Sonntag, 10. Juni 2012
Ansichtskartenwürdige Aufnahmen an der Kitschgrenze entlang habe ich in der vorhergehenden Folge für diesmal versprochen, und so habe ich mich hingesetzt und eine Auswahl Fotos herausgesucht, in denen das Blau am blauesten ist! Früher hatte man für sowas einen für seine satten Farben bekannten Fuji Velvia Dialfilm mit 50 ASA in der Kamera, im digitalen Hier und Jetzt greift meiner einer gern auf die I2E-Optimierung von FixFoto zurück, um die draußen im prallen Leben vorhandene Farbintensität noch ein wenig zu betonen. Fangen wir mal an mit einem Blick über die Klippen auf das mare nostrum hinaus:
Ja, da kann man schon den Blues kriegen. Nicht minder satt ist übrigens das Grün der üppigen Vegetation, was den Frühling ganz klar zur besten Besuchszeit macht: Im Sommer ist es auf Malta viel zu heiß, um sich auf ausgedehnte Wanderungen zu begeben; im Herbst werden die Temperaturen zwar wieder erträgllicher, aber dann ist von der frischen Flora des Frühlings nichts mehr zu sehen und die Landschaft ist so trocken und so gelbgrau wie die steinernen Städte.
Und weil wir damit schon wieder den Bogen zurück in die Stadt geschlagen haben, schauen wir uns bei bestem Wanderwetter einen Ausschnitt aus den rund um Valletta allgegenwärtigen Festungsanlagen an:
Kurioserweise haben uns die Festungen und Bastionen immer wieder an die gleichfalls von italienischen Baumeistern errichtete Stadtmauer von Forchheim (Oberfr) erinnert, im deutlich größeren Maßstab, versteht sich. Aber das Prinzip der Verteidigungswälle mit sternförmig gezackten Vorsprüngen, Rücksprüngen, Wachtürmchen etc. ist hier wie da das gleiche. Der immense Aufwand, der hier in früheren Epochen betrieben wurde, legt ein beredtes Zeugnis ab von der strategischen Wichtigkeit Maltas über Jahrhunderte hinweg.
Doch verlassen wir die trutzigen Relikte kriegerischer Zeiten und wenden wir uns wieder der friedlichen Gegenwart zu. Im immer noch recht idyllischen Fischerort Marsaxlokk (das »x« wird zischend wie »sch« ausgesprochen) sind die bunten Boote der Fischer am frühen Nachmittag schon längst wieder eingelaufen und im Hafen vertäut:
Der dem Verzehr von Meeresfrüchten gemeinhin nicht zugeneigte Chronist hat sich den lokalen Gegebenheiten angepaßt und direkt an der Mole in einem der zahlreichen Restaurants einen Fischteller verspeist (ohne den Teller natürlich) und fand die drei verschiedenen Filets tatsächlich gar nicht mal so übel. Den Verzehr tentakelbehafteter Kopffüßler indes lehnt er weiterhin stringent ab, dafür mag er die intelligenten und verspielten Kraken und Tintenfische viel zu sehr leiden. Freunde ißt man nicht.
Zwei Tage später kamen wir erneut nach Marsaxlokk, welches diesmal den Endpunkt einer in Marsaskala beginnenden Wanderung darstellte. Unterwegs kamen wir an grandiosen Klippen vorbei, die den bekannten Kreidefelsen auf Rügen nicht ganz unähnlich sehen:
Kleiner Einschub: Im Vergleich zu unserem letzten Insel-Urlaub auf La Palma waren die Wanderungen auf Malta insgesamt weniger schlauchend (schon aufgrund der deutlich geringeren Höhenunterschiede und der Abwesenheit von unter dem Fuß wegrutschender Vulkanasche), weniger zivilisationsfern und damit unter dem Strich abwechslungsreicher. So verwundert es wenig, daß ich aus 2,5 Wochen auf Malta doppelt soviele Fotos heimgebracht habe als von drei Wochen auf La Palma...
In Marsaxlokk angekommen, zeigte sich der Himmel diesmal nicht mehr so diesig wie am Vorvortage, als das weiter oben gezeigte Foto vom Bootsgewimmel im Hafenbecken entstanden war. Diesmal war das satte Blau des Himmels kaum noch zu steigern, und so ergab sich endlich die Gelegenheit, das typische Reiseführermotiv schlechthin einzufangen und festzuhalten:
Ja, so ein poppiges Luzzu macht schon was her, erst recht, wenn sein beschützendes Horusauge so sorgfältig bemalt ist wie an dem gezeigten Exemplar! Einmal mehr war der zonebattler froh, sich für Perspektiven wie diese dank des Schwenkdisplays seiner Kamera nicht zu abenteuerlichen akrobatischen Verrenkungen herablassen zu müssen...
Kaum weniger pittoresk als die bunten Boote sind die elektrischen Installationen auf Malta, deren oberirdische Leitungsführung eher pragmatischen Erwägungen zu folgen scheint als den deutschen Sicherheitsvorschriften und den anerkannten Regeln der Technik: Wo einmal ein Kabel gespannt worden ist, kommt hier noch eins dazu und da noch eins dran, und ob das alles so witterungsfest und auf Dauer ungefährlich ist wie es sein sollte und müßte, ist doch mehr als fraglich. Egal, des Fotografen Auge erfreut das Spiel von Licht und Schatten jedenfalls:
Bei solchen und ähnlichen Anblicken (die Abwasserrohrführungen an den Außenwänden muten mitunter ähnlich abenteuerlich an) frage ich mich zuweilen, ob die Südländer nun zu lax oder wir Nordländer nur zu penibel sind in der Beurteilung und Handhabung infrastruktureller Angelegenheiten. Viel mehr Unfälle als bei uns scheint es andernorts ja auch nicht zu geben, was durchaus gegen eine übermäßige Reglementierung spräche. Andererseits muß das aushäusig angebrachte Material in unseren Breiten gemeinhin mehr aushalten, schließlich sind die Temperaturschwankungen übers Jahr gesehen größer. Wie dem auch sei, von Stromunfällen oder plötzlichen Wassereinbrüchen sind wir während unseres Urlaubs verschont geblieben...
So, nachdem ich heute den blauen Farbtopf aufgemacht habe, darf ein Schönwetterblick auf den Hafen von Valletta von der Festung gegenüber natürlich nicht fehlen:
Erstaunlich übrigens, das man selbst an vielgeknipsten und sehr beliebten Touristen-Highlights wie diesem Wachtürmchen selten ein Problem damit hat, »menschenleere« Ansichten abzulichten: Die Menge verläuft sich (wohl auch in des Wortes mehrfacher Bedeutung) in den Straßen und Gassen, man findet wenige Schritte abseits der Zentren schnell in ruhige und beschauliche Ecken...
Ein abschließender Sprung quer über die Insel in den Nordwesten führt uns zu einem prächtig restaurierten alten Palast, den ich hier gleichfalls vor des Himmels tiefster Bläue präsentieren möchte:
Dank geschickter Standortwahl des Fotografen verdeckt der alte Klotz in der Nähe der Stadt Mellieħa das weit weniger schöne Luxushotel dahinter, mit dessen Luxus es ausweislich diverser Bewertungsporale aber auch nicht mehr weit her sein soll. Nicht immer halten die Zustände im Inneren, was die Fassaden versprechen, aber das ist ja nicht nur auf Malta so.
Auch des zonebattler’s Einlassungen entsprechen nicht immer den selbstauferlegten Standards, das krampfhafte Entlanghangeln an der Farbe von Himmel und Wasser war vermutlich nicht der Weisheit letzter Schluß für einen einigermaßen leserlichen Reisebericht, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, daß die meisten meiner geschätzten LeserInnen ohnehin lieber bunte Bildchen anschauen als ellenlange Texte am Bildschirm studieren. Dennoch will ich natürlich auch die wirklich Wißbegierigen nicht verprellen und verspreche hiermit leichthin, mich in der nächsten Folge wieder etwas zusammenzureißen und gehaltvollere Sentenzen abzusondern.
Sonntag, 3. Juni 2012
Gemeinhin sind wir im Urlaub weitgehend autarke Selbstversorger, die frühmorgendliche Begegnungen mit Hase und Igel solchen mit Hinz und Kunz vorziehen. Dennoch hatten wir diesmal das gruppendynamische Experiment gewagt, einen mehrwöchigen Hotelaufenthalt mit Teilnahme am Frühstücks-Buffet im hauseigenen Restaurant zu buchen. Und interessant geriet es allemal: Das an britischen Geschmackspräferenzen orientierte Nahrungsangebot war durchaus genießbar, wenngleich etwas arm an Abwechslung. Wir peppten uns den Start in den Tag gelegentlich mit selbst mitgebrachten Tomaten auf, denn außer ein paar gehäckselten Blättchen gab es nichts, was an Salat erinnert hätte. Aber gut, man kann sich auch von Muesli, Toastbroat mit Scheibenkäse und/oder Marmelade sowie Spiegelei (sunny side up) ernähren. Eine Zeitlang jedenfalls...
Als eine kulinarische Offenbarung ersten Ranges entpuppten sich hingegen die lokalen Backwaren, zum Exempel die knusprig-warmen Blätterteigtaschen mit Füllungen aus Schafskäse oder Erbsenpüree (letzteres gewürzt mit Kreuzkümmel). Auch die süßen Versuchungen auf Malta sind von exquisitem Geschmack und wurden vom für derlei Gaumenfreuden stets empfänglichen zonebattler gerne verstoffwechselt. Sein Favorit waren die aus dem nahen Sizilien in den maltesischen Küchen-Kanon übernommenen Cannoli:
Glücklicherweise fanden das zumindest mengenmäßig üppige Frühstück und die ambulante Spezereien-Verkostung unterwegs ihren Ausgleich in reger körperlicher Betätigung, sonst wäre der Verfasser dieser Zeilen um einiges schwerer heimgekommen, als er zur Reise aufgebrochen war. Aber zu unserer Erleichterung (sic!) haben die ausgedehnten Wanderungen die erhöhte Kalorienzufuhr ausgeglichen, und meiner einer kann jetzt bei konstant gebliebenem Dienstgewicht von vielerlei gaumenkitzlerischen Erinnerungen zehren...
Aber natürlich auch von bildlichen solchen, die sich in meine Netzhaut und wenige Augenblicke später in den Sensor meiner Kamera eingebrannt haben! Darum klappen wir nach all dem speichelflußfördernden Gerede ums Gefuttere jetzt endlich das bunte Bilderalbum auf und blättern ein wenig darin herum. Was hier hinter der frühlingsfrohen Fauna hinter einem Mäuerchen hervorlugt, ist die Kuppelkirche von Mġarr:
In einer beschaulichen 3000-Seelen-Gemeinde im Nordwesten Maltas steht also eine der größten Kuppelkirchen der Welt! Doch das verwundert hier niemanden, denn es gibt hier noch mehr Gotteshäuser von bombastischen Ausmaßen. Tatsächlich sind die zahlreichen Sakralbauten wichtige Landmarken, und so finden auf Malta besondere Verkehrsschilder Verwendung, die den des Weges kommenden Pilger auf die weithin sichtbaren, heiligen Hallen hinweisen:
Je näher wir dem Dorfe kamen, desto gigantischer erschien uns die Kirche. Alle paar Meter blieb ich stehen, um staunend auf den Auslöser zu drücken und in Bits und Bytes festzuhalten, was einem in dieser Form und Größe daheim in Deutschland nicht begegnet, selbst in den tiefkatholischsten Ecken Bayerns nicht:
Übrigens ist jenes pompöse Gotteshaus nicht annähernd so alt, wie man vielleicht meinen könnte: Im Jahre des Herrn 1912 begonnen, wurde die Kirche erst nach dem 2. Weltkrieg fertiggestellt. Auch heute noch wäre die Spendierfreudigkeit der lokalen Christenheit katholischer Geschmacksrichtung womöglich zur Finanzierung vergleichbarer Projekte in der Lage, allein wozu? Es gibt ja keinen Ort und keine Siedlung auf Malta, die nicht schon über (mindestens) eine Kirche verfügten...
Im Inneren des Mġarr’schen Exemplares haben wir uns natürlich auch umgesehen, die Kamera habe ich dort indes nicht gezückt, ich weiß gar nicht mehr so recht, warum. Vermutlich weil mich die Einrichtung nicht so sehr beeindruckt hat wie jene der erheblich älteren St. Mary of Jesus Church in Rabat mit ihren intensiven Farben:
Sogar des zonebattler’s bessere Hälfte, die auf Reisen typischerweise kaum eine Kirche ausläßt, war diesmal ob der schieren Zahl christlicher Kultstätten des Besichtigens irgendwann überdrüssig. Aber es bot sich kulturhistorisch bedeutsamer Ersatz an in Form der megalithischen Tempel aus der späten Jungsteinzeit. In Tarxien gibt es beispielsweise eine kolossale Dame ohne Oberleib zu bewundern, die »Magna Mater«:
Der Schluß liegt nahe, daß das weibliche Idealbild von vor gut 6000 Jahren ein eher üppiges war. Schade, daß der Rest des Torsos im Laufe der Geschichte verloren gegangen ist!
Nur ein paar Meter von der dicken Mama entfernt steht dieser höchst bemerkenswerte Plattenbau (den auch die Rückseiten aller maltesischen Kupfermünzen in stilisierter Form zeigen):
Die verwendeten Steinquader und ‑platten stammen (was man ja heutzutage mit wissenschaftlichen Methoden zweifelsfrei ermitteln kann) nicht aus Steinbrüchen der näheren Umgebung, sind also anderswo (ohne Metallwerkzeuge!) behauen und dann über große Distanz zum »Bauplatz« geschafft worden. Ohne Kräne und Tieflader, versteht sich, sicher auch ohne Planfeststellungsverfahren, EU-weiter Auschreibung, Architektenwettbewerb, Unfallverhütungseinweisung und Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener Arbeitsschutzpausen, was die Sache (und die nachgewiesene Haltbarkeit des Resultats) noch erstaunlicher macht...
Der Tag neigt sich nunmehr seinem Ende zu, dem Autor verschwimmen die vielen Bilder langsam vor Augen und sein Geist wird träge. Wir schauen daher in der rasch einsetzenden Dämmerung noch versonnen einem Segler nach, bevor wir unsererseits für heute die Segel streichen:
So gerne ich pittoreske Wasserfahrzeuge ablichte, ich selbst habe lieber festen Boden unter den Füßen, um bei klarem Kopfe zu bleiben und meine Kamera ruhig halten zu können. Zumindest letzteres ist mir überwiegend gelungen: In der nächsten Folge geht es in Kürze weiter mit knallbunten und knackscharfen Bildern hart an der Kitschkante entlang.
Montag, 28. Mai 2012
So, heute nun nimmt sich der Chronist endlich den ÖPNV auf Malta vor, der nicht ohne Grund zum Namensstifter seiner diesjährigen Reiseberichterstattung wurde.
Früher – also ich meine ganz früher – mußte ja jeder selbst schauen, wo er bleibt (und wie er bei Bedarf woanders hinkommt). Erst in der (relativen) Neuzeit kam die Idee des öffentlichen Personentransports auf. Angefangen hat die Lohnkutscherei dermaleinst wohl mit 1 PS, und noch heute kann man sich von einem gleichmütig kauendem Gaul beispielsweise durch Valletta ziehen lassen:
Die liebevoll restaurierten und bestens gepflegten Einspänner dienen heutzutage natürlich primär der ambulanten Touristen-Verschaukelung, doch auch diese scheinen nicht mehr so stark darauf anzusprechen wie ehedem: Unsereins hat jedenfalls auf Malta mehr wartende als trabende Pferdefüße gesehen.
Zeitgleich zur aufkommenden Motorisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Omnibus (lat.: »für alle«) erfunden, und auf dem kleinen Inselstaat vermehrten sich die praktischen Großraumfahrzeuge ganz außerodentlich schnell, womöglich infolge des milden Meeresklimas. Bis vor knapp einem Jahr tuckerten leuchtend gelb-orange-weiß bemalte Busse älterer Jahrgänge und Baujahre in großer Zahl quer durch Malta, und wenn man den Erzählungen der Einheimischen Glauben schenkt, dann hat das bestens funktioniert: Die Busse gehörten nämlich Kleinunternehmern, die selbst am Steuer saßen und für die stete Instandhaltung ihres rollenden Kapitals aus vitalem Eigeninteresse Sorge trugen. Den Fahrplan konnten sie wohl schon damals nicht wirklich einhalten, aber immerhin, eine gewisse Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit schien allemal gewährleistet. Das freilich ist nun endgültig Vergangenheit, die stil- und charaktervollen Fahrzeuge sind heute ein seltener Anblick geworden, es kurven nur noch wenige dieser Oldtimer als bestens aufpolierte Blick- und Kundenfänger privater Tourenanbieter herum:
Die Gegenwart ist ungleich nüchterner, die Globalisierung hielt vor Jahresfrist Einzug in Form der großen Firma Arriva aus dem fernen England. Diese ist heute ihrerseits eine Tochter der Deutschen Bahn, von germanischen Standards in Sachen Organisation und Pünktlichkeit (jawohl!) ist man hier jedoch noch Lichtjahre entfernt.
Die Ursachen dafür sind sicherlich vielfältiger Natur, nicht wenige davon liegen freilich offensichtlich zutage und bedürfen keiner für teuer Geld eingekauften Unternehmensberater, um identifiziert und an der Wurzel gepackt zu werden. Es geht im Grunde schon mit den Fahrzeugen los, die man genausogut in London hätte ablichten können:
Neben diesen enorm großen Gelenk-Bussen vom Typ Mercedes-Benz Citaro kommen auf Malta vor allem Fahrzeuge des chinesischen Herstellers King Long zum Einsatz. Die modernen Niederflurbusse passen mit ihrer türkisenen Lackierung und den sehr dunkel getönten Seitenscheiben nicht nur auratisch schlecht zum südländisch-folkloristischen Flair der Insel, sondern vor allem kaum bis allerknäppstens durch die engen Straßen! Zeitraubendes Rangieren im Zentimeterbereich, Hupkonzerte und temporäre Verkehrsinfarkte in den Stadtzentren sind damit vorprogrammiert und unausweichlich. Nicht immer gehen die Manöver glimpflich aus, nach gerade einmal zehn Monaten Betriebszeit zeigt mancher Bus schon mehr Schrammen als andere anderswo nach Jahren. Auch außerhalb der Ortschaften werden die Fahrzeuge hart rangenommen, wir haben es immer wieder erlebt, daß die Fahrwerke von unten ans Chassis krachten, weil die Federn und die Stoßdämpfer über Gebühr (und über den Anschlag hinaus) beansprucht wurden. Fesch und ohne Fehl und Tadel ist hingegen die schmucke Uniformierung der beschlipsten Fahrer, auch wenn das kaum darüber hinwegtrösten kann, daß die teilweise aus England importierten Männer hinterm Steuer zuweilen weder die Sprache der Einheimischen verstehen noch die lokale Topographie verinnerlicht haben...
Doch es sind nicht nur die Busse selbst und die Straßen, die schlecht miteinander zu harmonieren scheinen: Auch das organisatorische Drumherum folgt höchst rätselhaften Prinzipien, um es mal freundlich auszudrücken. Dabei sieht zunächst alles ganz übersichtlich aus, wenn man sich einer Bushaltestelle nähert:
Alle Wege führen von hier aus nach Valletta, soviel ist klar. Auch die Nummern der Buslinien sind deutlich zu erkennen, nur korrelieren die dummerweise nicht immer mit jenen im Faltblatt mit der Routenübersicht. Hier eine kleine Zusammenstellung unserer im Wortsinne gemachten Erfahrungen während des Beobachtungszeitraums von immerhin 16 Tagen:
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Die Routendarstellung im offiziellen und allerorten verteilten Flyer ist stark verbesserungsbedürftig: Endhaltestellen und Umsteigemöglichkeiten sind nicht eindeutig zu erkennen, die real erlebte Streckenführung weicht teils gravierend von der Darstellung auf dem Papier ab.
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Man besteigt frohgemut und zielgerichtet den Bus der Linie x, kommt aber ganz woanders hin, als man geplant hatte, weil der Bus während der Fahrt (und vom Fahrgast unbemerkt) zu einem der Linie y konvertiert ist.
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Busse halten trotz Winkens der Wartenden nicht an ihren Soll-Haltestellen und fahren schneidig durch, dafür halten gelegentlich andere mit eigentlich nicht vorgesehener Linien-Nummer.
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Es verkehren sogar Busse, deren außen angezeigte Linie weder im Übersichtsplan enthalten noch an der Haltestelle angeschrieben ist. Diese »Geisterbusse« sind ziemlich leer, wohl weil sich niemand so recht traut, sie zu besteigen...
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Bei nominellem 15-Minuten-Takt steht man sich an einer öden und staubigen Kreuzung eine knappe Stunde lang die Beine in den Bauch, dann kommen drei leere Busse unmittelbar hintereinander angefahren. Für eine vorhergehende Gemeinschaftspause des beteiligten Fahrpersonals gibt es indes keine belastbaren Belege.
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Sogar auf Strecken mit geringer Frequenz (1 Bus/Stunde) fallen Busse ohne jede Vorwarnung aus, sie kommen einfach nicht (und bescheren den Wartenden mindestens eine weitere Stunde gemeinschaftlich bangen Hoffens).
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Aushänge zur Bekanntmachung bevorstehender Planumstellungen werden an den Haltestellen dergestalt in die Rahmen mit den gültigen Abfahrtstafeln gesteckt, daß diese komplett verdeckt werden.
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Es darf grundsätzlich und auch bei großem Reisendenandrang nur vorn beim Fahrer eingestiegen werden. Wenn eine Reisegruppe zusteigt (was an den hotelgespickten Uferpromenaden nicht eben selten vorkommt) und jede(r) erst sein/ihr Ticket lösen muß, sind fünf Minuten weg wie nix...
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Möglicherweise zum Ausgleich wird dafür an regulären Stopps mitunter vorbeigefahren, selbst wenn Reisende per Knopfdruck ihren Aussteigewunsch eindeutig signalisiert haben.
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Die Info-Displays im Inneren zeigen gelegentlich an was sie sollen (die Route und die nächste Haltestelle nämlich), gerne aber auch fernöstliche Haltepunkte (Demo-Modus in den King Long-Bussen), kryptische Fehlermeldungen aus den Tiefen der Firmware (»Text(0x32 to 0xFF) Where TTTT is ANSI Latin‑1«) oder sonstige Statusmeldungen von geringem Nutzen für die Passagiere.
Die geschilderten (und keineswegs übertrieben dargestellten) »Eigenheiten« führen dazu, daß die Busse fast nur von Touristen und heimischen Ruheständlern, kaum jedoch von der berufstätigen Bevölkerung frequentiert werden. Kein Wunder, denn wer zu bestimmten Zeiten irgendwo sein will oder muß, hat schlechte Karten, wenn er sich der Arriva anvertraut. Die scheint indes auch ohne Berufspendler auskommen zu können, die Busse sind auch so regelmäßig proppenvoll bis heillos überfüllt...
Für die Überwindung der doch eher überschaubaren Distanzen haben wir leider regelmäßig sehr viel länger gebraucht als erwartet und konnten daher unsere geplanten Wanderungen im Land meist erst am späten Vormittag an der dafür auserwählten Stelle antreten. Doch allen Widrigkeiten und an Haltestellen wartend verpulverten Stunden zum Trotz war der Bus unter dem Strich wohl die bessere Wahl: Ein Mietauto mit ungewohnter Rechtslenkung hätte dem Berichterstatter im Verein mit dem regen Verkehr und der rudimentären Straßenbeschilderung deutlich mehr Streß bereitet!
Zu loben sind zu guter Letzt die sehr übersichtlichen Tarife: Es gibt Tages- und Wochenkarten, mit einem 7‑Tages-Ticket für EUR 12,00 wird man als Erwachsene(r) durchaus preiswert durch das Land chauffiert (Gozo kostet extra). Wenden wir uns jetzt aber von der Straße ab und dem Verkehr auf dem Wasser zu. So einen dicken Pott wie diesen hier hatte der zonebattler noch nie zuvor gesehen:
Ein Kreuzfahrtschiff ist seinem Wesen nach eine schwimmende Reisendenbespaßungsanlage: Der Passagier soll unablässig unterhalten sein und dabei stilvoll von seinem Taschengelde getrennt werden. Dennoch droht sich zwischen Schlafen, Essen, Shoppen, wieder Essen, Spielen, Konsumieren, nochmal Essen und dem Bewundern des Sonnenuntergangs doch irgendwann die Langeweile einzuschleichen.
Damit es dazu nicht kommt, werden regelmäßig die Häfen pittoresker Städte angefahren und straff organisierte Landgänge vorgesehen. Das weiße Traumschiff legt also an, öffnet seine Luken und spuckt in Rekordzeit mehrere Tausend Transit-Touristen aus, die nach Art eines Heuschrecken-Schwarmes sogleich summend in Richtung Innenstadt davonschwirren.
Zackige Führer(innen) tragen Feldzeichen in Form überdimensionaler Tischtennisschläger vor sich her, auf denen die Nummer ihres jeweiligen Truppenteils weithin sichtbar aufgemalt ist. In dichter Taktung fluten die Divisionen durch die kurz vorher noch gemütlich dahindämmernden Park- und Festungsanlagen. Des Beobachters Ohr wird mit einer babylonischen Sprachenvielfalt beaufschlagt, in der die einstudierten Erläuterungen vom Führungspersonal routiniert abgespult werden. Parallel dazu wird von den Ein- und Durchgeschleusten fotografisch abgelichtet, was immer vor die Linse kommt und sich nicht rasch genug in Sicherheit bringen kann.
So schnell wie die Plage eingefallen ist, so schnell zieht sie anschließend auch weiter zum nächsten Point of Interest. Ist ja kein Wunder, die Zeit ist knapp und die Logistik anspruchsvoll. Punkt 17:00 Uhr tutet der schwimmende Freizeitpark aus allen Hörnern und mahnt zum Aufbruch: Der Scharm macht kehrt und sucht seinen Weg zurück, es wuselt die Gangways hinauf und hinein an Bord, exakt eine Stunde später legt der Dampfer ab und nimmt Kurs zum nächsten Invasionsabschnitt...
Weniger effizient und durchgetaktet geht es in den Yachthäfen und an den zahlreichen Marinas zu, die an den Grand Harbour von Valletta anschließen. Je weiter man sich immer an der Wasserkante lang von Valletta entfernt, desto beschaulicher und weniger pompös wird die Szenerie. Wer durch die Three Cities Cospicua, Vittoriosa und Senglea geschlendert und endlich in Kalkara angekommen ist, findet dort kaum noch Touristen, wohl aber unprätentiöse Lokale vor, in bzw. vor denen man es sich – im Kreise von Einheimischen – gutgehen lassen kann. Über die erfolgreiche Verkostung der äußerst preiswerten und schmackhaften Leckereien werde ich dann in der nächsten Folge ein paar Worte verlieren...
Samstag, 26. Mai 2012
Kaum mehr als zwei Stunden nach dem Start im vernieselregneten Nürnberg setzten wir zur (dann windböenbedingt etwas rumpelig geratenden) Landung auf dem Flughafen von Malta an. Zwar waren wir mental längst darauf eingestellt, in ein ziemlich dicht besiedeltes Land einzuschweben, dennoch waren wir vom ungewohnten Anblick der monochromen Häusermassen einigermaßen überrascht und fasziniert:
Während des Bustransfers zu unserem an der nördlichen Strandpromenade von Sliema gelegenen Hotel kamen wir aus dem Staunen nicht heraus: Überall brummte und wuselte es, so daß man gar nicht wußte, wo man nun zuerst hingucken sollte. Emsiges Treiben allerorten, wie in einem Bienenstock!
Gleich nach der Inbesitznahme der temporären Bleibe und dem Verstauen der mitgebrachten Habseligkeiten und Ausrüstungsgegenstände erkundeten wir die nähere Umgebung unseres Stützpunktes und fanden jenseits der belebten Uferpromenade recht schnell in entspannungsreiche Gefilde...
Man sieht: Es muß nicht immer Sandstrand sein! Auch auf nacktem Fels ist gut ruhn, zumal wenn der sonnenbeschienen und infolgedessen angenehm aufgewärmt ist...
Der Spaziergang an der steinigen Kante zum gelegentlich dezent herüberschwappenden Mittelmeer war äußerst spannend: natürliche und von Menschenhand erzeugte Becken bargen allerlei Geheimnisse, Fischlein hier, Krabben dort, unsereins kann sich ja in Kleinigkeiten endlos verlieren. Aber natürlich auch in »Großigkeiten«: Als wir am Abend endlich an Sliemas südlicher Hafenpromenade angelangt waren, zeigte sich uns die gegenüberliegende Hauptstadt Valletta im Licht der tiefstehenden Sonne von ihrer vorteilhaftesten Seite:
Der imposante Anblich blieb nicht der einzige: Kirchen größeren Kalibers findet man auf Malta faktisch allerorten, also wirklich in jedem Kaff. Mehr als 98% der Einwohner sind katholisch, mithin ist barocker Prunk und Pracht im Inneren von Sakralbauten die Regel, selbst wenn sich manches Gotteshaus nach außen eher unspektakulär gibt.
Ansonsten erschien uns das Häusermeer zuweilen rätselhaft inhomogen: Zahlreiche Bauten (neuere ebenso wie betagte) stehen leer, man fragt sich mitunter, wo wohl die Einheimischen wohnen. Nie vollendete Hochhäuser und zum Verkauf stehende Appartement-Blöcke scheinen die Anzeichen eines Baubooms (wenn nicht gar einer großen Spekulationsblase) am tatsächlichen Bedarf vorbei zu sein. An etlichen Stellen mußten ganz offensichtlich historische Altbauhäuser einem »Fortschritt« weichen, der letztlich Illusion geblieben ist. Des zonebattler’s konservatorisch pochendes Herz blutet bei solchen Anblicken, sein auf Ästhetik und Schönheit sinnendes Auge hält sich dann zum Ausgleich an den Resten und Details vergangener Grandezza fest:
Tröstlich immerhin, daß aufgrund der flächendeckenden Verwendung des heimischen Kalksandsteins und dessen relativ rasch fortschreitender Erosion durch salzhaltige Meeresluft alte und neue Bausubstanz sich in der Anmutung rasch annähern: Bei mancher »alten Villa« ist man verblüfft, eine eingehauene Jahreszahl zu erspähen, die gerade mal drei Dekaden zurückliegt...
Nach einigen Tagen indes verschwimmen solche vom eigenen Erfahrungshorizont geprägten Gedanken und Urteile, und man beginnt, sich der unbekümmert lässigen Lebensart der Malteken anzunähern. Die Hektik des Verkehrs und der Trubel in den Städten trügen: Die Menschen sind entspannt und gelassen (und müssen das wohl auch sein, um die das ganze Jahr über ihr Land flutenden Touristenmassen mit Fassung zu ertragen). Was soll man sich um Denkmalschutz Gedanken machen, wo doch seit der Jungsteinzeit hier ein Kommen und Gehen herrscht und aus allen Epochen immer noch weit mehr übriggeblieben ist als irgendwo sonst? Eben.
Übrigens nagen nicht nur neuzeitliche Bagger an den überlieferten Bauten: In den frühen 1940er Jahren bemühte sich neben der italienischen insbesondere die deutsche Luftwaffe höchst effizient um die Nivellierung der vorhandenen Architektur. Die Achsenmächte vermochten Englands »unversenkbaren Flugzeugträger« freilich nicht unterzukriegen, der seinserseits den italienischen Expeditionstruppen und Rommels Afrika-Korps in Nordafrika das Leben schwer machte. Die Narben des Krieges scheinen heute oberflächlich verheilt, die Erinnerung an die schwere Zeit wird aber durch das Georgs-Kreuz in der Nationalflagge wachgehalten.
Überhaupt sind die Spuren der Geschichte überall präsent: Neben riesigen Festungen und Bastionen aus der großen Zeit des Malteser-Ordens vor rund 500 Jahren prägen die Hinterlassenschaften der gut 150-jährigen englische Kolonialzeit (ab 1800) das Erscheinungsbild Maltas: Uniforme Reihenhäuser im georgianischen Stil säumen die Straßen vieler Viertel, Englisch ist eine von zwei offiziellen Amtssprachen, es wird links gefahren und gelaufen, und immer noch stehen reichlich rote Briefkästen und Telefonzellen Ihrer Majestät in Stadt und Land herum...
Telefonieren tut in und aus den roten Zellen heutzutage freilich kaum noch jemand: Auch auf Malta hat längst jedermann (und jede Frau) ein Handy einstecken.
Die Überbleibsel konfliktreicherer Zeiten dienen heute vor allem der Erbauung der Touristen: Zur Mittagsstunde wird Salut geschossen, allerlei historischer Mummenschanz getrieben und auch sonst einiges getan, was die Kameras klicken läßt und die Geldbörsen Ihrer Besitzer öffnet. So bleiben alle unversehrt und sind zufrieden.
Am Umgang mit obsoletem Kriegsgerät wird das pragmatische Naturell der Malteken deutlich: Ein paar Kanonen werden zur Dekoration aufbewahrt, gepflegt und vorgezeigt, der Rest wurde mit der Mündung nach unten an den Piers der Häfen eingebuddelt und dient dort als Poller zum Festmachen von Tauen oder zum Fernhalten unerwünschter Automobile. Leider funktionert das mit dem Recycling beim modernen Wohlstandsmüll noch nicht so gut, wir werden darauf später noch zurückkommen...
Bei der großen Menge der gebotenen Sehenswürdigkeiten und Sinneseindrücke ist man irgendwann geistig gesättigt und kommt nicht umhin, sich irgendwo ein schönes Plätzchen zu suchen, um sich dort niederzulassen und das Erlebte nochmals vor dem geistigen Auge Revue passieren zu lassen:
Auch der Berichterstatter macht jetzt Pause und denkt derweil schon mal über die nächste Folge nach. Die wird sich wie schon angekündigt mit dem öffentlichen Nahverkehr auf Malta beschäftigen und die an zentraleuropäische Zustände gewöhnte (und damit verwöhnte) Leserschaft einigermaßen verblüffen...
Montag, 21. Mai 2012
Zwei Jahre nach seinem Urlaub auf der »Schatzinsel« zog es den zonebattler und seine bessere Hälfte heuer erneut auf ein sagenumwobenes Eiland: Malta war diesmal unser meeresumspültes Expeditionsziel. Zweieinhalb Wochen lang erforschten wir den mediterranen Inselstaat zwischen Sizilien und Afrika, und wie die übereinandergelegten GPS-Tracker-Daten zeigen, machten wir dabei auch einen kleinen Abstecher nach Gozo, der zweiten, deutlich kleineren (und ruhigeren) Hauptinsel des Archipels. Warum ich die mehrteilige Berichterstattung mit »Die Verkehrsinsel« überschreibe, wird später deutlich werden, wenn ich unsere schier unglaublichen Erfahrungen mit dem öffentlichen Nahverkehr dort in epischer Breite auswalze...

Map data: © OpenStreetMap contributors, powered by OpenRouteService
Nach knapp drei Wochen Urlaub da drunten gibt es ziemlich viel zu erzählen und auch manches im Bilde vorzuzeigen, allein wie Struktur hineinbringen und am besten anfangen? Starten wir doch einfach mal mit ein paar Spezialitäten und Wunderlichkeiten, die uns mehrfach und immer wieder, ja nachgerade ständig unter die Augen und vor die Füße gekommen sind. Zuvörderst ist das das bauliche Erbe der über 150-jährigen britischen Kolonialherrschaft: Die maltesiche Stadtarchitektur im georgianischen Stil ist trotz aller neuzeitlichen Kahlschläge zugunsten dubioser Appartement-Häuser oder gesichtsloser Hotel-Türme immer noch flächig präsent, und mit ihr die aus England bekannte Vielfalt an bunten Türen mit (mehr oder weniger) noblen Knäufen und Klopfern dran:
Nicht immer halten übrigens die um den polierten Türknauf herum gebauten Häuser, was die gepflegten Beschläge versprechen: So manches der nicht immer in Würde gealterten Gebäude wäre mit dem englischen Euphemismus »has seen better days« nur unzureichend beschrieben. Drum eben nicht die ganze Hütte gezeigt, sondern voll fett auf die Mitte der Haustür gezoomt, und schon ist die Welt – zumindest bildlich gesprochen – wieder in Ordnung...
Ohnehin unsichtbar ist dagegen die moderne Kommunikations-Infrastruktur in Form kostenloser und frei zugänglicher WLAN-Hotspots, im englischen Sprachraum Wi-Fi geheißen. In den touristisch geprägten Gegenden Maltas findet man alle paar Meter ein Lokal, eine Bar oder einen der global omnipräsenten Buletten-Brater, bei dem man sich zur gleichzeitigen Stillung von Kalorien- und Nachrichtenhunger temporär niederlassen kann. Die hierzulande gefürchtete und stets als Damoklesschwert über dem leichtsinnigen Routerbesitzer schwebende Betreiberhaftung ist im EU-Mitgliedsstaat Malta offenbar (noch?) kein Thema:
Wir machten von dem virtuellen Komfort reichlich Gebrauch, indem wir mit dem Smartphone fast täglich die eingegangenen Mails checkten, vor allem aber, um uns für den Leseabend im Hotelbett mit aktuellem Material zu versorgen: Daheim in der Heimat warf Freund Lexikaliker täglich »calibre« an, um uns die aktuellen Newsfeeds von FAZ.NET, Süddeutsche.de, ZEIT ONLINE und noch ein paar anderen gern aufgesaugten Quellen fein formatiert über den Äther auf mein stets mitgeführtes Lesebrettchen zu beamen. Tagsüber auf den Beinen und in der Fremde Neues zu entdecken, abends aktuellen Input aus der Heimat zu studieren, diese Mischung aus Fuß- und Kopfarbeit lernten wir zu schätzen...
Schätzen tut der zonebattler bekanntlich auch seine motorisierte Renngurke, und so war er hocherfreut, vierrädrige Cousins seines eigenen Vehikels (außerhalb des deutschen Marktes »Subaru Sambar« genannt) an allen Ecken und Enden der Insel herumflitzen (oder herumstehen) zu sehen:
Überhaupt finden sich auf Malta viele japanische Autos, die ausweislich diverser Aufkleber mit fernöstlichen Schriftzeichen offenkundig als Gebrauchtfahrzeuge nach Europa importiert worden sind. Da eine heimische Nachfrage nach bereits benutzten Fahrzeugen in Japan aus kulturellen Gründen kaum existiert, floriert der Verkauf nach Übersee in Regionen mit Linksverkehr und Rechtslenkung (wozu aus Gründen des britischen Erbes eben auch Malta gehört). Der Libero/Sambar ist jedenfalls der ideale Kleintransporter für die zuweilen engen Gassen und holperigen Straßen Maltas!
Weniger nachvollziehbar als die Liebe zu knuffigen Töff-Töffs ist der Hang maltesischer Baller-Männer zum Schießen auf alles, was Flügel hat und flattert. Jenseits der menschlichen Siedlungen stehen in der idyllischen Landschaft alle paar Meter provisorische und ziemlich schäbige Unterstände herum, und auch außerhalb der offiziellen Jagdsaison kann man dort die Spuren des für Vögel jeder Art und Größe tödlichen Getues schwerlich übersehen:
Für den gemeinen Malteken scheint das Pulverisieren von beweglichen Luftzielen nicht minder erregend zu sein als für die Spanier der Stierkampf. Ganze Populationen zwitschernder Luftikusse werden da weitgehend ausgerottet, für Zugvögel ist das Eiland mitten im Mittelmeer ja ein kaum zu vermeidender Zwischenstopp. Verwegene Tiefflieger könnten mit schneidigem Kurven in Bodennähe sicherlich dazu beitragen, daß sich die wilde Jägerschar durch friendly fire selbst dezimiert, so viele von denen sind da zugange mit dem Finger am Abzug ihrer Flinte...
So wie der Angler seine Lieblingsgewässer hat (und dort seiner Leidenschaft zumindest lautlos, wenngleich für seine Opfer nicht minder tödlich nachgeht), so scheint auch der Schrotschütze seine bevorzugten Reviere zu haben. Die Reiseführer behaupten jedenfalls frohgemut, daß die in der freien Wildbahn allerorten anzutreffenden Warn- und Verbotsschilder nicht auf den arglosen Wanderer gemünzt seien, sondern eher auf die (mehr oder weniger waidmännisch agierende) Konkurrenz mit Schießgewehr:
Wir haben das freilich nicht verifiziert und blieben stets diesseits der typographisch kruden Drohgebärden, es gab ja schließlich auch so genügend ungefährliche Möglichkeiten, das Land per pedes zu bestreifen.
Nun gut, nach diesen etwas befremdlich anmutenden Aspekten lokaler Sitten, Riten und Gebräuche wollen wir uns dann aber doch endlich und intensiv den Schönheiten der Inselgruppe zuwenden, und derer gibt es wirklich viele: Die Landschaft ist grandios, die kulturellen Zeugnisse vergangener Epochen sind es nicht minder, die Einheimischen freundlich, nahbar und umgänglich (jedenfalls die ohne Feuerbüchse im Anschlag). In der nächsten Folge spulen wir in Kürze noch einmal zurück und setzen mit der Air Berlin zum Landeanflug an auf den Staat mit der nominell größten Bevölkerungsdichte unseres Planeten!
Dienstag, 19. April 2011
Sonntag, 31. Oktober 2010
Am zehnten Tage unserer Ruhrgebiets-Visite schauten wir uns zunächst noch ein wenig in Essen um, insbesondere umrundeten wir per pedes den riesigen Grugapark. Von außen wohlgemerkt, denn künstlich angelegte Pflanzen-Arrangements stehen nicht wirklich im Fokus unseres floralen Interesses. Übrigens waren die an der Park-Peripherie entdeckten Einrichtungen viel spannender, die nonchalanterweise in Eigeninitiative inspizierte Friedhofs-Lehrgärtnerei mit (mutmaßlich) leichenlosen Liegestätten beispielsweise hatte nicht nur morbiden, sondern auch ästhetischen Reiz...
Adieu Essen, hallo Duisburg! Der schwergewichtige Reiseführer legte uns zunächst den Besuch des Innenhafens nahe, wo eine postindustrielle Misch-Nutzung (wassernahes Wohnen, Gastronomie, Dienstleister, Kultur) ein ebenso abwechslungsreiches wie attraktives Areal (wieder-)belebt hat. Das dort ansässige Museum Küppersmühle für Moderne Kunst hatte leider wie jeden Montag geschlossen, dem Legoland Discovery Centre wollten wir weder Zeit noch Geld opfern, aber auch so geriet der Rundgang zum spannenden Erlebnis-Nachmittag. Wir tappten tapfer bis in die City und retour und waren hernach so zufrieden wie die en passant gekraulten Zirkus-Esel.
Am späten Nachmittag erreichten wir dann den faszinierenden Landschaftspark Duisburg-Nord, den wir erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder verließen. In dem nachgerade riesigen Areal rund um ein längst stillgelegtes Hüttenwerk gibt es soviel zu sehen, daß man darin ohne weiteres mehrere Tage schauend und staunend zubringen könnte...
Die Vielfalt der heutigen Nach-Nutzungen der massigen Anlagen verblüffte uns immer wieder. Der Deutsche Alpenverein unterhält dort nicht nur seine landesweit niedrigstgelegene »Berghütte«, sondern auch – in mehreren Abteilungen der alten Erzbunkeranlage – einen alpinen Klettergarten mit Schwierigkeitsgraden für jeden Geschmack:
Höhepunkt der Besichtigung war ganz zweifellos (und auch im wortwörtlichen Sinne) die Besteigung des ehemaligen Hochofens Nr. 5, der bis an die Spitze begehbar gemacht wurde. Wer die melancholische Atmosphäre solcher alten Industrierelikte zu schätzen weiß, kommt hier ebenso auf seine Kosten wie der Knipser auf der Suche nach ungewöhnlichen Motiven...
wir nächtigten am Rande des weitläufigen Parks und brachen anderntags nach Dortmund auf, wo der zonebattler zunächst einem seiner dienstlichen Kunden einen halboffiziellen Besuch abstattete und sich und seiner besseren Hälfte das ICE-Werk zeigen ließ: Nicht alle Tage bietet sich selbst unsereinem die Gelegenheit, unter aufgeständerten Gleisen den Bauch eines ICE T zu betrachten und dessen bistrotischgroße Bremsscheiben aus der Nähe zu bestaunen...
Selbstverständlich hielt sich unsereiner strikt an das im Werk herrschende Fotografierverbot, und daher kann ich diese Episode leider nur mit einem Schnappschuß illustrieren, der auf dem kurzen Fußweg zwischen Werkbereich und Parkplatz entstand:
Quer durch die Stadt ging es dann zum berühmten »Dortmunder U«, welchselbiges uns allerdings nur die animierte Fassade und ansonsten die kalte Schulter zeigte: Die neue Heimat des früheren Museums am Ostwall war noch im Umbau begriffen, die Ausstellung noch im Werden und mithin nicht zu sehen. Pech gehabt!
Was es hingegen zu sehen gab, war die Innenstadt und ihre Fußgängerzone, na gut, sind wir halt auch da mal gewesen... Ach ja: Alle paar hundert Meter begegnet man in Dortmund einem mehr oder weniger auf Kunst komm raus originell gestalteten Nashorn. Wenn das der Dürer wüßte!
Wesentlich interessanter gestaltete sich der abendliche Abstecher zur Zeche Zollern: Zwar kamen wir erst bei Kassenschluß dort an, konnten aber zumindest noch das Freigelände erforschen und die einzigartigen Jugendstil-Industriebauten bewundern. Heute stehen ja Arbeits- und Materialkosten in umgekehrten Verhältnis als Anno 1904, daher wachsen in Industriegebieten allenthalben nur noch Betonsärge aus der Erde und keine architektonischen Meisterwerke mehr. Schon das macht die Zeche Zollern zu einem einzigartigen Kleinod im großen Maßstab! Gleich nebenan auf dem Besucher-Parkplatz stellten wir hernach unsere Renngurke ab und betteten uns ein letztes Mal im mobilen Schlafzimmer zur Ruhe.
Der zwölfte und letzte Tag unserer Reise war angebrochen. Als erstes steuerten wir die Kokerei Hansa an und erreichten diese eine Viertelstunde vor der regulären Öffnung. Kaum hatten wir die Nase ins Gelände gesteckt, wurden wir schon aufgegriffen, an die Uhrzeit erinnert und an den offiziellen Besuchereingang verwiesen. Artig setzten wir uns dort auf die Wartebank vor dem Kassenfenster und wurden von der diensttuenden Aufsichtsperson per Kopfnicken begrüßt, ansonsten aber geflissentlich ignoriert, auch über den Schlag der vollen Stunde hinaus. Als gelernter Beamter und praktizierender Dienstleister kann der zonebattler die Mentalität von vorgefundenen Servicepersonalen ebenso rasch wie zweifelsfrei einschubladisieren, daher erschien es ihm ratsam, sich hier auf keine Diskussionen mehr einzulassen und kurzerhand auf eigene Faust das Areal zu erkunden. Was sich – im Nachhinein betrachtet – als ebenso zweckdienlich wie im Grunde entbehrlich entpuppte: Was wir dort zu sehen bekamen, hatten wir andernorts schon längst erforscht.
Wir fuhren weiter in Richtung Soest, um den zum Urlaubsbeginn bei den dort hausenden Freunden entliehenen Regional-Atlas wieder abzugeben. Unterwegs besuchten wir noch in (auf?) Schloß Cappenberg eine Kunstausstellung mit Werken von Günter Haese, einem Protagonisten der Kinetischen Kunst.
Diese Ausstellung erwies sich als überaus inspirierend und hervorragend gestaltet, wahrlich ein unverhofftes Highlight am Ende unserer Reise. Umgekehrt verhielt es sich leider mit dem Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna, welches wir mit großen Erwartungen betraten, jedoch einigermaßen enttäuscht wieder verließen. Immerhin: die begehbare Camera Obscura von James Turrell [1] mit der Projektion eines kreisrunden Himmelsauschnittes bleibt als grandioses Werk in Erinnerung.
Der Rest ist schnell erzählt: Von Unna nach Soest, von Soest auf die Autobahn und auf den 400 km bis Fürth alle 100 km eine kleine Pause gemacht. Gegen 22 Uhr trafen wir dann wohlbehalten daheim ein, wuchteten zunächst den mitgeführten Hausrat ins Treppenhaus und wunderten uns wie stets nach der Rückkehr von einer Campingreise über dessen scheinbare Volumenzunahme: Sechs oder sieben Mal ächzte der zonebattler die 66 Stufen hoch zu seiner homezone, jedes Mal bepackt wie ein Lastesel und mitunter auch schnaubend wie ein solcher. Am Ende stand die Erlösung in Form eines warmen Duschbades...
Zu Ende ist nunmehr auch diese Reise-Reportage, zu deren ordnungsgemäßen Niederschrift sich der Verfasser diesmal mehr als sonst überwinden mußte. Er bittet die geduldige Leserschaft submissest um Verzeihung für die langen Pausen zwischen den Teilen und verspricht für die Zukunft – erstmal nix.
[1] dessen Genialität wir bereits in Wolfsburg bestaunt hatten.
Sonntag, 17. Oktober 2010
Nach dem Aufwachen auf dem – wie es ein smarter Makler sehr treffend ausdrücken würde – äußerst verkehrsgünstig gelegenen Wohnmobil-Stellplatz besichtigten wir (nur eine obligatorische Katzenwäsche und ein wie üblich ambulant eingenommenes Frühstück später) den Oberhausener Gasometer. Als in der Tat sehr eindrucksvoll erwies sich das Innere des gigantischen Hohlkörpers, insbesondere aber auch die aktuelle Ausstellung »Sternstunden – Wunder des Sonnensystems«, die noch bis zum Ende des laufenden Jahres bewundert werden kann. Die übergroßen Fotos, die ausladenden Planetenmodelle und insbesondere das nachgerade riesige Mondmodell lohnen einen Abstecher in die dicke Röhre allemal!
Aus den Tiefen des Alls resp. des ehemaligen Gasbehälters wieder ans Tageslicht zurückgekehrt, machten wir interessehalber einen Rundgang durch das nahegelegene CentrO, dem laut Eigenwerbung »größten Shopping- und Freizeitzentrum Europas«. Na ja, es gibt dort wie hier und überall sonst im Wesentlichen die gleichen Kettenläden, eine Freßrotunde einen Food Court und die heutzutage übliche Shopping-Center-Architektur. Der zonebattler ließ sich letztlich von der allgemeinen Konsum-Stimmung um ihn herum anstecken und zückte verzückt seine Geldbörse... [1]
Über dem Kaufrausch war es Nachmittag geworden, darum galt es, hurtig auf die Autobahn zu flitzen und sich vom sanft säuselnden Handy in die quirlige Innenstadt Düsseldorfs lotsen zu lassen. In der dortigen Kunstsammlung NRW (K20 am Grabbeplatz) trafen wir uns zunächst mit einem uns bis dato nur virtuell bekannten Blogger-Kollegen zu einem höchst anregenden Plausch. Dann meeteten & greeteten wir noch eine liebe (Fast-)Nachbarin aus Fürth, welchselbe in wackerer, geduldig ertragener Pendler-Existenz in jenem berühmten Kunst-Tempel ihr werktägliches Ein- und Auskommen findet...
Indes waren wir ja nicht nur zum Schäkern und sich Beschnuppern nach Düsseldorf gekommen, nein, es wartete am Abend ein respektabler Kunstmarathon auf uns in Form der vielen zeitgleich stattfindenden Vernissagen zur Quadriennale 2010! Wir guckten und schoben uns bis spät in die milde Nacht durch die frisch eröffneten Ausstellungen »Joseph Beuys. Parallelprozesse« (K20), »Nam June Paik« (museum kunst palast) und »Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie« (NRW-Forum), bis wir dann endlich ermattet quer durch die Stadt (erneut vom Handy sicher geleitet) in Richtung Ausstellung Nr. 4 (K21 Ständehaus) tappten, woselbst die ebenso abseits wie kostenfrei geparkte Renngurke unserer harrte. Schön war die Kunst, schön war die Nacht, schön zeigte sich auch die bunt illuminierte Skyline des Dorfes an der Düssel:
Erst nach Mitternacht liefen wir wieder in Oberhausen ein, wo wir direkt am Fuße des Gasometers eine Wagenburg bildeten und uns zur (diesmal gebührenfreien) Ruhe niederlegten...
Am Tag Nr. 8 unserer Expedition waren wir schon lange vor der erneuten Öffnung des dicken Wahrzeichens von Oberhausen wieder wach und reisebereit. Wir tuckerten los in Richtung Essen, woselbst wir schon wieder eine Verabredung hatten: Am Rande der weltberühmten Zeche Zollverein wollten wir uns mit einem meiner fleißigen Homepage-Zuträger treffen, der uns – als Einheimischer bestens orts- und kulturkundig – die umfangreichen Einrichtungen der riesigen stillgelegten Anlage zeigen und erläutern wollte. Es wurde ein langer, lehrreicher und bunter Tag...
In seinem Hang zum Skurrilen und Bizarren fiel dem zonebattler so manches Detail auf. Unter anderem kam ihm dieser höchst eigenartige Mastschmuck vor die Linse:
Zunächst konnten wir uns keinen Reim auf jenes ebenso gelungene wie seltsame Woll-Objekt machen. Ein Blick auf den angeknüpften Beipackzettel klärte uns jedoch schnell auf: »Strickgraffiti soll den öffentlichen Raum etwas bunter machen und beschädigt nichts.« Wenn das kein Beispiel für vorbildhaft bürgerliches Engagement ist!
Nachdem wir uns am späten Nachmittag von unserem multitalentierten Führer-Freund verabschiedet hatten, fuhren wir weiter in Richtung Süden, nahmen unterwegs Betriebsstoffe für Mensch und Maschine auf und begannen mit der Suche nach einem Plätzchen für die Nacht. Dies gestaltete sich diesmal als unerwartet schwierig, es wollte sich partout kein geeigneter Ort erspähen lassen. Nach langer Odyssee – es war inzwischen schon dunkel geworden – bezogen wir endlich provisorisch Posten auf einem Besucher-Parkplatz am Nordost-Ufer des Baldeneysees.
Was sich letztlich als gute Wahl entpuppte: Im Grunde sollte man sich in Ballungsräumen ohnehin von der Idee verabschieden, einen Schlafplatz »im Grünen« ausfindig machen zu können. Mitten drin im urbanen Getümmel finden sich noch am ehesten leidlich abgelegene Ecken an Friedhöfen, Supermärkten oder Fabriken, wo sich des Nachts kaum ein Mensch hinverirrt. Und wenn doch mal einer seinen Vierbeiner Gassi führt, dann gucken beide meist diskret zu Seite. So jedenfalls unsere Erfahrung; die echten Schurken schlagen am hellllichten Tage zu...
Der neunte Tag unserer Reise war erstens ein Sonntag und machte zweitens seinem Namen wenig Ehre: Es regnete mehr oder weniger fast den ganzen Tag über. Das scherte (schor?) uns freilich wenig, denn wir hatten ohnehin ein eher inhäusiges Besichtigungsprogramm zu absolvieren. Die erste Station (die uns schon fast einen halben Tag kostete) war die oberhalb des Baldeneysees thronende Villa Hügel, die bis 1945 das repräsentative Refugium der Industriellen-Familie Krupp gewesen war:
Die in der Villa gezeigte Dauerausstellung zur Geschichte von Familie und Fabrik würdigt einerseits die großen technischen Leistungen des von der kleinen Klitsche zum Weltkonzern gewachsenen Unternehmens, dokumentiert aber auch die schicksalhafte Verstrickung mit dem NS-Regime, das ohne den »Kruppstahl« schwerlich hätte Krieg führen können...
Nach Verabfolgung dieser üppigen Dosis Zeitgeschichte machten wir uns wieder auf in Richtung Innenstadt, um die zweite Tageshälfte im Museum Folkwang zu verbringen. Danach waren wir platt bzw. voll, aber es reichte doch noch für eine schnelle Umrundung des Aalto-Theaters zu Fuß, um nach der bereits im April erfolgten Besichtigung des Wolfsburger Kulturhauses jenem Bau ein zweites Werk des finnischen Architekten vergleichshalber hinzuzugesellen. Und weil sich der Marsch an der frischen Luft als belebend erwies, haben wir dann auch noch ‑zumindest von außen – die prächtige Alte Synagoge inspiziert.
Nach so viel Essen für die Augen war die Zeit zum Essen für den Magen gekommen, welchselbiges wir wieder an den Gestaden des Baldeneysees einnahmen, an seinem nordwestlichen Zipfel unterhalb der Villa Hügel. Mit einem nächtlichen Spaziergang (es regnete mittlerweile nicht mehr) zum in der Ferne erahnten Stauwehr rundete sich der Tag: Drei Viertel der Reise ins Unbekannte konnten nunmehr als erfolgreich absolviert gelten. Zum letzten Viertel brechen wir in der nächsten Folge auf!
[1] Ausgabenrechnung: EUR 2,40 (Pizzastück) + EUR 0,40 (Klofrau) = EUR 2,80 Total
Sonntag, 3. Oktober 2010
Der vierte Tag unserer Reise begann mit Nieselregen, was uns jedoch wenig ausmachte, hatten wir doch als ersten Programmpunkt ohnehin den Besuch des Deutschen Bergbaumuseums in Bochum vorgesehen. Das weitläufige Museum gilt als eines der bedeutendsten seiner Art und ist in einem halben Tag nicht annähernd gewürdigt. Dennoch konnten wir recht viel lernen über Geschichte und Technik des Bergbaus, über dessen Eigenarten wir natürlich prinzipiell schon vorher einigermaßen Bescheid wußten, dessen faszinierende Details uns aber noch nicht so geläufig waren. Schier unglaublich erschien es uns, was beim Untertageabbau so alles an Gerät und Material in die Grube verbracht werden muß, bevor man dem Erdinneren überhaupt etwas abgtrotzen kann. Nicht weniger verblüffend ist freilich, was nach Ausbeutung der Kohleflöze alles unten bleibt, wenn die Grube endgültig geschlossen wird...
Nach diesem Ausflug in die Industriegeschichte tuckerten wir weiter an den Stadtrand zur Ruhr-Universität, um deren berühmte Kunstsammlungen zu inspizieren. Der betonlastige Campus erinnerte den zonebattler stark an die Technische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität zu Erlangen, woselbst er vor drei Dekaden eher halbherzig ein Ingenieurstudium angefangen (und sehr bald wieder beendet) hatte:
Marmor, Stein und Beton bricht, aber das hat ja letztlich auch seine eigene Ästhetik und visuellen Charme...
Ein Bummel durch die Innenstadt (nebst Genuß je eines Eises) rundete den Tag. Wir fuhren am Abend in südöstlicher Richtung weiter und fanden schließlich am hinteren Zipfel des Parkplatzes eines Sportgeländes bei Witten einen annehmbaren Platz für das ambulante Nachtquartier.
Am Morgen des fünften Tages rollten wir zielstrebig zurück nach Bochum: Des zonebattler’s bessere Hälfte wollte unbedingt die Medizinhistorische Sammlung der Universität besichtigen, welche in einem pittoresken alten Malakoffturm sehr stilvoll untergebracht ist. Wir verbrachten mehrere ungestörte Stunden lang in der recht informativen Ausstellung. Leider waren einige interaktive Exponate defekt und nicht zu benutzen, wie so oft hat das Geld einst nur für die Einrichtung, nicht aber für die laufende Unterhaltung und Pflege gereicht... Als unverhoffter Höhepunkt der Visite erwies sich die eigentlich schon rumme, aber noch nicht abgebaute Sonderausstellung »Gelenkte Blicke« über Rassenhygienische Propaganda und Politik im Kontext des Nationalsozialismus. Eine vortreffliche Dokumentation und Analyse der perfiden NS-Propaganda mit ihrem kruden Mix aus echten biologischen Erkenntnissen und pseudowissenschaftlichem Rassenwahn-Geschwurbel...
Ein reinigender Besuch im Bochumer Stadtbad machte uns anschließend wieder aufnahmefähig für die künstlerischen Herausforderungen, die wir in dem spektakulären Gebäudeensemble Situation Kunst (für Max Imdahl) suchten und fanden. Wir rissen mit unserem zaghaften Geklingel eine angehende Kunstgeschichtlerin aus ihren Studien und wurden von ihr eingelassen in eine Enklave der Kontemplation:
Teils unter fachkundiger Führung der diensttuenden Studentin hatten wir nun Gelegenheit, die ausgestellten Werke und den situativen Kontext auf uns wirken zu lassen. Sehr elitär, da wir auch hier wieder einmal die einzigen Besucher waren! Wer immer sich für zeitgenössische Kunst interessiert und in der Nähe ist, sollte die Gelegenheit zu einem Besuch dort nicht versäumen!
Im benachbarten Park fügen sich allerlei Skulpturen in die Umgebung ein und spielen mit der Wahrnehmung duch den Betrachter, wie beispielsweise dieser neckische Knick in der Optik hier:
Wieder zurück in der Innenstadt gönnten wir uns noch einen ausgiebigen Rundgang durch das Museum Bochum, gleichfalls mit Schwerpunkt auf moderner Kunst. Wie erstaunt waren wir doch, dergleichen in dieser Menge und Güte mitten im ehemaligen Kohlenpott zu finden! Was wir hingegen leider nicht fanden, war ein vertrauenserweckendes Plätzchen für die Nacht. Überdies wurde es rasch dunkel, also fuhren wir kurzerhand Richtung Witten, um eine weitere Nacht neben dem uns schon bekannten Sportplatz zu verbringen...
Dortselbst brachen wir am sechsten Tag unserer Reise am frühen Morgen auf und hielten einmal mehr auf Bochum zu. Nachdem wir dort die Jahrhunderthalle umlaufen und ausgiebig inspiziert hatten, zog es uns weiter in Richtung Bottrop, wo unsere nächste Destination auf uns wartete, das Museum Quadrat. Während in einem der räumlich verbundenen Gebäudeteile die Werke des Bottroper Künstlers Josef Albers gezeigt werden, gibt es auf der anderen Seite Heimatkundliches zu sehen, flankiert von einer eigenen Sammlung der Ur- und Frühgeschichte. Rechts abstrakte Kunst, links sehr konkrete Mammutskelette. Eine eigenartige, wenngleich durchaus reizvolle Mischung. Wohingegen sich gigantische Ammoniten und andere Fossilien über viele Millionen Jahre erhalten haben, ist der eher zeitgenössische Museumsbau leider schon nach wenigen Jahrzehnten marode geworden: Der pflichtbewußte zonebattler meldete dem Wachpersonal ein stetes Tropfen von der Decke, direkt zu Füßen eines darob ungerührt scheinenden Mammuts. Tja, Flachdächer halt, ein Irrweg der bautechnischen Evolution...
Mehr haben wir von Bottrop diesmal nicht gesehen, schon ging es weiter ins nahe Oberhausen. Dort erwarben wir Kombitickets für die aktuelle Ausstellung im weithin sichtbaren Gasometer sowie für die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen. Die Zeit reichte indes nur noch für die Besichtigung der Galerie mit der sehr originellen Ausstellung »Zu[m] Tisch!«. [1]
Da wir dann ganz zufällig gleich nebenan einen gut ausgeschilderten, gleichwohl kaum belegten Wohnmobil-Parkplatz fanden, war die Suche nach einem Platz für die Nacht diesmal schon beendet, kaum daß sie recht begonnen hatte. Es blieb also noch Zeit für einen Abstecher zur nahen Siedlung Eisenheim, eine der ältesten komplett erhaltenen Arbeitersiedlungen Deutschlands. Erstaunlich, wie schon vor über hundert Jahren qualitätsvoll gebaut werden konnte: Vier völlig getrennte Wohnungen in einem Haus (separate Eingänge inklusive) sorgten für minimierte Baukosten und für den sozialen Frieden gleich mit! Heutzutage werden allerorten für teuer Geld reihenweise minimierte Bürgerkäfige mit maximierter Reibungsfläche zum Nachbarn errichtet, aber ich will das heute nicht schon wieder thematisieren...
Die Geschichte der Siedlung Eisenheim ist auf vielen informativen Texttafeln vor Ort nachzulesen. Kaum zu glauben, daß eine unheilige Allianz aus Eigentümer, Politik und Gewerkschaften seit den 1960ern den Totalabriß des (in baulicher wie von der Sozialstruktur her) völlig intakten Viertels gegen den erklärten Willen der Bewohner durchsetzen wollte. Wir lasen weiter und weiter, von den damaligen Bürgerinitativen und deren teils prominenten Aktivisten hatten wir bislang nie gehört. Na gut, wir waren damals noch zu jung und zu wenig politisch im Denken. Immerhin, die Sache ging gut aus: Was damals zu Aufruhr im Revier führte wie heute der Streit um Stuttgart 21, liegt heute ruhig und beschaulich vor den Augen des Betrachters:
Ob sich die heutigen Bewohner über die historische Bedeutung ihres Viertels im Klaren sind, ob sie sich überhaupt darum scheren? Man weiß es nicht, aber es wäre wenig verwunderlich, wenn die junge (Multikulti-)Generation für die Vorgeschichte ihrer engeren Heimat allenfalls ein Achselzucken übrig hätte...
So, es wurde duster, es ging auf Ladenschluß zu, drum noch schnell im nächsten Laden Milch und Käse geholt und sich auf den durch hohe Hecken intimisierten Wohnmobil-Stellplatz in eine Ecke verzogen. Daß der Platz unweit der Bahn lag, war uns zwar bereits aufgefallen, daß der Güterverkehr dort nahe am theoretischen Auslastungslimit liegen mußte, bemerkten wir erst im Laufe der Nacht. Na ja, irgendwas ist immer, und solange die Räder so rollen wie dort, muß sich der zonebattler vermutlich keine Sorgen um die Sicherheit seines Arbeitsplatzes machen.
Fortsetzung folgt!
[1] Wer Fotos aus den genannten Museen vermißt, findet diese sämtlich hier!
Dienstag, 28. September 2010
Nachdem der zonebattler und seine bessere Hälfte im Frühjahr reichlich Gelegenheit zur Körperertüchtigung gehabt hatten, sollte die allfällige Spätsommer-Exkursion der Abwechslung halber doch eher dem Training von Geist und Hirnschmalz dienen. Außerdem war längst wieder eine Campingreise mit der Renngurke fällig, um sich eine Weile in Demut und Bescheidenheit und nach Art der U‑Boot-Fahrer in einem nachgerade asketischen Lebensstil zu üben. Also ward beschlossen (wenn auch nicht groß verkündet), die weite Fahrt ins Ruhrgebiet anzutreten: Deutschlands größter Ballungsraum wartet mit reichlich industriegeschichtlichen Sehenswürdigkeiten und bedeutenden Kunstmuseen auf, die den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2010 als allemal gerechtfertigt erscheinen lassen. Wie üblich war der kleine GPS-Tracker mit von der Partie, was mir nun die nachträgliche Visualisierung der zurückgelegten Route auf der Landkarte ermöglicht:
Wir starteten in Fürth am Morgen des ersten September-Samstags und trafen nach etwa fünf Stunden weitgehend ereignisloser Marschfahrt [1] im schönen Soest ein, woselbst wir Freunde mit Haus, Garten und Hund besuchten und uns übers Wochenende bei ihnen einnisteten. Am Montag Morgen ging es dann frühzeitig weiter und das eigentliche Abenteuer los... [2]
Erste Haltestation war das nordöstliche Ufer des Hengsteysees, von wo aus wir zur nahen, aber hochgelegenen Syburg wanderten. Gleich nebenan guckt Wilhelm I. über das weite Land und hat sich über die Jahre grün geärgert über seine ihn mittlerweile weitgehend ignorierenden Untertanen:
Vielleicht ist er aber auch immer noch verstimmt über den plumpen Geschmack der braunen Kulturverweser, die seinen weiland gründerzeitlichen Schnörkelgarten in den 1930ern zu einem kalt-abweisenden Monumentalkonstrukt verhunzten...
Wieder unten angelangt, fand sich nach dem ambulanten Mittagsmahl zwischen den nahgelegenen Siedlungen Hengstey und Bathey endlich das langesuchte und ‑ersehnte Spätsommermotiv für ein jahreszeitlich passendes Desktop-Hintergrundbild:
Wenige Minuten und Streckenkilometer später gelangten wir in die Innenstadt von Hagen, welche wir per pedes und sehr ausführlich inspizierten. Hier wie später andernorts in den Städten des Ruhregebiets fiel uns auf, daß dort richtige Italiener mit Berufsehre im Leibe hervorragendes Speiseeis zubereiten und zu fairen Preisen feilbeiten: 80 Cent pro üppig bemessener Kugel in einer knusprigen Waffel und dazu noch ohne künstliche Aromen, das ist in Nürnberg und Umgebung beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr! Womöglich handelt es sich dabei um eine kulinarische Spätfolge der Gastarbeiter-Schwemme in den Industriezentren zu Zeiten des Wirtschaftswunders?
Weiter ging der Weg über das erstaunlich beschauliche Land bis nach Hattingen, dessen vielgerühmte Altstadt aus Fachwerkhäusern uns ebenfalls eine ausgiebige Erkundung zu Fuß wert war. In der Tat hätten wir nicht erwartet, dort oben in Deutschlands weiland stark industrialisiertem Westen so viel pittoreskes Fachwerk anzutreffen. Dieses zeigt sich zwar eher streng und weniger verspielt als die fränkische Bauweise, weiß aber trotzdem sehr zu gefallen. Nicht weniger originell sind übrigens die örtlichen Einzelhandelsgeschäfte, in denen man neben allerlei Tinnef beispielsweise modische Tarnanzüge für seine Vierbeiner erwerben kann:
Auch sonst gibt es allerlei Eigenwilliges zu sehen in der wirklich putzigen Hattinger Altstadt. Das finden freilich nicht alle lustig, manch einer wendet sich sogar peinlich berührt und mit Grausen ab:
Eine Sekunde lang habe ich die beiden Gnome tatsächlich für echt gehalten...
Der Abend nahte. Wir versorgten uns noch mit ein paar Lebensmitteln (insbesondere kühlbedürftigen solchen wie Milch und Käse, die die Nacht über neben dem Auto ausharren und aushalten müssen) und begannen im Umland mit der Suche nach einem Stellplatz für die Nacht. Nach einigen Irrwegen [3] bezogen wir schließlich auf einem großen Platz hinter einer Großgärtnerei und vor der Einfahrt zu einer großen Biogas-Anlage Posten. Sehr angenehm, da ruhig und mit asphaltiertem Untergrund, ein rares Komfortmerkmal auf unseren motorisierten Exkursionen. Mit routinerten Handgriffen wurden alsbald die Klamottentaschen, die Küchen- und die Waschkiste nach vorne in das Cockpit verfrachtet und der hintere Teil des treuen Minibusses damit zum Wohn- und Schlafzimmer umgewidmet. [4] Der einsetzende Regen machte das Hausen in der beschützenden Eierschale aus Glas und Blech so richtig gemütlich...
Soviel zu den ersten drei Tagen der Reise, von denen ja recht eigentlich nur einer eine Expedition ins Unbekannte war. In der nächsten Folge wird es dann schon mehr zu berichten geben!
[1] von der obligatorischen Entwässerungspause mal abgesehen...
[2] Bewaffnet waren wir übrigens mit dem dicken und fast schon zu umfangreichen »RuhrKompakt« Reise- bzw. »Erlebnisführer«. Die telefonbuchdicke Schwarte ist zu schwer zur Mitnahme auf Wanderungen und Spaziergänge, aber sie ist auch überaus informativ, thematisch sehr umfassend und noch dazu billiger als die meisten Konkurrenzprodukte.
[3] Man braucht bei unserer Art des improvisierten Herumzigeunerns regelmäßig ein paar Tage Übung, bis man wieder ein Gespür und einen Blick für gut geeignete Übernachtungsplätze in der freien Wildbahn bekommt...
[4] Wie immer hatten wir unten Isomatten und Wolldecken auf die beiden umgeklappten Rückbänke gelegt und ansonsten die regulären Federbetten von daheim mitgenommen. Im eigenen Bett schläft es sich ja bekanntlich allemal am besten!
Samstag, 26. Juni 2010
Nach schier endlos erscheinender Kurverei über steile Serpentinen erreicht man endlich die höchste Erhebung La Palmas, den Roque de los Muchachos im Norden der Insel. Der Panoramablick, der sich dort oben in gut 2.400 Metern Höhe dem wackeren Wanderer ebenso wie dem fußfaulen Automobilisten bietet, ist nichts weniger als atemberaubend spektakulär! Wer beizeiten aufgebrochen und noch vor der Mittagsstunde vor Ort ist, kann zusehen, wie die weiße Wolken-Watte über den östlichen Kesselrand der Caldera schwappt und den gewaltigen Topf nach und nach füllt, bis man nur noch den äußeren Grat aus der wässerigen Suppe ragen sieht! Hoch über den gleißend weißen Wolken ragen die vielen Kuppeln des Observatoriums aus dem kargen Vulkangestein und geben einem das Gefühl, den unendlichen Weiten des Universums so nahe zu sein wie kaum je zuvor:
Man kann sich schwer lösen von dem faszinierenden Wechselspiel zwischen Wand und Wolke: schroff die Grate, weich das Wabern der Wassertröpfchen, ein Anblick, den man wahrlich nicht oft geboten bekommt. Erstaunlich, daß man die Erhabenheit des genius loci dennoch nicht mit allzuvielen anderen Touristen teilen muß, selbst da oben trifft man auf seinesgleichen nur in homöopatischer (und damit verträglicher) Verdünnung...
Auch viel weiter unten ist das eigenartige (und nachgerade einmalige) Spiel der Wetterkräfte wunderbar zu beobachten: Immer wieder sahen wir die weiße Wolkenwalze über die Cumbre wuppen, wo sie sich aber durch die Energie des Sonnenlichtes genauso schnell in Wohlgefallen auflöst, wie von hinten neuer Wasserdampf nachgeschoben wird. Was für ein Schauspiel!
Nicht minder faszinierend waren die abendlichen Sonnenuntergänge, die wir fast jeden Abend von der Terrasse unserer Casa aus gegen 20:50 Uhr Ortszeit genießen konnten: Auch da sorgten kondensierte Wassertröpfchen (vulgo: Wolken) für ein visuelles Sinnesspektakel, in dem sie die horizontale Grenzlinie zwischen Himmel und Ozean aufhoben zu einer fein aquarellierten Farbverlaufsstudie erlöschenden Lichtes:
Aber wie der Mensch so ist, er gewöhnt sich rasch auch an das Außergewöhnliche: Irgendwann guckt man dann nur noch flüchtig hin, es ist ja eh fast jeden Abend das gleiche Feuerwerk zu sehen...
Womit wir am Ende unserer diesjährigen Expeditions-Berichterstattung angekommen wären. Der zonebattler (der dafür tatsächlich länger gebraucht hat als für die Reise selbst) gesteht freimütig, die Serie ohne rechtes Konzept angegangen zu sein in der Hoffnung, daß sich das knappe halbe Hundert zum Vorzeigen ausgewählter Fotos schon irgendwie zu einer halbwegs interessanten Geschichte zusammenfädeln lassen würde. Ob das nun aus der Sicht der geschätzten Leserschaft geklappt hat und zudem einigermaßen interessant und lesenswert ist, vermag er allenfalls zu hoffen; für das Bewahren des Erlebten in der eigenen Erinnerung genügt ihm das Ergebnis allemal.
Schließen möchte ich mit einem empfehlenden Hinweis auf die private Website La Palma Aktuell. Die »täglich frischen Nachrichten von einer kleinen grünen Insel im Atlantik« taugen nicht nur zur Urlaubsvorbereitung, sondern bieten eine Fülle von aktuellen und fundierten Insiderinformationen für alle, die sich mit ihrem Reiseziel (oder gar dem ins Auge gefaßten späteren Wohnsitz) intensiv beschäftigen möchten.
Donnerstag, 24. Juni 2010
Wiewohl auf La Palma und den übrigen Inseln des kanarischen Archipels ewiger Frühling herrscht, geht dieser natürlich schon mit zuweilen ganz beachtlichen Niederschlagsmengen einher, zumal auf der passatwindbeaufschlagten Ostseite von La Isla Bonita. Kein Wunder also, daß die traditionelle Dachform dem Rechnung trägt und dem vom Himmel fallenden Wasser den kürzesten Weg nach unten weist:
Dennoch ist auch die festlandspanische Flachdachbauweise weit verbreitet, wohl weil eine bespielbare Dachfläche praktischerweise zum Trocknen und Dörren der Ernte, zum Fußballspielen, Sonnenbaden und nicht zuletzt zum Wäscheaufhängen taugt. Leider ist sie halt auch immanent ursächlich für die oft anzutreffenden Schimmelprobleme im Inneren der Häuser, denn Wasser hat einen kleinen Kopf, wie die alten Architekten zu sagen pflegen. Auch sonst zeichnen sich die oftmals in den Hang gebauten Bauernhäuschen durch in unseren Augen eher unpraktische Details aus: Warum zum Beispiel montieren die insularen Spanier die Fensterscheiben vor die Fensterläden? Ist das am Ende das Resultat einer arbeitsbeschaffenden gesetzlichen Regelung, initiiert und durchgesetzt von der übermächtigen Glaserlobby?
Na ja, nicht alles kann und muß man mit unserer germanisch-analytischen Denkweise erklären, die Welt ist bunt und das ist auch gut so. Auf der Großbritannischen Insel halten sie ja auch an ihren winzigen Hähnen für Eiswürfel links und Wasserdampf rechts fest und kämen nie auf den Gedanken, die traditonellen Armaturen gegen unsportliche Einhebelmischer from the continent auszutauschen...
Aber lassen wir das Genöle und werfen wir stattdessen lieber noch schnell einen Blick auf eine L(i)egebatterie zur platzsparenden Haltung von Pauschal-Touristen:
So manch ein fröhlicher Zecher dürfte dort nach übermäßigem Genuß alkoholischer Getränke seine liebe Not haben, den Eingang zur eigenen Zelle wiederzufinden, sieht es doch links wie rechts auf Dutzenden von Metern gleich aus. Na ja, jedem das seine und jeder das ihre...
Wer es sich leisten kann und etwas abseits der Hauptstraße seine Ruhe sucht, kann natürlich auch exklusiver wohnen, und das nicht nur für ein paar Tage im Jahr:
So manches Häuschen im (üppig wuchernden) Grünen hätte dem zonebattler und seiner besseren Hälfte durchaus zugesagt, indes es nagten in ihnen leise Zweifel, ob die auf Reisen erlebten Freuden des Gastlandes, die Schönheiten der Natur und ein eher entschleunigter Lebensstil auf Dauer nicht doch etwas eintönig wären: Das kulturelle Angebot ist bei aller Vielfalt letztlich nicht mit dem heimischen zu vergleichen! Und darum fanden wir nach drei Wochen intensiven Einlassens auf die örtlichen Verhältnisse, das es damit jetzt doch (vorerst) genug wäre...
Dies also war der neunte Streich, und der zehnte folgt sogleich: Im letzten Teil unseres bunten Bilderbogens wollen wir unsere launische Reise-Reportage mit ein paar wolkigen Ausblicken beschließen (und dann endlich wieder zur Tagesordnung übergehen)...
Süßer und scharfer Senf: