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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Donnerstag, 27. August 2009

Drei Län­der, zwölf Ta­ge und 1400 Ki­lo­me­ter (6)

Öster­reich ist ein sehr be­schau­li­ches, ja nach­ge­ra­de idyl­li­sches Land von gro­ßer land­schaft­li­cher Schön­heit: Vie­ler­orts do­mi­niert der stil­le Zau­ber der Na­tur über die Be­gleit­erschei­nun­gen der Be­sie­de­lung (resp. Be­su­de­lung) durch den Men­schen. Da­mit das auch wei­ter­hin so bleibt, wer­den die in gro­ßer Zahl ein­strö­men­den Be­su­cher aus al­ler Her­ren Län­der in spe­zi­el­len Tou­ri­sten­ge­he­gen kon­zen­triert ge­sam­melt und si­cher auf­be­wahrt. Wenn man den Frem­den ‑so die da­hin­ter­ste­hen­de Über­le­gung- auf kom­pak­tem Rau­me al­les bie­tet, was sie su­chen und zu fin­den hof­fen, dann ver­scho­nen sie das üb­ri­ge Land mit ih­ren dicken, stin­ken­den Au­tos und ih­ren zu­wei­len auch recht frag­wür­di­gen Um­gangs­for­men...

Ein sol­ches grenz­na­hes Auf­fang­la­ger ist Salz­burg, in wel­ches wir ‑von Nor­den her über Frei­las­sing kom­mend- am frü­hen Mor­gen ein­fie­len. Wie stets in sol­chen Fäl­len lie­ßen wir den Ein­satz­wa­gen in ei­ni­ger Ent­fer­nung vom Zen­trum in ei­ner Wohn­stra­ße ste­hen, um uns per pe­des die Stadt zu er­wan­dern. Dies er­wies sich bald als klu­ger Schach­zug, denn die In­nen­stadt ent­pupp­te sich als rap­pel­vol­ler Schmelz­tie­gel der Na­tio­nen, in dem das Fin­den ei­nes Park­plat­zes (ei­nes ko­sten­lo­sen zu­mal) ein Ding der Un­mög­lich­keit ge­we­sen wä­re!

Reiseführer und Stadtpläne in babylonischer Sprachenvielfalt

An­hand zahl­lo­ser Schlös­ser, Pa­lä­ste und Stadt­vil­len wird dem stau­nen­den Gast aus der Frem­de ex­em­pla­risch vor­ge­führt, was man hier schon zu k.u.k.-Zeiten an ar­chi­tek­to­ni­schen Glanz­lei­stun­gen mit spie­le­ri­scher Leich­tig­keit her­vor­zu­brin­gen ver­moch­te. Rund um die pom­pö­sen Bau­ten lie­gen oft be­mer­kens­wert ge­pfleg­te Park­an­la­gen und Gär­ten: In ho­her Blü­te (!) steht bis heu­te die heh­re Gar­ten­bau­kunst, und al­ler­or­ten hat be­stens ge­schul­tes Fach­per­so­nal ein Au­ge dar­auf, daß die flo­ra­len Ar­ran­ge­ments un­ter dem Be­su­cher­an­strom kei­nen blei­ben­den Scha­den neh­men:

botanisches Einsatzkommando am Schloß Mirabell

Ja, ih­ren gi­gan­ti­schen The­me Park ha­ben die Salz­bur­ger im Griff! Wun­der­li­cher­wei­se läuft der Be­trieb trotz all’ der Leu­te rei­bungs­los und ef­fi­zi­ent, und Aus­wüch­se von Agres­si­on fin­det man al­len­falls bei in Stein ge­haue­nen Ge­stal­ten aus vor­ge­schicht­lich my­tho­lo­gi­schen Zei­ten:

Figurengruppe im Park von Schloß Mirabell

Für Be­su­cher aus au­ßer­eu­ro­päi­schen Ge­fil­den muß das al­les von un­er­hör­ter Exo­tik sein. Was Wun­der al­so, wenn freund­li­che Asia­ten al­ler Al­ters­klas­sen ih­re Ka­me­ras gar nicht mehr aus der Hand le­gen: Oh­ne un­wi­der­leg­ba­re Bild­be­wei­se wür­de man ih­nen da­heim die Schil­de­run­gen aus fe­lix Au­stria ver­mut­lich gar nicht glau­ben und als heil­los über­trie­ben ab­tun!

ein asiatischer Knabe beim Knipsen

In­des, die Wun­der Salz­burgs sämt­lich ab­zu­lich­ten wür­de auch den aus­dau­ernd­sten Fo­to­gra­fen über­for­dern: Nicht um­sonst steht die Alt­stadt auf der Welt­kul­tur­er­be-Li­ste der UNESCO! Der Chro­nist ge­steht frei­lich ein, nach kur­zem, ziel­lo­sen Trei­ben durch die bun­ten La­den­gas­sen erst den Dom und dann di­ver­se Kunst­aus­stel­lun­gen in qua­si­öf­fent­li­chen Ge­bäu­den be­sich­tigt zu ha­ben, um er­stens den Men­schen­mas­sen und spä­ter dann auch dem ein­set­zen­den Re­gen zu ent­flie­hen. Wo Kunst dar­ge­bo­ten wird ‑mo­der­ne zu­mal- da lich­ten sich die Rei­hen schnell, und es wird ei­nem man­che Über­ra­schung zu­teil. Be­son­ders reiz­voll fällt der Kon­trast aus, wenn zeit­ge­nös­si­sche Wer­ke der Bil­den­den Kunst im Kon­text hi­sto­ri­scher Prunk­räu­me zu se­hen sind:

reich verzierte Gewölbedecke

Doch ir­gend­wann hat man ge­nug ge­se­hen und will wie­der nach drau­ßen. Dort frei­lich reg­ne­te es noch im­mer. Das er­wies sich aber un­ver­hofft als glück­li­che Fü­gung, denn beim un­be­schirm­ten Spurt durch die schma­len Gas­sen sa­hen wir plötz­lich, wie un­ter schüt­zen­den Mar­ki­sen die viel­be­sun­ge­ne Spe­zia­li­tät der Stadt ser­viert wur­de: Salz­bur­ger Nockerl ! Al­so nichts wie hin­ein in die gast­li­che Stät­te und ei­ne Por­ti­on für zwei in Auf­trag ge­ge­ben. Die lecke­re Süß­spei­se wird stets frisch zu­be­rei­tet und kam ge­ra­de zur rech­ten Zeit, be­vor die Vor­freu­de in War­te­frust um­schlug...

Salzburger Nockerl, gemundet habend

Wie man sieht, war des zonebattler’s Hun­ger grö­ßer als sein Drang zur bild­li­chen Do­ku­men­ta­ti­on. Im­mer­hin ist er­kenn­bar, daß es vor­treff­lich ge­mun­det hat­te! [1]

Nach dem Es­sen war der Dau­er­re­gen noch nicht ganz vor­bei, aber doch auf ein ei­ni­ger­ma­ßen er­träg­li­ches Maß zu­rück­ge­gan­gen. Lei­der fand ich rund um die Gold­gas­se das mir aus fer­nen Kind­heits­ta­gen er­in­ner­li­che »Gol­de­ne Dachl« nicht wie­der, aber das war vor al­lem dem spä­ter nach­re­cher­chier­ten Um­stand ge­schul­det, daß die­ses seit je­her in Inns­bruck be­reit­ge­hal­ten wird. Tja.

Ein städ­ti­scher Bus brach­te uns schließ­lich wie­der hin­auf nach Lie­fe­ring, wo un­ser bra­ves Ve­hi­kel ge­dul­dig auf uns ge­war­tet hat­te. Nach ei­nem kur­zen Tank­stopp ging es dann wie­der zu­rück nach Bay­ern mit Kurs Bad Rei­chen­hall, wo­von in der näch­sten Fol­ge zu be­rich­ten sein wird...

 
[1] Die rie­sig er­schei­nen­den Nockerl sind zwar letzt­lich sät­ti­gend, aber doch im We­sent­li­chen aus hei­ßer Luft be­stehend. Das macht die ge­zucker­ten Ber­ge aus Ei­schaum be­zwing­bar...

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Dienstag, 25. August 2009

Drei Län­der, zwölf Ta­ge und 1400 Ki­lo­me­ter (5)

Vor ein paar Jah­ren hat­te ich das be­ruf­li­che Glück (und per­sön­li­che Ver­gnü­gen), im Werk des größ­ten Ar­beit­ge­bers von Burg­hau­sen ein Wo­chen­se­mi­nar durch­füh­ren zu dür­fen. Fei­er­abends strolch­te ich dann durch die Stra­ßen und kam aus dem Stau­nen über den of­fen­sicht­li­chen Reich­tum der Kom­mu­ne gar nicht mehr hin­aus: Wäh­rend es in der hoch­ge­le­ge­nen Neu­stadt noch Un­men­gen in­ha­ber­ge­führ­ter Fach­ge­schäf­te (und kaum Han­dy-Lä­den und Ein-Eu­ro-Shops) zu ge­ben schien, war die tie­fer am Fluß ge­le­ge­ne Alt­stadt nicht nur bunt und präch­tig her­aus­ge­putzt, son­dern so­gar mit ei­ner zur ko­sten­frei­en Be­nut­zung of­fen­ste­hen­den Tief­ga­ra­ge groß­flä­chig un­ter­kel­lert. Aber hal­lo! Frü­her das Salz, heu­te die Che­mie, da­mit ließ und läßt sich wohl gu­tes Geld ver­die­nen...

Burg­hau­sen ver­fügt ‑no­men est omen- über die läng­ste Burg­an­la­ge Eu­ro­pas, die zu be­strei­fen man sich un­be­dingt aus­rei­chend Zeit neh­men soll­te. [1] Auch die Aus­sicht vom Burg­berg ins Um­land ist spek­ta­ku­lär; in Rich­tung Alt­stadt schafft es nur der Kirch­turm, die Rand­mau­er der Fe­stung zu über­ra­gen:

Blick über die Burghausener Burgmauer

Guckt man auf der ge­gen­über­lie­gen­den Sei­te nicht nur in die Fer­ne, son­dern auch hin­un­ter, so ver­schlägt es ei­nem schier die Spra­che: Da un­ten liegt das schön­ste Frei­bad, wel­ches dem Be­richt­erstat­ter in den knapp fünf De­ka­den An­we­sen­heit auf die­sem Pla­ne­ten je­mals un­ter die Au­gen ge­kom­men ist! Ei­ne ehe­mals mä­an­drie­ren­de Schlei­fe der Salz­ach ist es, die ‑längst durch be­gra­di­gen­den Durch­stich des Fluß­es vom die­sem ab­ge­zwickt und seit­her zum stil­len Alt­was­ser mu­tiert- dort drun­ten zum er­quicken­den Ba­de ein­lädt, von fri­schen Quel­len ge­speist, in herr­li­chem Sma­ragd­grün fun­kelnd...

Blick auf das Wöhrsee-Freibad von Burghausen

Frei­lich war es jetzt schon spä­ter Nach­mit­tag, und es woll­ten noch Burg und Stadt aus­gie­big in­spi­ziert so­wie an­schlie­ßend ein Stand­platz für die bald her­ein­bre­chen­de Nacht [2] ge­fun­den wer­den, dar­um muß­ten wir das ver­locken­de Ba­de­ver­gnü­gen auf den fol­gen­den Sonn­tag-Mor­gen ver­schie­ben.

Der Ein­gang zum Wöhr­see-Bad be­fin­det sich un­weit der Alt­stadt in der Nä­he des ehe­ma­li­gen Pul­ver­tur­mes der Burg, wo­selbst Se­nio­ren­hei­me in be­ster (=ru­hi­ger) La­ge ei­nen be­schau­li­chen Le­bens­abend ver­spre­chen. Um In­ter­es­sen­ten und spä­te­re Kun­den für die mut­maß­lich nicht ganz bil­li­gen Al­ten-An­stal­ten an­zu­locken, sind le­bens­ech­te Lock­vö­gel aus bunt be­mal­tem Kunst­stoff auf­ge­stellt (bzw. hin­ge­setzt):

Menschenplastiken aus Plastikmenschen

Die künst­li­che Oma lä­chelt zu­frie­den aus der red­un­dant be­schürz­ten Kit­tel­schür­ze, der al­te Herr da­ne­ben schaut in­des­sen ver­son­nen in die Fer­ne und spielt da­bei of­fen­bar ei­ne Run­de Ta­schen-Bil­lard. Kunst­stück oder Nar­re­tei? Egal, wir woll­ten ja ins Was­ser, schon weil ei­ne Wo­che des Her­um­zi­geu­nerns ab­seits al­ler Misch­bat­te­rien den Wunsch nach ei­ner or­dent­li­chen Du­sche im­mer drän­gen­der wer­den ließ...

Als lo­kal­pa­trio­ti­sche Für­ther er­in­ner­te uns je­nes Burg­hau­se­ner Na­tur­bad ganz au­ßer­or­dent­lich an die Fo­tos von den al­ten Für­ther Fluß­bä­dern. Der Ver­gleich hinkt na­tür­lich, der zum See ge­wor­de­ne Ex-Fluß­arm in Burg­hau­sen ist ja mit der wei­ter­hin flie­ßen­den hei­mi­schen Red­nitz nicht ver­gleich­bar, aber das En­sem­ble aus höl­zer­nen Um­klei­de­ka­bi­nen wirkt schon wie aus der Zeit ge­fal­len und über­aus nost­al­gisch:

Umkleidekabinen im Wöhrsee-Freibad

Mehr als ei­nen Ki­lo­me­ter kann man un­ter­halb der Burg­an­la­ge ge­ra­de­aus schwim­men, be­vor man das an­de­re Ufer er­reicht und not­ge­drun­gen wen­den muß. Wem un­ter­wegs Elan und En­er­gie aus­zu­ge­hen dro­hen, kann sich auf ei­ne der mit­ten­drin ver­an­ker­ten Son­nen­in­seln aus Holz wuch­ten und ei­ne Run­de (oder auch zwei) dö­sen. Was für ei­ne ele­men­ta­re Freu­de!

Wie neu­ge­bo­ren mach­ten wir uns nach dem Ba­de­ver­gnü­gen wie­der auf den Weg und die Pi­ste. Im­mer an der Salz­ach ent­lang han­gel­ten wir uns auf der öster­rei­chi­schen Sei­te nach Sü­den, bis wir bei Titt­mo­ning wie­der die Sei­te und das Land wech­sel­ten. Der klei­ne Ort und die ihn be­her­schen­de Burg sind ei­ne Be­sich­ti­gung al­le­mal wert. Sei­ne Ein­woh­ner schei­nen fröh­li­che Freun­de des Re­ben­saf­tes zu sein und über­dies krea­ti­ve Re­ste­ver­wer­ter:

Weinflaschen zu Blumenvasen!

So weit, so schön. Ei­gent­lich woll­te ich ja (wie vor­ei­li­ger­wei­se an­ge­kün­digt) in die­ser Fol­ge noch bis Salz­burg kom­men, aber es zeich­net sich ab, daß ich die ver­ehr­ten Le­se­rIn­nen et­was ver­trö­sten muß: In der heu­te auf­ge­schrie­be­nen Epi­so­de langt es näm­lich nur noch bis nach Lau­fen und das ge­gen­über­lie­gen­de Obern­dorf bei Salz­burg. Ei­ne präch­ti­ge Ju­gend­stil-Brücke mit al­ler­lei staats­tra­gen­der Or­na­men­tik ver­bin­det dort die in ei­ner Salz­ach-Schlei­fe ge­le­ge­ne baye­ri­sche Ge­mein­de mit dem öster­rei­chi­schen Ort jen­seits des Stro­mes.

Die Salzachbrücke zwischen Laufen und Oberndorf

Un­ser­eins ver­lor üb­ri­gens bei den häu­fi­gen Grenz­über­trit­ten auf der Fahrt mit­un­ter die Ori­en­tie­rung, in wel­chem Land er denn nun ge­ra­de war... [3]

Des zonebattler’s bes­se­re Hälf­te frön­te auch im Städt­chen Lau­fen wie­der ih­rer Lei­den­schaft, dem aus­gie­bi­gen In­spi­zie­ren von Kir­chen al­ler Kon­fes­sio­nen. Da­von kann sie ei­gen­ar­ti­ger­wei­se gar nicht ge­nug krie­gen, wo­von der Chro­nist ein Lied zu sin­gen weiß...

zurückgelassenes Notenblatt in der Laufener Stiftskirche

Ei­ne Be­geg­nung der be­son­de­ren Art gab es dann noch in ei­ner der ver­win­kel­ten Alt­stadt­gas­sen, wo wir mit zwei äl­te­ren Da­men ins Ge­spräch ka­men und spä­ter noch von ei­ner ihr ur­altes Haus (samt In­ven­tar) vom eben­ber­di­gen Ge­wöl­be bis zum Dach­bo­den aus­gie­big ge­zeigt und vor­ge­führt be­ka­men. Über­haupt gibt es in der Lau­fe­ner Alt­stadt (die wie so­vie­le Klein­städ­te heut­zu­ta­ge über­wie­gend von Al­ten be­völ­kert ist, denn die jun­gen Leu­te fin­den Ar­beit eher in den ent­fern­ten Städ­ten) vie­le ma­le­ri­sche Win­kel zu er­spech­ten, und wer der­lei se­mi­spitz­we­ges­ke Mo­ti­ve mag, könn­te knall­far­be­ne Post­kar­ten­bil­der am lau­fen­den Band pro­du­zie­ren:

abendliche Lichtstimmung in Laufen

Na ja, ge­nug da­von. Nur we­ni­ge Ki­lo­me­ter wei­ter leg­ten wir uns zur Ru­he und ich mich jetzt hier und heu­te auch. In der dem­nächst fol­gen­den sech­sten Epi­so­de mei­ner aus­ufern­den Rei­se­re­por­ta­ge lan­den wir dann aber wirk­lich in Salz­burg!

 
[1] Der knips­freu­di­ge zone­batt­ler emp­fiehlt fer­ner wärm­stens den Be­such im »Haus der Fo­to­gra­fie« (ali­as Dr.-Robert-Gerlich-Museum): Nicht nur Ap­pa­ra­te-Freaks und lo­kal­hi­sto­risch in­ter­es­sier­te Be­su­cher kom­men da auf ih­re (oh­ne­hin ge­rin­gen) Ko­sten, auch die künst­le­risch an­ge­hauch­ten Son­der­aus­stel­lun­gen sind von Rang und ho­hem Ni­veau!

[2] Ein sol­cher war nach ei­ni­gem Hin und Her in ei­nem Ge­wer­be­ge­biet hin­ter ei­ner ver­las­se­nen Fer­ti­gungs­hal­le ge­fun­den, um­ge­ben von Dis­count-Märk­ten, Tank­stel­len und In­du­strie­be­trie­ben. War zwar rein op­tisch nicht ver­gleich­bar mit den an­son­sten prä­fe­rier­ten Stand­or­ten in frei­er Na­tur, aber in fuß­läu­fi­ger Ci­ty-Nä­he und oben­drein mücken­frei. Und das war für uns ei­ne durch­aus will­kom­me­ne Ab­wechs­lung...

[3] Das galt selbst­re­dend nur für den Ver­fas­ser, sein zwei­bei­ni­ges Na­vi­ga­ti­ons­sy­stem auf dem Bei­fah­rer­sitz mit dem Au­to­at­las auf dem Schoß wuß­te auch oh­ne GPS-Tracker stets und zu je­der Zeit, wo­selbst wir uns ge­ra­de be­fan­den.

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Sonntag, 23. August 2009

Drei Län­der, zwölf Ta­ge und 1400 Ki­lo­me­ter (4)

Über Bo­den­mais ge­lang­ten wir in die nie­der­baye­ri­sche »Glas­stadt« Zwie­sel, die im We­sent­li­chen von un­ste­ten Tou­ri­sten auf der Su­che nach preis­wer­ten Nutz­lo­sera­bi­li­en be­völ­kert ist. Ver­mit­tels ei­ner als Se­hens­wür­dig­keit aus­ge­wie­se­nen Py­ra­mi­de aus ge­sta­pel­ten Glä­sern lockt man die Frem­den bus­la­dungs­wei­se in Tem­pel des Kon­sums, neu­deutsch so ge­nann­te Fac­to­ry Out­lets, um sie dort von ih­rem Gel­de zu tren­nen im Tausch ge­gen Tand, den sie nicht wirk­lich brau­chen...

Kontrast von Kommerz gegen Kirche in Zwiesel

Zur Er­klä­rung des Phä­no­mens sei mir ein phi­lo­spo­hi­scher Ex­kurs er­laubt: Der Mensch ist mei­ner Mei­nung nach zu­frie­den, wenn er ei­ne Auf­ga­be hat, die ihm we­sens­ge­mäß ist und ihm Freu­de bringt. Ge­lingt es ihm gar, sei­ne Be­ru­fung zu er­ken­nen und die­se zum Be­ruf zu ma­chen, so ist er nicht we­ni­ger als glück­lich zu nen­nen. Gro­ße Tei­le der Be­völ­ke­rung frei­lich se­hen das Ar­beits­le­ben als Fron und den heiß er­sehn­ten Ur­laub als Ge­gen­ge­wicht, in wel­chem sie dann das Un­ter­las­sen jeg­li­chen ziel­ge­rich­te­ten Tuns als es­sen­ti­ell und sinn­stif­tend be­trach­ten: Das wo­chen­lan­ge Fau­len­zen soll es rich­ten und ih­nen Er­ho­lung und Zu­frie­den­heit brin­gen!

Aber das funk­tio­niert na­tür­lich so nicht, da mö­gen die Aus­sicht noch so schön, die wei­chen Pen­si­ons-Bet­ten noch so be­quem und das Buf­fet noch so aus- und ein­la­dend sein. Sehr bald be­ginnt der ge­lang­weil­te Mensch, sich eben doch nach ei­ner Auf­ga­be um­zu­se­hen und hek­ti­schen Ak­tio­nis­mus zu ent­fal­ten. Und wor­in be­steht der wohl? Für ei­ne Min­der­heit viel­leicht in gei­sti­gen und kör­per­li­chen Ex­er­zi­ti­en, für das Gros der Som­mer­frisch­ler in­des aber of­fen­bar im Lau­fen, Kau­fen, Sau­fen: Zeit ist reich­lich vor­han­den, Geld of­fen­bar auch, die pas­sen­de In­fra­struk­tur so­wie­so. Al­so wer­den flei­ßig mund­ge­bla­se­ne Luft­ver­drän­ger er­wor­ben und pral­le Dirndl, al­les von be­ster Qua­li­tät und zwei Jah­re spä­ter in den Se­cond-Hand-Lä­den der Re­pu­blik in ta­del­lo­sem Zu­stand für ein Zehn­tel des Ein­stands­prei­ses er­neut in Ver­kehr ge­bracht... [1]

Ganz so so üp­pig wie ehe­dem scheint der Ru­bel frei­lich doch nicht mehr rol­len zu wol­len, denn mit­ten in der Sai­son blei­ben reich­lich Park­plät­ze und Frem­den­zim­mer un­be­legt: Die Ge­ne­ra­tio­nen un­ter­halb des Ren­ten­al­ters schei­nen wohl mitt­ler­wei­le Com­pu­ter und Spiel­kon­so­len den hand­ge­schlif­fe­nen Kel­chen und kri­stall­glä­ser­nen El­chen vor­zu­zie­hen. Egal: Hier kann un­se­res Blei­bens nicht län­ger sein, dar­um ab durch die Mit­te und wie­der hin­ein in den Wald, wo­selbst lieb­lich-saf­ti­ge Wie­sen zum Dö­sen und ge­pfleg­ten Bauch­krat­zen ein­la­den!

am Waldesrand bei Klingenbrunn

Die in Rei­se­füh­rern gern er­wähn­ten Or­te Frau­en­au, Spie­gel­au und Gra­fen­au wa­ren uns nur bei­läu­fi­ge Blicke wert, da­mit wir am glei­chen Ta­ge noch Zeit fan­den, da­für Frey­ung et­was in­ten­si­ver zu in­spi­zie­ren. Dort­selbst faß­ten wir auch Pro­vi­ant und schlu­gen schließ­lich un­weit vom Ort im fin­ste­ren Wal­de un­ser Nacht­la­ger auf, in­dem wir an stra­te­gisch gün­sti­ger Stel­le ei­ne Wa­gen­burg bil­de­ten:

Die gut getarnte Renngurke im Unterholz

An die­ser Stel­le sei ein­mal mehr klar­stel­lend dar­auf hin­ge­wie­sen, daß un­ser­eins auf Rei­sen im Ge­gen­satz zu man­chem Zi­vi­li­sa­ti­ons-Ama­teur kei­ner­lei Hin­ter­las­sen­schaft in der Bo­ta­nik de­po­niert, die nicht ge­schwind or­ga­nisch ab­bau­bar wä­re! Tat­säch­lich neh­men wir oft an­de­rer Leu­te Müll auf und mit zur fach­ge­rech­ten Ent­sor­gung, um uns beim Uni­ver­sum für die ko­sten­frei ge­währ­te Nacht­ru­he er­kennt­lich zu zei­gen...

Nach leid­lich mücken­frei ver­brach­ter Nacht ging es an­dern­tags wei­ter über Pas­sau [2] ins öster­rei­chi­sche Schär­ding am dort gar breit und trä­ge da­hin­strö­men­den Inn:

Der Inn in Schärding

Auch dort war bei wei­tem nicht so­viel los, wie die schmucke Alt­stadt und das viel­fäl­ti­ge An­ge­bot für Au­ge, Ohr und Gau­men na­he­ge­legt hät­te: Of­fen­bar hockt der Mit­tel­eu­ro­pä­er heut­zu­ta­ge eher vor der Glot­ze oder auf fer­nen In­seln, als sich in der Fe­ri­en­zeit in der nä­he­ren Um­ge­bung sei­ner Hei­mat um­zu­schau­en. Uns war es recht, ver­hal­ten wir uns doch so­wie­so ger­ne an­ti­zy­klisch. Und der zone­batt­ler kann oh­ne­hin weit bes­ser un­be­leb­te Stilleben fo­to­gra­fie­ren als blin­zeln­de Men­schen zu de­ren Zu­frie­den­heit por­trai­tie­ren... [3]

verwaiste Bühnen-Bestuhlung in einem kleinen Park an der Stadtmauer Schärdings

Aber ganz kann er es na­tür­lich doch nicht ganz las­sen: Nach ei­ner auf deut­scher Sei­te zwi­schen Bad Fü­ssing und Er­ing ver­brach­ten Nacht kam ihm tags drauf in Brau­nau am Inn ein paar fe­scher Da­men­bei­ne vor die Lin­se, wel­ches hier­mit stolz der Le­ser­schaft prä­sen­tiert sei. Wei­ße Schleif­chen­san­da­let­ten mit Straß­stei­nen und Chrom­ab­sät­zen stak­sen heut­zu­ta­ge über das Pfla­ster je­ner Stadt, in der einst­mals ein spä­ter braun­be­hem­de­ter Stie­fel- und Schnauz­bart­trä­ger das Licht der Welt er­blick­te: Das muß man al­le­mal als fried­li­chen Fort­schritt wer­ten!

ein Satz Damenbeine, des karusselfahrenden Filiusses harrend

Und da­mit soll es für heu­te ge­nug sein. Die näch­ste Etap­pe wird uns in Kür­ze über das schö­ne und rei­che Burg­hau­sen die Salz­ach ent­lang bis ins rei­che und schö­ne Salz­burg füh­ren!

 
[1] Das al­les wä­re ja als ge­nia­le Ar­beits­be­schaf­fungs­maß­nah­me und mehr­stu­fi­ger Wirt­schafts­mo­tor zu prei­sen, wenn es nicht letzt­lich auf Ko­sten der Res­sour­cen und der Um­welt und er­go zu La­sten der Le­bens­grund­la­gen un­se­rer Nach­kom­men gin­ge...

[2] Der Drei­flüs­se­stadt hat­te ich ja erst neu­lich ei­nen Be­such ab­ge­stat­tet, dar­um sei sie hier oh­ne wei­te­re Ein­las­sun­gen flugs pas­siert und keck über­sprun­gen.

[3] Bit­te das nicht tie­fen­psy­cho­lo­gisch (miß)deuten zu wol­len. Jede(r) hat sei­ne (ih­re) Vor­lie­ben und sei­ne (ih­re) hand­werk­li­che Schwä­chen...

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Samstag, 22. August 2009

Drei Län­der, zwölf Ta­ge und 1400 Ki­lo­me­ter (3)

Das Über­que­ren ei­ner Staats­gren­ze (zu­mal ei­ner sol­chen zu ei­nem ehe­ma­li­gen »Ostblock«-Land) ist für den zone­batt­ler im­mer wie­der span­nend und stets von ei­ner ge­wis­sen Auf­re­gung be­glei­tet, auch wenn sich Tsche­chi­en heut­zu­ta­ge auf den er­sten Blick kaum an­ders prä­sen­tiert als sein gro­ßer ger­ma­ni­scher Nach­bar: Die Bäu­me sind ge­nau­so grün, die Stra­ßen nicht we­ni­ger gut in Schuß und die Su­per­märk­te tra­gen die glei­chen Na­men wie die hei­mi­schen. [1]

Um das be­son­ders Exo­ti­sche zu fin­den, muß man mitt­ler­wei­le al­so schon et­was ge­nau­er hin­schau­en. Dann frei­lich er­späht das Au­ge des stau­nen­den Be­trach­ters so man­ches, was ihm in hei­mi­schen Ge­fil­den noch nie be­geg­net ist, bei­spiels­wei­se Bäu­me mit über­aus bi­zar­ren Frucht­ge­bil­den dran:

merkwürdige Früchte an einem Baum in Domažlice

Bo­ta­ni­ke­rIn­nen in der Le­ser­schaft sei­en hier­mit herz­lich er­mun­tert, zur Iden­ti­fi­ka­ti­on je­nes ei­gen­ar­ti­gen Ge­wäch­ses bei­zu­tra­gen: Han­delt es sich da­bei um ei­ne von weiß­be­kit­tel­ten Wis­sen­schaft­lern zu Zei­ten des Kal­ten Krie­ges her­an­ge­züch­te­te Mu­ta­ti­on zu Nutz’ und From­men des so­zia­li­sti­schen Freun­des und zum Scha­den des ka­pi­ta­li­stisch-im­pe­ria­li­sti­schen Fein­des? Oder ist es schlicht ei­ne son­der­ba­re Spe­zi­es aus sub­tro­pi­schen Ge­fil­den, wei­land von ei­nem k.u.k. Land­ver­mes­ser ein­ge­führt und dank des Kli­ma­wan­dels in­zwi­schen auch in un­se­ren Brei­ten präch­tig ge­dei­hend?

Im west­böh­mi­schen Städt­chen Do­maž­li­ce blüht und flo­riert es aber auch sonst an al­len Ecken und En­den! Wie fern mu­tet die Dis­kus­si­on um ei­ne Shop­ping Mall in Fürth an, wenn man so ei­nen pit­to­res­ken Markt­platz sieht, der beid­sei­tig von al­ten Häu­ser­zei­len flan­kiert ist, de­ren durch­ge­hen­de Ar­ka­den wie­der­um mit herr­li­chen Rund­bö­gen bei je­dem Wet­ter zum Fla­nie­ren und ent­spann­ten Ein­kau­fen ein­la­den:

Der Marktplatz von Domažlice

Tritt man in ei­nes der präch­ti­gen Grün­der­zeit-Ge­bäu­de ein (des­sen Haus­weg­wei­ser man als Sprach­un­kun­di­ger al­len­falls va­ge zu in­ter­pre­tie­ren in der La­ge ist), dann stößt man nicht sel­ten schon im Trep­pen­haus auf fein re­stau­rier­te Pracht und ei­ne ge­die­ge­ne At­mo­sphä­re, die ein mo­der­ner Zweck­bau nie und nim­mer zu er­zeu­gen in der La­ge wä­re:

im Treppenhaus eines großen Ämter- und Instituts-Gebäudes von Domažlice

Auch drau­ßen vor der Pfor­te läuft das Le­ben zwar ge­schäf­tig, aber eher un­auf­ge­regt ab: Man schlen­dert durch die be­leb­ten Ar­ka­den, wirft hier und und da ei­nen Blick in die sich meist in er­staun­li­che Tie­fen er­strecken­den Ge­schäf­te und ist mit sich und der Welt rund­um zu­frie­den...

In­zwi­schen ist es dar­über Mit­tag ge­wor­den, und al­ler­or­ten be­gin­nen die Tou­ri­sten und die Ein­hei­mi­schen, sich zum ge­pfleg­ten Mah­le nie­der­zu­las­sen. In al­len Ecken und Ni­schen wer­den tra­di­tio­nel­le Böh­mi­sche Knö­del ser­viert und mit gu­tem Ap­pe­tit von der hun­gir­gen Kund­schaft ver­zehrt:

speisende Restaurantgäste zwischen Straße (links) und Arkadengang (rechts)

Da woll­te und konn­te un­ser­eins nicht ab­seits ste­hen und tat des­glei­chen... [2] Nach dem Ge­knö­del noch ei­nen krö­nen­den Pa­la­tschin­ken mit Eis und Sah­ne ver­spach­telt und ab­schlie­ßend die Wam­pe prü­fend be­ta­stet: paßt scho! Die Fahrt ging her­nach durch ab­wechs­lungs­rei­che Land­schaft wei­ter bis nach Kla­to­vy, in des­sen gran­dio­ser Alt­stadt die Kirch­tür­me kaum an den Fin­gern zwei­er Hän­de ab­zu­zäh­len sind. An zahl­lo­sen Stel­len wird das stol­ze Stadt­bild flei­ßig auf­po­liert, und über­all wer­den mit Lie­be zum De­tail Mau­rer­kel­len oder Ma­ler­pin­sel ge­schwun­gen...

Restauration einer Hausfassade in Klatovy

Doch so span­nend Stadt­rund­gän­ge auch sein kön­nen, uns in­ter­es­sie­ren ja vor al­lem im­mer die eher un­be­kann­ten Zu­falls­fun­de ab­seits der tou­ri­stisch aus­ge­tre­ten Pfa­de. Wie zum Bei­spiel je­nes trau­rig her­un­ter­ge­kom­me­nes Schloß im na­hen Týnec, des­sen ein­sti­ge Pracht aber glück­li­cher­wei­se noch er­ahn­bar ist:

verfallendes Schloß in Týnec südwestlich von Klatovy

Ei­ne Hand­voll Ar­bei­ter im­mer­hin schien in dem aus­la­den­den Ge­mäu­er kon­ser­vie­rend tä­tig zu sein. Die Ar­beit dort wird ih­nen bis zum Er­rei­chen des Ru­he­stan­des (oder bis zum En­de des ver­füg­ba­ren Re­stau­rie­rungs-Bud­gets, whi­che­ver co­mes first) si­cher­lich nicht aus­ge­hen...

Wei­ter ging es mit Kurs Rich­tung Sü­den, bis wir das lie­bens­wer­te Nach­bar­land am Abend bei Baye­risch Ei­sen­stein [3] vor­erst wie­der ver­lie­ßen. Wäh­rend sei­ne bei­den In­sas­sen den fe­sten Vor­satz faß­ten, das ei­ne oder an­de­re Wo­chen­en­de nach dem Ur­laub zu wei­te­ren Stipp­vi­si­ten ins gar-nicht-so-fer­ne Tsche­chi­en nut­zen zu wol­len, blub­ber­te un­ser bra­ver Mi­ni­bus mit der vol­len Kraft sei­ner drei klei­nen Zy­lin­der wie­der nach Deutsch­land hin­ein. Was ihn und uns dort er­war­te­te, wird Ge­gen­stand der näch­sten Fol­ge sein!

 
[1] Das Ben­zin ist dort frei­lich bil­li­ger, Sü­ßig­kei­ten her­ber, die Lo­ko­mo­ti­ven bun­ter und die Frau­en auf­rei­zen­der, da­für tra­gen arg vie­le Buch­sta­ben zun­gen­bre­che­ri­sche Hüt­chen, Win­kel und Ak­zen­te: Es hat halt al­les sei­nen Preis...

[2] Im von uns ge­wähl­ten Lo­kal war das Fleisch lei­der eher zäh ge­ra­ten, aber So­ße und Knö­del haben’s letzt­lich ‘raus­ge­ris­sen. Der an­schlie­ßen­de Beu­te­zug im na­hen Su­per­markt (über­aus preis­wer­te Knö­del-Mi­schun­gen so­wie Ob­la­ten und Waf­feln der von Ken­nern sehr ge­schätz­ten Mar­ke »Ko­loná­da«) ver­spricht im­mer­hin die spä­te­re Fort­set­zung bö­mi­scher Gau­men­freu­den un­ter den kon­trol­lier­ten Rah­men­be­din­gun­gen der ei­ge­nen Haus­hal­tung.

[3] Höchst ku­ri­os und be­su­chens­wert ist der dor­ti­ge Bahn­hof: Die Staats­gren­ze geht mit­ten durch das hi­sto­ri­sche Emp­fangs­ge­bäu­de, wel­ches auf der ei­nen Sei­te von der DB, auf der an­de­ren aber von der tsche­chi­schen Staats­bahn CD be­trie­ben wird: Deut­scher­seits steht »Baye­risch Ei­sen­stein« auf den Bahn­steig­schil­dern, jen­seits der De­mar­ka­ti­ons­li­nie hin­ge­gen »Že­lez­ná Ru­da«. Auch Bahn­steig­be­lag, Si­gnal­tech­nik etc. än­dern sich von ei­nem Schritt zum näch­sten. Sehr skur­ril!

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Mittwoch, 19. August 2009

Drei Län­der, zwölf Ta­ge und 1400 Ki­lo­me­ter (2)

Wenn man kei­nen Zug und kei­nen Flie­ger er­rei­chen muß, trö­delt man ger­ne et­was vor sich hin, läßt sich mit dem Be­la­den des Au­tos Zeit und tut noch die­ses oder je­nes. Blu­men­kä­sten wol­len schluß­end­lich auch noch von den Bal­ko­nen in den Hof hin­un­ter ge­tra­gen wer­den, auf daß es der Nach­bar mit dem ver­tre­tungs­halb­er­nen Gie­ßen leich­ter ha­ben mö­ge. Zwi­schen­drin sind klei­ne Ver­schnauf­pau­sen an­ge­nehm, und über­dies ist man ja im Ur­laub und nicht auf der Flucht. Na gut, so ge­gen 14 Uhr tucker­ten wir dann end­lich los gen Osten. Nach noch nicht ein­mal ein­ein­halb Stun­den Fahrt mach­ten wir im ma­le­ri­schen Kastl be­reits ei­ne er­ste Wan­der­pau­se, es gibt schließ­lich über­all was zu se­hen in un­se­rem schö­nen Bay­ern­lan­de. Auf der Wei­ter­fahrt über Schmid­müh­len und Rie­den nach Theu­ern hat­ten wir zwei in­ter­es­san­te Be­ge­gun­gen. Die er­ste war recht dy­na­mi­scher Art:

Begegung mit einer Schafherde an einer Brücke

Gleich­zei­tig zu mar­schie­ren, dumm zu gucken, zu kau­en und zu kacken ist schon ei­ne rei­fe Lei­stung, un­ser­eins schafft al­len­falls drei von die­sen vier Tä­tig­kei­ten si­mul­tan!

Ei­ne knap­pe Stun­de spä­ter gab es schon das näch­ste un­ver­hoff­te Zu­sam­men­tref­fen, wel­ches fo­to­gra­fisch zu do­ku­men­tie­ren ich mir nicht ver­knei­fen konn­te:

ein weiterer Subaru Libero

Der recht­erhand ste­hen­de Vet­ter mei­ner Renn­gur­ke stand un­ab­ge­sperrt in ei­ner pit­to­res­ken Gas­se von Schmid­müh­len. Sein Herr­chen (oder Frau­chen) ha­ben wir lei­der nicht zu Ge­sich­te be­kom­men. Wä­re si­cher auch in­ter­es­sant ge­we­sen, aber man kann nicht al­les ha­ben und es war lang­sam an der Zeit, sich ei­nen Schlaf­platz zu su­chen. Ge­ra­de am An­fang ei­ner Rei­se ist man noch nicht so fit im Er­spä­hen ge­eig­ne­ter Or­te, der Blick da­für will wie­der auf’s Neue ge­schult und ge­schärft sein...

Am näch­sten Mor­gen stan­den wir nach am­bu­lan­tem Früh­stück kurz nach neun am Ham­mer­her­ren­schloß in Theu­ern, in wel­chem das Berg­bau- und In­du­strie­mu­se­um Ost­bay­ern un­ter­ge­bracht ist. Für Spu­ren­su­cher wie uns sind in­du­strie­ge­schicht­li­che Ar­te­fak­te stets von be­son­de­rem In­ter­es­se, und wenn der zap­pe­li­ge zone­batt­ler al­te Feld­bah­nen und neue Kunst auf ei­nem Fleck vor­fin­det, dann ist er hem­mungs­los be­gei­stert und ganz in sei­nem Ele­ment:

ein alter Lorenzug mit Gmeinder-Lok und eine Kunst-Installation von Herta Wimmer-Knorr

Man merkt dem Mu­se­um an, daß sei­ner­zeit viel Geld und Mü­he hin­ein­ge­steckt wor­den sind, es lag ja im för­de­rungs­wür­di­gen Grenz­land und der »Ei­ser­ne Vor­hang« war nicht all­zu weit weg. Doch wäh­rend die Do­ku­men­ta­tio­nen und Son­der­schau­en zu hi­sto­risch ab­ge­schlos­se­nen The­men (Berg­bau in der Re­gi­on, In­du­stria­li­sie­rung) auch heu­te noch vor dem kri­ti­schen Au­ge be­stehen kön­nen, wir­ken man­che Ab­tei­lun­gen zu »mo­der­nen« Ge­bie­ten (z.B. Halb­lei­ter­pro­duk­ti­on) mitt­ler­wei­le reich­lich an­ge­staubt, weil nach der (si­cher ziem­lich auf­wen­di­gen) Er­rich­tung halt kei­ne Fort­schrei­bung und Ak­tua­li­sie­rung mehr er­folg­te. Heut­zu­ta­ge wird der schma­le Etat ver­mut­lich al­len­falls für das Putz­per­so­nal rei­chen und nicht für wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter, und mit der Spen­dier­freu­de der Spon­so­ren aus der Wirt­schaft wird es in der tie­fen Pro­vinz auch nicht mehr all­zu­weit weit her sein...

Aber ich will nicht mau­len, der Ein­tritts­preis ist kaum der Re­de wert und die Fül­le des Ge­zeig­ten bie­tet für je­den et­was. An die­sem ru­hi­gen Fe­ri­en­tag hat­ten wir das Haus fast ganz für uns al­lei­ne, kei­ne Schul­klas­sen auf Pflicht­be­such lärm­ten durch das al­te Ge­mäu­er. Üb­ri­gens ge­hö­ren zum Mu­se­um noch wei­te­re Ge­bäu­de in fuß­läu­fi­ger Ent­fer­nung, bei­spiels­wei­se ein ein­drucks­vol­les al­tes Glas­schleif- und Po­lier­werk. Das frü­her zum Po­lie­ren ver­wen­de­te Ei­sen­oxid (Po­lier­rot) sorg­te dort der­ma­l­einst für ein eher mo­no­chro­mes Da­sein (und heut­zu­ta­ge für reiz­vol­le Still­le­ben):

vom Polierrot gefärbte Fässer, Behälter und Siebe

Zwi­schen­drin plau­der­ten wir ein we­nig mit ei­ner weiß­ge­klei­de­ten Mut­ter von vier bra­ven und wohl­erzo­ge­nen Kin­dern, doch blieb die Un­ter­hal­tung et­was ein­sei­tig (und ein­sil­big), was ver­mut­lich auf das dor­ti­ge Idi­om zu­rück­zu­füh­ren ist: Wer ver­steht schon wasch­ech­te Ober­pfäl­zer? [1]

alleinerziehende Gans nebst Nachwuchs

Über lee­re Land­stra­ßen zuckel­ten wir wei­ter ost­wärts und in­spi­zier­ten aus­gie­big die Stadt­ker­ne von Schwan­dorf und Neun­burg vorm Wald. Die hi­sto­ri­sche In­nen­stadt von Neun­burg ist üb­ri­gens un­be­dingt se­hens­wert, wenn­gleich sie dem Frem­den man­ches Rät­sel auf­gibt:

Zimmer ohne Aussicht in Neunburg vorm Wald

In un­mit­tel­ba­rer Nä­he der deut­schen Ost­gren­ze be­zo­gen wir schließl­lich bei Ham­mer in der Nä­he von Wald­mün­chen un­ser näch­stes Nacht­quar­tier am Ran­de ei­nes schüt­zen­den Mais­fel­des. In der näch­sten Fol­ge wer­den wir dann end­lich Tsche­chi­en er­rei­chen, das Land der herr­li­chen Städt­chen und der schö­nen Frau­en. [2]

 
[1] Der Herr Up­per­Pa­la­ti­ne mö­ge mir die ver­all­ge­mei­nern­de Aus­sa­ge ver­zei­hen: Ich be­trach­te ihn als re­gel­be­stä­ti­gen­de Aus­nah­me!

[2] Aus Grün­den des Selbst­er­hal­tungs­trie­bes wer­de ich den zwei­ten Aspekt nicht de­tail­lier­ter aus­füh­ren kön­nen, wo­für ich jetzt schon um Ver­ständ­nis bit­te...

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Dienstag, 18. August 2009

Drei Län­der, zwölf Ta­ge und 1400 Ki­lo­me­ter (1)

Wie schon im Vor­jahr rück­ten der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te auch heu­er wie­der zu ei­ner Cam­ping­rei­se [1] aus, in de­ren Ver­lauf sich ih­re schier un­be­zahl­ba­re Renn­gur­ke ein­mal mehr als Raum­schiff, Ba­sis­la­ger, Feld­kü­che und Schlaf­zim­mer al­ler­be­stens be­währ­te. Zwar fiel die zu­rück­ge­le­ge Strecke mit ins­ge­samt 1.400,1 km dies­mal et­was kür­zer aus, doch hät­ten wir uns die knapp zwei­wö­chi­ge Ex­pe­di­ti­on kaum ab­wechs­lungs­rei­cher vor­stel­len kön­nen...

Im Uhr­zei­ger­sinn fuh­ren wir ei­nen Rund­kurs durch die Ober­pfalz und den Baye­ri­schen Wald hin­un­ter in die Al­pen, mach­ten da­bei man­chen Ab­ste­cher nach Tsche­chi­en und Öster­reich und han­gel­ten uns über die ober­baye­ri­schen Seen schließ­lich lang­sam wie­der hin­auf in die frän­ki­sche Hei­mat. Er­neut ließ ich durch mei­nen klei­nen GPS-Tracker am Gür­tel die ge­sam­te Rei­se­rou­te au­to­ma­tisch mit­pro­to­kol­lie­ren und kann sie jetzt im Nach­hin­ein auf der Land­kar­te be­trach­ten:

Reiseroute auf der Landkarte
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Groß­fas­sung 800 x 700 Pi­xel

Die sich beim Hin­ein-Zoo­men na­he­zu be­lie­big ver­fei­nern­de Rou­te macht es mög­lich, die Tour am Bild­schirm noch­mals in al­len De­tails durch­zu­ge­hen: Ein fei­nes Fea­ture, wel­ches wir als »Er­in­ne­rungs­an­ker« sehr schät­zen und nim­mer mis­sen mö­gen...

Wer sich mit mi­ni­ma­lem Lu­xus, da­für aber mit dem Nö­tig­sten aus­ge­stat­tet auf Rei­sen in die Na­tur be­gibt, wird mit Aus­sich­ten und at­mo­sphä­ri­schen An­mu­tun­gen be­lohnt, die sich im Bild nur un­zu­rei­chend wie­der­ge­ben las­sen. Schon der er­ste Son­nen­un­ter­gang »im Fel­de« war von ganz an­de­rer Klas­se als je­ne, die sich ge­mein­hin da­heim in der stei­ner­nen Stadt be­ob­ach­ten las­sen:

abends um halb neun

Und auch am Mor­gen, wenn die Bla­se zwickt er­sten Son­nen­strah­len kit­zeln, hat man ei­nen völ­lig an­de­ren Pan­ora­ma­blick vor sich als von der hei­mi­schen Bett­statt aus:

morgens um kurz vor sieben

Frei­lich sei schon hier am An­fang der Be­richt­erstat­tung nicht ver­schwie­gen, daß das am­bu­lan­te Va­ga­bun­den­le­ben nicht nur aus ei­tel Son­nen­schein be­steht. Drau­ßen in Feld und Flur lau­ern näm­lich fie­se Fein­de, mit de­nen der ge­mei­ne Städ­ter eher sel­ten kon­fron­tiert wird: My­ria­den blut­gie­ri­ger Schna­ken und Stech­mücken wol­len im Wald und auf der Hei­de den arg­lo­sen Tou­ri­sten ans Le­der! [2] Wäh­rend aber der Chro­nist auf wun­der­sa­me Wei­se selbst kurz­be­host und be­tee­shir­ted re­gel­mä­ßig in Ru­he ge­las­sen wird, muß sich sei­ne bes­se­re Hälf­te eben­so zwangs­läu­fig mit bis zu drei gleich­zei­tig über­ge­streif­ten Socken­paa­ren schüt­zen, um nicht auf das Schmerz­lich­ste von den sur­ren­den Sechs­bei­nern ge­pie­sackt zu wer­den:

schwerer Schnakenschutz (dreilagig)

Nun wä­ren ja Woll­socken an sich kein Hin­der­nis für ei­nen ge­zielt lan­cier­ten In­sek­ten-An­griff, aber bei drei La­gen gro­ber Wol­le ist der Ab­stand vom Lan­de­platz zur Haut des Op­fers dann letzt­lich doch grö­ßer als die Län­ge des ty­pi­schen Schna­ken­sta­chels...

So­viel zum Auf­takt die­ser klei­nen Se­rie mit lau­schi­gen (und lau­ni­schen) Im­pres­sio­nen aus der Som­mer­fri­sche. In den dem­nächst fol­gen­den Tei­len wer­de ich di­ver­se Hö­he­punk­te (und Tief­schlä­ge) der Rund­fahrt nä­her er­ör­tern und wie im­mer nicht mit bun­ten Bil­dern gei­zen. Blei­ben Sie dran!

 
[1] Grund­sätz­li­ches zu un­se­rer be­vor­zug­ten Art des Ur­lau­bens hat­te ich hier schon ein­mal nä­her aus­ge­führt.

[2] Ganz nach dem Loriot’schen Mot­to: »Das Be­ste sitzt un­ter der Haut!«

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Mittwoch, 29. Juli 2009

Fahrt ins Blaue

Heu­te hat der zone­batt­ler ein­fach so blau ge­macht, sich kur­zer­hand in die nur mä­ßig fre­quen­tier­te Le­der­klas­se des ICE 21 ge­setzt und sich von Nürn­berg bis Pas­sau ver­wöh­nen las­sen, er­stens durch den freund­li­chen Zug­be­glei­ter, der Zei­tun­gen und fei­ne Scho­ko­la­den auf Ko­sten des rol­len­den Hau­ses of­fe­rier­te (die Wahl fiel auf die F.A.Z. so­wie auf Oran­ge-Sand­dorn-Ge­schmack), zwei­tens durch die schö­ne Aus­sicht, die ja schon ab Nürn­berg-Sand­reuth, erst recht ab Neu­markt (Oberpf), spä­te­stens ab Pars­berg und al­ler­spä­te­stens ab Re­gens­burg ein Quell rein­ster Freu­de ist:

ein Tagesausflug nach Passau

Wenn man sich da­zu über die gu­ten Ohr­stöp­sel Beet­ho­vens Sech­ste, die »Pa­sto­ra­le« mit­hin, au­ral ver­ab­folgt, wird das mu­si­ka­li­sche »Er­wa­chen hei­te­rer Emp­fin­dun­gen bei der An­kunft auf dem Lan­de« zum mul­ti­me­dia­len Breit­wand-Er­eig­nis. Da­nach noch ein we­nig in der Zei­tung ge­blät­tert, ein wei­te­res Scho­ko­läd­li auf der Zun­ge zer­ge­hen ge­las­sen (Sau­er­kirsch dies­mal) und schwupp, schon ist man in der alt­ehr­wür­di­gen Drei­flüs­se­stadt und tritt aus der an­ge­nehm kli­ma­ti­sier­ten Blech­wurst hin­aus in die Schwü­le des son­ni­gen Som­mer­ta­ges. Mit we­ni­gen Schrit­ten ge­langt man in die na­he In­nen­stadt, wo ne­ben den üb­li­chen Al­ler­welts-Sou­ve­nirs auch re­gio­nal­ty­pi­sche Kopf­be­deckung in rei­cher Aus­wahl feil­ge­bo­ten wird:

ein Tagesausflug nach Passau

Mit ih­ren en­gen Gas­sen, den pit­to­res­ken Häu­sern und den al­ler­or­ten an­zu­tref­fen­den, ein­ge­kü­bel­ten Pal­men kann man der Alt­stadt süd­län­di­sches Flair nicht ab­spre­chen. Et­was ir­ri­tie­rend wirkt nur der ört­li­che Dia­lekt, der selbst den schön­sten Töch­tern der Re­gi­on an­haf­tet und der auf den Aus­wär­ti­gen ei­ni­ger­ma­ßen be­fremd­lich wir­ken kann. Doch ehe man lan­ge dar­über nach­ge­dacht hat, steht man auch schon an der schö­nen blau­en (bzw. eher blau­grü­nen) Do­nau...

ein Tagesausflug nach Passau

Rasch wird die Land­zun­ge schmal und schma­ler, und bald schon steht der stau­nen­de Be­trach­ter an de­ren Spit­ze, wo­selbst sich die dunk­len Flu­ten der Do­nau mit dem ra­ben­schwar­zen Was­ser der Ilz und bei­de sich mit der bräun­li­chen Pam­pe des Inns in­nig ver­quir­len und ver­men­gen. Ne­ben al­ler­lei stamp­fen­den Aus­flugs­schif­fen mit bei­gebe­ho­sten Rent­ner­ge­schwa­dern an Bord pad­deln auch ge­fie­der­te Leicht­ma­tro­sen un­ter el­ter­li­cher Auf­sicht in der Me­lan­ge her­um:

ein Tagesausflug nach Passau

Nach ei­ner län­ge­ren Denk­pau­se, wach­dö­send-blin­zelnd nach Art der Ei­dech­sen auf son­nen­be­schie­ne­ner Bank zu­ge­bracht, geht es im Zick­zack­kurs wie­der zu­rück in das La­by­rinth der Alt­stadt, in der es von ba­rocken Kir­chen nur so wim­melt. De­ren al­ler­präch­tig­ste ist der Dom, der ‑wie lei­der so vie­le über­kom­me­ne Zeug­nis­se sa­kral­ar­chi­tek­to­ni­scher Pracht- heut­zu­ta­ge von gan­zen Hor­den han­dy­hal­ten­der und kom­pakt­knip­sen­fuch­teln­der Idio­ten bei­der­lei Ge­schlechts be­völ­kert wird, die mit grel­lem Ge­blit­ze die Emp­find­lich­keit der Kunst miß­ach­ten und ih­re Un­fä­hig­keit zum ad­äqua­ten Um­gang mit Kul­tur­schät­zen wie auch den ei­ge­nen Ge­rät­schaf­ten weit­hin sicht­bar do­ku­men­tie­ren, oh­ne es selbst über­haupt zu be­mer­ken, ge­schwei­ge denn zu be­grei­fen...

ein Tagesausflug nach Passau

Drum al­so hur­tig wie­der nach drau­ßen ge­schrit­ten, wo sich die Igno­ran­ten und acht­lo­sen Dep­pen meist nicht auf den er­sten Blick als sol­che aus­wei­sen. In­zwi­schen frei­lich steht die Son­ne hoch im Ze­nit, und au­ßer­halb der en­gen, schat­ten­spen­den­den Gas­sen ist es hoch­som­mer­lich warm, ja nach­ge­ra­de brü­tend heiß ge­wor­den. Kein Wun­der, daß sich da kaum noch je­mand un­ge­schützt dem pral­len Son­nen­licht aus­set­zen mag:

ein Tagesausflug nach Passau

Doch Ab­küh­lung ist al­le paar Schrit­te zu ha­ben, sei es in flüs­si­ger, sei es in halb­fe­ster, in je­dem Fal­le ka­lo­rien­rei­cher Form. Und auch hier gibt es wel­che, die durch ih­re zi­vi­li­sa­ti­ons­mül­li­gen Hin­ter­las­sen­schaf­ten be­kun­den, daß ih­nen das ei­ge­ne Plai­sier al­les und die Äs­the­tik ih­res Um­fel­des rein gar nix be­deu­tet...

ein Tagesausflug nach Passau

Ir­gend­wann sind Bauch und Bir­ne voll, und so ta­pert man denn wie­der zu­rück zum Bahn­hof. Bis zum an­vi­sier­ten ICE gen Nürn­berg ist es zwar noch ei­ne Stun­de hin, aber die könn­te man ja im Schat­ten des Bahn­steig­da­ches mit der Lek­tü­re ei­nes an­ti­qua­risch er­wor­be­nen Bu­ches sinn­reich ver­brin­gen. In­des, die War­te­zeit fällt kür­zer aus als er­war­tet, denn der Vor­läu­fer-ICE aus Wien von ei­gent­lich zwei Stun­den vor­her läuft bald mit 80-mi­nü­ti­ger Ver­spä­tung ein, die, wie der Zug­chef spä­ter süf­fi­sant ver­kün­den wird, zu La­sten der ÖBB gin­gen und mit­hin kei­nen An­spruch auf Ver­spä­tungs­gut­schei­ne der DB be­grün­de­ten... Hät­te man als dem Ser­vice-Ge­dan­ken ver­pflich­te­ter Dienst­lei­ster viel­leicht et­was de­zen­ter aus­for­mu­lie­ren kön­nen, aber das sagt sich leicht, wenn man nicht sel­ber in der Si­tua­ti­on ist, mit dem viel­fäl­ti­gen Fol­ge­streß ei­ner der­ar­ti­gen Ver­spä­tung fer­tig­wer­den zu müs­sen.

ein Tagesausflug nach Passau

Mir kann’s näm­lich egal sein, ich muß ja nur zwei Sta­tio­nen wei­ter bis nach Nürn­berg und nicht auf an­de­re Fern­rei­se­zü­ge um­wech­seln. Auch rück­wärts ver­geht die Zeit im Zu­ge wie im Flu­ge, dies­mal zwar oh­ne Scho­ko­la­de, da­für aber mit der Süd­deut­schen Zei­tung und an­ge­neh­men Mit­rei­sen­den. Und schon hat mich die Hei­mat wie­der. Ge­müt­lich kurz nach 7:00 Uhr auf­ge­stan­den, vor 18:00 Uhr schon wie­der zu­rück, da­zwi­schen mehr Ein­drücke, als in Echt­zeit zu ver­ar­bei­ten wä­ren: Ein prall­vol­ler Tag!

Sonntag, 26. Juli 2009

Sat­ter Sams­tag

Nun schon im drit­ten Jahr in Fol­ge be­such­ten wir ge­stern ein gro­ßes Or­che­ster-Kon­zert des Col­le­gi­um Mu­si­cum im Pom­mers­fel­de­ner Schloß Wei­ßen­stein, dies­mal in Be­glei­tung des Burg­blick­fräu­leins und von Herrn To­bi B.. Um für den zu er­war­ten­den Kul­tur­ge­nuß ei­ne so­li­de Grund­la­ge zu schaf­fen, schlich­te­ten wir uns zu­nächst auf der Ter­ras­se des nur ei­nen Kat­zen­wurf vom Schloß ent­fern­ten Al­lee-Ca­fés die Wän­ste mit Ku­chen, Tor­te und Kaf­fee­va­ria­tio­nen voll und lie­ßen uns den fau­len Pelz von der Son­ne be­schei­nen. Let­ze­res ist ja doch bei­lei­be kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit in die­sem recht wech­sel­war­men Som­mer.

An­schlie­ßend stimm­ten wir uns ver­mit­tels ei­nes Rund­gangs durch den gro­ßen eng­li­schen Land­schafts­gar­ten hin­ter dem Schloß auf das Le­ben in der wei­land Fürst­bi­schof­lich Schönborn’schen Som­mer­re­si­denz ein und run­de­ten die Lek­ti­on mit ei­ner Schloß­füh­rung ab. Dann aber war es end­lich so­weit, wir nah­men im gro­ßen Prunk­saal un­se­re Plät­ze ein und war­te­ten ge­spannt auf das, was uns die vie­len jun­gen Mu­si­ke­rin­nen und Mu­si­ker zu bie­ten hat­ten...

ein sättigender Samstag in Pommersfelden

Und das war ei­ne gan­ze Men­ge: Schon das er­ste Stück, das Kon­zert für Kon­tra­baß und Or­che­ster Nr. 2 E‑Dur von Carl Dit­ters von Dit­ters­dorf wuß­te in mehr­fa­cher Hin­sicht zu ge­fal­len. Der (den Da­men be­son­ders ge­fal­len­de) So­list ver­moch­te sei­nem wuch­ti­gen In­stru­ment schier un­glaub­li­che Tö­ne zu ent­locken, stel­len­wei­se schien in den fu­rio­sen So­lo­par­tien die Kom­po­si­ti­on ih­rer Zeit weit vor­aus zu sein. Ein fei­ner Auf­takt, vom Pu­bli­kum zu Recht ge­fei­ert!

ein sättigender Samstag in Pommersfelden

Nach kur­zer Um­bau­pau­se, in der die bis da­to kam­mer­kon­zert­li­che Strei­cher-In­stru­men­tie­rung mit Blä­ser-For­ma­tio­nen zu sym­pho­nie­ge­rech­ter Grö­ße auf­ge­stockt wur­de, ging es wei­ter mit Vor­spiel und Lie­bes­tod aus Ri­chard Wag­ners »Tri­stan und Isol­de«. Im di­rek­ten Ver­gleich zum vor­her ge­spiel­ten Werk wur­de of­fen­bar, was für ein Ma­gi­er der Or­che­strie­rung der ol­le Ri­chard doch war. Auch wenn un­ser­ei­ner mehr den ro­man­ti­schen Früh­wer­ken des Mei­sters zu­neigt, hier riß es mich schier vom Hocker: An­ge­sichts der wun­der­ba­ren In­ter­pre­ta­ti­on moch­te man kaum glau­ben, daß es sich hier um ein En­sem­ble aus jun­gen Mu­si­kern (über­wie­gend Mu­si­kerin­nen üb­ri­gens) am An­fang ih­rer Lauf­bahn han­del­te!

ein sättigender Samstag in Pommersfelden

Nach der Pau­se schließ­lich folg­te das vom Chro­ni­sten sehn­süch­tig er­war­te­te Haupt­werk des Nach­mit­tags, die Sym­pho­nie Nr. 4 Es-Dur sei­nes Leib- und Ma­gen-Kom­po­ni­sten An­ton Bruck­ner in der gern ge­spiel­ten Fas­sung von 1878/80. Und was wir da zu hö­ren be­ka­men, war ab­so­lut be­gei­sternd! Zwar hät­te ich mir den »er­lö­sen­den« Pau­ken­schlag ge­gen En­de des zwei­ten Sat­zes hör­bar lau­ter und die Ein­sät­ze man­cher Blech­blä­ser et­was prä­zi­ser ge­wünscht, aber wer woll­te dar­über rich­ten bei ei­ner ins­ge­samt her­vor­ra­gen­den In­ter­pre­ta­ti­on vom au­ßer­or­dent­lich trans­pa­ren­ter Durch­hör­bar­keit? Nein, das Pu­bli­kum war zu Recht be­gei­stert und der zone­batt­ler schier aus dem Häus­chen. Bra­vo!

Lei­der gab es kei­ne Zu­ga­ben, aber was hät­te nach die­ser Stei­ge­rung von Stück zu Stück ernst­haft noch kom­men kön­nen? Au­ßer­dem be­gan­nen un­se­re Mä­gen be­reits ih­re ei­ge­nen Me­lo­dien zu knur­ren, die mit­täg­li­che Tor­ten­schlacht lag ja nun schon et­li­che Stun­den zu­rück. Drum al­so flugs in die Renn­gur­ke ge­sprun­gen und ins na­he Höch­stadt ge­tuckert, um dort im nächst­mög­li­chen Re­stau­rant den Abend zu be­schlie­ßen. Wir lan­de­ten letzt­lich bei freund­li­chen Asia­ten. Und nach­dem sich auch dies als glück­li­che Wahl ent­pupp­te, wird uns die­ser Sams­tag als ein be­son­ders und rund­um ge­lun­ge­ner sol­cher in Er­in­ne­rung blei­ben...

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Montag, 20. Juli 2009

Un­ter­grün­di­ges

Die lan­gen, hei­ßen Som­mer­ta­ge ver­brach­ten ich und die rest­li­che Dorf­ju­gend in mei­nen nun schon ewig zu­rück­lie­gen­den Kind­heits­jah­ren gro­ßen­teils im Obern­dor­fer Wei­her na­he Möh­ren­dorf, wo­selbst dem Ver­neh­men nach ein rie­si­ger Wels oder auch Wal­ler un­vor­sich­ti­ge Ein­dring­lin­ge in sein Reich hin­ab­zie­hen und dort ver­spei­sen wür­de. Oft ha­ben wir das in spie­le­ri­schen Ak­tio­nen si­mu­liert, uns ge­gen­sei­tig an­ge­taucht und hin­ter­rücks an­ge­fal­len. Und auch wenn die gru­si­ge Ge­schich­te vom furcht­erre­gen­den Rie­sen­wal­ler mit sei­nen lan­gen Barteln letzt­lich doch nur ei­ne Le­gen­de zu sein schien, ein ge­wis­ser Rest­schau­er blieb stets er­hal­ten, schon we­gen der un­er­gründ­li­chen Tie­fe des moor­dunk­len Wei­hers und sei­ner ei­si­gen Käl­te un­ter­halb der son­nen­erwärm­ten Ober­flä­chen­schich­ten.

Ob­wohl ich es an sich auch heu­te noch nicht all­zu weit hin hät­te, bin ich schon recht lan­ge nicht mehr am, ge­schwei­ge denn im Obern­dor­fer Wei­her ge­we­sen. Nach der Lek­tü­re von Ma­dame Mo­de­stes Kunst­stück­chen »Wo die Wel­se woh­nen« scheint es zu­dem frag­lich, ob ich den nö­ti­gen Mut heu­te noch auf­bräch­te...

Samstag, 18. Juli 2009

Kunst am Sams­tag

In der pit­to­res­ken Nürn­ber­ger Ga­le­rie At­zen­ho­fer ist seit heu­te ei­ne sehr hüb­sche und ei­ni­ger­ma­ßen suber­siv an­ge­hauch­te Aus­stel­lung des Ham­bur­ger Künst­lers Mar­tin Graf zu be­stau­nen: Als sehr amü­sant er­schie­nen uns die be­weg­li­chen Pa­pier-Po­pups, na­ment­lich die ero­ti­schen sol­chen. Aber auch bei den üb­ri­gen Ar­bei­ten, z.B. den Lin­ol­schnit­ten, ver­moch­te die un­ge­wöhn­li­che Mi­schung aus zu­nächst nost­al­gisch-nai­ver An­mu­tung und un­ver­hofft in­halt­li­cher Ir­ri­ta­ti­on sehr zu ge­fal­len. Un­be­dingt an­schau­ens­wert!

Heu­te Abend dann gibt es in der hei­mi­schen Ga­le­rie in der Pro­me­na­de gleich­falls ei­ne Ver­nis­sa­ge: Der in Fürth ar­bei­ten­de Künst­ler Chri­stoph Haupt stellt un­ter dem Ti­tel »Chi­noi­se­ri­en« sei­ne Bil­der von bi­zarr ver­form­ten, man­del- bis schlitz­äu­gi­gen Mäd­chen vor. Ich ken­ne die Wer­ke schon von frü­he­ren Ate­lier­ta­gen her und bin froh, sie jetzt au­ßer­halb ei­ner übel ver­räu­cher­ten Werk­statt in den gut be­lüf­te­ten Flu­ren ei­ner grün­der­zeit­lich be­hau­sten Bü­ro­ge­mein­schaft gou­tie­ren zu kön­nen...

Freitag, 10. Juli 2009

Ein­fach le­ben

Ein über­zeu­gen­des und nach­voll­zieh­ba­res Re­zept für ein pro­duk­ti­ves, bal­last­frei­es und zu­frie­de­nes Le­ben ha­be ich heu­te auf unclutterer.com ge­le­sen. 11 Punk­te, über die man (nicht nur) nach­den­ken soll­te!

Sonntag, 5. Juli 2009

Män­ner­sa­che

Der schnie­del­wut­z­be­haf­te­te, post­pu­ber­tä­re Teil der Mensch­heit teilt sich auf in Naß‑, Trocken- und Gar­nicht-Ra­sie­rer, und al­le drei Grup­pen nei­gen hin­sicht­lich ih­rer Ge­sichts­pfle­ge-Prak­ti­ken zu höchst fun­da­men­ta­li­sti­scher Welt­sicht. Wenn wir mal die Zot­te­li­gen rechts und die schaum­schla­gen­den Klin­gen­schwin­ger links lie­gen­las­sen und uns auf die Trocken­ra­sie­rer­be­sit­zer in der Mit­te kon­zen­trie­ren, so zer­fal­len die­se wie­der­um in den Clan der Drei­fach-Rund­scher­kopf-Fans nach Philips™-Bauweise ei­ner­seits und in die Bru­der­schaft der Schwing­kopf-Lieb­ha­ber nach Braun™-Pa­tent an­de­rer­seits. Der zone­batt­ler ge­hört seit je­her zur letzt­ge­nann­ten Grup­pe und nimmt ei­ne dies­be­züg­li­che Fun­dus-Front­be­gra­di­gung zum An­laß, hier und heu­te di­ver­se Be­trach­tun­gen zum in­ne­ren und äu­ße­ren De­sign von Ra­sier­ap­pa­ra­ten der Mar­ke Braun an­zu­stel­len. Sol­che pflegt er bei Be­darf auf Floh­märk­ten gün­stig zu er­ste­hen: Nicht sel­ten wer­den dort kaum ge­brauch­te Weih­nachts­ge­schen­ke von un­dank­ba­ren Nef­fen, En­keln oder Schwie­ger­söh­nen für ei­nen Bruch­teil des Neu­prei­ses wie­der an den näch­sten Mann ge­bracht. Des ei­nen Leid, des an­de­ren Freud’!

Mein nur noch zur Hälfte sonor brummendes Braun-Quartett
 
Mein nur noch zur Hälf­te so­nor brum­men­des Braun-Quar­tett

Jahr­zehn­te­lang war der Ein­satz­ra­di­us ei­ner elek­tri­schen Bart-Mäh­ma­schi­ne de­fi­niert durch die Län­ge des Netz­ka­bels ei­ner­seits und die La­ge der Steck­do­se in der Nä­he des Ba­de­zim­mer­spie­gels an­de­rer­seits. Be­vor nun die elek­tri­sche Na­bel­schnur zu­gun­sten schnur­los zu be­trei­ben­der Ge­rä­te ab­ge­kop­pelt wur­de, wa­ren auch no­bel­ste Ra­sie­rer von ein­fach­ster Kon­struk­ti­ons­wei­se: Ein nach­ge­ra­de ba­nal zu nen­nen­der Schwing­an­ker saß im In­ne­ren und wur­de durch die 220 V‑Wechselspannung in de­ren (von Haus aus mit­ge­brach­ter Fre­quenz) von 50 Hz eben­so­vie­le Ma­le pro Se­kun­de hin- und her­ge­wor­fen. BrumMmMmMmMm. Ka­putt­ge­hen konn­te da we­nig au­ßer den Ver­schleiß­tei­len Klin­gen­block und Scher­fo­lie, war ja auch nix wei­ter drin als be­sag­ter An­ker, ei­ne Er­re­ger­spu­le drum­her­um so­wie ein Schal­ter.

So, dann aber schrie­ben sich fin­di­ge In­ge­nieu­re die Be­frei­ung des Man­nes aus der En­ge der Naß­zel­le auf die Fah­nen (sie muß­ten ja ein neu­es Ver­kaufs­ar­gu­ment für an­son­sten un­ter­blei­ben­de Er­satz­in­ve­sti­tio­nen schaf­fen) und er­fan­den keck den schnur­lo­sen Ra­sie­rer zur Be­nut­zung auf dem Bal­kon, dem Cam­ping­platz, dem Klo. Der (schein­ba­re oder tat­säch­li­che) Ge­winn an Kom­fort und Le­bens­qua­li­tät hat frei­lich sei­nen Preis in Form ei­ner ganz we­sent­li­chen Ver­kom­pli­zie­rung des vi­brie­ren­den In­nen­le­bens: Ak­kus und ge­mein­hin als »Bat­te­rien« be­zeich­ne­te Pri­mär­zel­len lie­fern halt nun­mal aus­schließ­lich Gleich­strom, und der wie­der­um kann nur über Um­we­ge ei­nen Scher­kopf zum Zap­peln brin­gen: Es braucht ei­nen rich­ti­gen Elek­tro­mo­tor (mit Ro­tor, Sta­tor, Kol­lek­tor und Koh­le­schlei­fern von end­li­cher Le­bens­er­war­tung) so­wie ei­nen me­cha­ni­schen Ex­zen­ter­me­cha­nis­mus, um des An­triebs Ro­ta­ti­ons­be­we­gung in das be­nö­tig­te Hin- und Her­ge­fuhr­wer­ke um­zu­set­zen. Fer­ner er­for­dert es ei­nen Strom­rich­ter resp. ein Netz­teil, um die Wech­sel­span­nung aus der Wand auf er­heb­lich ge­rin­ge­re Volt­zah­len her­un­ter­zu­trans­for­mie­ren und über­dies gleich­zu­rich­ten. Al­les mach­bar, aber deut­lich kom­pli­zier­ter, teu­rer und oben­drein kurz­le­bi­ger, vor al­lem dann, wenn man kein leicht zu­gäng­li­ches Fach für han­dels­üb­li­che Stan­dard-Ak­kus vor­sieht, son­dern fest ver­lö­te­te In­du­strie-Ak­kus ins In­ne­re des rund­um ver­sie­gel­ten Ap­pa­ra­tes ein­sperrt...

Der­zeit sind in des Re­zen­sen­ten Haus­halt vier (!) die­ser schnur­los schnur­ren­den Schur­ma­schi­nen vor­han­den, zwei da­von ha­ben mitt­ler­wei­le ih­ren Dienst quit­tiert und wer­den die­ser Ta­ge ba­stel­freu­di­gen Ken­nern als Er­satz­teil­spen­der an­ge­bo­ten. Noch aber lie­gen sie al­le­samt ein­träch­tig ne­ben­ein­an­der und har­ren ih­rer Wür­di­gung. Be­gin­nen wir nun­mehr end­lich un­se­re chro­no­lo­gisch sor­tier­te Ap­pa­ra­te­schau mit dem ed­len Braun Mo­dell 5550 (Ty­pe 5504) [1], der schein­tot dar­nie­der­liegt und auf Wie­der­be­le­bungs­ver­su­che nicht mehr re­agiert. Rein vom Äu­ße­ren her ge­fiehl mir die­ser mar­kan­te Stop­pel­schnipp­ler mit sei­nem matt­sa­ti­nier­ten, sich an­ge­nehm kühl an­füh­len­den Me­tall­ge­häu­se stets am be­sten:

Gummi-Griffnoppen und Ladezustandsanzeige am Braun 5550
 
Gum­mi-Griff­nop­pen und La­de­zu­stands­an­zei­ge am Braun 5550

Die mehr­seg­men­ti­ge La­de­zu­stands­an­zei­ge im un­te­ren Ge­häu­se­en­satz zeigt hier nichts mehr an, der Ap­pa­rat ist ja wie schon be­merkt de­fekt. Man be­ach­te aber die grif­fi­gen Gum­mi­nop­pen, de­ren Kol­le­gen auf der Un­ter­sei­te dem Ge­rät zu­dem auf glat­ten Ab­la­gen si­che­ren Halt ver­lei­hen. Auch die Griff­lei­ste des Schieb­schal­ters (im Bild oben links) war ur­sprüng­lich gum­miert, aber die­ser Be­lag ist hier be­reits ab­ge­ris­sen, da den Be­tä­ti­gungs­kräf­ten des Be­dien­er­dau­mens sich auf Dau­er als nicht ge­wach­sen er­wie­sen ha­bend. Ein klei­ner Kon­struk­ti­ons­feh­ler, der den In­ge­nieu­ren bei Braun aber of­fen­bar nicht ver­bor­gen ge­blie­ben ist, denn bei der Nach­fol­ger-Bau­rei­he war je­ne Schalt­schie­ber­lei­ste dann von vor­ne­her­ein aus mas­si­vem Hart­kunst­stoff ge­fer­tigt:

enger gesetzte Noppen und vereinfachte Ladezustandsanzeige am Braun 6520
 
en­ger ge­setz­te Nop­pen und ver­ein­fach­te La­de­zu­stands­an­zei­ge am Braun 6520

An die­sem Mo­dell 6520 (ali­as Ty­pe 5705) fällt uns zu­dem ei­ne neue Art Gum­mie­rung auf, be­stehend aus Pünkt­chen und Strei­fen in necki­scher Va­ria­ti­on. Das er­scheint mir zwar ei­ner­seits als un­nö­tig ver­spielt (und da­mit als de­si­gne­ri­scher Faux­pas), an­de­rer­seits muß ich ein­räu­men, daß die räum­li­che Ver­dich­tung der Gum­mi-Gnub­bel die ge­fühl­te Grif­fig­keit des Ge­rä­tes doch deut­lich ver­bes­sert, zu­mal in Ver­bin­dung mit neu hin­zu­ge­kom­me­nen Gum­mi­ste­gen an den Ge­häu­se­sei­ten. Schließ­lich sei auf die ver­ein­fach­te La­de­kon­troll-An­zei­ge aus zwei Lämp­chen hin­ge­wie­sen, die den preis­li­chen Ab­stand zum »grö­ße­ren Bru­der« Mo­dell 6550 recht­fer­ti­gen soll­ten. Und den ha­ben wir hier eben­falls noch her­um­lie­gen (wenn auch lei­der nur­mehr ‑da funk­ti­ons­los- zum Brief­be­schwe­rer tau­gend):

luxuriöse Ladezustandsanzeige am Braun 6550 als Distinktionsmerkmal zum 6520
 
lu­xu­riö­se La­de­zu­stands­an­zei­ge am Braun 6550 als Di­stink­ti­ons­merk­mal zum 6520

Hier se­hen wir wie­der ein ähn­lich auf­wen­dig rea­li­sier­tes La­de­zu­stands-Dis­play wie ein­gangs beim Mo­dell 5550: Ei­ne fei­ne Sa­che, weil man da­mit die mut­maß­lich noch oh­ne Nach­be­tan­kung an der sta­tio­nä­ren Steck­do­se ver­füg­ba­re Rest­lauf­zeit ziem­lich gut ab­schät­zen kann. Üb­ri­gens kann man da­von aus­ge­hen, daß sol­che Un­ter­schie­de nicht pri­mär von den be­kit­tel­ten Tech­ni­kern er­son­nen, son­dern von den be­schlip­sten Mar­ke­ting-Frit­zen be­wußt an­ge­ord­net wer­den, um ei­ne hier­ar­chi­sche (und na­tür­lich preis­li­che!) Ab­stu­fung in­ner­halb ei­ner Mo­dell­rei­he zu er­zie­len: Wer als Kun­de un­be­dingt das Top-Mo­dell sein Ei­gen nen­nen möch­te, wird da­für am spür­bar­sten zur Kas­se ge­be­ten. Der preis­be­wuß­te Kon­su­ment hin­ge­gen steigt ein oder zwei Stu­fen tie­fer ein und muß für deut­lich we­ni­ger Geld nur auf das ei­ne oder an­de­re Gim­mick ver­zich­ten. [2] Doch zu­rück zu den har­ten Fak­ten: Der 6550 (= Ty­pe 5704) wä­re nach mei­nem Da­für­hal­ten der idea­le Ra­sie­rer, wenn er denn wei­ter­hin er­hält­lich wä­re. Ist er aber nicht. Auch bei längst per­fekt aus­kon­stru­ier­ten Her­ren­ra­sie­rern sind die Ent­wick­ler näm­lich aus wirt­schaft­li­chen Grün­den ge­zwun­gen, im­mer wie­der et­was Neu­es vor­zu­le­gen, um In­no­va­ti­on und (oft nur schein­ba­ren) Fort­schritt zu de­mon­strie­ren. So sieht die­ser heut­zu­ta­ge aus:

seitlich plazierter Druckschalter am produktionskostenoptimierten Braun 5612
 
seit­lich pla­zier­ter Druck­schal­ter am pro­duk­ti­ons­ko­sten­op­ti­mier­ten Braun 5612

Die­sen Brum­mer ha­be ich letz­te Wo­che auf ei­nem Floh­markt er­stan­den, da er zu den Klin­gen­blöcken und Scher­fo­li­en mei­ner an­de­ren Ra­sie­rer kom­pa­ti­bel ist und ich noch ei­nen wei­land preis­wert er­stei­ger­ten Hand­vor­rat da­von auf La­ger ha­be. [3]. Zu­nächst wa­ren we­der der Ver­käu­fer noch ich in der La­ge, den Ap­pa­rat zum Lau­fen zu brin­gen, da wir die­ses durch ein­fa­ches Hoch­schie­ben des Lang­haar­trim­mers mit dem Dau­men pro­bier­ten. Wir wa­ren bei­de schon ver­sucht, den äu­ßer­lich neu­wer­tig er­schei­nen­den Ra­sie­rer als de­fekt ab­zu­schrei­ben, da fiel dem freund­li­chen An­bie­ter auf, daß die­ses Ge­rät al­len längst eta­blier­ten Tra­di­tio­nen zum Trot­ze über ei­nen se­pa­ra­ten Ein-/Aus-Schal­ter in Form ei­nes blau­en Punk­tes ver­fügt! [4]

Um es kurz zu ma­chen: Auch mit die­sem Pla­stik-Hand­schmeich­ler kann man sich na­tür­lich gründ­lich ra­sie­ren. Die Wer­tig­keit der An­mu­tung in­des, die vie­le Vor­gän­ger aus­zeich­ne­te, ist end­gül­tig da­hin: Das spritz­lackier­te Kunst­stoff­ge­häu­se fühlt sich bil­lig an, und trotz ei­ner dicken Sei­ten­gum­mie­rung hat man beim oben und un­ten glat­ten Ge­häu­se stän­dig Angst, das Ding kön­ne ei­nem sei­fen­gleich aus der Hand flut­schen und ‑dem Ge­bot der Schwer­kraft Fol­ge lei­stend- Se­kun­den­bruch­tei­le spä­ter auf dem Bo­den zer­schel­len. Auch beim Ab­le­gen auf glat­ten Flä­chen muß man ob­acht ge­ben, denn man­gels Gum­mi­nop­pen ist ein si­che­rer Halt dort nicht mehr ge­währ­lei­stet. Schließ­lich sei auch noch das klo­bi­ge Netz­teil be­klagt, wel­ches bei al­len neue­ren Braun-Ra­sie­rern in den Netz­stecker des An­schlu­ka­bels aus­ge­la­gert wor­den ist, um die in­zwi­schen als feucht rei­nig­bar kon­zi­pier­ten Ap­pa­ra­te schon von au­ßen nur noch mit un­ge­fähr­li­cher Nie­der­span­nung ver­sor­gen zu müs­sen. [5] Un­ter dem Strich be­reue ich den Kauf na­tür­lich nicht, denn für den kom­plet­ten Ap­pa­rat ha­be ich letzt­lich nur so­viel ge­löhnt wie für ein Kom­bi-Pack aus Klin­gen­block und Scher­fo­lie...

Re­sü­mie­rend ist aus Sicht des sonn­tag­mor­gend­lich un­ra­sier­ten Kri­ti­kers seuf­zend zu be­dau­ern, daß die heu­ti­gen De­si­gner das Ver­mächt­nis ih­rer Vor­gän­ger ‑kla­re, funk­ti­ons­ori­en­tier­te Pro­dukt­ge­stal­tung- nicht mehr fort­füh­ren (kön­nen, wol­len, dür­fen?): Ak­tu­el­le Ra­sie­rer schau­en aus wie La­ser­schwer­ter aus Sci­ence Fic­tion-Fil­men, voll auf Emo­ti­on ge­trimmt (ein Schick­sal, wel­ches sie mit ag­gres­siv an­mu­ten­den Au­to­schein­wer­fern tei­len). Doch auch wenn ich mit den ge­stal­te­ri­schen Aus­wüch­sen der mich um­ge­ben­den Pro­dukt­welt nicht im­mer zu­frie­den sein kann: An mei­ne Haut las­se ich (vor­erst) wei­ter­hin nur Was­ser und Ra­sie­rer von Braun!

 
[1] Sämt­li­che Braun-Ra­sie­rer ver­fü­gen über ei­ne vorn an­ge­brach­te Mo­dell-Num­mer und über ei­ne auf der Rück­sei­te klein auf­ge­druck­te Ty­pen-Num­mer. Bei­de ste­hen zu­ein­an­der und zu den ent­spre­chen­den Be­zeich­nun­gen ver­wand­ter Mo­del­le in by­zan­ti­nisch-kaf­ka­es­ker Re­la­ti­on und sind ge­eig­net, den neu­gie­ri­gen In­ter­es­sen­ten in den Wahn­sinn zu trei­ben, wel­cher ei­gent­lich nur nach Ori­en­tie­rung in der Flut der Ty­pen und Bau­se­ri­en sucht.

[2] Man be­ach­te die ganz ähn­li­che Si­tua­ti­on bei Staub­saugern.

[3] Die kaum zu über­blicke Viel­falt bei die­sen Ver­schleiß­tei­len ist eben­so­we­nig tech­nisch be­grün­det wie die bei Tin­ten­pa­tro­nen für Drucker, viel­mehr soll der Kun­de mit dem Mo­dell­wech­sel auch zum Kauf neu­er Zu­be­hör­tei­le mit ho­hen Ge­winn­mar­gen ge­nö­tigt wer­den. Dies kann man al­ler­dings ein­zel­nen Her­stel­lern nicht gut zum Vor­wurf ma­chen, da sich die­se not­ge­drun­gen bei der Preis­ge­stal­tung an ih­ren Mit­be­wer­bern ori­en­tie­ren müs­sen.

[4] Kei­ne gu­te Idee, da ein her­ber Kon­ti­nui­täts­bruch und über­dies ein deut­li­cher Rück­schritt hin­sicht­lich der »Usa­bi­li­ty«.

[5] Das ist m. E. auch so ein pseu­do­fort­schritt­li­cher Mum­pitz: Die­se aus­la­den­den Rei­ni­gungs­sta­tio­nen neh­men er­heb­li­che Stell­flä­che in An­spruch und spü­len die Bart­stop­peln mit ei­ner zu aber­wit­zi­gen Prei­sen ge­han­del­ten Rei­ni­gungs­lö­sung aus dem Scher­kopf. Nach mei­ner Ein­schät­zung ist das so über­flüs­sig wie ei­ne elek­tri­sche Pfef­fer­müh­le mit in­te­grier­ter Ta­schen­lam­pe: Wer nach al­ter Vä­ter Sit­te wei­ter­hin ge­le­gent­lich mit ei­nem Bürst­chen selbst zu Wer­ke geht und al­le paar Wo­chen über­dies Klin­gen­block nebst Scher­fo­lie in hei­ßem Spül­was­ser ein­weicht und ab­spült, er­zielt im Hand­um­dre­hen den glei­chen Ef­fekt und spart Geld und Platz.

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