu­stel­len, geht sie mit ih­rem rechts­ge­lenk­ten gel­ben Post­au­to an ei­ner Bat­te­rie von Brief­kä­sten läs­sig längs­seits, um dann – oh­ne ihr Ve­hi­kel ver­las­sen zu müs­sen – vom Lie­bes­brief bis zur amt­li­chen Vor­la­dung al­les in die schlüs­sel­los auf­zu­klap­pen­den Brief­bo­xen zu stop­fen:

Briefkästen in Reih' und Glied

Ja, post­zu­stell­tech­nisch herr­schen im Schwe­den­land Usu­an­cen wie in den US of A. Die Brief­kä­sten ste­hen weit vor der ei­ge­nen Haus­tür ir­gend­wo an der näch­sten Stra­ßen­ab­zwei­gung oder ‑kreu­zung. Bö­se Bu­ben mit si­ni­stren Ab­sich­ten scheint es auf dem wei­ten Land kaum zu ge­ben. Ver­mut­lich gäb’s eh nix Wert­vol­les zu sti­bit­zen, Pa­ke­te wer­den ja wohl doch bis zum Emp­fän­ger ge­fah­ren oder beim Nach­barn ab­ge­ge­ben...

Was aber macht der ge­mei­ne Schwe­de, wenn die Post ge­le­sen, der Ra­sen ge­mäht und die Frau – so­fern vor­han­den – un­leid­lich ist? Ge­nau, er wirft An­gel und Kö­der in den Kof­fer­raum sei­nes (Volvo-)Kombis und macht sich auf zum Was­ser, ge­nau ge­sagt zu je­nem Ge­wäs­ser, an wel­chem er sein Boot lie­gen hat. Die­ses macht er mit we­ni­gen Hand­grif­fen see­klar und sticht in den­sel­ben, um die See­le und die ha­ken­be­schwer­te An­gel­schnur bau­meln zu las­sen. Der Kor­re­spon­dent und sei­ne bes­se­re Hälf­te wa­ren ei­nes Abends teil­neh­men­de Be­ob­ach­ter ei­ner sol­chen Ver­an­stal­tung:

abendliche Angel-Kreuzfahrt

Des Freun­des Nuß­scha­le aus GFK bot Platz für uns drei, das an­gel­tech­ni­sche Zu­be­hör und na­tür­lich auch für die bei­den mit­ge­schlepp­ten Blei-Ak­kus im Au­to­bat­te­rien-For­mat, die dem elek­tri­schen Au­ßen­bor­der die nö­ti­ge En­er­gie zum laut­lo­sen Glei­ten über die abend­li­che Glit­zer­ober­flä­che des still ru­hen­den Sees lie­fer­ten. Glück­li­cher­wei­se »fin­gen« wir letzt­lich nur ein paar Fel­sen und Schling­pflan­zen, so daß sich die Fra­ge zum ord­nungs­ge­mä­ßen Um­gang mit le­ben­dem Beu­te­gut gar nicht erst stell­te.

Wir sprin­gen wie­der an Land und wei­ter zum näch­sten The­ma. Un­ser Freund und Gast­ge­ber ist nicht nur zum Ver­gnü­gen in Schwe­den an­säs­sig, er ist tat­säch­lich aus be­ruf­li­chen Grün­den dort­hin gezogen.[1] Nach­dem er vor­her drei Jah­re für sei­nen in Er­lan­gen be­hei­ma­te­ten Ar­beit­ge­ber in Shang­hai und sonst­wo auf der an­de­ren Sei­te der Erd­ku­gel tä­tig war, hat ihn das dar­auf fol­gen­de En­ga­ge­ment vom bro­deln­den He­xen­kes­sel der asia­ti­schen Groß­stadt ins so­zu­sa­gen skan­di­na­vi­sche Ge­gen­teil ver­schla­gen. Im­mer­hin un­ter­hält die SIEMENS AG in Finspång das ein­zi­ge kon­zern­ei­ge­ne Schloß:

Schloß Finspång

Die vor dem Ge­mäu­er sorg­sam in Stel­lung ge­brach­ten Ka­no­nen sol­len die Fir­ma wohl eher nicht vor ei­ner feind­li­chen Über­nah­me be­wah­ren, sie müs­sen als Re­mi­nes­zenz an die Pro­dukt­pa­let­te der Finspång’schen Ei­sen-In­du­strie ver­gan­ge­ner Jahr­zehn­te und Jahr­hun­der­te gel­ten. Wo­bei: In die­sen tur­bu­len­ten Zei­ten von »In­du­strie 4.0« kann es nicht scha­den, ein paar nicht-vir­tua­li­sier­te, hand­fe­ste Ar­gu­men­te mit Knall­ef­fekt in der Hin­ter­hand zu ha­ben...

Her­stel­len tun sie heut­zu­ta­ge in dem gro­ßen, vor ein paar Jah­ren von ALSTOM über­nom­me­nen SIE­MENS-Werk kei­ne Knall­büch­sen mehr, son­dern Gas­tur­bi­nen mitt­le­ren Ka­li­bers. Selbst­re­dend herrscht im von uns aus­gie­bigst be­sich­tig­ten Pro­duk­ti­ons­be­reich streng­stes Fo­to­gra­fier­ver­bot, aber im­mer­hin darf ich hier auf ei­ne of­fi­zi­el­le Ani­ma­ti­on ver­wei­sen, die sehr schön zeigt, was Sa­che ist. Statt mit ei­nem Fo­tos aus der Tur­bi­nen­bau-Werk­statt kann ich selbst nur mit der (nicht min­der re­prä­sen­ta­ti­ven) Kehr­sei­te des sie­men­sia­ni­schens Schlöß­leins die­nen:

Schloß Finspång von hinten

Das SIE­MENS-Werk grenzt un­mit­tel­bar an den Schloß­park und ist über­haupt sehr un­auf­fäl­lig in die Land­schaft ein­ge­bet­tet. Der zone­batt­ler be­kennt frei­mü­tig, der­lei vor­her noch nie ge­se­hen zu ha­ben: Schwer­indu­strie fin­det ge­mein­hin in tri­ster bis de­so­la­ter Um­ge­bung statt. In Finspång sieht es eher nach Frei­zeit­park aus als nach dem Sitz ei­nes Welt­markt­füh­rers im An­la­gen­bau. Der uns dort zu­teil­ge­wor­de­ne Blick hin­ter die Ku­lis­sen und das Er­le­ben von cut­ting edge tech­no­lo­gy war für uns frag­los ei­ner der Hö­he­punk­te die­ser Rei­se!

Zu­rück zur Na­tur: Zu ger­ne hät­te ich ja mal ei­nen mür­risch drein­blicken­den Elch mit aus­la­den­dem Schau­fel­ge­weih vor mei­ne Lin­se be­kom­men, aber der­lei Fo­to­gra­fen­glück ist mir lei­der nicht zu­teil ge­wor­den. Wie schon mal er­wähnt, sind die of­fi­zi­ell als tag­ak­ti­ve Ein­zel­gän­ger gel­ten­den Paar­hu­fer in der Pra­xis eher in der Däm­me­rung un­ter­wegs, und da lag der zone­batt­ler halt noch (oder schon wie­der) im Bett re­spek­ti­ve auf dem So­fa. Da­für gab es al­ler­or­ten den höchst agi­len Nach­wuchs von En­ten oder Schwä­nen zu se­hen und zu knip­sen:

Schwanenmama mit Nachwuchs

Ein Dut­zend Fo­tos ha­be ich al­lein von die­ser Schwa­nen­ma­ma und ih­rer sechs­köp­fi­gen Kin­der­schar ge­schos­sen, die mun­ter pad­delnd ge­mein­sam im Ha­fen­becken vor dem Schloß von Vad­ste­na un­ter­wegs wa­ren. Mensch und Tier ge­hen hier und an­dern­orts ge­schäf­tig, aber stets un­auf­ge­regt ih­rer Ar­beit nach. Man kann sich sehr schnell an den be­schau­li­chen Le­bens­stil ge­wöh­nen...

Über­haupt scheint ganz Schwe­den – oder zu­min­dest der Teil der Lan­des, den wir be­reist ha­ben – ei­ne ein­zi­ge Idyl­le zu sein. In der von üp­pi­gem Grün ge­präg­ten Ge­gend neh­men sich so­gar la­ten­te Um­welt-Fre­ve­lei­en lieb­lich aus, wie der in Fol­ge 1 ge­zeig­te Trak­tor und die­ser vor sich hin se­di­men­tie­ren­de PKW de­mon­strie­ren:

abgestellter und eingewachsener PKW

Man be­ach­te, daß nicht et­wa die ab­ge­stell­te Kar­re Ge­gen­stand von und An­laß zu so­zia­ler Äch­tung des Be­sit­zers ist. Nein, ver­werf­lich wä­re es, den Ra­sen nicht or­dent­lich kurz zu hal­ten, wes­we­gen fein säu­ber­lich um den Blech­hau­fen her­um ge­mäht wird. Dies mut­wil­lig zu un­ter­las­sen wä­re hier­orts wohl die ei­gent­li­che Schan­de...

Wie­sen, Wäl­der, Was­ser: Dem na­tür­lich über­all er­reich­ba­ren World Wi­de Web steht in Schwe­den gleich­falls flä­chen­deckend ein wun­der­ba­res »WWW« im Rea­len ge­gen­über, an dem man sich nicht satt­se­hen kann. Zum Ab­schluß der heu­ti­gen Epi­so­de sei­en die­se drei Ele­men­te in ei­nem Bild ver­eint ge­zeigt, so­gar noch er­gänzt um ein vier­tes »W« wie »Wol­ken«:

Bucht am Campingplatz Fiskeboda

Wie ge­stran­de­te Del­phi­ne lie­gen sie da, die um­ge­kipp­ten Boo­te, und wir­ken an­ge­sichts ih­rer ele­gant-schnit­ti­gen Form kei­nes­wegs wie Fremd­kör­per in der an­son­sten un­be­rührt er­schei­nen­den Land­schaft. Sze­nen wie die­se fin­den sich an je­dem grö­ße­ren Ge­wäs­ser, und da die all­ge­gen­wär­ti­gen Ka­jaks und Käh­ne ge­dul­di­ge Mo­del­le dar­stel­len und durch­aus län­ger als nur 1/125 Se­kun­de still­hal­ten, kann man sie auch gut in Ru­he ma­len statt sie nur en pas­sant abzulichten...[2]

Das war es dann auch schon wie­der für heu­te. Dem­nächst mehr!

 
[1] Mit dem Be­trei­ben ei­nes Boo­tes, ei­nes Ra­sen­mä­hers von Hus­q­var­na, dem His­sen schwe­di­scher Fähn­chen am Haus so­wie dem zü­gi­gen Er­ler­nen der Spra­che muß un­ser frän­ki­scher Freund in Öster­göt­land als mu­ster­gül­tig in­te­gra­ti­ons­wil­lig, ja ge­ra­de­zu als As­si­mi­lant gel­ten. Lei­der trifft das nur auf ei­ne Min­der­heit von Ex­pats zu: Die mei­sten von ih­ren Fir­men ins Aus­land ent­sand­ten Fach­kräf­te las­sen sich von den Sit­ten und Ge­bräu­chen ih­res Gast­lan­des nur we­nig be­net­zen und blei­ben über­wie­gend un­ter sich. Selbst schuld!

[2} Was ich bei­spiel­haft auch ge­tan ha­be bzw. ha­be tun las­sen, sie­he da­zu den er­sten Kom­men­tar un­ter die­sem Bei­trag.

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