Montag, 31. Mai 2010
Aus der Tiefe des Raumes hat unserer rühriger Stadtheimatpfleger wieder einmal zugeschlagen und ein interessantes Buch zur Fürther Mobilitätshistorie verfaßt:
Der reich bebilderte Wälzer erscheint zwar erst am 10. Jun. 2010, der Pressetext des herausgebenden Verlages macht aber jetzt schon neugierig:
Zu Wasser, zu Lande und in der Luft
Eine Fürther Verkehrsgeschichte
Alexander Mayer
Pünktlich zum 175. Jubiläum der Pionierfahrt des „Adlers“ zwischen Nürnberg und Fürth lädt der Fürther Stadtheimatpfleger Alexander Mayer zu einem unterhaltsamen Streifzug durch die Verkehrsgeschichte der Stadt ein, die ihren Namen und ihre Existenz der Rednitzfurt verdankt. Kompetent und kurzweilig schildert Mayer die Entwicklung der Kanalbauten und Fernstraßen von karolingischer Zeit über die industrielle Revolution bis zum Rhein-Main-Donau-Kanal und dem Frankenschnellweg. In Bild und Text verfolgt der Leser die Entstehung der ersten deutschen Eisenbahnlinie mit, den Ausbau des Bahnnetzes sowie den Aufbau von Straßen- und U‑Bahn. Auch die Geschichte der beiden Flughäfen und die Entwicklung des Autoverkehrs mit all seinen Problemen dürfen in diesem reichhaltig und abwechslungsreich illustrierten Band nicht fehlen. Ein rasanter Streifzug durch alles, was sich in und durch Fürth bewegt.
Schon am von der Rednitzfurt abgeleiteten Stadtnamen wird deutlich, wie wichtig die verkehrsgünstige Lage an der Kreuzung mittelalterlicher Handelswege und zwischen Main und Donau für Fürths Entstehung und Entwicklung waren. Der Leser begleitet Reisende auf holprigen Wegen und gemächlichen Treidelfahrten und gewinnt einen Eindruck von der Mühsal des Reisens im Mittelalter und der frühen Neuzeit.
Kanäle und die Eisenbahn wurden überall auf der Welt zu Motoren des Industriezeitalters und Fürth nahm in Deutschland eine Pionierrolle ein. Ausführlich schildert Mayer die Planung und den Bau der Strecke von Nürnberg nach Fürth und die parallel betriebenen Kanalbauten.
Der Aufbau eines effektiven Nahverkehrs war zugleich Folge und Bedingung der fortschreitenden Industrialisierung Von der Pferdebahn über die 1898 eingeführten elektrischen Triebwagen zeichnet der Autor die Entwicklung des Nahverkehrs in der Metropolregion bis hin zu S- und U‑Bahn nach. Er erörtert Entwicklung und Probleme des Strebens nach der autogerechten Stadt und porträtiert die beiden Flughäfen, mit denen Fürth schon sehr früh den Anschluss an das Luftverkehrsnetz fand.
Sutton Verlag, ISBN: 978–3‑86680–594‑1
128 Seiten, 17,90 € [D] |
Für eingefleischte FürtherInnen mit Interesse an der Lokalhistorie ist das zweifellos ein Pflichtkauf! Und wer es noch nicht kennt, sei auch auf das vor zwei Jahren im gleichen Verlag publizierte Buch zur Grundig-Geschichte hingewiesen...
Sonntag, 30. Mai 2010
Mit knapp zwei Jahrzehnten Abstand hat der zonebattler heuer zum zweiten Mal im Leben spanisches Territorium betreten. Erneut war es eine Insel, zum ersten Mal indes eine kanarische solche: La Palma, La Isla Bonita hatten er und seine bessere Hälfte sich zum Ziel ihrer diesjährigen Expeditionsreise auserchoren.
400 km westlich von Afrika gelegen, war diese recht kleine Vulkaninsel (gut 40 km lang, knapp 30 km breit) lange Zeit der letzte Stützpunkt vor jener neuen Welt, die Kolumbus (der übrigens selbst nie auf der Insel gewesen ist) auf der anderen Seite des weiten Ozeans entdeckt hatte. Der Reichtum, den Kaufleute, Spekulanten und andere frühe »global player« durch den Handel mit der neuen Kolonie etwa ab dem Jahre 1500 in die Haupt- und Hafenstadt Santa Cruz de La Palma brachten, ist dort heute noch zu erahnen. Von den von den spanischen Eroberen dahingemetzelten verdrängten Ureinwohnern hingegen sind nur ein paar Petroglyphen überliefert. Wir selbst wollten freilich weniger auf den historischen Spuren der Konquistadoren wandeln, sondern uns primär die einzigartige Natur des Eilandes auf ausgedehnten Wanderungen erschließen. Mit Karte, Reiseführern [1], Smartphone [2], GPS-Tracker [3], Kamera [4] und Rucksäcken mit Trinksystem [5] bestens ausgerüstet, begannen wir sogleich mit der systematischen Erforschung des aus geologischer, wie auch aus botanischer und zoologischer Hinsicht gleichermaßen einzigartigen Eilandes...
Wer auf La Palma wandern will, braucht einen (Miet)wagen, um in serpentinenreicher Fahrt zum Start- und Zielpunkt seiner Tour zu gelangen. Man merkt schnell, daß die kleinen Abmessungen der Insel nur wenig mit den zurückzulegenden Strecken und den dafür benötigten Fahrzeiten zu tun haben: Ständig geht es durch Haarnadelkurven sonder Zahl bergauf oder bergab, man kommt aus dem Drehen des Lenkrades von einem Anschlag bis fast zum anderen über weite Strecken gar nicht mehr heraus.
Kein Wunder daher, daß man für läppische 20 km Luftlinie einen halben Tag brauchen kann und unterwegs fast nur Kleinwagen und geländegängige Pickups zu Gesichte bekommt. Mit fetten Limousinen, tiefergelegten gar, würde man dort durchaus nicht repräsentieren können, sondern sich eher lächerlich machen. Wie die ganzen Bus- und Lastwagenfahrer ihre ausladenden Vehikel kreuz und quer durch die Insel chauffieren, ist mir bis heute schleierhaft. Der zonebattler jedenfalls pilotierte einen kompakten Renault Clio mit Servo-Lenkung und hat sich gestern bei der ersten Fahrt daheim mit dem eigenen Minibus sehr darüber gewundert, warum ihm dessen Lenkrad und Pedale allesamt so ungewohnt schwergängig vorkommen...

© Powered by OpenRouteService; Map data: © OpenStreetMap contributors
Anders als im Vorjahr zeigen die übereinandergelegten Tracker-Dateien mit den gefahrenen und den gewanderten Strecken diesmal keinen Rundreise-Kurs: Wir wohnten ja nicht wie sonst ambulant in der mobilen Renngurke, sondern stationär und während des gesamten Reisezeitraumes in einem gemieteten Ferienhaus, von dem wir tagtäglich immer wieder neu (aber naturgemäß oft über die gleichen Straßen) ausrückten.
Unser Domizil bestand recht eigentlich aus dem mittleren von drei leicht versetzt aneinandergebauten Häuschen. Zunächst waren wir überrascht, links und rechts keine Nachbarn vorzufinden, später gewöhnten wir uns daran und gegen Ende hätten wir es wohl tatsächlich als unangenehm empfunden, wenn unsere splendid isolation noch durch andere Touristen gestört worden wäre. Die offenbar typisch schwache Auslastung der (inselweit üppig dimensionierten) Übernachtungskapazitäten hat freilich ihre Schattenseite in Form von Muff und Schimmel, welcher sich leicht dort ausbreiten kann, wo hohe Luftfeuchtigkeit und geringe Luftzirkulation eine unheilige Allianz eingehen... Lüften, Lüften und nochmals Lüften hat uns geholfen, unserer ansonsten formidablen Finca die unangenehmsten Gerüche (wenn auch nicht deren Verursacher) für die Dauer unseres Aufenthalts halbwegs auszutreiben.
In der einfach, aber komplett ausgestatteten Hütte fand sich sogar ein Pärchen passabler PC-Aktivboxen, deren kleiner Klinkenstecker sogleich in die passende Buchse meines Handys fand: Da ich neben den Beethoven’schen Symphonien und Klavierkonzerten u.a. die Telemann’sche Tafelmusik und überdies noch sämtliche Trompetenkonzerte des gleichen Komponisten im Telefon gespeichert vorhalte, war damit eine gediegene Grundversorgung mit Frühstücksmusik sichergestellt (Parsifal, Lohengrin und Tannhäuser wären auch noch mit auf der Speicherkarte, aber situativ nicht unbedingt angebracht gewesen)...
Im Gegensatz zu den aus der Heimat gewohnten langen Dämmerungszeiten wird auf La Palma das Tageslicht am Morgen zügig angeschaltet und des Abends nicht minder flott wieder abgedreht, eine Folge der im Vergleich zu Deutschland weit südlicheren Lage auf dem Globus. Man muß das Phänomen in seine Tagesplanung einbeziehen, wenn man nicht riskieren will, nach dem Genuß eines spektakulär knalligen Sonnenuntergangs am einsamen Strande kurz darauf im Zappendusteren zu stehen.
Das nachfolgende Foto zeigt nicht etwa einen Ausschnitt aus der Altdorfer’schen »Alexanderschlacht«, sondern einen Blick von der großen Terrasse unserer Casa in Richtung Meer und untergehende Sonne:
Am unteren Bildrand sind schon jene gewebeüberspannten Bananenplantagen zu erahnen, von deren inselverschandelnden (und potentiell gesundheitsgefährdenden) Nebenwirkungen später noch zu berichten sein wird.
Soviel zur Einstimmung, soviel für heute. Im nächsten Teil brechen wir endlich auf und beginnen uns auf der Insel gründlich umzuschauen...
[1] Wir hatten im Gepäck:
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WK E2 – La Palma – Wander- und Freizeitkarte 1:30000
Verlag Freytag & Berndt, Wien
Gute, detaiilierte Karte, die auch für den Autofahrer taugt. Ideal wäre es, wenn die Straßenkilometrierung hin und wieder mit eingedruckt wäre. Nach häufigem Falten beginnt sich die Karte an den Knickstellen zu zerlegen, aber einen mehrwöchigen Urlaub hält sie aus und durch...
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Klaus und Anette Wolfsperger:
La Palma – Die schönsten Küsten- und Bergwanderungen
Bergverlag Rother, München (10. Auflage, 2010)
Das Standardwerk für das Bestreifen der Insel. Gehört schon wegen des praktischen Kompaktformates in den Rucksack bzw. in die Hand jedes Wanderers. Leider finden sich in den Tourenbeschreibungen mitunter kaum nachvollziehbare Zeitangaben, nicht eindeutig identifizierbare Wegpunkte und diffuse Aussagen zu den Schwierigkeitsgraden (z.B. bei Nr. 42: »leichte, aber etwas anstrengende Wanderung«). Na ja. Sehr hilfreich sind die ergänzenden und korrigierenden Käuferkommentare bei amazon.de!
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Michael Reimer und Wolfgang Taschner:
Genusswandern auf La Palma -
Traumtouren auf der grünen Insel der Kanaren
Bruckmann Verlag, München 2007
Diesen reich bebilderten Wanderführer habe ich als Restposten-Exemplar kurz vor dem Urlaub in der Nürnberger zweitausendeins-Filiale zufällig erspäht und sogleich für kleines Geld mitgenommen. Dank der vielen bunten Fotos und des übersichtlichen Layouts wäre dieser Reiseführer eine Empfehlung wert, wenn, ja wenn nicht das große A5-Format so unpraktisch wäre! Zum appetit-anregenden Durchblättern in der Casa ideal, aber für den Einsatz unterwegs leider doch zu unhandlich...
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Izabella Gawin:
La Palma – Handbuch für individuelles Entdecken
Reise Know-How Verlag Peter Rump, Bielefeld (6. Auflage, 2009)
Sehr ordentlicher Allround-Reiseführer in angenehm kompakter Größe. Die Ortsbeschreibungen waren durchaus hilfreich, die allgemeinen Tipps ebenso. Als Selbstversorger im vorab gemieteten Ferienhaus machten wir von den Unterkunfts- und Restaurant-Empfehlungen keinen Gebrauch. Auch dieser generelle Führer hat einen eigenen Wanderteil mit 20 knapp beschriebenen Touren.
Leider nicht dabei hatten wir:
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Irene Börjes und Hans-Peter Koch:
La Palma – Das Reisehandbuch zur grünsten Insel der Kanaren
Michael Müller Verlag, Erlangen 2010
Die Reiseführer aus unserer Nachbarstadt genießen nicht ohne Grund einen hervorragenden Ruf, und der hier genannte wäre mein Wunsch-Führer gewesen. Leider kam die ursprünglich für April 2010 vorgesehene Neuauflage nicht mehr rechtzeitig für uns in den Handel, mittlerweile ist sie für den Juli angekündigt. In einem Andenkenladen auf La Palma hätte ich tatsächlich noch die hierzulande vergriffene Ausgabe von 2007 erstehen können. Schon beim kurzen Durchblättern zeigte sich, daß dieses handliche Taschenbuch mit seinen umfassenden Informationen zu Land und Leuten eine dicke Empfehlung wert ist: Zusammen mit dem Rother Wanderführer und der großen Karte von Freytag & Berndt hat man damit alles Nötige in Händen!
[2] Mein schon früher vorgestelltes Dienst-Handy bewährte sich nicht nur als mp3-Player, sondern auch als Taschenlampe, Ausgaben-Erfasser, Mail-Terminal und dank des integrierten GPS-Empfängers auch als komfortabler Schrittzähler (man beachte den gezeigten Screenshot mit dem Höhenprofil einer Wanderung). Freilich habe ich den (noch zu verifizierenden) Verdacht, daß der Nokia Sports Tracker trotz nicht ausgewählten Online-Zugangs ungefragt Server-Verbindungen hergestellt hat: Ein Auslandstarif von 2 Cent pro 10 KB Datenvolumen klingt moderat, aber es läppert sich da schnell was zusammen. Jedenfalls war das Guthaben meiner Prepaid-SIM-Karte bereits nach einer Woche wundersamerweise aufgebraucht. Gut, daß ich die automatische Deckelung als »Reißleine« einkalkuliert hatte: Mit einem regulären Laufzeit-Vertrag wäre der Spaß womöglich (noch viel) teurer geworden...
[3] Mein schon mehrfach besungener und immer wieder gern erwähnter Vorratsdatenspeicher hat sich in diesem Urlaub einmal mehr bestens bewährt: Mit zwei Satz Standard-Akkus protokolliert er lässig gut 14 Stunden lang alle Bewegungen zuverlässig mit, und sein großzügig bemessener Speicher war auch nach drei Wochen fleißigen Wanderns noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt.
[4] Was bin ich froh, die dicke Digital-Spiegelreflex wieder zurückgegeben zu haben und meiner Kompakt-Knipse treu geblieben zu sein: Bei fünf Stunden in praller Sonne und 1000 Metern Höhenunterschied ist man froh um jedes Gramm, das man nicht mitzuschleppen hat!
[5] Vor Jahren schon hatten wir zwei preiswerte Wanderrucksäcke mit integriertem Wasserbehälter beim Discounter nebenan gekauft, bislang aber nicht genutzt. Bei ihrem ersten Einsatz auf La Palma erwiesen sich die portablen Behältnisse sofort als überaus praktisch: Zum einen sind sie dank schmalen Schnittes und gepolsterter Auflagen weit weniger schweißtreibend zu tragen als meine voluminöseren DB-Lokführer-Rucksäcke, zum anderen ist so ein Trinksystem (bestehend aus einer herausnehmbaren Weichkunststoffblase mit Schlauch und Mundstück dran) von erheblichem praktischen Nutzen: Der Dürstende muß nicht innehalten, um nach einer Flasche zu fingern, sondern nuckelt einfach während des Gehens am Mundstück des am Tragegurt griffbereit festgeklipsten Schlauches. Zudem läßt ein formflexibler Wasservorrat im gepolsterten Extra-Fach des Rucksackes weit mehr Stauraum für andere Zwecke frei als eine mitgeführte starre Flasche...
Mittwoch, 21. April 2010
Fitzcarraldo meets African Queen und die historische Wahrheit ist spannender als jeder Spielfilm: »Das Kanonenboot, das über die Berge kam« (SPIEGEL ONLINE).
Näheres zum Schiff findet sich in einem Wikipedia-Artikel.
Mittwoch, 7. April 2010
Noch bis zum kommenden Sonntag zeigt das Germanische Nationalmuseum in der Sonderausstellung »Plakativ!« einen Teil der äußerst umfangreichen Nürnberger Plakatsammlung. Wie an jedem Mittwoch konnte man auch heute wieder ab 18:00 Uhr bei freiem Eintritt durch das bemerkenswerte Museum schlendern:
Wer sich für Grafik, Design, Layout, Gestaltung und Typographie auch nur einen Hauch interessiert, sollte die nächsten Tage zu einem Besuch in Nürnberg nutzen: Man muß die großen Originale sehen, um sie angemessen würdigen zu können!
Freitag, 11. Dezember 2009
Heute hat sich der zonebattler ein Stündchen Zeit genommen und in der Wikipedia einen bereits bestehenden Artikel umfassend erweitert und sprachlich verfeinert. Es war ihm ein inneres Bedürfnis !
P.S.: Nein, ich bin nicht der auf dem Foto im Wikipedia-Artikel!
Mittwoch, 9. September 2009
Freitag, 20. Februar 2009
Der heute frisch erschienene Rundbrief Nr. 49 unseres Fürther Stadtheimatpflegers Dr. Alexander Mayer beinhaltet dessen Jahresbericht und ist eine spannende und interessante Lektüre, die sich keineswegs nur um die heftig diskutierte »Neue Mitte« dreht. Aber natürlich auch. Erwähnung findet überdies das traurige Schicksal jenes Lokschuppens nahe der Stadtgrenze, der mir schon mehrfach als pittoreskes Fotomotiv diente...
Mittwoch, 7. Januar 2009
Auf seiner berühmt-berüchtigten Plattform »Rebellen ohne Markt« betreibt der bekannte Blogger Don Alphonso gerne billiges Berlin-Bashing und journalistische Kollegenschelte, welche den unbedarften Leser auf Dauer ob einer gewissen, repetitiven Eintönigkeit doch recht ermüden kann. Mit seinem kulturkritischen Essay »Der unfeine Tod des feinen Porzellans« hat der gelernte Kunsthistoriker freilich wieder einmal ein Kleinod in die virtuelle Welt gesetzt, dessen Lektüre unbedingt lohnt: Hinterher hat man einen anderen Blick auf die Zusammenhänge zwischen Lebensart, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Optimistisch in die Zukunft blicken wird man allerdings kaum.
Dienstag, 16. Dezember 2008
Dem wissenschaftllich und technisch interessierten Teil der geschätzten Leserschaft sei heute die Lektüre dieser spannenden Geschichte empfohlen: Es geht darum um die abenteuerliche Restaurierung von frühen Satelliten-Fotos unseres Erdtrabanten, die auf mittlerweile über 40 Jahre alten Analog-Bändern schlummerten und ihrer längst überfälligen Aufbereitung harrten...
Samstag, 18. Oktober 2008
In einem abbruchreifen Haus, dessen Betreten mittlerweile längst nicht mehr ganz ungefährlich ist, haben wir neulich in einer Unmenge Schutt und Müll ein kleines Doppelportrait gefunden. Das Glas des hölzernen Aufstell-Rahmens war zersplittert, auf der deshalb ungeschützten obere Hälfte der alten Fotografie waren Feuchtigkeit und Schimmelbefall schon fleißig dabei, das Angedenken an die beiden Dargestellten für immer auszulöschen. Da mich das in Sepiatönen gehaltene Bild irgendwie berührt hat und es überdies offenkundig ist, daß die Portraitierten schon längst nicht mehr unter den Lebenden weilen (können), kann ich das Foto hier wohl bedenkenlos vorzeigen und damit letztlich doch dem Vergessen entreißen:
Wen oder was sehen wir da? Vermutlich eine Mutter und ihren Sohn, letzterer durch Militärmantel, Gürtel und Uniformmütze mit Reichsadler als Angehöriger der Deutschen Wehrmacht ausgewiesen. Womit das Foto grob auf den Zeitraum von 1933 bis 1945 zu datieren wäre. Das Lächeln das jungen Mannes mutet zaghaft an, das seiner Mutter (oder sollte es gar seine Großmutter sein?) eher in sich gekehrt und unsicher. Ist das letztlich nur die Folge der ungewohnten Situation, des steifen Stillhaltenmüssens vor der neugierigen Kamera? Oder scheint schon die ‑berechtigte- Sorge durch, ob der Sohn (Enkel?) dermaleinst lebendig und in einem Stück aus der Feueresse des Krieges zurückkehren wird? Wir wissen es nicht, wir können es nur annehmen. Spekulation ist es ferner, die Szene im Atelier eines Berufsfotografen verorten zu wollen, doch deuten der arrangierte Vorhang rechts und natürlich die zeitgenössischen Usuancen darauf hin. Dennoch verbreitet das einfache Mobiliar eine Aura kleinbürgerlicher Enge und Betulichkeit. Aber wie hätte unter den spießigen braunen Machthabern auch etwas anderes entstehen sollen?
Kleine Leute, gewiß, die uns da anschauen und die sicherlich nicht Geschichte geschrieben haben, sondern von dieser in ihrer Existenz bestimmt wurden. Was haben sie in jenen Zeiten gedacht und gemacht? Mit all’ den anderen gejubelt und da schnell weggesehen, wo sich die häßliche Fratze des Regimes in aller Deutlichkeit zeigte? Wir wissen es nicht, wir werden es auch nicht mehr erfahren. Wir können uns daher auch kein Urteil anmaßen, wohl aber darüber nachdenken, daß auch von uns dermaleinst nicht viel mehr übrig bleiben wird als hier ein Foto, da ein Stück Film und dort vielleicht ein kreatives Werk, welches den eigenen Tod überdauert.
Mögen die beiden in Frieden ruhen...
Montag, 6. Oktober 2008
Montag, 25. August 2008
Wieder in Frankreich angelandet, strebten wir latent heimwärts unter Anvisierung der folgenden noch zu besichtigenden oder kurz heimzusuchenden Etappenziele: Cap Blanc-Nez – Wissant – Cap Gris-Nez – Boulogne sur Mer – Le Touquet – Abbeville – Amiens – Roye – Noyon – Le Plessis-Brion – Compiègne – Pierrefonds – Soissons – Laon – Reims – Châlons-en-Champagne – L’Épine – Verdun – Metz – Idar-Oberstein – Meisenheim (Glan) – Rüsselsheim – Veitshöchheim, wobei die letztgenannten vier Stationen natürlich schon wieder in Deutschland zu verorten sind.
Als unerwartet schwierig gestalte sich tatsächlich der Versuch, den in England fast leergefahrenen Kraftstofftank des Einsatzwagens auf französischem Boden wieder vollzukriegen: Viele Tankstellen haben zwar 24 Stunden pro Tag geöffnet, arbeiten aber ohne jegliches Personal. Die automatischen Zapfsäulen wiederum mochten unsere ansonsten weltweit allerorten problemlos funktionierenden VISA-Karten nicht akzeptieren. Letztlich kamen wir nur dank der Unterstützung eines freundlichen Monsieurs zum dringend benötigten Sprit, der mit seiner Karte die Pumpe bediente und dafür von mir Bargeld in die Hand gedrückt bekam. Man recherchiere in einschlägigen Foren, in diese landestypische Finanzierungs-Falle tappten schon viele andere Touristen vor uns...
Doch weiter zu des Landes bekannteren Spezialitäten: Die Franzosen stellen vor allem weiche Käsesorten und gothische Kathedralen her, letztere in deutlich weniger Variationen, dafür von erheblich längerer Haltbarkeit. Des zonebattler’s bessere Hälfte kann ohne weiteres ein Dutzend Gotteshäuser pro Tag verdauen, er selbst allenfalls deren drei oder vier, dann läßt er die Schultern hängen und kann die Kamera nicht mehr gerade halten:
Sehr nett ist die Idee, die großen Kirchenschiffe außerhalb der Gottesdienstzeiten aus den ohnehin vorhandenen Säulenlautsprechern dezent mit angemessener Musik zu beschallen, also beispielsweise mit mittelalterlichen Messen oder Madrigalen. Gar komisch wird einem freilich zumute, wenn auf einer Seite die Boxen phasenverkehrt angeschlossen sind und sich dann statt innerer Erhebung rasch innere Mulmigkeit einstellt...
Im Norden Frankreichs sind die Erinnerungen an den »Großen Krieg« allgegenwärtig, womit sie dort freilich keineswegs die temporäre Unterwerfung durch die Deutsche Wehrmacht von 1940 bis 1944 meinen, sondern den ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918, der im kollektiven Gedächtnis der Deutschen schon recht verblaßt zu sein scheint. Das nachwirkende Trauma ist freilich verständlich, denn das apokalyptische Massensterben im weitgehend stationären Stellungskrieg fand ja überwiegend im nahen Flandern und auf französischem Boden statt. Der Norden des Landes ist denn auch übersäht mit Gedenkstätten und Soldatenfriedhöfen mit Gefallenen (aus beiden Weltkriegen).
Zweimal hat Deutschland im letzten Jahrhundert unsägliches Leid über seine Nachbarn gebracht, da gibt es nichts zu beschönigen und auch nichts zu vergessen. Den mittlerwile in Zentraleuropa herrschenden Frieden auf Dauer zu bewahren ist eine Aufgabe, die wir den elend krepierten Opfern aller Nationen schuldig sind...
Am Morgen nach der letzten Übernachtung im ehemaligen Feindesland habe ich die Kamera himmelwärts durch das Glasdach unseres mobilen Bettes blicken lassen:
So schön und mitunter sogar idyllisch das Leben auf Achse auch zeitweise ist (die Übergriffe krimineller Subjekte mal außen vor gelassen), nach gut zwei Wochen sehnt man sich nach einem richtigen Bett unter der Wirbelsäule, und auch eine funktionierende Dusche mit Einhebel-Mischbatterie ist letztlich komfortabler als so ein Plastikkanister mit tagsüber sonnenerwärmten Brauchwasser. Und dennoch: Die von uns präferierte Art des wilden Campens (bei der wir nie mehr in der Landschaft zurücklassen als Reifenspuren und organisch abbaubare Stoffwechselprodukte) ist eine sehr beglückende, da erdende und naturnahe. Mit Geiz hat das nichts zu tun, was wohl jede(r) Gleichgesinnte bestätigen wird...
Den Bogen schließen möchte ich (wie in der zweiten Folge angekündigt) mit ein paar Bemerkungen zur Reisefotografie: Wer eingermaßen ästhetische und formale Ansprüche an die Kunst des Abbildens stellt, läuft schnell nur noch mit dem »Sucherblick« durch die Gegend und verdirbt sich über Fragen der Bildgestaltung den Genuß des Augenblicks. Zudem trifft man auf Reisen häufig zu Zeiten hohen Sonnenstandes und ergo bei unvorteilhafter oder unspektakulärer Beleuchtung bei jenen Sehenswürdigkeiten ein, die (am frühen Morgen oder späten Nachmittag aufgenommen) in Bildbänden oder auf Postkarten so unerhört viel plastischer und fotogener wirken. Aus diesen Gründen lasse ich die Kamera mittlerweile oft stecken und fotografiere nur hin und wieder ein paar Details (oder mache gelegentliche Belichtungsreihen für spätere HDR-Experimente). Die rein persönliche Funktion von Reisefotos, nämlich das nachhaltige Verankern von Erinnerungen für ein späteres Wiederauflebenlassen, konnte ich inzwischen weitgehend an meinen im ersten Teil vorgestellten GPS-Tracker delegieren. Auch wenn der von Google Earth gewährte Blick aus der Vogelperspektive nicht immer ganz aktuell und nicht überall hoch aufgelöst ist: Die später fast auf den Meter genau nachvollziehbare Reiseroute erfüllt den genannten Zweck hervorragend und ermöglicht einem einfacher und besser denn je, die eigenen Expeditionen nochmals im Geiste hautnah zu erleben...
Epilog:
An einem Samstag Abend wieder in Fürth angekommen, liefen wir sofort unseren homezone-nahen Discounter an, um Frischmilch und andere Lebensmittel für den leeren Kühlschrank daheim zu bunkern. Doch was erspähte ich sogleich auf den Milchpackungen, sogar jenen der ausgewiesenen Bio-Variante? Jetzt länger haltbar ohne Geschmackseinbußen. Ja von wegen! Mein weißes Lebenselixier rangiert jetzt sensorisch irgendwo zwischen Frischmilch und H‑Milch, der »Vorteil« der längeren Haltbarkeit nutzt allein der Lagerlogistik, aber nicht dem Verbraucher. Kaum ist man mal weg, krempelt der Handel das Sortiment klammheimlich um. Ihr Schurken, ihr elenden Schufte, wenn ich Euch erwische, lasse ich euch in H‑Milch ertränken!
Süßer und scharfer Senf: