Donnerstag, 27. August 2009
Österreich ist ein sehr beschauliches, ja nachgerade idyllisches Land von großer landschaftlicher Schönheit: Vielerorts dominiert der stille Zauber der Natur über die Begleiterscheinungen der Besiedelung (resp. Besudelung) durch den Menschen. Damit das auch weiterhin so bleibt, werden die in großer Zahl einströmenden Besucher aus aller Herren Länder in speziellen Touristengehegen konzentriert gesammelt und sicher aufbewahrt. Wenn man den Fremden ‑so die dahinterstehende Überlegung- auf kompaktem Raume alles bietet, was sie suchen und zu finden hoffen, dann verschonen sie das übrige Land mit ihren dicken, stinkenden Autos und ihren zuweilen auch recht fragwürdigen Umgangsformen...
Ein solches grenznahes Auffanglager ist Salzburg, in welches wir ‑von Norden her über Freilassing kommend- am frühen Morgen einfielen. Wie stets in solchen Fällen ließen wir den Einsatzwagen in einiger Entfernung vom Zentrum in einer Wohnstraße stehen, um uns per pedes die Stadt zu erwandern. Dies erwies sich bald als kluger Schachzug, denn die Innenstadt entpuppte sich als rappelvoller Schmelztiegel der Nationen, in dem das Finden eines Parkplatzes (eines kostenlosen zumal) ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre!
Anhand zahlloser Schlösser, Paläste und Stadtvillen wird dem staunenden Gast aus der Fremde exemplarisch vorgeführt, was man hier schon zu k.u.k.-Zeiten an architektonischen Glanzleistungen mit spielerischer Leichtigkeit hervorzubringen vermochte. Rund um die pompösen Bauten liegen oft bemerkenswert gepflegte Parkanlagen und Gärten: In hoher Blüte (!) steht bis heute die hehre Gartenbaukunst, und allerorten hat bestens geschultes Fachpersonal ein Auge darauf, daß die floralen Arrangements unter dem Besucheranstrom keinen bleibenden Schaden nehmen:
Ja, ihren gigantischen Theme Park haben die Salzburger im Griff! Wunderlicherweise läuft der Betrieb trotz all’ der Leute reibungslos und effizient, und Auswüchse von Agression findet man allenfalls bei in Stein gehauenen Gestalten aus vorgeschichtlich mythologischen Zeiten:
Für Besucher aus außereuropäischen Gefilden muß das alles von unerhörter Exotik sein. Was Wunder also, wenn freundliche Asiaten aller Altersklassen ihre Kameras gar nicht mehr aus der Hand legen: Ohne unwiderlegbare Bildbeweise würde man ihnen daheim die Schilderungen aus felix Austria vermutlich gar nicht glauben und als heillos übertrieben abtun!
Indes, die Wunder Salzburgs sämtlich abzulichten würde auch den ausdauerndsten Fotografen überfordern: Nicht umsonst steht die Altstadt auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO! Der Chronist gesteht freilich ein, nach kurzem, ziellosen Treiben durch die bunten Ladengassen erst den Dom und dann diverse Kunstausstellungen in quasiöffentlichen Gebäuden besichtigt zu haben, um erstens den Menschenmassen und später dann auch dem einsetzenden Regen zu entfliehen. Wo Kunst dargeboten wird ‑moderne zumal- da lichten sich die Reihen schnell, und es wird einem manche Überraschung zuteil. Besonders reizvoll fällt der Kontrast aus, wenn zeitgenössische Werke der Bildenden Kunst im Kontext historischer Prunkräume zu sehen sind:
Doch irgendwann hat man genug gesehen und will wieder nach draußen. Dort freilich regnete es noch immer. Das erwies sich aber unverhofft als glückliche Fügung, denn beim unbeschirmten Spurt durch die schmalen Gassen sahen wir plötzlich, wie unter schützenden Markisen die vielbesungene Spezialität der Stadt serviert wurde: Salzburger Nockerl ! Also nichts wie hinein in die gastliche Stätte und eine Portion für zwei in Auftrag gegeben. Die leckere Süßspeise wird stets frisch zubereitet und kam gerade zur rechten Zeit, bevor die Vorfreude in Wartefrust umschlug...
Wie man sieht, war des zonebattler’s Hunger größer als sein Drang zur bildlichen Dokumentation. Immerhin ist erkennbar, daß es vortrefflich gemundet hatte! [1]
Nach dem Essen war der Dauerregen noch nicht ganz vorbei, aber doch auf ein einigermaßen erträgliches Maß zurückgegangen. Leider fand ich rund um die Goldgasse das mir aus fernen Kindheitstagen erinnerliche »Goldene Dachl« nicht wieder, aber das war vor allem dem später nachrecherchierten Umstand geschuldet, daß dieses seit jeher in Innsbruck bereitgehalten wird. Tja.
Ein städtischer Bus brachte uns schließlich wieder hinauf nach Liefering, wo unser braves Vehikel geduldig auf uns gewartet hatte. Nach einem kurzen Tankstopp ging es dann wieder zurück nach Bayern mit Kurs Bad Reichenhall, wovon in der nächsten Folge zu berichten sein wird...
[1] Die riesig erscheinenden Nockerl sind zwar letztlich sättigend, aber doch im Wesentlichen aus heißer Luft bestehend. Das macht die gezuckerten Berge aus Eischaum bezwingbar...
Dienstag, 25. August 2009
Vor ein paar Jahren hatte ich das berufliche Glück (und persönliche Vergnügen), im Werk des größten Arbeitgebers von Burghausen ein Wochenseminar durchführen zu dürfen. Feierabends strolchte ich dann durch die Straßen und kam aus dem Staunen über den offensichtlichen Reichtum der Kommune gar nicht mehr hinaus: Während es in der hochgelegenen Neustadt noch Unmengen inhabergeführter Fachgeschäfte (und kaum Handy-Läden und Ein-Euro-Shops) zu geben schien, war die tiefer am Fluß gelegene Altstadt nicht nur bunt und prächtig herausgeputzt, sondern sogar mit einer zur kostenfreien Benutzung offenstehenden Tiefgarage großflächig unterkellert. Aber hallo! Früher das Salz, heute die Chemie, damit ließ und läßt sich wohl gutes Geld verdienen...
Burghausen verfügt ‑nomen est omen- über die längste Burganlage Europas, die zu bestreifen man sich unbedingt ausreichend Zeit nehmen sollte. [1] Auch die Aussicht vom Burgberg ins Umland ist spektakulär; in Richtung Altstadt schafft es nur der Kirchturm, die Randmauer der Festung zu überragen:
Guckt man auf der gegenüberliegenden Seite nicht nur in die Ferne, sondern auch hinunter, so verschlägt es einem schier die Sprache: Da unten liegt das schönste Freibad, welches dem Berichterstatter in den knapp fünf Dekaden Anwesenheit auf diesem Planeten jemals unter die Augen gekommen ist! Eine ehemals mäandrierende Schleife der Salzach ist es, die ‑längst durch begradigenden Durchstich des Flußes vom diesem abgezwickt und seither zum stillen Altwasser mutiert- dort drunten zum erquickenden Bade einlädt, von frischen Quellen gespeist, in herrlichem Smaragdgrün funkelnd...
Freilich war es jetzt schon später Nachmittag, und es wollten noch Burg und Stadt ausgiebig inspiziert sowie anschließend ein Standplatz für die bald hereinbrechende Nacht [2] gefunden werden, darum mußten wir das verlockende Badevergnügen auf den folgenden Sonntag-Morgen verschieben.
Der Eingang zum Wöhrsee-Bad befindet sich unweit der Altstadt in der Nähe des ehemaligen Pulverturmes der Burg, woselbst Seniorenheime in bester (=ruhiger) Lage einen beschaulichen Lebensabend versprechen. Um Interessenten und spätere Kunden für die mutmaßlich nicht ganz billigen Alten-Anstalten anzulocken, sind lebensechte Lockvögel aus bunt bemaltem Kunststoff aufgestellt (bzw. hingesetzt):
Die künstliche Oma lächelt zufrieden aus der redundant beschürzten Kittelschürze, der alte Herr daneben schaut indessen versonnen in die Ferne und spielt dabei offenbar eine Runde Taschen-Billard. Kunststück oder Narretei? Egal, wir wollten ja ins Wasser, schon weil eine Woche des Herumzigeunerns abseits aller Mischbatterien den Wunsch nach einer ordentlichen Dusche immer drängender werden ließ...
Als lokalpatriotische Fürther erinnerte uns jenes Burghausener Naturbad ganz außerordentlich an die Fotos von den alten Fürther Flußbädern. Der Vergleich hinkt natürlich, der zum See gewordene Ex-Flußarm in Burghausen ist ja mit der weiterhin fließenden heimischen Rednitz nicht vergleichbar, aber das Ensemble aus hölzernen Umkleidekabinen wirkt schon wie aus der Zeit gefallen und überaus nostalgisch:
Mehr als einen Kilometer kann man unterhalb der Burganlage geradeaus schwimmen, bevor man das andere Ufer erreicht und notgedrungen wenden muß. Wem unterwegs Elan und Energie auszugehen drohen, kann sich auf eine der mittendrin verankerten Sonneninseln aus Holz wuchten und eine Runde (oder auch zwei) dösen. Was für eine elementare Freude!
Wie neugeboren machten wir uns nach dem Badevergnügen wieder auf den Weg und die Piste. Immer an der Salzach entlang hangelten wir uns auf der österreichischen Seite nach Süden, bis wir bei Tittmoning wieder die Seite und das Land wechselten. Der kleine Ort und die ihn beherschende Burg sind eine Besichtigung allemal wert. Seine Einwohner scheinen fröhliche Freunde des Rebensaftes zu sein und überdies kreative Resteverwerter:
So weit, so schön. Eigentlich wollte ich ja (wie voreiligerweise angekündigt) in dieser Folge noch bis Salzburg kommen, aber es zeichnet sich ab, daß ich die verehrten LeserInnen etwas vertrösten muß: In der heute aufgeschriebenen Episode langt es nämlich nur noch bis nach Laufen und das gegenüberliegende Oberndorf bei Salzburg. Eine prächtige Jugendstil-Brücke mit allerlei staatstragender Ornamentik verbindet dort die in einer Salzach-Schleife gelegene bayerische Gemeinde mit dem österreichischen Ort jenseits des Stromes.
Unsereins verlor übrigens bei den häufigen Grenzübertritten auf der Fahrt mitunter die Orientierung, in welchem Land er denn nun gerade war... [3]
Des zonebattler’s bessere Hälfte frönte auch im Städtchen Laufen wieder ihrer Leidenschaft, dem ausgiebigen Inspizieren von Kirchen aller Konfessionen. Davon kann sie eigenartigerweise gar nicht genug kriegen, wovon der Chronist ein Lied zu singen weiß...
Eine Begegnung der besonderen Art gab es dann noch in einer der verwinkelten Altstadtgassen, wo wir mit zwei älteren Damen ins Gespräch kamen und später noch von einer ihr uraltes Haus (samt Inventar) vom ebenberdigen Gewölbe bis zum Dachboden ausgiebig gezeigt und vorgeführt bekamen. Überhaupt gibt es in der Laufener Altstadt (die wie soviele Kleinstädte heutzutage überwiegend von Alten bevölkert ist, denn die jungen Leute finden Arbeit eher in den entfernten Städten) viele malerische Winkel zu erspechten, und wer derlei semispitzwegeske Motive mag, könnte knallfarbene Postkartenbilder am laufenden Band produzieren:
Na ja, genug davon. Nur wenige Kilometer weiter legten wir uns zur Ruhe und ich mich jetzt hier und heute auch. In der demnächst folgenden sechsten Episode meiner ausufernden Reisereportage landen wir dann aber wirklich in Salzburg!
[1] Der knipsfreudige zonebattler empfiehlt ferner wärmstens den Besuch im »Haus der Fotografie« (alias Dr.-Robert-Gerlich-Museum): Nicht nur Apparate-Freaks und lokalhistorisch interessierte Besucher kommen da auf ihre (ohnehin geringen) Kosten, auch die künstlerisch angehauchten Sonderausstellungen sind von Rang und hohem Niveau!
[2] Ein solcher war nach einigem Hin und Her in einem Gewerbegebiet hinter einer verlassenen Fertigungshalle gefunden, umgeben von Discount-Märkten, Tankstellen und Industriebetrieben. War zwar rein optisch nicht vergleichbar mit den ansonsten präferierten Standorten in freier Natur, aber in fußläufiger City-Nähe und obendrein mückenfrei. Und das war für uns eine durchaus willkommene Abwechslung...
[3] Das galt selbstredend nur für den Verfasser, sein zweibeiniges Navigationssystem auf dem Beifahrersitz mit dem Autoatlas auf dem Schoß wußte auch ohne GPS-Tracker stets und zu jeder Zeit, woselbst wir uns gerade befanden.
Sonntag, 23. August 2009
Über Bodenmais gelangten wir in die niederbayerische »Glasstadt« Zwiesel, die im Wesentlichen von unsteten Touristen auf der Suche nach preiswerten Nutzloserabilien bevölkert ist. Vermittels einer als Sehenswürdigkeit ausgewiesenen Pyramide aus gestapelten Gläsern lockt man die Fremden busladungsweise in Tempel des Konsums, neudeutsch so genannte Factory Outlets, um sie dort von ihrem Gelde zu trennen im Tausch gegen Tand, den sie nicht wirklich brauchen...
Zur Erklärung des Phänomens sei mir ein philospohischer Exkurs erlaubt: Der Mensch ist meiner Meinung nach zufrieden, wenn er eine Aufgabe hat, die ihm wesensgemäß ist und ihm Freude bringt. Gelingt es ihm gar, seine Berufung zu erkennen und diese zum Beruf zu machen, so ist er nicht weniger als glücklich zu nennen. Große Teile der Bevölkerung freilich sehen das Arbeitsleben als Fron und den heiß ersehnten Urlaub als Gegengewicht, in welchem sie dann das Unterlassen jeglichen zielgerichteten Tuns als essentiell und sinnstiftend betrachten: Das wochenlange Faulenzen soll es richten und ihnen Erholung und Zufriedenheit bringen!
Aber das funktioniert natürlich so nicht, da mögen die Aussicht noch so schön, die weichen Pensions-Betten noch so bequem und das Buffet noch so aus- und einladend sein. Sehr bald beginnt der gelangweilte Mensch, sich eben doch nach einer Aufgabe umzusehen und hektischen Aktionismus zu entfalten. Und worin besteht der wohl? Für eine Minderheit vielleicht in geistigen und körperlichen Exerzitien, für das Gros der Sommerfrischler indes aber offenbar im Laufen, Kaufen, Saufen: Zeit ist reichlich vorhanden, Geld offenbar auch, die passende Infrastruktur sowieso. Also werden fleißig mundgeblasene Luftverdränger erworben und pralle Dirndl, alles von bester Qualität und zwei Jahre später in den Second-Hand-Läden der Republik in tadellosem Zustand für ein Zehntel des Einstandspreises erneut in Verkehr gebracht... [1]
Ganz so so üppig wie ehedem scheint der Rubel freilich doch nicht mehr rollen zu wollen, denn mitten in der Saison bleiben reichlich Parkplätze und Fremdenzimmer unbelegt: Die Generationen unterhalb des Rentenalters scheinen wohl mittlerweile Computer und Spielkonsolen den handgeschliffenen Kelchen und kristallgläsernen Elchen vorzuziehen. Egal: Hier kann unseres Bleibens nicht länger sein, darum ab durch die Mitte und wieder hinein in den Wald, woselbst lieblich-saftige Wiesen zum Dösen und gepflegten Bauchkratzen einladen!
Die in Reiseführern gern erwähnten Orte Frauenau, Spiegelau und Grafenau waren uns nur beiläufige Blicke wert, damit wir am gleichen Tage noch Zeit fanden, dafür Freyung etwas intensiver zu inspizieren. Dortselbst faßten wir auch Proviant und schlugen schließlich unweit vom Ort im finsteren Walde unser Nachtlager auf, indem wir an strategisch günstiger Stelle eine Wagenburg bildeten:
An dieser Stelle sei einmal mehr klarstellend darauf hingewiesen, daß unsereins auf Reisen im Gegensatz zu manchem Zivilisations-Amateur keinerlei Hinterlassenschaft in der Botanik deponiert, die nicht geschwind organisch abbaubar wäre! Tatsächlich nehmen wir oft anderer Leute Müll auf und mit zur fachgerechten Entsorgung, um uns beim Universum für die kostenfrei gewährte Nachtruhe erkenntlich zu zeigen...
Nach leidlich mückenfrei verbrachter Nacht ging es anderntags weiter über Passau [2] ins österreichische Schärding am dort gar breit und träge dahinströmenden Inn:
Auch dort war bei weitem nicht soviel los, wie die schmucke Altstadt und das vielfältige Angebot für Auge, Ohr und Gaumen nahegelegt hätte: Offenbar hockt der Mitteleuropäer heutzutage eher vor der Glotze oder auf fernen Inseln, als sich in der Ferienzeit in der näheren Umgebung seiner Heimat umzuschauen. Uns war es recht, verhalten wir uns doch sowieso gerne antizyklisch. Und der zonebattler kann ohnehin weit besser unbelebte Stilleben fotografieren als blinzelnde Menschen zu deren Zufriedenheit portraitieren... [3]
Aber ganz kann er es natürlich doch nicht ganz lassen: Nach einer auf deutscher Seite zwischen Bad Füssing und Ering verbrachten Nacht kam ihm tags drauf in Braunau am Inn ein paar fescher Damenbeine vor die Linse, welches hiermit stolz der Leserschaft präsentiert sei. Weiße Schleifchensandaletten mit Straßsteinen und Chromabsätzen staksen heutzutage über das Pflaster jener Stadt, in der einstmals ein später braunbehemdeter Stiefel- und Schnauzbartträger das Licht der Welt erblickte: Das muß man allemal als friedlichen Fortschritt werten!
Und damit soll es für heute genug sein. Die nächste Etappe wird uns in Kürze über das schöne und reiche Burghausen die Salzach entlang bis ins reiche und schöne Salzburg führen!
[1] Das alles wäre ja als geniale Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und mehrstufiger Wirtschaftsmotor zu preisen, wenn es nicht letztlich auf Kosten der Ressourcen und der Umwelt und ergo zu Lasten der Lebensgrundlagen unserer Nachkommen ginge...
[2] Der Dreiflüssestadt hatte ich ja erst neulich einen Besuch abgestattet, darum sei sie hier ohne weitere Einlassungen flugs passiert und keck übersprungen.
[3] Bitte das nicht tiefenpsychologisch (miß)deuten zu wollen. Jede(r) hat seine (ihre) Vorlieben und seine (ihre) handwerkliche Schwächen...
Samstag, 22. August 2009
Das Überqueren einer Staatsgrenze (zumal einer solchen zu einem ehemaligen »Ostblock«-Land) ist für den zonebattler immer wieder spannend und stets von einer gewissen Aufregung begleitet, auch wenn sich Tschechien heutzutage auf den ersten Blick kaum anders präsentiert als sein großer germanischer Nachbar: Die Bäume sind genauso grün, die Straßen nicht weniger gut in Schuß und die Supermärkte tragen die gleichen Namen wie die heimischen. [1]
Um das besonders Exotische zu finden, muß man mittlerweile also schon etwas genauer hinschauen. Dann freilich erspäht das Auge des staunenden Betrachters so manches, was ihm in heimischen Gefilden noch nie begegnet ist, beispielsweise Bäume mit überaus bizarren Fruchtgebilden dran:
BotanikerInnen in der Leserschaft seien hiermit herzlich ermuntert, zur Identifikation jenes eigenartigen Gewächses beizutragen: Handelt es sich dabei um eine von weißbekittelten Wissenschaftlern zu Zeiten des Kalten Krieges herangezüchtete Mutation zu Nutz’ und Frommen des sozialistischen Freundes und zum Schaden des kapitalistisch-imperialistischen Feindes? Oder ist es schlicht eine sonderbare Spezies aus subtropischen Gefilden, weiland von einem k.u.k. Landvermesser eingeführt und dank des Klimawandels inzwischen auch in unseren Breiten prächtig gedeihend?
Im westböhmischen Städtchen Domažlice blüht und floriert es aber auch sonst an allen Ecken und Enden! Wie fern mutet die Diskussion um eine Shopping Mall in Fürth an, wenn man so einen pittoresken Marktplatz sieht, der beidseitig von alten Häuserzeilen flankiert ist, deren durchgehende Arkaden wiederum mit herrlichen Rundbögen bei jedem Wetter zum Flanieren und entspannten Einkaufen einladen:
Tritt man in eines der prächtigen Gründerzeit-Gebäude ein (dessen Hauswegweiser man als Sprachunkundiger allenfalls vage zu interpretieren in der Lage ist), dann stößt man nicht selten schon im Treppenhaus auf fein restaurierte Pracht und eine gediegene Atmosphäre, die ein moderner Zweckbau nie und nimmer zu erzeugen in der Lage wäre:
Auch draußen vor der Pforte läuft das Leben zwar geschäftig, aber eher unaufgeregt ab: Man schlendert durch die belebten Arkaden, wirft hier und und da einen Blick in die sich meist in erstaunliche Tiefen erstreckenden Geschäfte und ist mit sich und der Welt rundum zufrieden...
Inzwischen ist es darüber Mittag geworden, und allerorten beginnen die Touristen und die Einheimischen, sich zum gepflegten Mahle niederzulassen. In allen Ecken und Nischen werden traditionelle Böhmische Knödel serviert und mit gutem Appetit von der hungirgen Kundschaft verzehrt:
Da wollte und konnte unsereins nicht abseits stehen und tat desgleichen... [2] Nach dem Geknödel noch einen krönenden Palatschinken mit Eis und Sahne verspachtelt und abschließend die Wampe prüfend betastet: paßt scho! Die Fahrt ging hernach durch abwechslungsreiche Landschaft weiter bis nach Klatovy, in dessen grandioser Altstadt die Kirchtürme kaum an den Fingern zweier Hände abzuzählen sind. An zahllosen Stellen wird das stolze Stadtbild fleißig aufpoliert, und überall werden mit Liebe zum Detail Maurerkellen oder Malerpinsel geschwungen...
Doch so spannend Stadtrundgänge auch sein können, uns interessieren ja vor allem immer die eher unbekannten Zufallsfunde abseits der touristisch ausgetreten Pfade. Wie zum Beispiel jenes traurig heruntergekommenes Schloß im nahen Týnec, dessen einstige Pracht aber glücklicherweise noch erahnbar ist:
Eine Handvoll Arbeiter immerhin schien in dem ausladenden Gemäuer konservierend tätig zu sein. Die Arbeit dort wird ihnen bis zum Erreichen des Ruhestandes (oder bis zum Ende des verfügbaren Restaurierungs-Budgets, whichever comes first) sicherlich nicht ausgehen...
Weiter ging es mit Kurs Richtung Süden, bis wir das liebenswerte Nachbarland am Abend bei Bayerisch Eisenstein [3] vorerst wieder verließen. Während seine beiden Insassen den festen Vorsatz faßten, das eine oder andere Wochenende nach dem Urlaub zu weiteren Stippvisiten ins gar-nicht-so-ferne Tschechien nutzen zu wollen, blubberte unser braver Minibus mit der vollen Kraft seiner drei kleinen Zylinder wieder nach Deutschland hinein. Was ihn und uns dort erwartete, wird Gegenstand der nächsten Folge sein!
[1] Das Benzin ist dort freilich billiger, Süßigkeiten herber, die Lokomotiven bunter und die Frauen aufreizender, dafür tragen arg viele Buchstaben zungenbrecherische Hütchen, Winkel und Akzente: Es hat halt alles seinen Preis...
[2] Im von uns gewählten Lokal war das Fleisch leider eher zäh geraten, aber Soße und Knödel haben’s letztlich ‘rausgerissen. Der anschließende Beutezug im nahen Supermarkt (überaus preiswerte Knödel-Mischungen sowie Oblaten und Waffeln der von Kennern sehr geschätzten Marke »Kolonáda«) verspricht immerhin die spätere Fortsetzung bömischer Gaumenfreuden unter den kontrollierten Rahmenbedingungen der eigenen Haushaltung.
[3] Höchst kurios und besuchenswert ist der dortige Bahnhof: Die Staatsgrenze geht mitten durch das historische Empfangsgebäude, welches auf der einen Seite von der DB, auf der anderen aber von der tschechischen Staatsbahn CD betrieben wird: Deutscherseits steht »Bayerisch Eisenstein« auf den Bahnsteigschildern, jenseits der Demarkationslinie hingegen »Železná Ruda«. Auch Bahnsteigbelag, Signaltechnik etc. ändern sich von einem Schritt zum nächsten. Sehr skurril!
Mittwoch, 19. August 2009
Wenn man keinen Zug und keinen Flieger erreichen muß, trödelt man gerne etwas vor sich hin, läßt sich mit dem Beladen des Autos Zeit und tut noch dieses oder jenes. Blumenkästen wollen schlußendlich auch noch von den Balkonen in den Hof hinunter getragen werden, auf daß es der Nachbar mit dem vertretungshalbernen Gießen leichter haben möge. Zwischendrin sind kleine Verschnaufpausen angenehm, und überdies ist man ja im Urlaub und nicht auf der Flucht. Na gut, so gegen 14 Uhr tuckerten wir dann endlich los gen Osten. Nach noch nicht einmal eineinhalb Stunden Fahrt machten wir im malerischen Kastl bereits eine erste Wanderpause, es gibt schließlich überall was zu sehen in unserem schönen Bayernlande. Auf der Weiterfahrt über Schmidmühlen und Rieden nach Theuern hatten wir zwei interessante Begegungen. Die erste war recht dynamischer Art:
Gleichzeitig zu marschieren, dumm zu gucken, zu kauen und zu kacken ist schon eine reife Leistung, unsereins schafft allenfalls drei von diesen vier Tätigkeiten simultan!
Eine knappe Stunde später gab es schon das nächste unverhoffte Zusammentreffen, welches fotografisch zu dokumentieren ich mir nicht verkneifen konnte:
Der rechterhand stehende Vetter meiner Renngurke stand unabgesperrt in einer pittoresken Gasse von Schmidmühlen. Sein Herrchen (oder Frauchen) haben wir leider nicht zu Gesichte bekommen. Wäre sicher auch interessant gewesen, aber man kann nicht alles haben und es war langsam an der Zeit, sich einen Schlafplatz zu suchen. Gerade am Anfang einer Reise ist man noch nicht so fit im Erspähen geeigneter Orte, der Blick dafür will wieder auf’s Neue geschult und geschärft sein...
Am nächsten Morgen standen wir nach ambulantem Frühstück kurz nach neun am Hammerherrenschloß in Theuern, in welchem das Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern untergebracht ist. Für Spurensucher wie uns sind industriegeschichtliche Artefakte stets von besonderem Interesse, und wenn der zappelige zonebattler alte Feldbahnen und neue Kunst auf einem Fleck vorfindet, dann ist er hemmungslos begeistert und ganz in seinem Element:
Man merkt dem Museum an, daß seinerzeit viel Geld und Mühe hineingesteckt worden sind, es lag ja im förderungswürdigen Grenzland und der »Eiserne Vorhang« war nicht allzu weit weg. Doch während die Dokumentationen und Sonderschauen zu historisch abgeschlossenen Themen (Bergbau in der Region, Industrialisierung) auch heute noch vor dem kritischen Auge bestehen können, wirken manche Abteilungen zu »modernen« Gebieten (z.B. Halbleiterproduktion) mittlerweile reichlich angestaubt, weil nach der (sicher ziemlich aufwendigen) Errichtung halt keine Fortschreibung und Aktualisierung mehr erfolgte. Heutzutage wird der schmale Etat vermutlich allenfalls für das Putzpersonal reichen und nicht für wissenschaftliche Mitarbeiter, und mit der Spendierfreude der Sponsoren aus der Wirtschaft wird es in der tiefen Provinz auch nicht mehr allzuweit weit her sein...
Aber ich will nicht maulen, der Eintrittspreis ist kaum der Rede wert und die Fülle des Gezeigten bietet für jeden etwas. An diesem ruhigen Ferientag hatten wir das Haus fast ganz für uns alleine, keine Schulklassen auf Pflichtbesuch lärmten durch das alte Gemäuer. Übrigens gehören zum Museum noch weitere Gebäude in fußläufiger Entfernung, beispielsweise ein eindrucksvolles altes Glasschleif- und Polierwerk. Das früher zum Polieren verwendete Eisenoxid (Polierrot) sorgte dort dermaleinst für ein eher monochromes Dasein (und heutzutage für reizvolle Stillleben):
Zwischendrin plauderten wir ein wenig mit einer weißgekleideten Mutter von vier braven und wohlerzogenen Kindern, doch blieb die Unterhaltung etwas einseitig (und einsilbig), was vermutlich auf das dortige Idiom zurückzuführen ist: Wer versteht schon waschechte Oberpfälzer? [1]
Über leere Landstraßen zuckelten wir weiter ostwärts und inspizierten ausgiebig die Stadtkerne von Schwandorf und Neunburg vorm Wald. Die historische Innenstadt von Neunburg ist übrigens unbedingt sehenswert, wenngleich sie dem Fremden manches Rätsel aufgibt:
In unmittelbarer Nähe der deutschen Ostgrenze bezogen wir schließllich bei Hammer in der Nähe von Waldmünchen unser nächstes Nachtquartier am Rande eines schützenden Maisfeldes. In der nächsten Folge werden wir dann endlich Tschechien erreichen, das Land der herrlichen Städtchen und der schönen Frauen. [2]
[1] Der Herr UpperPalatine möge mir die verallgemeinernde Aussage verzeihen: Ich betrachte ihn als regelbestätigende Ausnahme!
[2] Aus Gründen des Selbsterhaltungstriebes werde ich den zweiten Aspekt nicht detaillierter ausführen können, wofür ich jetzt schon um Verständnis bitte...
Dienstag, 18. August 2009
Wie schon im Vorjahr rückten der zonebattler und seine bessere Hälfte auch heuer wieder zu einer Campingreise [1] aus, in deren Verlauf sich ihre schier unbezahlbare Renngurke einmal mehr als Raumschiff, Basislager, Feldküche und Schlafzimmer allerbestens bewährte. Zwar fiel die zurückgelege Strecke mit insgesamt 1.400,1 km diesmal etwas kürzer aus, doch hätten wir uns die knapp zweiwöchige Expedition kaum abwechslungsreicher vorstellen können...
Im Uhrzeigersinn fuhren wir einen Rundkurs durch die Oberpfalz und den Bayerischen Wald hinunter in die Alpen, machten dabei manchen Abstecher nach Tschechien und Österreich und hangelten uns über die oberbayerischen Seen schließlich langsam wieder hinauf in die fränkische Heimat. Erneut ließ ich durch meinen kleinen GPS-Tracker am Gürtel die gesamte Reiseroute automatisch mitprotokollieren und kann sie jetzt im Nachhinein auf der Landkarte betrachten:
Die sich beim Hinein-Zoomen nahezu beliebig verfeinernde Route macht es möglich, die Tour am Bildschirm nochmals in allen Details durchzugehen: Ein feines Feature, welches wir als »Erinnerungsanker« sehr schätzen und nimmer missen mögen...
Wer sich mit minimalem Luxus, dafür aber mit dem Nötigsten ausgestattet auf Reisen in die Natur begibt, wird mit Aussichten und atmosphärischen Anmutungen belohnt, die sich im Bild nur unzureichend wiedergeben lassen. Schon der erste Sonnenuntergang »im Felde« war von ganz anderer Klasse als jene, die sich gemeinhin daheim in der steinernen Stadt beobachten lassen:
Und auch am Morgen, wenn die Blase zwickt ersten Sonnenstrahlen kitzeln, hat man einen völlig anderen Panoramablick vor sich als von der heimischen Bettstatt aus:
Freilich sei schon hier am Anfang der Berichterstattung nicht verschwiegen, daß das ambulante Vagabundenleben nicht nur aus eitel Sonnenschein besteht. Draußen in Feld und Flur lauern nämlich fiese Feinde, mit denen der gemeine Städter eher selten konfrontiert wird: Myriaden blutgieriger Schnaken und Stechmücken wollen im Wald und auf der Heide den arglosen Touristen ans Leder! [2] Während aber der Chronist auf wundersame Weise selbst kurzbehost und beteeshirted regelmäßig in Ruhe gelassen wird, muß sich seine bessere Hälfte ebenso zwangsläufig mit bis zu drei gleichzeitig übergestreiften Sockenpaaren schützen, um nicht auf das Schmerzlichste von den surrenden Sechsbeinern gepiesackt zu werden:
Nun wären ja Wollsocken an sich kein Hindernis für einen gezielt lancierten Insekten-Angriff, aber bei drei Lagen grober Wolle ist der Abstand vom Landeplatz zur Haut des Opfers dann letztlich doch größer als die Länge des typischen Schnakenstachels...
Soviel zum Auftakt dieser kleinen Serie mit lauschigen (und launischen) Impressionen aus der Sommerfrische. In den demnächst folgenden Teilen werde ich diverse Höhepunkte (und Tiefschläge) der Rundfahrt näher erörtern und wie immer nicht mit bunten Bildern geizen. Bleiben Sie dran!
[1] Grundsätzliches zu unserer bevorzugten Art des Urlaubens hatte ich hier schon einmal näher ausgeführt.
[2] Ganz nach dem Loriot’schen Motto: »Das Beste sitzt unter der Haut!«
Mittwoch, 29. Juli 2009
Heute hat der zonebattler einfach so blau gemacht, sich kurzerhand in die nur mäßig frequentierte Lederklasse des ICE 21 gesetzt und sich von Nürnberg bis Passau verwöhnen lassen, erstens durch den freundlichen Zugbegleiter, der Zeitungen und feine Schokoladen auf Kosten des rollenden Hauses offerierte (die Wahl fiel auf die F.A.Z. sowie auf Orange-Sanddorn-Geschmack), zweitens durch die schöne Aussicht, die ja schon ab Nürnberg-Sandreuth, erst recht ab Neumarkt (Oberpf), spätestens ab Parsberg und allerspätestens ab Regensburg ein Quell reinster Freude ist:
Wenn man sich dazu über die guten Ohrstöpsel Beethovens Sechste, die »Pastorale« mithin, aural verabfolgt, wird das musikalische »Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande« zum multimedialen Breitwand-Ereignis. Danach noch ein wenig in der Zeitung geblättert, ein weiteres Schokolädli auf der Zunge zergehen gelassen (Sauerkirsch diesmal) und schwupp, schon ist man in der altehrwürdigen Dreiflüssestadt und tritt aus der angenehm klimatisierten Blechwurst hinaus in die Schwüle des sonnigen Sommertages. Mit wenigen Schritten gelangt man in die nahe Innenstadt, wo neben den üblichen Allerwelts-Souvenirs auch regionaltypische Kopfbedeckung in reicher Auswahl feilgeboten wird:
Mit ihren engen Gassen, den pittoresken Häusern und den allerorten anzutreffenden, eingekübelten Palmen kann man der Altstadt südländisches Flair nicht absprechen. Etwas irritierend wirkt nur der örtliche Dialekt, der selbst den schönsten Töchtern der Region anhaftet und der auf den Auswärtigen einigermaßen befremdlich wirken kann. Doch ehe man lange darüber nachgedacht hat, steht man auch schon an der schönen blauen (bzw. eher blaugrünen) Donau...
Rasch wird die Landzunge schmal und schmaler, und bald schon steht der staunende Betrachter an deren Spitze, woselbst sich die dunklen Fluten der Donau mit dem rabenschwarzen Wasser der Ilz und beide sich mit der bräunlichen Pampe des Inns innig verquirlen und vermengen. Neben allerlei stampfenden Ausflugsschiffen mit beigebehosten Rentnergeschwadern an Bord paddeln auch gefiederte Leichtmatrosen unter elterlicher Aufsicht in der Melange herum:
Nach einer längeren Denkpause, wachdösend-blinzelnd nach Art der Eidechsen auf sonnenbeschienener Bank zugebracht, geht es im Zickzackkurs wieder zurück in das Labyrinth der Altstadt, in der es von barocken Kirchen nur so wimmelt. Deren allerprächtigste ist der Dom, der ‑wie leider so viele überkommene Zeugnisse sakralarchitektonischer Pracht- heutzutage von ganzen Horden handyhaltender und kompaktknipsenfuchtelnder Idioten beiderlei Geschlechts bevölkert wird, die mit grellem Geblitze die Empfindlichkeit der Kunst mißachten und ihre Unfähigkeit zum adäquaten Umgang mit Kulturschätzen wie auch den eigenen Gerätschaften weithin sichtbar dokumentieren, ohne es selbst überhaupt zu bemerken, geschweige denn zu begreifen...
Drum also hurtig wieder nach draußen geschritten, wo sich die Ignoranten und achtlosen Deppen meist nicht auf den ersten Blick als solche ausweisen. Inzwischen freilich steht die Sonne hoch im Zenit, und außerhalb der engen, schattenspendenden Gassen ist es hochsommerlich warm, ja nachgerade brütend heiß geworden. Kein Wunder, daß sich da kaum noch jemand ungeschützt dem prallen Sonnenlicht aussetzen mag:
Doch Abkühlung ist alle paar Schritte zu haben, sei es in flüssiger, sei es in halbfester, in jedem Falle kalorienreicher Form. Und auch hier gibt es welche, die durch ihre zivilisationsmülligen Hinterlassenschaften bekunden, daß ihnen das eigene Plaisier alles und die Ästhetik ihres Umfeldes rein gar nix bedeutet...
Irgendwann sind Bauch und Birne voll, und so tapert man denn wieder zurück zum Bahnhof. Bis zum anvisierten ICE gen Nürnberg ist es zwar noch eine Stunde hin, aber die könnte man ja im Schatten des Bahnsteigdaches mit der Lektüre eines antiquarisch erworbenen Buches sinnreich verbringen. Indes, die Wartezeit fällt kürzer aus als erwartet, denn der Vorläufer-ICE aus Wien von eigentlich zwei Stunden vorher läuft bald mit 80-minütiger Verspätung ein, die, wie der Zugchef später süffisant verkünden wird, zu Lasten der ÖBB gingen und mithin keinen Anspruch auf Verspätungsgutscheine der DB begründeten... Hätte man als dem Service-Gedanken verpflichteter Dienstleister vielleicht etwas dezenter ausformulieren können, aber das sagt sich leicht, wenn man nicht selber in der Situation ist, mit dem vielfältigen Folgestreß einer derartigen Verspätung fertigwerden zu müssen.
Mir kann’s nämlich egal sein, ich muß ja nur zwei Stationen weiter bis nach Nürnberg und nicht auf andere Fernreisezüge umwechseln. Auch rückwärts vergeht die Zeit im Zuge wie im Fluge, diesmal zwar ohne Schokolade, dafür aber mit der Süddeutschen Zeitung und angenehmen Mitreisenden. Und schon hat mich die Heimat wieder. Gemütlich kurz nach 7:00 Uhr aufgestanden, vor 18:00 Uhr schon wieder zurück, dazwischen mehr Eindrücke, als in Echtzeit zu verarbeiten wären: Ein prallvoller Tag!
Sonntag, 26. Juli 2009
Nun schon im dritten Jahr in Folge besuchten wir gestern ein großes Orchester-Konzert des Collegium Musicum im Pommersfeldener Schloß Weißenstein, diesmal in Begleitung des Burgblickfräuleins und von Herrn Tobi B.. Um für den zu erwartenden Kulturgenuß eine solide Grundlage zu schaffen, schlichteten wir uns zunächst auf der Terrasse des nur einen Katzenwurf vom Schloß entfernten Allee-Cafés die Wänste mit Kuchen, Torte und Kaffeevariationen voll und ließen uns den faulen Pelz von der Sonne bescheinen. Letzeres ist ja doch beileibe keine Selbstverständlichkeit in diesem recht wechselwarmen Sommer.
Anschließend stimmten wir uns vermittels eines Rundgangs durch den großen englischen Landschaftsgarten hinter dem Schloß auf das Leben in der weiland Fürstbischoflich Schönborn’schen Sommerresidenz ein und rundeten die Lektion mit einer Schloßführung ab. Dann aber war es endlich soweit, wir nahmen im großen Prunksaal unsere Plätze ein und warteten gespannt auf das, was uns die vielen jungen Musikerinnen und Musiker zu bieten hatten...
Und das war eine ganze Menge: Schon das erste Stück, das Konzert für Kontrabaß und Orchester Nr. 2 E‑Dur von Carl Ditters von Dittersdorf wußte in mehrfacher Hinsicht zu gefallen. Der (den Damen besonders gefallende) Solist vermochte seinem wuchtigen Instrument schier unglaubliche Töne zu entlocken, stellenweise schien in den furiosen Solopartien die Komposition ihrer Zeit weit voraus zu sein. Ein feiner Auftakt, vom Publikum zu Recht gefeiert!
Nach kurzer Umbaupause, in der die bis dato kammerkonzertliche Streicher-Instrumentierung mit Bläser-Formationen zu symphoniegerechter Größe aufgestockt wurde, ging es weiter mit Vorspiel und Liebestod aus Richard Wagners »Tristan und Isolde«. Im direkten Vergleich zum vorher gespielten Werk wurde offenbar, was für ein Magier der Orchestrierung der olle Richard doch war. Auch wenn unsereiner mehr den romantischen Frühwerken des Meisters zuneigt, hier riß es mich schier vom Hocker: Angesichts der wunderbaren Interpretation mochte man kaum glauben, daß es sich hier um ein Ensemble aus jungen Musikern (überwiegend Musikerinnen übrigens) am Anfang ihrer Laufbahn handelte!
Nach der Pause schließlich folgte das vom Chronisten sehnsüchtig erwartete Hauptwerk des Nachmittags, die Symphonie Nr. 4 Es-Dur seines Leib- und Magen-Komponisten Anton Bruckner in der gern gespielten Fassung von 1878/80. Und was wir da zu hören bekamen, war absolut begeisternd! Zwar hätte ich mir den »erlösenden« Paukenschlag gegen Ende des zweiten Satzes hörbar lauter und die Einsätze mancher Blechbläser etwas präziser gewünscht, aber wer wollte darüber richten bei einer insgesamt hervorragenden Interpretation vom außerordentlich transparenter Durchhörbarkeit? Nein, das Publikum war zu Recht begeistert und der zonebattler schier aus dem Häuschen. Bravo!
Leider gab es keine Zugaben, aber was hätte nach dieser Steigerung von Stück zu Stück ernsthaft noch kommen können? Außerdem begannen unsere Mägen bereits ihre eigenen Melodien zu knurren, die mittägliche Tortenschlacht lag ja nun schon etliche Stunden zurück. Drum also flugs in die Renngurke gesprungen und ins nahe Höchstadt getuckert, um dort im nächstmöglichen Restaurant den Abend zu beschließen. Wir landeten letztlich bei freundlichen Asiaten. Und nachdem sich auch dies als glückliche Wahl entpuppte, wird uns dieser Samstag als ein besonders und rundum gelungener solcher in Erinnerung bleiben...
Montag, 20. Juli 2009
Die langen, heißen Sommertage verbrachten ich und die restliche Dorfjugend in meinen nun schon ewig zurückliegenden Kindheitsjahren großenteils im Oberndorfer Weiher nahe Möhrendorf, woselbst dem Vernehmen nach ein riesiger Wels oder auch Waller unvorsichtige Eindringlinge in sein Reich hinabziehen und dort verspeisen würde. Oft haben wir das in spielerischen Aktionen simuliert, uns gegenseitig angetaucht und hinterrücks angefallen. Und auch wenn die grusige Geschichte vom furchterregenden Riesenwaller mit seinen langen Barteln letztlich doch nur eine Legende zu sein schien, ein gewisser Restschauer blieb stets erhalten, schon wegen der unergründlichen Tiefe des moordunklen Weihers und seiner eisigen Kälte unterhalb der sonnenerwärmten Oberflächenschichten.
Obwohl ich es an sich auch heute noch nicht allzu weit hin hätte, bin ich schon recht lange nicht mehr am, geschweige denn im Oberndorfer Weiher gewesen. Nach der Lektüre von Madame Modestes Kunststückchen »Wo die Welse wohnen« scheint es zudem fraglich, ob ich den nötigen Mut heute noch aufbrächte...
Samstag, 18. Juli 2009
In der pittoresken Nürnberger Galerie Atzenhofer ist seit heute eine sehr hübsche und einigermaßen subersiv angehauchte Ausstellung des Hamburger Künstlers Martin Graf zu bestaunen: Als sehr amüsant erschienen uns die beweglichen Papier-Popups, namentlich die erotischen solchen. Aber auch bei den übrigen Arbeiten, z.B. den Linolschnitten, vermochte die ungewöhnliche Mischung aus zunächst nostalgisch-naiver Anmutung und unverhofft inhaltlicher Irritation sehr zu gefallen. Unbedingt anschauenswert!
Heute Abend dann gibt es in der heimischen Galerie in der Promenade gleichfalls eine Vernissage: Der in Fürth arbeitende Künstler Christoph Haupt stellt unter dem Titel »Chinoiserien« seine Bilder von bizarr verformten, mandel- bis schlitzäugigen Mädchen vor. Ich kenne die Werke schon von früheren Ateliertagen her und bin froh, sie jetzt außerhalb einer übel verräucherten Werkstatt in den gut belüfteten Fluren einer gründerzeitlich behausten Bürogemeinschaft goutieren zu können...
Freitag, 10. Juli 2009
Ein überzeugendes und nachvollziehbares Rezept für ein produktives, ballastfreies und zufriedenes Leben habe ich heute auf unclutterer.com gelesen. 11 Punkte, über die man (nicht nur) nachdenken sollte!
Sonntag, 5. Juli 2009
Der schniedelwutzbehaftete, postpubertäre Teil der Menschheit teilt sich auf in Naß‑, Trocken- und Garnicht-Rasierer, und alle drei Gruppen neigen hinsichtlich ihrer Gesichtspflege-Praktiken zu höchst fundamentalistischer Weltsicht. Wenn wir mal die Zotteligen rechts und die schaumschlagenden Klingenschwinger links liegenlassen und uns auf die Trockenrasiererbesitzer in der Mitte konzentrieren, so zerfallen diese wiederum in den Clan der Dreifach-Rundscherkopf-Fans nach Philips™-Bauweise einerseits und in die Bruderschaft der Schwingkopf-Liebhaber nach Braun™-Patent andererseits. Der zonebattler gehört seit jeher zur letztgenannten Gruppe und nimmt eine diesbezügliche Fundus-Frontbegradigung zum Anlaß, hier und heute diverse Betrachtungen zum inneren und äußeren Design von Rasierapparaten der Marke Braun anzustellen. Solche pflegt er bei Bedarf auf Flohmärkten günstig zu erstehen: Nicht selten werden dort kaum gebrauchte Weihnachtsgeschenke von undankbaren Neffen, Enkeln oder Schwiegersöhnen für einen Bruchteil des Neupreises wieder an den nächsten Mann gebracht. Des einen Leid, des anderen Freud’!
Mein nur noch zur Hälfte sonor brummendes Braun-Quartett
Jahrzehntelang war der Einsatzradius einer elektrischen Bart-Mähmaschine definiert durch die Länge des Netzkabels einerseits und die Lage der Steckdose in der Nähe des Badezimmerspiegels andererseits. Bevor nun die elektrische Nabelschnur zugunsten schnurlos zu betreibender Geräte abgekoppelt wurde, waren auch nobelste Rasierer von einfachster Konstruktionsweise: Ein nachgerade banal zu nennender Schwinganker saß im Inneren und wurde durch die 220 V‑Wechselspannung in deren (von Haus aus mitgebrachter Frequenz) von 50 Hz ebensoviele Male pro Sekunde hin- und hergeworfen. BrumMmMmMmMm. Kaputtgehen konnte da wenig außer den Verschleißteilen Klingenblock und Scherfolie, war ja auch nix weiter drin als besagter Anker, eine Erregerspule drumherum sowie ein Schalter.
So, dann aber schrieben sich findige Ingenieure die Befreiung des Mannes aus der Enge der Naßzelle auf die Fahnen (sie mußten ja ein neues Verkaufsargument für ansonsten unterbleibende Ersatzinvestitionen schaffen) und erfanden keck den schnurlosen Rasierer zur Benutzung auf dem Balkon, dem Campingplatz, dem Klo. Der (scheinbare oder tatsächliche) Gewinn an Komfort und Lebensqualität hat freilich seinen Preis in Form einer ganz wesentlichen Verkomplizierung des vibrierenden Innenlebens: Akkus und gemeinhin als »Batterien« bezeichnete Primärzellen liefern halt nunmal ausschließlich Gleichstrom, und der wiederum kann nur über Umwege einen Scherkopf zum Zappeln bringen: Es braucht einen richtigen Elektromotor (mit Rotor, Stator, Kollektor und Kohleschleifern von endlicher Lebenserwartung) sowie einen mechanischen Exzentermechanismus, um des Antriebs Rotationsbewegung in das benötigte Hin- und Hergefuhrwerke umzusetzen. Ferner erfordert es einen Stromrichter resp. ein Netzteil, um die Wechselspannung aus der Wand auf erheblich geringere Voltzahlen herunterzutransformieren und überdies gleichzurichten. Alles machbar, aber deutlich komplizierter, teurer und obendrein kurzlebiger, vor allem dann, wenn man kein leicht zugängliches Fach für handelsübliche Standard-Akkus vorsieht, sondern fest verlötete Industrie-Akkus ins Innere des rundum versiegelten Apparates einsperrt...
Derzeit sind in des Rezensenten Haushalt vier (!) dieser schnurlos schnurrenden Schurmaschinen vorhanden, zwei davon haben mittlerweile ihren Dienst quittiert und werden dieser Tage bastelfreudigen Kennern als Ersatzteilspender angeboten. Noch aber liegen sie allesamt einträchtig nebeneinander und harren ihrer Würdigung. Beginnen wir nunmehr endlich unsere chronologisch sortierte Apparateschau mit dem edlen Braun Modell 5550 (Type 5504) [1], der scheintot darniederliegt und auf Wiederbelebungsversuche nicht mehr reagiert. Rein vom Äußeren her gefiehl mir dieser markante Stoppelschnippler mit seinem mattsatinierten, sich angenehm kühl anfühlenden Metallgehäuse stets am besten:
Gummi-Griffnoppen und Ladezustandsanzeige am Braun 5550
Die mehrsegmentige Ladezustandsanzeige im unteren Gehäuseensatz zeigt hier nichts mehr an, der Apparat ist ja wie schon bemerkt defekt. Man beachte aber die griffigen Gumminoppen, deren Kollegen auf der Unterseite dem Gerät zudem auf glatten Ablagen sicheren Halt verleihen. Auch die Griffleiste des Schiebschalters (im Bild oben links) war ursprünglich gummiert, aber dieser Belag ist hier bereits abgerissen, da den Betätigungskräften des Bedienerdaumens sich auf Dauer als nicht gewachsen erwiesen habend. Ein kleiner Konstruktionsfehler, der den Ingenieuren bei Braun aber offenbar nicht verborgen geblieben ist, denn bei der Nachfolger-Baureihe war jene Schaltschieberleiste dann von vorneherein aus massivem Hartkunststoff gefertigt:
enger gesetzte Noppen und vereinfachte Ladezustandsanzeige am Braun 6520
An diesem Modell 6520 (alias Type 5705) fällt uns zudem eine neue Art Gummierung auf, bestehend aus Pünktchen und Streifen in neckischer Variation. Das erscheint mir zwar einerseits als unnötig verspielt (und damit als designerischer Fauxpas), andererseits muß ich einräumen, daß die räumliche Verdichtung der Gummi-Gnubbel die gefühlte Griffigkeit des Gerätes doch deutlich verbessert, zumal in Verbindung mit neu hinzugekommenen Gummistegen an den Gehäuseseiten. Schließlich sei auf die vereinfachte Ladekontroll-Anzeige aus zwei Lämpchen hingewiesen, die den preislichen Abstand zum »größeren Bruder« Modell 6550 rechtfertigen sollten. Und den haben wir hier ebenfalls noch herumliegen (wenn auch leider nurmehr ‑da funktionslos- zum Briefbeschwerer taugend):
luxuriöse Ladezustandsanzeige am Braun 6550 als Distinktionsmerkmal zum 6520
Hier sehen wir wieder ein ähnlich aufwendig realisiertes Ladezustands-Display wie eingangs beim Modell 5550: Eine feine Sache, weil man damit die mutmaßlich noch ohne Nachbetankung an der stationären Steckdose verfügbare Restlaufzeit ziemlich gut abschätzen kann. Übrigens kann man davon ausgehen, daß solche Unterschiede nicht primär von den bekittelten Technikern ersonnen, sondern von den beschlipsten Marketing-Fritzen bewußt angeordnet werden, um eine hierarchische (und natürlich preisliche!) Abstufung innerhalb einer Modellreihe zu erzielen: Wer als Kunde unbedingt das Top-Modell sein Eigen nennen möchte, wird dafür am spürbarsten zur Kasse gebeten. Der preisbewußte Konsument hingegen steigt ein oder zwei Stufen tiefer ein und muß für deutlich weniger Geld nur auf das eine oder andere Gimmick verzichten. [2] Doch zurück zu den harten Fakten: Der 6550 (= Type 5704) wäre nach meinem Dafürhalten der ideale Rasierer, wenn er denn weiterhin erhältlich wäre. Ist er aber nicht. Auch bei längst perfekt auskonstruierten Herrenrasierern sind die Entwickler nämlich aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, immer wieder etwas Neues vorzulegen, um Innovation und (oft nur scheinbaren) Fortschritt zu demonstrieren. So sieht dieser heutzutage aus:
seitlich plazierter Druckschalter am produktionskostenoptimierten Braun 5612
Diesen Brummer habe ich letzte Woche auf einem Flohmarkt erstanden, da er zu den Klingenblöcken und Scherfolien meiner anderen Rasierer kompatibel ist und ich noch einen weiland preiswert ersteigerten Handvorrat davon auf Lager habe. [3]. Zunächst waren weder der Verkäufer noch ich in der Lage, den Apparat zum Laufen zu bringen, da wir dieses durch einfaches Hochschieben des Langhaartrimmers mit dem Daumen probierten. Wir waren beide schon versucht, den äußerlich neuwertig erscheinenden Rasierer als defekt abzuschreiben, da fiel dem freundlichen Anbieter auf, daß dieses Gerät allen längst etablierten Traditionen zum Trotze über einen separaten Ein-/Aus-Schalter in Form eines blauen Punktes verfügt! [4]
Um es kurz zu machen: Auch mit diesem Plastik-Handschmeichler kann man sich natürlich gründlich rasieren. Die Wertigkeit der Anmutung indes, die viele Vorgänger auszeichnete, ist endgültig dahin: Das spritzlackierte Kunststoffgehäuse fühlt sich billig an, und trotz einer dicken Seitengummierung hat man beim oben und unten glatten Gehäuse ständig Angst, das Ding könne einem seifengleich aus der Hand flutschen und ‑dem Gebot der Schwerkraft Folge leistend- Sekundenbruchteile später auf dem Boden zerschellen. Auch beim Ablegen auf glatten Flächen muß man obacht geben, denn mangels Gumminoppen ist ein sicherer Halt dort nicht mehr gewährleistet. Schließlich sei auch noch das klobige Netzteil beklagt, welches bei allen neueren Braun-Rasierern in den Netzstecker des Anschlukabels ausgelagert worden ist, um die inzwischen als feucht reinigbar konzipierten Apparate schon von außen nur noch mit ungefährlicher Niederspannung versorgen zu müssen. [5] Unter dem Strich bereue ich den Kauf natürlich nicht, denn für den kompletten Apparat habe ich letztlich nur soviel gelöhnt wie für ein Kombi-Pack aus Klingenblock und Scherfolie...
Resümierend ist aus Sicht des sonntagmorgendlich unrasierten Kritikers seufzend zu bedauern, daß die heutigen Designer das Vermächtnis ihrer Vorgänger ‑klare, funktionsorientierte Produktgestaltung- nicht mehr fortführen (können, wollen, dürfen?): Aktuelle Rasierer schauen aus wie Laserschwerter aus Science Fiction-Filmen, voll auf Emotion getrimmt (ein Schicksal, welches sie mit aggressiv anmutenden Autoscheinwerfern teilen). Doch auch wenn ich mit den gestalterischen Auswüchsen der mich umgebenden Produktwelt nicht immer zufrieden sein kann: An meine Haut lasse ich (vorerst) weiterhin nur Wasser und Rasierer von Braun!
[1] Sämtliche Braun-Rasierer verfügen über eine vorn angebrachte Modell-Nummer und über eine auf der Rückseite klein aufgedruckte Typen-Nummer. Beide stehen zueinander und zu den entsprechenden Bezeichnungen verwandter Modelle in byzantinisch-kafkaesker Relation und sind geeignet, den neugierigen Interessenten in den Wahnsinn zu treiben, welcher eigentlich nur nach Orientierung in der Flut der Typen und Bauserien sucht.
[2] Man beachte die ganz ähnliche Situation bei Staubsaugern.
[3] Die kaum zu überblicke Vielfalt bei diesen Verschleißteilen ist ebensowenig technisch begründet wie die bei Tintenpatronen für Drucker, vielmehr soll der Kunde mit dem Modellwechsel auch zum Kauf neuer Zubehörteile mit hohen Gewinnmargen genötigt werden. Dies kann man allerdings einzelnen Herstellern nicht gut zum Vorwurf machen, da sich diese notgedrungen bei der Preisgestaltung an ihren Mitbewerbern orientieren müssen.
[4] Keine gute Idee, da ein herber Kontinuitätsbruch und überdies ein deutlicher Rückschritt hinsichtlich der »Usability«.
[5] Das ist m. E. auch so ein pseudofortschrittlicher Mumpitz: Diese ausladenden Reinigungsstationen nehmen erhebliche Stellfläche in Anspruch und spülen die Bartstoppeln mit einer zu aberwitzigen Preisen gehandelten Reinigungslösung aus dem Scherkopf. Nach meiner Einschätzung ist das so überflüssig wie eine elektrische Pfeffermühle mit integrierter Taschenlampe: Wer nach alter Väter Sitte weiterhin gelegentlich mit einem Bürstchen selbst zu Werke geht und alle paar Wochen überdies Klingenblock nebst Scherfolie in heißem Spülwasser einweicht und abspült, erzielt im Handumdrehen den gleichen Effekt und spart Geld und Platz.
Süßer und scharfer Senf: