Dienstag, 28. September 2010
Nachdem der zonebattler und seine bessere Hälfte im Frühjahr reichlich Gelegenheit zur Körperertüchtigung gehabt hatten, sollte die allfällige Spätsommer-Exkursion der Abwechslung halber doch eher dem Training von Geist und Hirnschmalz dienen. Außerdem war längst wieder eine Campingreise mit der Renngurke fällig, um sich eine Weile in Demut und Bescheidenheit und nach Art der U‑Boot-Fahrer in einem nachgerade asketischen Lebensstil zu üben. Also ward beschlossen (wenn auch nicht groß verkündet), die weite Fahrt ins Ruhrgebiet anzutreten: Deutschlands größter Ballungsraum wartet mit reichlich industriegeschichtlichen Sehenswürdigkeiten und bedeutenden Kunstmuseen auf, die den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2010 als allemal gerechtfertigt erscheinen lassen. Wie üblich war der kleine GPS-Tracker mit von der Partie, was mir nun die nachträgliche Visualisierung der zurückgelegten Route auf der Landkarte ermöglicht:
Wir starteten in Fürth am Morgen des ersten September-Samstags und trafen nach etwa fünf Stunden weitgehend ereignisloser Marschfahrt [1] im schönen Soest ein, woselbst wir Freunde mit Haus, Garten und Hund besuchten und uns übers Wochenende bei ihnen einnisteten. Am Montag Morgen ging es dann frühzeitig weiter und das eigentliche Abenteuer los... [2]
Erste Haltestation war das nordöstliche Ufer des Hengsteysees, von wo aus wir zur nahen, aber hochgelegenen Syburg wanderten. Gleich nebenan guckt Wilhelm I. über das weite Land und hat sich über die Jahre grün geärgert über seine ihn mittlerweile weitgehend ignorierenden Untertanen:
Vielleicht ist er aber auch immer noch verstimmt über den plumpen Geschmack der braunen Kulturverweser, die seinen weiland gründerzeitlichen Schnörkelgarten in den 1930ern zu einem kalt-abweisenden Monumentalkonstrukt verhunzten...
Wieder unten angelangt, fand sich nach dem ambulanten Mittagsmahl zwischen den nahgelegenen Siedlungen Hengstey und Bathey endlich das langesuchte und ‑ersehnte Spätsommermotiv für ein jahreszeitlich passendes Desktop-Hintergrundbild:
Wenige Minuten und Streckenkilometer später gelangten wir in die Innenstadt von Hagen, welche wir per pedes und sehr ausführlich inspizierten. Hier wie später andernorts in den Städten des Ruhregebiets fiel uns auf, daß dort richtige Italiener mit Berufsehre im Leibe hervorragendes Speiseeis zubereiten und zu fairen Preisen feilbeiten: 80 Cent pro üppig bemessener Kugel in einer knusprigen Waffel und dazu noch ohne künstliche Aromen, das ist in Nürnberg und Umgebung beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr! Womöglich handelt es sich dabei um eine kulinarische Spätfolge der Gastarbeiter-Schwemme in den Industriezentren zu Zeiten des Wirtschaftswunders?
Weiter ging der Weg über das erstaunlich beschauliche Land bis nach Hattingen, dessen vielgerühmte Altstadt aus Fachwerkhäusern uns ebenfalls eine ausgiebige Erkundung zu Fuß wert war. In der Tat hätten wir nicht erwartet, dort oben in Deutschlands weiland stark industrialisiertem Westen so viel pittoreskes Fachwerk anzutreffen. Dieses zeigt sich zwar eher streng und weniger verspielt als die fränkische Bauweise, weiß aber trotzdem sehr zu gefallen. Nicht weniger originell sind übrigens die örtlichen Einzelhandelsgeschäfte, in denen man neben allerlei Tinnef beispielsweise modische Tarnanzüge für seine Vierbeiner erwerben kann:
Auch sonst gibt es allerlei Eigenwilliges zu sehen in der wirklich putzigen Hattinger Altstadt. Das finden freilich nicht alle lustig, manch einer wendet sich sogar peinlich berührt und mit Grausen ab:
Eine Sekunde lang habe ich die beiden Gnome tatsächlich für echt gehalten...
Der Abend nahte. Wir versorgten uns noch mit ein paar Lebensmitteln (insbesondere kühlbedürftigen solchen wie Milch und Käse, die die Nacht über neben dem Auto ausharren und aushalten müssen) und begannen im Umland mit der Suche nach einem Stellplatz für die Nacht. Nach einigen Irrwegen [3] bezogen wir schließlich auf einem großen Platz hinter einer Großgärtnerei und vor der Einfahrt zu einer großen Biogas-Anlage Posten. Sehr angenehm, da ruhig und mit asphaltiertem Untergrund, ein rares Komfortmerkmal auf unseren motorisierten Exkursionen. Mit routinerten Handgriffen wurden alsbald die Klamottentaschen, die Küchen- und die Waschkiste nach vorne in das Cockpit verfrachtet und der hintere Teil des treuen Minibusses damit zum Wohn- und Schlafzimmer umgewidmet. [4] Der einsetzende Regen machte das Hausen in der beschützenden Eierschale aus Glas und Blech so richtig gemütlich...
Soviel zu den ersten drei Tagen der Reise, von denen ja recht eigentlich nur einer eine Expedition ins Unbekannte war. In der nächsten Folge wird es dann schon mehr zu berichten geben!
[1] von der obligatorischen Entwässerungspause mal abgesehen...
[2] Bewaffnet waren wir übrigens mit dem dicken und fast schon zu umfangreichen »RuhrKompakt« Reise- bzw. »Erlebnisführer«. Die telefonbuchdicke Schwarte ist zu schwer zur Mitnahme auf Wanderungen und Spaziergänge, aber sie ist auch überaus informativ, thematisch sehr umfassend und noch dazu billiger als die meisten Konkurrenzprodukte.
[3] Man braucht bei unserer Art des improvisierten Herumzigeunerns regelmäßig ein paar Tage Übung, bis man wieder ein Gespür und einen Blick für gut geeignete Übernachtungsplätze in der freien Wildbahn bekommt...
[4] Wie immer hatten wir unten Isomatten und Wolldecken auf die beiden umgeklappten Rückbänke gelegt und ansonsten die regulären Federbetten von daheim mitgenommen. Im eigenen Bett schläft es sich ja bekanntlich allemal am besten!
Sonntag, 19. September 2010
Heute habe ich mich zum ersten Mal seit Jahren wieder mit einer Armbanduhr ins öffentliche Leben begeben, namentlich in die Kunsthalle Würth zu Schwäbisch Hall. Und was soll ich sagen? Obwohl die eigentlichen Attraktionen an den Wänden hingen (Tomy Ungerer hier, Christo und Jeanne-Claude da), guckten die BesucherInnen reihenweise nach mir und meinem schwermetallenen Zeitmesser am Handgelenk, die Männer scheinbar anerkennend bis neidisch, die Frauen kokettiernd bis flirtend. Allerhand! Selbst wenn es sich um das legendäre Original und nicht um einen logo- und namenlosen Nachbau eines robusten Klassikers gehandelt hätte, ich hätte nie und nimmer gedacht, daß 104 Gramm Feinmechanik am Arm solche Wirkung entfalten können. Wer weiß, wo ich heute wäre, wenn ich mein Dutzend Armbanduhren nicht seit Jahren in der Schublade schlummern ließe!
P.S.: Nein, ich hatte keine Nudel im Gesicht und auch kein Loch im Kittel, ich habe mich selbstredend (und selbstkritisch) davon überzeugt...
Donnerstag, 16. September 2010
Gestern Nacht ist der zonebattler aus seinem zweiten Jahresurlaub retourniert. War der erste schon exotisch genug, so führte ihn der jüngste in noch unbekanntere Regionen. Wie üblich wird es hier in der Rubrik Expeditionen demnächst eine kleine Reise-Reprise geben. Vorher aber wollen Sachen verstaut, Klamotten gewaschen, Mails und Kommentare beantwortet, mehrere Neuzugänge auf der zweiten Baustelle redigiert, Pilze gesammelt und eine Vernissage besucht werden. Ich bitte daher noch um etwas Geduld...
Montag, 6. September 2010
Mit diesem grenzdebilen Slogan warb die gesamtdeutsche Post im Jahre 1993 für die durch die Wiedervereinigung erforderlich gewordene Einführung der fünfstelligen Postleitzahlen. Dem bizarren Wendungen stets zugeneigten zonebattler kommt der dumme Spruch gerade recht, um damit hier und jetzt einen persönlichen Jahrestag zu verkünden: Heute vor fünf Jahren erblickte sein erster Blog-Artikel das Licht der virtuellen Welt! Damals ohne Ziel und Richtung gestartet, eiert der Autor auch heute noch ohne monothematische Fokussierung durch sein persönliches Universum. Und das wird wohl auch die nächsten fünf Jahre so bleiben...
P.S.: Glückwünsche und Beileidsbezeugungen können wohl erst in ein paar Tagen gebührend beantwortet werden. Die Direktion bittet um gütige Nachsicht for any inconvenience this may cause.
Mittwoch, 25. August 2010
Man kann es kaum glauben: Ein junger Immobilienmakler sucht für ein Buchprojekt alte Fotos seiner Heimatstadt Chicago und ersteigert zu diesem Behufe den wegen Zahlungsunfähigkeit der Mieterin unter den Hammer kommenden Inhalt eines Lagerabteils mit ‑zigtausend belichteten, aber überwiegend unentwickelten Filmen. Er läßt einige, dann immer mehr davon entwickeln und kommt langsam dahinter, daß die ihm unbekannte Fotografin in den 1950ern bis 1990er Jahren eine ebenso manische wie künstlerisch herausragende Lichtbildnerin gewesen sein mußte, die ihre meisten Schnappschüsse – sei es aus tragischem Geldmangel, sei es aus nach dem erfolgreichen Einfangen der gejagten Motive erloschenem Interesse – nie zu sichtbaren Bildern verarbeitet hat. Er beginnt selbst mit der Knipserei und der street photography, angeleitet und zusehends fasziniert von der in quantitativer wie qualitativer Hinsicht immensen Hinterlassenschaft der geheimnisvollen Frau, die ihm damals vom Auktionator als krank und schwierig beschrieben wurde. Als er – etwa ein Jahr nach dem Erwerb des gigantischen Filmkonvolutes – schließlich doch nach Vivian Maier googelt, um sie endlich persönlich kennenzulernen, findet er ... eine erst wenige Tage vorher aufgegebene Todesanzeige. Er kommt zu spät.
Der eher beiläufig erworbene Schatz erweist sich als so wertvoll und umfangreich, daß John Maloof den Beruf wechselt: Heute ist er selbst als street photographer unterwegs und hat sich zudem der Erschließung und Aufbereitung des künstlerischen Vermächtnisses jener großen, vorher der Welt gänzlich unbekannten Fotografin verschrieben. Man wird sich beider Namen merken müssen.
Dies war nur die Kurzfassung einer an erstaunlichen Zufällen reichen und trotzdem wahren Geschichte. In Gänze nachzulesen ist sie hier, hier, da und dort. Einen deutschsprachigen Zeitungsartikel darf ich aus urheberrechtlichen Gründen nicht zum Download anbieten, aber gute Freunde können sich privat an mich wenden...
Mittwoch, 18. August 2010
Man umwickele einen gehäuften Teelöffel Nutella [1] mit frisch gekochten, jedoch bereits wieder abgekühlten, dicken Bandnudeln [2]. Rein damit in den Mund, Klappe zu, den Löffel möglichst blankgezuzelt wieder herausziehen. Kauen und genießen!
[1] Namenlose Nuß-Nougat-Creme vom Discounter tut es natürlich auch.
[2] zonebattler’s Empfehlung: Reginette (ALDI) alias Mafaldine (Barilla).
Montag, 2. August 2010
Madame Modeste erweitert ihre multiplen Kernkompetenzen und greift beherzt zur Rohrzange, derweil ihr geschätzter Gefährte über den banal-handgreiflichen Dingen des Lebens steht (bzw. teilnahmslos neben diesen zu sitzen scheint)...
Freitag, 30. Juli 2010
Montag, 26. Juli 2010
Auch wenn der zonebattler seine weiland bei Jung und Alt beliebten Monatsrätsel längst aufgegeben hat, hin und wieder will er sein anspruchsvolles Publikum auf die Probe stellen! Wollen doch mal sehen, wie es um dessen kunstgeschichtliche Bildung bestellt ist. Also aufgemerkt, Herrschaften: Drei der vier Bilder im nachfolgenden Tableau zeigen Ausschnitte aus einem weithin bekannten Gemälde des berühmten österreichischen Jugendstilisten Gustav Klimt. Ein Bild hingegen dokumentiert einen bildlichen Ausschnitt unseres belegten Backbleches vom letzten Samstag, frisch aus dem Ofen gezogen und noch dampfend vom hungrig sabbernden Autor abgelichtet. Wer erkennt das frivole (und überaus wohlschmeckende) Schelmenstück?
Tja, in zweidimensional-platter Abbildung sind Zwiebeln, Schafskäse und Eier auf Blätterteig nicht so einfach von Farbe auf Leinwand zu unterscheiden, zumal dann, wenn einem das Schnüffeln am Monitor nicht wirklich weiterbringt...
Wer aber dennoch sieht, was Sache ist und als erste(r) die richtige Lösung in einen Kommentar zu schreiben vermag, kriegt bei Gelegenheit einen ordentlichen Happen reingezwiebelt!
Freitag, 25. Juni 2010
Gestern Nachmittag in der Innenstadt. Zwei mutmaßliche Färdder mutmaßlich türkischer Herkunft in lauthalsiger Diskussion. Der eine redet eindringlich und gestikulierend auf den anderen ein:
Türkischsprech – Türkischsprech – Türkischsprech – Türkischsprech – Allgemeine Konfiguration / Netzwerk-Konfiguration! – Türkischsprech – Türkischsprech – Türkischsprech.
Na also, denkt sich unsereiner, geht doch! Wer sich bei Handy oder Computer durch byzantinische Konfigurationsmenüs seinen Weg in Deutsch zu bahnen versteht, dem kann doch wohl ein hinreichendes Maß an Sprachverständnis attestiert werden. Daß die Herren untereinander auf Muttersprachlich kommunizieren, wer wollte es ihnen verdenken? Wenn ich nach Kalifornien verzöge und mich in San Francisco mit einem Landsmann unterhielte, würde ich das ja auch trotz leidlicher Beherrschung des Englischen auf Deutsch machen. Mit Integrationsverweigerung (die es zweifellos auch gibt) hat das eine wie das andere nichts zu tun!
Donnerstag, 24. Juni 2010
Wiewohl auf La Palma und den übrigen Inseln des kanarischen Archipels ewiger Frühling herrscht, geht dieser natürlich schon mit zuweilen ganz beachtlichen Niederschlagsmengen einher, zumal auf der passatwindbeaufschlagten Ostseite von La Isla Bonita. Kein Wunder also, daß die traditionelle Dachform dem Rechnung trägt und dem vom Himmel fallenden Wasser den kürzesten Weg nach unten weist:
Dennoch ist auch die festlandspanische Flachdachbauweise weit verbreitet, wohl weil eine bespielbare Dachfläche praktischerweise zum Trocknen und Dörren der Ernte, zum Fußballspielen, Sonnenbaden und nicht zuletzt zum Wäscheaufhängen taugt. Leider ist sie halt auch immanent ursächlich für die oft anzutreffenden Schimmelprobleme im Inneren der Häuser, denn Wasser hat einen kleinen Kopf, wie die alten Architekten zu sagen pflegen. Auch sonst zeichnen sich die oftmals in den Hang gebauten Bauernhäuschen durch in unseren Augen eher unpraktische Details aus: Warum zum Beispiel montieren die insularen Spanier die Fensterscheiben vor die Fensterläden? Ist das am Ende das Resultat einer arbeitsbeschaffenden gesetzlichen Regelung, initiiert und durchgesetzt von der übermächtigen Glaserlobby?
Na ja, nicht alles kann und muß man mit unserer germanisch-analytischen Denkweise erklären, die Welt ist bunt und das ist auch gut so. Auf der Großbritannischen Insel halten sie ja auch an ihren winzigen Hähnen für Eiswürfel links und Wasserdampf rechts fest und kämen nie auf den Gedanken, die traditonellen Armaturen gegen unsportliche Einhebelmischer from the continent auszutauschen...
Aber lassen wir das Genöle und werfen wir stattdessen lieber noch schnell einen Blick auf eine L(i)egebatterie zur platzsparenden Haltung von Pauschal-Touristen:
So manch ein fröhlicher Zecher dürfte dort nach übermäßigem Genuß alkoholischer Getränke seine liebe Not haben, den Eingang zur eigenen Zelle wiederzufinden, sieht es doch links wie rechts auf Dutzenden von Metern gleich aus. Na ja, jedem das seine und jeder das ihre...
Wer es sich leisten kann und etwas abseits der Hauptstraße seine Ruhe sucht, kann natürlich auch exklusiver wohnen, und das nicht nur für ein paar Tage im Jahr:
So manches Häuschen im (üppig wuchernden) Grünen hätte dem zonebattler und seiner besseren Hälfte durchaus zugesagt, indes es nagten in ihnen leise Zweifel, ob die auf Reisen erlebten Freuden des Gastlandes, die Schönheiten der Natur und ein eher entschleunigter Lebensstil auf Dauer nicht doch etwas eintönig wären: Das kulturelle Angebot ist bei aller Vielfalt letztlich nicht mit dem heimischen zu vergleichen! Und darum fanden wir nach drei Wochen intensiven Einlassens auf die örtlichen Verhältnisse, das es damit jetzt doch (vorerst) genug wäre...
Dies also war der neunte Streich, und der zehnte folgt sogleich: Im letzten Teil unseres bunten Bilderbogens wollen wir unsere launische Reise-Reportage mit ein paar wolkigen Ausblicken beschließen (und dann endlich wieder zur Tagesordnung übergehen)...
Süßer und scharfer Senf: